Links-Rechts-Einordnung

Ich glaube, dass man das sogenannte „Links Rechts Schema“ immer an den Themen der Zeit betrachten sollte. Das mag vielleicht ein nicht wissenschaftlicher, sondern eher populistischer Ansatz sein, aber passt für mich besser auf die Sichtweise der Wähler.

Da wäre für mich eine Achse, quasi die Wirtschaftsachse, die Frage, wie stark staatliche Institutionen Vorschriften und Gesetzte zum Klimaschutz machen sollen, Staatsverschuldung, Staatsausgaben, … .
Und die zweite Achsen ist quasi die Gesellschaftsachse mit den Fragen zu Migration, LQBTQ, Familienbild, Gendern, … .

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Die Frage ist aber nicht nur „wie stark staatliche Institutionen Vorschriften und Gesetzte zum Klimaschutz machen sollen“, sondern auch auf welche Art und Weise. Sollen eher Grenzwerte und Verbote regeln oder eher eine Besteuerung.

Die Linke z.B. die sich immer sehr pro Klimaschutz äußert und auf einer solchen Achse sicherlich eher links stünde, positionierte sich z.B. bei der Dekarbonisierung des Gebäudesektors teils auch sehr komisch.

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Ich sage ja, ich habe hier einen eher populistischen Ansatz.
Man könnte den Punkte Klimaschutz auch als eine Art NIMBY Achse verstehen:
Sprich, wie sehr greift der Klimaschutz in mein Leben ein. Und dann ist es egal, ob es Verbote, feste Grenzwerte oder ein stark erhöhter CO2 Preis sind.
Auf der rechten Seite steht die berühmte Technologieoffenheit, Produkte müssen sich auf dem freien Markt durchsetzten, bis zu harter Leugnung.

Und ja, das bedeutet, wenn die FDP einen harten Kurs über den CO2 Preis durchsetzten würde, und der CO2 Preis deutlichst steigen würde, würde die FDP hier deutlich weiter nach links rutschen.

Aber wie gesagt, dass ist nur meine Einschätzung, woran in der aktuellen Zeit die links rechts Kämpfe in der populistischen Meinung vieler verlaufen.

Die Grafik ist mir bekannt und sie ist dennoch erschreckend. Natürlich wird die politische Realität nicht vollumfänglich abgebildet. Aber in der Tendenz wird doch deutlich, wie wenig pluralistisch unsere Demokratie tatsächlich ist. Sämtliche im Bundestag vertretenen Parteien - bis auf die Linke - lassen sich in die rechts-autoritäre Ecke einordnen. Noch krasser wird dies, wenn man sich auf derselben Internetseite die Einordnung der US-Präsidentschaftskandidaten ansieht. Trump und Obama bzw. Trump und Biden sind hier noch weniger weit auseinander als SPD und CDU. ME wird anhand dieser Vereinfachung aber ein grundlegendes Problem unserer Demokratie bzw. der politischen Linken deutlich: die Menschen haben kaum eine Wahl zwischen wirklich unterschiedlichen politischen Positionen und die politische Linke findet in der politischen Realität kaum statt. Stattdessen gelten Grüne und SPD als links, obwohl sie höchstens linksliberal, d.h. rechts sind.

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Wenn der Begriff links und rechts nicht nützlich ist, dann würde ja daraus folgen, dass die „Demos gegen rechts“ im Januar nicht aussagekräftig wären.
Wenn ich auf die Straße gehe, wäre das schon gut, wenn ich eine vage Vorstellung habe, wofür oder wogegen ich bin.

Also scheint links und rechts ja einen Bedeutungsraum zu haben, der auch im politischen Diskurs genutzt wird. Warum sollte das also nicht benutzt werden?

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Ich habe die Seite denke ich zur Genüge verlinkt. Vielleicht hätte ich „ausreichend“ statt „ausführlich“ schreiben sollen, denn so empfand ich die Erläuterungen. Abgesehen davon muss ja nicht jeder das Modell mögen.

Könntest du mal ein paar Beispiele nennen für linke Wirtschaftspolitik, die du in den aktuellen Debatten vermisst, die innerhalb des Grundgesetztes, EU Rechts und WHO möglich sind?

Oder geht es dir eher um eine generelle linke Vision?

Nur einige Ideen: mehr staatliche Regulierungen und Preisdeckelungen im Bereich der Daseinsvorsorge (von Energie über Wohnen bis hin zum öffentlichen Verkehr); Vereinheitlichung von Mindestlöhnen und tariflichen Mindeststandards auf EU-Ebene; Einführung bzw. Erhöhung von Vermögens- und Erbschaftssteuern; höhere Spitzensteuersätze; höhere Grundfreibeträge bei Einkommenssteuern; Senkung bzw. sozialer Ausgleich von Verbrauchssteuern (inkl. CO2-Abgaben) für Geringverdienende etc. pp.
Es mangelt hier m. E. nicht an Ideen oder rechtlichen Möglichkeiten, sondern am politischen Willen, dem Staat ausreichende Einnahmen für die Erledigung seiner gesellschaftlichen Aufgaben zu verhelfen. Allzu viele haben Dogmen wie das der schwarzen Null verinnerlicht, leider auch innerhalb der Linken.

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MMn sind das alles Vorschläge, die an den wirtschaftlichen Strukturen nichts ändern, sondern nur Löhne erhöhen, und Steuereinnahmen stärker nach unten umverteilen.

Nach The Political Compass wäre das immer noch im Kern eine rechte Wirtschaftspolitik.

Die Aussage, die Leute hätten keine Wahl ist doch falsch. Es gibt doch sehr wohl linke Parteien zur Wahl, angefangen bei der Linken bis hin zu Parteien links davon.

Dass diese Parteien nicht stattfinden ist doch eine Entscheidung der Wähler.

Korrekt, du hattest ja explizit nach Vorschlägen gefragt, die sich am Rahmen des Bestehenden orientieren.

Das sehe ich anders. Erstens bildet etwa der Kompass zur Bundestagswahl 2021 nur die Programme der aufgeführten Parteien ab, von denen allenfalls die LINKE die von mir erwähnten Forderungen in einem nennenswerten Fall vertrat - und die ist nach dem Kompass eben die einzige nicht ökonomisch rechte Partei. Zum anderen wirkt sich ja nicht nur der Faktor „Systemveränderung“ auf die Positionierung auf der X-Achse (economic left or right) aus, sondern auch die Haltung zu bestimmten Fragen, etwa der Besteuerung oder Umverteilung.

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Formal stimmt das. Aber wenn es de facto (also mit Aussicht auf Vertretung im Parlament oder gar in der Regierung) keine realistische Möglichkeit gibt, eine linke Partei zu wählen, kann man das auf zweierlei Weise interpretieren: Einerseits als Beleg dafür, dass entsprechende Haltungen in der Gesellschaft keine Rolle spielen und es deshalb keinen Bedarf für eine entsprechende Partei gibt und andererseits als Hinweis darauf, dass es diesen Bedarf möglicherweise gibt, er aber keine politische Repräsentation in Form einer Partei findet. Meinungsumfragen etwa zum Thema Vermögenssteuer legen eher die zweite Lesart nahe. Und auch die Tatsache, dass die Wahlbeteiligung bei sinkendem Bildungs- und Einkommensniveau signifikant geringer wird, könnte ein Hinweis darauf sein, dass es hier eine Repräsentationslücke gibt.

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Möchte hinzufügen, dass Menschen mit ausländischer Staatsbürgerschaft bei den meisten Wahlen weder aktiv noch passiv wahlberechtigt sind (würde man nochmal nach EU- und Nicht-EU-Staatsangehörigen unterscheiden, würde sich das Bild vermutlich noch verschärfen). Unter diesen finden sich besonders viele arme und armutsgefährdete Menschen (Quelle) - trägt zu der von Dir vermuteten Repräsentationslücke bei. Dieser Befund zeigt mE schon eine rechte politische Struktur. Ob die linke Themen pushen würden, weiß ich nicht.

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Ich denke, es gibt keine „exakten“ Bedeutungen dieser Begriffe – höchstens bei konservativ („alle Regeln genauso lassen“) und anarchisch („alle Regeln abschaffen“). Ich bin aber optimistisch, dass die Varianz der verschiedenen Bedeutungen von „ordoliberal“ deutlich geringer ist, als die Abgrenzung zwischen z.B. libertär, ordoliberal und kommunistisch.

Das mag sein. Ich plädiere für den Versuch, die Politikwissenschaft mehr in die öffentliche Debatte einzubeziehen.

Ich würde gerne widersprechen, aber vermutlich liegen Sie mit dieser pessimistischen Sicht richtig. Die optimistische Sicht wäre, dass diese populistischen Autoren, die mittels Links-Rechts-Schema eine angeblich einfache (aber unzureichende bis realitätsverzerrende) Lösung für das komplexe Problem des Parteienvergleichs anbieten, entzaubert und aus dem öffentlichen Diskurs verdrängt werden.

Wieso?

Immerhin haben 2 Parteien die hier rechts stehen genau diese Vermögenssteuer in ihrem Programm. Und hier im Forum wird ja gerne betont, dass laut Umfragen sogar eine Mehrheit der Wähler der Union für eine Vermögenssteuer sind.

Dass Leute eigentlich gerne eine Partei links der Linke wählen würden, weil die aber keine Chance hat ins Parlament einzuziehen dann doch lieber CSU wählen halte ich dann schon für weit hergeholt.

Und warum sollten diese Nichtwähler ausgerechnet diese linke Parteien deutlich überdurchschnittlich wählen, wo doch genau in diesem Umfeld die AfD in Umfragen wie auch bei Wahlen besonders stark ist?

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Das Begriffspaar „links“ und „rechts“ sollte nicht genutzt werden, da es aufgrund seiner semantischen Bedeutungslosigkeit regelmäßig als „gut“ und „böse“ instrumentalisiert wird, wobei beide Seiten für sich deklarieren, dass sie die „Guten“ sind und die anderen die „Bösen“ sind. Dadurch wird der politische Diskurs unnötig moralisiert und zunehmend destruktiv ausgetragen.

Die Demos im Januar hätten sich auch präzise „gegen völkische Forderungen“ richten können.

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Das legt den Finger mE in die Wunde.
Etwas holzschnittartig und nur meine 2ct: Es gibt keine schlagkräftige linke Partei, die als Partei der Arbeiterschaft oder des Prekariats wahrgenommen wird wie früher die SPD. Die AfD geriert sich rechtsaußen recht erfolgreich als Partei des „kleinen Mannes“ (s. Stimmanteile unter Arbeitnehmer:innen und weniger Gebildeten bei der Europawahl). Menschen dieser Gruppe, die sich aber mit rechtsaußen nicht wohl fühlen, haben kein ähnliches Sammelbecken. Die Linke, die wirtschaftlich-materiell linke Politik für ärmere Menschen vertritt, wird dort nicht angenommen, u.a. da sie (so falsch ich das persönlich finde) als zu minderheitenfreundlich oder gesellschaftlich progressiv empfunden wird. (Auch gibt es keine der Bild & Co. aufseiten von Neoliberalismus und Minderheitenverachtung vergleichbare mediale Dauerbeschallung mit dieser Zielgruppe auf der linken Seite.)
Wagenknecht mobilisiert wohl einige dieser Menschen, da sie gesellschaftlich mindestens konservativ agitiert. Alles weitere wird man sehen müssen.

Ich würde den im Thread genannten Achsen noch eine hinzufügen: moderat/reformorientiert vs. radikal/revolutionär. Die AfD ist Letzteres, alle anderen größeren Parteien (bei Wagenknecht ist es unklar) sind moderat. Die Einordnung als revolutionär speist sich insbesondere aus der Ablehnung des „Systems“ und der Betrachtung aller anderen Parteien als ohnehin irgendwie gleich (AfD sieht alle anderen Parteien als Feinde, wobei es nicht auf dieses harte Wording ankommt).* Ich vermute, einige Menschen unter den Nichtwählenden haben mit dem „System“ abgeschlossen und suchen eine radikale Kraft - eher auf der Linken, denn sonst würden sie AfD wählen.

Zusammengefasst sehe ich auf der Linken ein moderates (reformorientiertes) linksliberales Lager (Linke, Grüne, kleiner Teil der SPD, Volt) und ein linkskonservatives, das sich wiederum in moderat (linker Teil der SPD, Boris-Palmer-Grüne) und vor-revolutionär (Wagenknecht) aufspaltet.

Ich persönlich wünsche mir in dieser Lage eine gern auch mit etwas Pathos und rhetorischer Schärfe auftretende, linksgrüne Sammlungsbewegung, die es schafft, gegensätzliche Positionen in der Gesellschafts- und Kulturpolitik wenigstens zeitweise zu integrieren oder zu überspielen, um die dicken Brocken bei Klimaschutz, sozialer Schieflage und staatlichen Investitionen zu bearbeiten. Die Millionen-Dollar-Fragen wären wohl, wie bekommt man die unterlegene der beiden zu dieser Bewegung gehörenden Fronten befriedigt und wann schlägt die scharfe Rhetorik in revolutionären Charakter um?

*Treffend daher auch die Bezeichnung der FDP als tlw marktradikal.

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Ich beanspruche sicher nicht, genau zu wissen, was wäre, und habe deshalb bewusst vorsichtig formuliert. Aber sowohl der Verweis auf die AfD- als such auf die CSU-Wähler verbleibt ja letztlich im Rahmen der existierenden relevanten Parteien. Die Repräsentationslücke besteht aber nicht darin, dass Leute aus einer bestimmten sozialen Schicht eher andere Parteien wählen, sondern dass sie vergleichsweise sehr viel seltener überhaupt wählen. Da finde ich lohnt es sich schon darüber nachzudenken, ob es nicht vielleicht eine Partei geben könnte, die heute noch nicht existiert, die mit ihrer Programmatik zuminidest einige dieser Leute so überzeugt, dass sie sich von ihr vertreten fühlen und sie deshalb wählen. Die AfD und in Teilen auch das BSW hat das ja schon gezeigt. Und ich halte es zumindest nicht für ausgeschlossen, dass auch eine klar linke Partei (also ökonomisch noch viel klarer links als die Linkspartei 2021) in diesem Sinne erfolgreich sein könnte. Ich sage ja bewusst nicht, dass es mit Sicherheit so wäre. Aber auszuschließen, dass es so sein könnte, nur weil die aktuellen Wählerpräferenzen nicht so sind, finde ich etwas zu einfach.

In diesem Sinne. Yep, so ist es gerade. Das heißt aber nicht, dass es nicht auch anders sein könnte.

Ich bezweifle ja stark, dass der Wunsch, im politischen Diskurs die eigene Position (moralisch) aufzuwerten und konkurrierende Positionen (moralisch) abzuwerten, nur an diesen beiden Begriffen hängt. Anders gesagt: Wenn wir die Begriffe „links“ und „rechts“ abschaffen, wird diese Auf- und Abwertung einfach mit anderen Begriffen stattfinden. Dass eine Kritik an den Inhalten der AfD besser wäre als eine mitunter oberflächliche Kritik daran, dass die Partei „rechts“ ist, würde ich sofort unterschreiben. Das würde allerdings für andere Parteien zu einem Widerspruch führen, sobald sie (wie etwa in der Migrationspolitik) die Positionen der AfD übernehmen bzw. sich diesen annähern.

Das finde ich beim Kompass durch die Entfernung von der Mitte bzw. die Nähe zum Rand ausreichend abgebildet. Mal etwas überspitzt: Wenn man für jede politische Unterscheidung eine eigene Achse einführt, bringt das Modell auch nicht mehr Übersichtlichkeit und vergleichbarkeit als ein Wahlomat.

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Aber wie kommst du von den Zustimmungswerten zur Vermögenssteuer darauf, dass mehr Leute eine Partei links der Linke wählen würden, wo sogar Parteien die hier rechts stehen eine Vermögenssteuer im Wahlprogramm haben?

Weil ich davon ausgehe, dass es einen Unterschied macht, ob eine Partei sich tatsächlich konsequent für mehr soziale Gerechtigkeit einsetzt und entsprechende Forderungen auch glaubwürdig vertreten kann oder ob z. B. die SPD das zwar alle vier Jahre in ihr Wahlprogramm schreibt, aber dann eine Finanz- und Wirtschaftspolitik macht, die sich in den Augen vieler von derjenigen der FDP nur in Nuancen unterscheidet, mit einem Finanzminister und Bundeskanzler, der die Schuldenbremse mit im Grundgesetz verankert hat, der mutmaßlich aktiv Milliadären geholfen hat, sich Steuergelder zu erschleichen etc. pp. Im Kern ist das ja auch ein Kalkül des BSW, was wie gesagt m. E. auch in Teilen aufgeht. Nur ist der Unterschied zu dem was ich mir vorstelle, dass etwa Wagenknechts wirtschaftspolitische Vorstellungen eben eher zu Ludwig Erhard und damit zur CDU der 1960er Jahre passen als zu einer progressiven linken Partei aus dem 21. Jahrhundert.

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