[LdN419] Thema Wehrpflicht - ich will nicht für Deutschland sterben

In eurem „Stück“ über das ‚Ende der Weltordnung‘ (Sehr treffendes Framing!) habe ich überwiegend mit Kopfnicken dagesessen, doch eine Sache stieß mir böse auf. Gleich von Anfang an kam es mir komisch vor, wie eigentlich die Trump-Rhetorik übernommen wird mehr und mehr: Was 2016/17 in seiner ersten Amstzeit noch bitter aufgestoßen ist, dass alle NATO-Staaten das 2%-Ziel einhalten soll, ist inzwischen jedoch zu einem „No-Brainer“ der unkritisch auch von euch wiederholt wird.

Klar, mach ja auch Sinn, gab ja auch einen russischen Angriffskrieg in der Zwischenzeit, das war die „Zeitenwende“ und seitdem ist jedenfalls alles anders und jetzt ist das 2%-Ziel keine Frage mehr und Biden ist ja auch in der Sache dabei geblieben.

Macht aber keinen Sinn, wenn man bedenkt, dass der Krieg in der Ostukraine schon seit 2014 andauert, aber damals (und 2008 in Georgien und in den 1990ern in Tschetschenien) war das eben noch nicht so wichtig. Russland hat schließlich günstiges Gas geliefert.

Und dann kommt in der Lage der Part, der mich aus allen Wolken fällen lässt:
Sinngemäß heißt es die Friedensdividende ist vorbei, „Frieden schaffen ohne Waffen“ ist gescheitert, wir müssen uns vorbereiten unsere Töchter und Söhne wieder in den Krieg zu schicken, die Wehrpflicht wird wieder eingeführt und das ist richtig so, eine kleine Generation hatte jetzt den Luxus dsich darüber keine Gedanken zu machen. (Ja, ihr notiert auch die Hoffnung, dass das in der Zukunft wieder anders geht.)

Und das macht mich dann schon ein bisschen sprachlos.
Ich hätte gerne mal eine Lage in 2011 gehört als die Wehrpflicht ausgesetzt wurde und wie ihr das damals (so meine Vermutung) als den richtigen, fortschrittlichen, zukunftsweisenden Schriff beschrieben hättet. (Wie gesagt, meine Vermutung, aber auch nur ein Gedankenexperiment)

Und dann habe ich mich gefragt, ob ich mich nur angesprochen fühle, weil ich in dese Generation („die Glücklichen, die den Luxus haben“) falle, die keine Wehrpflicht leisten mussten und auch nicht verweigern mussten sonden es als Selbstverständlichkeit gesehen, dass wenn ein Mensch aufwächst, dass dann kein Staat das Recht hat, ihn im jungen Alter seiner Lebenszeit zu berauben, ihn militärisch zu indoktrinieren und ihn den Dienst an der Waffe nahezulegen. (Wenn auch nur als abstraktes Drohungsszenarien und rechtlichen Mitteln und Workarounds wie der Verweigerung)
Und ich stelle fest: Das ist immernoch meine Überzeugung. Es ist rückständig, wenn Staaten eine Wehrpflicht haben. Aus den genannten Gründen, die sich für mich denklogisch aus einem humanistischen Weltbild ergeben.

Und warum kann mich nichtmal ein russischer Angriffskrieg und des abstrakte Szenario einer russischen Folgeinvasion in 2028 (siehe LdN218) umstimmen? Ich nehme beides sehr ernst und halte es für eine realistische Kalkulation, dass Russland etwa das Baltikum angreift, wenn Trump signalisiert, dasss er die NATO fällen lässt. Das macht mir konkret Angst und mir ist bewusst, wie das konkret unser friedlichen Zusammenleben in Europa bedroht und abstrakt die Frage aufwirft, wie wir uns verteidigen und ob wir bereit sind „in den Krieg zu ziehen“…

Ich wäre aber derzeit nicht bereit „für mein Land zu sterben“. Das kommt mir reichlich bizarr vor als Konzept generell. Für die Demokratie und Freiheit in den Krieg zu ziehen, das wäre abstrakt zwar eine noble Sache, aber wäre das denn der Fall, wenn wir morgen alle zu den Waffen greifen?
Will ich ernsthaft für einen Staat kämpfen, der bald von Merz regiert? Bitte, dass ist keine Polemik. Die Demokratie hierzulande ist grundsätzlich genauso in Frage gestellt, wie in den USA unter Trump, vielleicht sind die Vereinigten Staaten nur ein paar Jahre vorraus. Klar, Merz ist nicht Hitler, aber es reicht ja, wenn er der nächste Franz von Papen ist (Letzter Reichskanzler vor Hitler, ein Konservatver, der dei Branmauer (Konzept demals unbekannt) auch irgendwann aufgegeben hat). Und wenn wir schon nach dieser Wahl eine AfD-regierungsbeteiligung haben (Ich weiß, Ulf und Philip halten das für unrealistisch) oder eine Neuwahl nach Scheitern von anderweitigen Koalitionsverhandlungen und dann eine Mehrheit für die AfD (oder, oder, oder, …) -
Deutschland steht alles andere als stabil da. Und da habe ich noch gar nicht von den restlichen Ländern in Europa gesprochen.
Wofür sollen wir da bald noch "kämpfen*, wenn es so weiter geht?

Wehrpflicht bleibt Menschenfeindlich. Die Antwort kann nur in der Überwinding dieser Autokratie von Innen liegen. Ich privat werde fliehen, wenn es zum Kieg kommt. Wenn jemand was an diesem Ort liegt, kann ich das verstehen, aber für den deutschen Staat lohnt es sich meines Erachtens nicht zu sterben, dafür gibt es zu viele offene Fragen und Unsicherheiten auch mit wehrpflicht. Die hilft nämlich nicht gegen Faschismus (Beschleunigt ihn nur eher, wenn wieder alle Kameradschaft und Obrigkeitsgehorsam lernen) und auch nicht gegen die tatsächliche Misstände (ökologsich, sozial, wirtschaftlich).

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Ich sehe das anders, aber ich finde deine Begründung und Erklärung super!

Es gab auch vorher - grade aus Osteuropa schon deutliche Warnungen. Aber bis 2022 blieb eine Restunsicherheit, dass Putin möglicherweise tatsächlich „nur“ begrenzte Ziele in der Ostukraine verfolgen könnte.

Ich hab noch Wehrdienst geleistet und fand dieses sinnlose, zwangsweise Hof-Fegen dermaßen archaisch und volkswirtschaftlich irrsinnig, dass ich die Aussetzung der Wehrpflicht begrüßt habe. Wir hatten keinen Bedarf für Landesverteidigung und für alles andere brauchte man keine Wehrpflicht, meiner Meinung nach.

Das Ziele wäre ja immer, mit überlegener Stärke dafür zu sorgen, dass der Feind für seines stirbt :wink: Andererseits will man natürlich auch nicht auf Befehl eines dummen oder kriminellen Anführers sterben oder töten. Aber ich verstehe, was du meinst. Ich würde an der Stelle einwenden, dass wir auf der ganzen Welt keine Demokratien hätten, wenn nicht immer wieder Menschen bereit gewesen wären, dafür auch mit ihrer Gesundheit und ihrem Leben zu stehen. Ist natürlich was anderes, wenn das eine eigene „freie“ Entscheidung ist, als wenn man zwangsrekrutiert wird.

Grade weil Deutschland ähnlich instabil wird, halte ich viel davon, dass liberale und linke Demokraten an Waffen ausgebildet werden und in der Armee dienen. Ein Land, in dem das überwiegend rechte und (viel zu viele) Rechtsextremisten tun, brauchen wir nämlich u.U. keinen äußeren Feind, um unsere Demokratie zu verlieren. Denke mal an Südkorea: Wenn da nur blinde Befehlsempfänger stehen, gelingt der Putsch. Der ist daran gescheitert, dass verfassungspatriotische Militärs verzögert und sabotiert haben, um der Demokratie die Zeit zu verschaffen, sich zu wehren.

  1. Klar. Menschenfeindlich ist Krieg immer. Die Frage wäre, ob der wahrscheinlicher wird, durch die Wehrpflicht. Da sind beide Antworten theoretisch möglich: „Kämpfen können, um nicht kämpfen zu müssen“ ist das, was ich für richtig halten würde. Aber man kann mit einigem Recht auch befürchten, dass früher oder später Menschen die Frage, warum wir uns so ein teures Militär leisten, wenn wir es nicht „benutzen“, nicht Richtung Abrüstung, sondern Richtung Krieg beantworten.
  2. Wohin willst du in der sich abzeichnenden Welt denn fliehen? Wer nähme Kriegsflüchtlinge in den Zahlen auf, die aus Deutschland kämen? Und wenn es zum Ernstfall kommt, reicht es ja auch nicht, ins Ferienhaus in Holland zu flüchten, da entgeht man vielleicht der Wehrpflicht, aber wirklich sicher vor dem Krieg und seinen Folgen wäre man da auch nicht.
  3. In der Normandie und an der Ostfront waren es längst nicht nur Freiwillige, die „gegen Faschismus geholfen“ haben. Nur mit Leuten, die sich freiwillig für Fremde einen Ozean entfernt unter Feindbeschuss an einem Strand absetzen lassen, wäre Deutschland nicht zu schlagen gewesen. Es gibt sicher viele Gründe dafür, dass Länder diktatorisch, autokratisch, faschistisch werden und problematische Kultur der Streitkräften gehört sicher dazu. Aber da es auch sehr viele Staaten gibt, in denen das bisher anders geblieben ist würde ich den Zusammenhang nicht als starkes Argument betrachten.
    Wehrpflicht ist (im Verteidigungsfall) die Antwort auf ein fundamentales Gerechtigkeitsproblem: Wenn man vor der Wahl steht, das Gemeinwesen aufzugeben oder gewaltsam zu verteidigen und die Gemeinschaft entscheidet sich, zu kämpfen, muss man die Folgen der gemeinsamen Entscheidung so verteilen, dass der größte Teil der Gesellschaft das gerecht findet. Ich sehe so spontan keine Alternative dazu, das über eine Wehrpflicht zu lösen, auch wenn ich grundsätzlich individuell respektabel finde, sich zu weigern oder zu fliehen.
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Ergänzung: Wenn man nicht fliehen kann und auf der anderen Seite politische und ethnische Säuberungen warten, wäre das für dich immer noch kein Grund, zu kämpfen? Und falls dieses Szenario oder irgendein anderes deine Entscheidung ändern, wäre es dann nicht gut, wenn man eine wenigstens grundlegende Ausbildung bekommen hat, um auch kämpfen zu können?

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In den USA haben wir übrigens schon länger keine Wehrpflicht mehr. Die wären also zumindest mal ein Gegenbeispiel für deine These.

Es geht in meinen Augen nicht darum, dass man für eine Demokratie deswegen kämpft, weil sie völlig oder weitgehend makellos ist. Es geht darum, gegen eine Gewaltherrschaft zu kämpfen, wie sie verschiedene Aggressoren militärisch „exportieren“ wollen. Das ist für mich ein Wert an sich. Egal ob ich mit der Wahlentscheidung meiner Mitbürger einverstanden bin, will ich, dass sie sie in Freiheit treffen können. Diese Chance gilt es, auch dann zu erkämpfen und zu verteidigen, wenn sie am Ende nicht gut genutzt wird, denke ich.

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Auf den reichlich plakativen Threadtitel möchte ich mal mit einem Zitat von Patton antworten:
„No bastard ever won a war by dying for his country. He won it by making the other poor dumb bastard die for his country.“

@Cedric_Hoyer Wenn du hier nichts findest, dass sich zu verteidigen lohnt, tust du mir leid. Seit ich Kinder habe denke ich sehr anders über diese Dinge, mehr noch seit der russischen Vollinvasion, heute würde ich nicht mehr verweigern wie noch vor 20 Jahren.

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@Cedric_Hoyer: danke für deinen Beitrag! Ich schließe mich da grundsätzlich @JohanneSAC an: ich stimme zwar inhaltlich nicht zu, finde aber deinen Standpunkt sehr gut und nachvollziehbar dargestellt.

Aus meiner Sicht stellt sich diese Frage doch nur dann, wenn es keine ernsthafte Möglichkeit gibt, den Wehrdienst zu verweigern. Und zwar auch im Ernstfall.
In einer Demokratie gibt es dazu m.E. auch keine Alternative. Wer für sein Land nicht sterben möchte, der wird auch Wege finden, nicht zu kämpfen. Es sei denn, er wird mit Mitteln dazu gezwungen, wie sie in Autokratien angewendet werden. Und da würde ich dir dann tatsächlich bzgl. Menschenfeindlichkeit zustimmen.
Auf der nicht-individuellen Ebene halte ich persönlich es allerdings für durchaus überlegenswert, ob nicht der Standardfall (aus dem man sich dann durch Verweigerung verabschieden kann) die militärische Grundausbildung sein sollte. Und zwar gerade um zu verhindern, dass irgendjemand für sein Land sterben muss.

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Ich selbst habe damals verweigert und ein FSJ als Ersatzdienst gemacht. Und ich will auch nicht für Deutschland sterben.

Ich sehe es aber tatsächlich so, dass es unwahrscheinlicher ist zu sterben wenn Deutschland und seine Partner eine starke Armee haben die gar nicht erst angegriffen wird, als wenn wir eine Armee haben die so minimiert ist, dass Widerstand nur sehr begrenzt möglich ist.

Ohne ausreichend Kapazität zu Gegenwehr ist ein Angriff doch überhaupt erst möglich. Und dann ist auch keineswegs gesichert, dass es gleich mit Panzer gegen Panzer geht, sondern es wäre durchaus denkbar, dass wie in der Ukraine die Bevölkerung durch Raketenangriffe auf Zivile Infrastruktur und Wohnviertel erstmal in Angst und Schrecken versetzt werden soll.

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Kein armer dummer Bastard hat jemals in der Geschichte einen Krieg gewonnen. Selbst wer im Krieg nicht gestorben ist, kam häufig traumatisiert und/oder verkrüppelt zurück. Oder fand bei seiner Rückkehr heraus, dass seine Familie getötet oder verschleppt wurde. Kriege können nur von den Herrschenden gewonnen werden. Alle anderen können den Krieg nur verlieren.

Ohne dir zu nahe treten zu wollen, finde ich es doch etwas merkwürdig, dass gerade der Umstand, dass du selbst Kinder hast, dich dazu bewegt, dich für die Wehrpflicht einzusetzen. Diese würde schließlich auch deine Kinder betreffen. Diese - abhängig von ihrem und deinem Alter - unter Umständen sogar mehr als dich selbst.

@Cedric_Hoyer Ich kann deinen Standpunkt sehr gut nachvollziehen und bedanke mich, dass du ihn dargelegt hast. Ich will auch nicht für einen Kanzler namens Merz, Scholz oder Habeck sterben. Aber ich würde aktuell im Kriegsfall nicht aus Deutschland fliehen, sondern lediglich den Dienst an der Waffe verweigern und anderwertig bei der Verteidigung helfen.

Zudem sprichst du im Subtext mE einen wichtigen Punkt an: Russland bedroht uns nicht nur militärisch, sondern auch im Inneren. Daher müssen wir zusehen, dass wir die Ursachen des Rechtsrucks in Deutschland, insbesondere den Neoliberalismus, bekämpfen.

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Zustimmung.

Eine viel kleinere gut ausgebildete Berufsarmee haben die USA bestimmt nicht zum spaß der Wehrpflicht vorgezogen.

Manchmal gibt es in der LdN zum Glück sehr seltene komische Anwandlungen. Das war mal wieder eine. Wehrpflicht in LdN v a. Mal einfach so als No-Brainer zu manifestieren hat mich auch sehr überrascht.

  1. Werden die USA hier militärisch als das non plus ultra verstanden. Die haben komischerweise diesen Status ohne Wehrpflicht erreicht

  2. Eine Armee von wehrpflichtigen ist nur sinnvoll, wenn man Menschen wie Putin verheizen will/muss. Denn mehr als Kugelfänger ist man nach ein paar Wochen mit Biwak und Spindkontrolle

  3. In 12 Monaten macht man aus Jugendlichen schülern doch keine effizienten Soldaten. V.a. sind die dann wieder raus und haben gelernt ihr Hemd zu falten, Spind aufzuräumen und mit Rucksack zu wandern, untaugliche Gewehre zu putzen und besoffen Bahn zu fahren.

  4. Ernsthaft Menschen mit Zwang und Druck in den Krieg schicken… Mal sehen, wie ihr mit den zu erwartenden unschönen Szenen klarkommt (aber klar, ihr seid ja raus aus der Nummer)

  5. Berufsarmee „attraktiv“ gestalten. Dann muss man auch nicht mal eben hunderte Kasernen mit überdimensioniertem Fuhrpark aufbauen.
    Woher nehmt ihr übrigens
    Personal für die Ausbildung?
    Fahrzeuge?
    Bauunternehmen?
    Fahrlehrer??
    Die ganze Logistik???
    Hunderte/tausende KWA mit Personal???

DAS bedeutet nämlich Wehrpflicht für alle

Eine viel kleinere gut ausgebildete Berufsarmee haben die USA bestimmt nicht zum spaß der Wehrpflicht vorgezogen.

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Keine Sorge, unsere Demographiekurve sieht ähnlich schlecht aus wie die der Russen und Ukrainier. D.h. im Kriegsfall müssten auch eher die 30-50 jährigen gezogen werden, da ist mehr zu holen.

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Mal Richtung einer „Dienstpflicht“ gedacht: wäre es denn sinnvoll, allen jungen (und gern auch älteren) Menschen ein attraktives Angebot zu machen, gesellschaftlich relevante Aufgaben zu übernehmen für vielleicht ein Jahr?
In Blaulichtorganisationen, mit verpflichtendem Erste Hilfe Kurs für alle, im THW und wer will auch bei der Bundeswehr. Also quasi das schwedische Modell.
Oder wäre das schon zuviel Zwang?

Dann grundsätzlich die Frage: wenn eine Dienstpflicht generell schon als Zumutung empfunden wird, müsste man auch einer Schulpflicht kritisch gegenüber stehen.
Oder?

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Nein, das ist nicht vergleichbar.

Die Schulpflicht betrifft Minderjährige, die noch nicht alle Rechte von Erwachsenen innehaben. Außerdem dient die Schulpflicht eben auch der Durchsetzung des Rechts der Kinder auf Bildung, im Zweifelsfall gerade gegen die Eltern/Erziehungsberechtigten, die ja ansonsten weisungsberechtigt sind. Die Schulpflicht gibt es gerade, um zu verhindern, dass Kinder stattdessen zur Arbeit gezwungen werden. Insofern ist der Vergleich ziemlich hanebüchen.

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Das ist letztlich doch alles eine Frage des Framings. Denn natürlich kann man die Wehrpflicht genau so positiv und die Schulpflicht ähnlich negativ framen (wie es in den USA getan wird, wo es gerade zu Zeiten des Vietnam-Kriegs ja komplett umgekehrt war, keine „richtige“ Schulpflicht, aber sogar eine Wehrpflicht, die dich direkt nach einer kurzen Grundausbildung in ein aktives Kriegsgebiet verschifft hat…).

Das umgekehrte Framing sähe in etwa so aus:

Die Wehrpflicht dient dazu, dass die Menschen weiter in Frieden und Sicherheit leben können. Sie dient daher gerade der Durchsetzung der Rechte aller Individuen, nicht in einem von z.B. Russland dikatorisch beherrschten System leben zu müssen. Wie bei der Schulpflicht auch erfolgt das teilweise gegen den Willen der Betroffenen.

Was das Thema „nicht für Deutschland sterben zu wollen“ betrifft, da kann man nur raten, das Land rechtzeitig zu verlassen, wenn sich ein Verteidigungsfall anbahnt. Egal, ob es eine Wehrpflicht gibt, oder nicht, es muss jedem klar sein, dass wenn „der Russe wirklich vor der Tür steht“ ähnlich wie in der Ukraine jeder kampffähige Mann und - je nach Ernst der Situation - möglicherweise sogar kampffähige Frauen zwangseingezogen werden können. Kein Staat wird in einer existenzbedrohenden Lage sagen: „Okay, wir kapitulieren einfach“. Die Diskussion „Wehrpflicht ja oder nein“ hat daher meines Erachtens nichts mit der Frage „Für Deutschland sterben zu wollen“ zu tun, sondern allenfalls mit der Frage, ob man nach einer sechswöchigen Kurzausbildung im Schützengraben stirbt oder als halbwegs ausgebildeter Soldat. Und damit auch, wie hoch die Erfolgsaussichten sind, im Ernstfall nicht sterben zu müssen. Insofern halte ich das Framing „Ich bin gegen eine Wehrpflicht, weil ich nicht für Deutschland sterben will“ für sinnlos. Es gibt gute Gründe, gegen eine Wehrpflicht zu sein (ich bin wie gesagt eher für eine Lösung, die auf einer starken Reserve und Freiwilligkeit basiert), aber das ist keiner. Wer nicht für sein Land sterben will, wird das Land verlassen müssen, wenn der Krieg sich anbahnt. Das war schon immer so und ist unabhängig vom Bestehen einer etwaigen Wehrpflicht.

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Ich empfinde deine Meinung als eine wichtige Stimme im Diskurs und muss dir beim Punkt Wehrpflicht zustimmen.

Meine Wahrnehmung ist es, dass eine Wehrpflicht innerhalb der nächsten kaum umzusetzen ist.
Es ist natürlich auch fraglich, wie sinnvoll eine Wehrpflicht überhaupt ist. Natürlich brauch Deutschland mehr Soldaten, mehr Gerät und bessere Ausbildung. Meiner Meinung nach ist für Europa eine Berufsarme wie in den USA ausreichend. Viel wichtiger für die Abschreckung halte ich eine leistungsfähige europäische Rüstungsindustrie und glaubwürdige Verteidigungsbündnisse.

„Frieden schaffen ohne Waffen“ ist in meine Augen tatsächlich gescheitert. Wie in der Lage dargestellt wird, womöglich die eigenen Kinder in den Krieg zu schicken ist für mich relativ unverständlich und wahrscheinlich nur eine Übertreibung. Aus vorherigen Lage Folgen und Gesprächen mit Experten verstehe ich die Position (der Lage und Experten) eher als Aufrüstung zur Abschreckung uns somit Verhinderung eines Krieges.

Ich selber habe grade 7 Monate freiwilligen Wehrdienstes hinter mir, kann deine Sicht auf die Bundeswehr nachvollziehen, muss dir aber auch widersprechen.

„militärisch zu Indoktrinieren“ ist, grade bei der Bundeswehr, sehr unzutreffend. Das Klima (zumindest in den kleinen auschnitt den ich wahrgenommen habe) ist ein anderes. (ich könnte jetzt einge Beispiel aufzählen, dann würde ich wahrscheinlich jedoch morgen noch drann tippen).
Deine Vorwände was ein möglicher Regierungwechsel (Friedrich Merz, AFD usw.) angeht kann ich gut nachvollziehen und ich habe mir selbst darüber auch schon gedanken gemacht. Mein erkenntnis war das man sich nicht der Regierung verpflichtet (Gelöbnis), sondern u.a dem Grundgesetzt, das ich für eines der besten Bücher für Schwüre halte ;).
Wünsch euch alle noch ein schönes Wochenende

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Stimme dir vollkommen zu. Eine gut ausgebildete und erfahrene, Berufsarmee und leistungsfähige Rüstungsindustrie sind deutlich abschreckender als die absolute Anzahl an Soldaten, die Europa hat. Würde dir aber ein wenig weitersprechen, was die USA angeht. Die USA sind wahrscheinlich die Armee mit der meisten Kampferfahrung der Welt (heißt sie wissen z.B welches Gerät funktioniert). Des Weiteren hat die USA Armee auf der ganzen Welt Militärbasen (Wikipedialiste der US Militärbasen), was eine unglaubliche Logistik erfordert. Außerdem, das hat zwar nur indirekt mit dem Militär zu tun, hat die USA eine sehr leistungsfähige und moderne Rüstungsindustrie.
Allen Lage-Höhern ein schönes Wochenende noch.

Wie ich schon in vielen anderen Threads zu dem Thema schrieb liegt die Zukunft der Verteidigung eher in einer starken Reserve, als in einem Wehrdienst. Das militärische Gerät modernisiert sich auch immer schneller und was wir brauchen, sind Freiwillige, die bereit sind, ein oder zweimal im Jahr für 2-4 Wochen an Übungen teilzunehmen, um „am Ball zu bleiben“, damit sie im Ernstfall als echte Spezialisten einsetzbar sind. Eine Wehrpflicht ohne Reserve heißt, dass wir Millionen Menschen haben, denen wir vor Jahrzehnten mal beigebracht haben, wie man im Schützengraben überlebt. Das, was da nach Jahrzehnten noch vorhanden ist, kann man auch im Verteidigungsfall in einem Sechs-Wochen-Schnellkurs unterrichten. Das hilft uns nicht weiter.

Und wenn schon eine Wehrpflicht eingeführt wird, bitte nicht nach dem Vorbild der alten Wehrpflicht. Denn das bedeutete in den meisten Fällen „Drei Monate Grundausbildung, dann sechs Monate Eierkraulen“. Die Erfahrungen gehen da natürlich je nach Einheit stark auseinander, in manchen Einheiten gab es sicherlich eine gute Fachausbildung. Meine persönliche Erfahrung ist aber, dass von den 6 Monaten nach der AGA mindestens fünf Monate völlig verschwendete Lebenszeit waren, weil einfach nichts an Ausbildung oder Vertiefung militärischer Kompetenzen gelaufen ist. Also wirklich gar nichts. Eine derartige Verschwendung der Arbeitszeit des ausbildenden Fachpersonals und der von der Wehrpflicht betroffenen jungen Menschen ist einfach unangemessen. Eine etwaige Wehrpflicht muss so gestaltet werden, dass zumindest jeder Tag, den wir einen jungen Menschen in diese Pflicht zwingen, auch ein sinnvolles Resultat birgt. Die Wehrpflicht ist kein Selbstzweck, sondern muss gerade wegen ihres tiefen Eingriffs in die Grundrechte Vorteile aufwarten können, die geeignet sind, diese Eingriffe zu rechtfertigen. Wenn Soldaten, wie wir damals, an 4 von 5 Tagen in den Materialkeller geschickt wurden und ohne jede Dienstanweisung versauern gelassen werden, ist das nicht der Fall.

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Auf jeden Fall. Ich weiß nicht, wann du deine AGA gemacht hast, aber es hat sich fast nichts geändert. Als ich 2024 den Freiwilligen Wehrdienst gemacht habe, hatte/n ich/wir in der AGA eine unglaubliche Lernkurve, (größtenteils) super Ausbilder und wurden gefördert und gefordert. Nach der Grundausbildung hat das alles aufgehört und ich habe den Begriff Arbeitsschaffung kennengelernt. In meiner Wahrnehmung lohnt sich deshalb (also für den Staat) der Freiwillige Wehrdienst kaum. Man hat in den ersten 3 Monaten eine wirklich gute und harte Ausbildung in den restlichen 4-20 Monaten wenig, kaum oder gar nicht. Bei denen die Soldaten auf Zeit gemacht haben, ging es nach der Grundausbildung (natürlich mit Pausen) erstmal mit der Ausbildung weiter.

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Das Thema allgemeine Dienstpflicht gut umschifft. :wink:

Mal als Idee:

Wehrdienst bleibt freiwillig, die Bundeswehr eine gut finanzierte und modern ausgerüstete Berufsarmee mit einer starken und gut gepflegten Reserve.
Dazu eine Art Dienstpflicht quasi zur Steigerung der Resilienz der Gesellschaft und Förderung des Miteinanders.
Also mit Pflichtanteilen für alle (Erste Hilfe, Grundlagen und -wissen Katastrophenschutz), dazu Praxiseinsätze in ausgewählten sinnvollen Bereichen.

Wäre aber auch eine Pflicht.
So wie Steuern zahlen, auch wenn ich mit der Verwendung meiner Steuern nicht einverstanden bin. :grimacing::wink:

Die Atomwaffen Thematik wird hier auch wieder komplett ausgeblendet. Anscheinend braucht es erst Atomtests um alle daran zu erinnern, dass Atomstaaten sich nicht mehr mit dem Bizeps ihrer Kinder verteidigen.

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Russland ist Atommacht. Zugegeben, die sind der Angreifer, aber auch ukrainische Truppen auf russischem Stadtgebiet haben keine Atombombe zünden lassen.
Und Deutschland hätte nicht mal Atombomben.

Bei dem Thema lohnt es sich vielleicht mit Menschen zu reden die den Job machen. Die meisten sehen das als Berufsrisiko, das sie mit der bestmöglichen Vorbereitung zu verhindern versuchen. Wie in anderen Jobs auch (Bombenentschärfer zum Beispiel).

Ansonsten lohnt es sich zu erinnern, dass die Wehrpflicht damals abgeschafft wurde in der Folge der Finanzkrise als Sparmaßnahme. Eine Einsparung, die sich mittlerweile womöglich rächt.
Es wurde damals schon gewarnt, dass das für die Bundeswehr dann schwieriger werden könnte, Rekruten anzuwerben, wenn sie nicht Quereinsteiger positiv überraschen könnte - gleiches übrigens in der Pflege über den Ersatzdienst.
Es geht also ohne Wehrpflicht. Dann muss man aber, wie in den USA, mit teilweise martialisch anmutenden Anwerbeaktionen leben und Regierungen, die sich um ein positives Framing bemühen - manchmal bis zur Heroisierung, womit wir vergangenheitsbedingt ein besonderes Problem haben.
Ein Wehrpflichtleistender würde übrigens nicht gegen seinen Willen in ein Kriegsgebiet geschickt. Auch in Russland werden sie nur zur Grenzsicherung eingesetzt.

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