Steuerrabatt für ausländische Fachkräfte: komplettes Eigentor

Naja, der Bund der Steuerzahler ist aber bei vielen seiner Rechenkünsten sehr frei mit der Interpretation bzw. stark vereinfachend. Mich nervt der Verein ziemlich.

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Nein, das disposable income per-capita PPP ist bereits kaufkraftbereinigt und beinhaltet zB auch Unterschiede in den Kosten bzw Einsparungen durch Bildung und Gesundheitssystem:

This indicator also takes account of social transfers in kind ‚such as health or education provided for free or at reduced prices by governments and not-for-profit organisations.‘[1] The data shown below is published by the OECD and is presented in purchasing power parity (PPP) in order to adjust for price differences between countries - Wikipedia

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Soweit ich das richtig verstehe steht das alles schon drin. Oder anders gesagt, das Wert von sozialen Leistungen sind schon in der Zahl mit eingerechnet. Wenn man die „equivalized net“ Zahlen anguckt, also nach Steuerausgaben und auf Größe der Haushalt normalisiert, dann sehen die Zahlen noch schlechter aus: 48 625 (USA) vs 33 288 (DE), also -32% (immer noch mit sozialen Leistungen schon drinne).

Und klar, hier hat man ein besseres soziales Sicherheitsnetz, und viele andere Sachen, die keinen klaren Geldwert haben. Das ist aber genau mein Punkt: bei dem vorgeschlagenen Steuerrabatt geht es ausschließlich ums Geld. Und gerade da ist DE einfach nicht konkurrenzfähig gegenüber zB den USA. Man sollte aus meiner Sicht das Geld viel lieber in irgendwas investieren, von dem alle profitieren könnten, was keinen direkten Geldwert hat, um damit die Stärken von DE als potentielles Einwanderungsziel zu verstärken. Also nach dem Motto, „widmet euch dem, in was ihr gut seid“ statt „wirf alles an die Wand und mal gucken was klebt“.

Klar gibt es gute Gründe warum man lieber in DE leben möchte als in den USA! Das will ich auch nicht kleinreden. Bei diesem Steuerrabatt-Vorschlag geht es aber nicht um solche Themen, sondern bloß ums Geld.

That being said, obwohl solche Vergleiche immer im Einzelfall zu betrachten sind, wichtig ist auch: es kann tatsächlich für einige mit Familien wo die Eltern in Steuerklassen 3+5 sind, finanziell sogar ein wenig besser aussehen in DE als in den USA. Bei gut verdienenden – was im Bereich der Fachkraft in der Regel der Fall ist – kommt das jedoch nur sehr selten vor. Und egal wie es den Zuwander:innen letztendlich geht, wenns um Ausländerfeindlichkeit geht hilft es ja auch nicht, wenn man gezielt DE auswählt um solche soziale Leistungen auszunutzen.

Ganz einfach gesagt, ich habe Sorgen und bin enttäuscht. Sorgen, weil ich fest davon überzeugt bin, dass solch ein Steuerrabatt die Ausländerfeindlichkeit in DE deutlich erhöhen wird. Und enttäuscht bin ich, weil ich fest davon überzeugt bin, dass das Geld, das ins Steuerrabatt fließen würde, woanders deutlich nützlicher wäre als bloß in den Taschen denen, die nach DE gekommen sind, selbst wenn man wirklich nur um die bloße Zahl von Immigrant:innen kümmern will. Von mir aus könnte man einfach das ganze Geld, was man damit ausschenken will, stattdessen als Kindergeld auszahlen, und zwar an alle in DE (nicht nur an die ausländischen Fachkräften), und das – da würd ich ziemlich viel wetten – hätte wenigstens genauso groß eine Wirkung auf die Einwanderungszahlen.

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Da kommt dann schon der Verdacht auf, dass vor allem Arbeitgeber für Profiteure wären und den Steuervorteil gleich mal beim Bruttolohn teilweise wieder abziehen.
So ein Umzug ist aber auch mit immensen Kosten verbunden. Einiges davon kann der Arbeitgeber schon jetzt steuerfrei übernehmen. Vielleicht sollte man da ansetzen und das mehr in den Vordergrund rücken und bewerben.

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Kannst du das mit Zahlen belegen? Ich habe bei Statista nur das gefunden.

Kanada - Entwicklung der Reallöhne bis 2022 | Statista.

Danach sind 2022 die Reallöhne zwar um 3 Prozent gefallen, zuvor in 2020 aber um 6 Prozent gestiegen. In den übrigen Jahren gab es moderate Reallohnsteigerungen

In der Tat. Ich zB hab vorm Umzug fast alles verkauft, nur ne einzige Palette mitgebracht bzw per Schiff umziehen lassen, alles selber eingepackt, organisiert, gebucht, usw. Trotzdem hab ich bei 6k€ aufgehört zu zahlen, ohne die etlichen Kleinigkeiten mit einzurechnen. Und von der extrem teueren möblierten Wohnung ganz mal zu schweigen, die man in den ersten Monaten in ner Großstadt nicht umgehen kann. Und auch von der Tatsache abgesehen, dass ich in den ersten zweieinhalb Monaten in DE trotz schon unterschriebenen Arbeitsvertrag nicht arbeiten durfte, weil es bei der Ausländerbehörde so lange dauerte. Und noch obendrauf die Tatsache dass mein kalifornischer Führerschein nicht ohne Wiederholung aller Prüfungen umgeschrieben werden darf, was letzten Endes heißt, dass ich quasi von Vorn nochmal anfangen musste. Also 6k€ + zweieinhalb Monaten Gehaltsausfall + 500€/mo Zuschussmiete (damit meine ich also wie viel teuerer die Wohnung war als meine jetzige, nur 1,5 km davon entfernt) + Führerschein (insgesamt wohl >2k€) + jede Menge andere Kosten. Und das schon ohne Familie, und fast alles verkauft.

Ich mein ja, man könnte die Steuerrabattgelder behalten und alle bürokratischen Sachen, für alle Einwohner:innen, einfach nur kostenlos machen. Alleine das wäre eine bessere Entlastung für Immigrant:innen als ein Steuerrabatt.

Achso, ähm ne, das mag durchaus der Fall sein. Ich meinte, ich hätte das im Freakonomics Podcast gehört zu haben (bezüglich die letzten paar Jahre, also wäre 2022 wohl der Anfang der Diskussion), aber möglicherweise hab ich das falsch in Erinnerung. Auf jeden Fall ist der Suchbegriff dort „equivalized net income“ oder „median equivalized net income“, und „purchasing power parity“. Mit den beiden zwei zusammen heißt es, mit normalisierten Lebenskosten und allen sozialen Leistungen mit drin.

Übrigens, was DE betrifft, ist die Entwicklung dieser Zahl auch alles andere als beeindruckend. Konkret gesagt ist sie ziemlich stagnant geblieben bzw deutlich weniger gestiegen als in anderen entwickelten Ländern. Ich wüsste sehr gerne wie es konkret bei unterschiedlichen demographischen Gruppen aussieht, aber so tief in die Daten reinbohren kann ich derzeit nicht, vor allem weil ich solche detaillierte Daten einfach nicht finden kann. Aber nach vielen Unterhaltungen mit anderen Fachkräften hätte ich den Verdacht dass es bei denjenigen – vor allem bei denen ohne tarifliche Verträge – inflationsbereinigt tatsächlich bergab läuft. Jedenfalls kenne ich unter den Fachkräften in meinem berliner Bekanntenkreis keinen einzigen, wer auch nur ne Gehaltsanpassung wegen Inflation bekommen hat. Und das sogar in ner Stadt die (laut Mercer) neulich als die teuerste Stadt deutschlands gekront wurde.

Hier jedoch ein paar nützliche Links:

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Der Steuerzahlergedenktag ist Propaganda.
Auch die Berechnung ist zu hinterfragen

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Hallo dachsbauer,

einen interessanten Thread hast du da aufgemacht.

Was die Daten anbelangt, möchte ich zu bedenken geben, dass Durchschnittseinkommensvergleiche aufgrund der unterschiedlichen Einkommensspreizung und mehr bzw. weniger Superreichen je Staat stark verzerren. Für einen ordentlichen Vergleich muss es meines Erachtens schon das Medianeinkommen von Haushalten im gleichen Jahr (und dann natürlich PPP) sein.

Vielleicht habe ich die falschen von dir verlinkten Quellen angeklickt, aber das mediane haushaltsverfügbare Nettoäquivalenzeinkommen ist auch noch irreführend, da Abgaben für die gesetzlichen Sozialversicherungen exkludiert sind. Man muss ja den langfristigen jeweiligen Gegenwert für Krankheits-, Arbeitslosigkeits- und Pflegekosten einbeziehen, was meines Wissens in allen gängigen Statistiken nicht gemacht wird. Das deutsche Solidarsystem (bei allen Lücken, die es aufweist - und ich will da auch gar nichts schönreden) garantiert ja gewisse Leistungen, für die über die Lebensspanne hinweg die verschiedenen Sozialversicherungssysteme aufkommen. Anderswo müssen Betroffene im Bedarfsfall mehr aus eigener Tasche, nämlich vom verfügbaren Einkommen, zahlen.

Wenn man’s wirklich genau machen möchte, müsste man im Grunde noch die betrachtete Lebensspanne/-erwartung angleichen bzw. normalisieren. Denn manche Kosten häufen sich erst im hohen Alter. Wenn Menschen in einem Land länger leben als in einem anderen und sich überdies die Alterskohorten demografiebedingt unterscheiden, dann sind auch die Kosten - was man reinsteckt und was man rausbekommt - unterschiedlich.

Ein fairer Vergleich müsste all das mit einpreisen.

Was - bei allem sonstigen Ungemach - gerade US-amerikanische Expats oft an Deutschland als positiv empfinden, sind meines Wissens die relativ hohe Zahl an gesetzlichen Urlaubs- und Feiertagen (weniger arbeiten, um zu leben), Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, geringere Wochenarbeitszeiten und z. B. Mutterschaftsurlaub und Elterngeld.

Strenggenommen müssten solche Faktoren auch noch eingerechnet werden. Zumindest die nach Kaufkraft umgerechnete Reallohnsumme müsste also noch auf Arbeitsstundenbasis umgerechnet werden.

Ich denke auch, dass wir bald die Diskussion haben werden „Die Ausländer nehmen uns die Jobs weg“. Unabhängig von den Fakten

Naja, er mag zwar ein Experte sein, aber als ehem. Mitarbeiter der Linken-Fraktion und Influencer mit politischen Ambitionen, ist die Einschätzung sicherlich eingefärbt.

Ich hab mal die Zahlen der Steuereinnahmen seit 2000 (Lohnsteuer und veranlagte Einkommenssteuer) mit der Lohnentwicklung im gleichen Zeitraum verglichen. Im gleichen Zeitraum wurden aus 1000 Euro Gehalt rund 1700 Euro. Parallel dazu wurden für den Staat aus 1000 Euro Steuereinnahmen 1893 Euro - bereinigt um den Zuwachs an Beschäftigten). Also tendenziell bleibt weniger im Portmonee.

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Hab das gefunden:

Kanadas Kostenindex ist demnach 23% höher und die Kaufkraft 20% niedriger, demnach wäre Kanada nennenswert teurer als Deutschland.

Maurice Höfgen iat nicht Mitglied der Linkspartei, soweit ich weiß. Er macht auch nicht den Eindruck, besonders ausgeprägt links zu sein, sondern kritisiert bei allen Parteien, was zu kritisieren ist, oder lobt, was zu loben ist. Mit Angabe entsprechender Fakten.
Der Bund der Steuerzahler ist ein Lobbyverein, der so tut, als ob Steuern etwas Schlechtes seien.

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Höfgen hat meines Erachtens schon eine bestimmte linke Sicht auf die Welt, was ja auch erst mal gar nicht schlimm ist.

Er ist außerdem ausgesprochener Verfechter der Modern Monetary Theory:

Diese Richtung der Ökonomie wird wiederum auch von linksliberalen Ökonomen kritisiert.

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Maurice Höfgen ist selbstverständlich links und in der Partei Die Linke sowie deren Umfeld politisch aktiv. Das ist ja kein Geheimnis und schwächt erstmal auch nicht seine Argumente.

[Maurice Höfgen war seit] 2020 als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Büro des Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi (Die Linke) tätig. Seit Beginn der 20. Legislaturperiode arbeitet er für Christian Görke (Die Linke). Im Jahre 2021 kandidierte Höfgen erfolglos für den Parteivorstand von Die Linke. - Wikipedia

Darüber hinaus schreibt er für den Freitag und Jacobin, explizit linke Magazine, und produziert Inhalte für Jung & Naiv, ein ebenfalls linkes Format.

Die Diskussion sollte sich doch aber primär um Inhalte drehen und nicht um den Hintergrund einzelner Personen.

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Von einer reinen Betrachtung von Gehältern und Einkommensteuern kann man natürlich überhaupt nichts ableiten - im Hinblick darauf, was im Portemonnaie landet. Denn es gibt ja alle möglichen Retransfers (Kindergeld usw. usf.).

In deinem Beitrag fehlen überdies alle möglichen Angaben zu den Daten und zum Rechenweg. So kann man leider nichts nachvollziehen.

Im Jahr 2000 betrug die reine Steuerquote im Verhältnis zum BIP je nach Berechnungsweise 23,5 % bzw. 22,2 % vom BIP und 2023 (nach vorläufigem Berechnungsstand vom April 2024) 23,1 % bzw. 22,3 % vom BIP:

Somit ist die reine steuerliche Gesamtbelastung quasi unverändert geblieben.

Die Steuer- und Abgabenquote (bei der gleichen punktuellen Betrachtung) ist sogar - trotz demografischer Entwicklung - leicht rückläufig.

Was ich damit nur sagen will, ist, dass simplifizierte Betrachtungen des Einkommens und seiner Besteuerung überhaupt nichts bringen.

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Ok.
Die Positionen sind natürlich auch oft links.
Er kritisiert jedoch auch linke Standpunkte.

Egal: Es geht ja in dem Beitrag nicht um ihn, sondern um den Bund der Steuerzahler, der in der Öffentlichkeit so dargestellt wird, als sei er eine sachliche Institution. Was er nicht ist.

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6 Beiträge wurden in ein neues Thema verschoben: Links-Rechts-Einordnung

Merci!
Nun besser zum Thema zurück. Das ist ja hier ein völlig anderes…

Stimme dir zu. Die Diskussion hat sich vom Ursprungsthema entfernt.

Mich würde noch interessieren, ob jemand von euch Datensätze kennt, die einen halbwegs fairen Vergleich von Steuer- und Abgabensystemen ermöglichen.

Auf ein paar meines Erachtens zentrale Defizite hatte ich ja in Beitrag 17 aufmerksam gemacht.

Schon mal allen Antwortenden vielen Dank im Voraus!

Nun, Höfgen weist auch immer darauf hin, dass untere Einkommen tendenziell entlastet werden sollen (höherer Freibetrag und niedrigere Mehrwertsteuer auf Nahrung) und dafür endlich Vermögen und insbesondere Erbschaften besteuert werden sollten, dort entsteht die Schieflage.