Zu deinem Post passt die letzte Umfrage vom ZDF Politbarometer:
Daraus:
„Trotz dieser sehr schlechten Bewertung der Ampel-Koalition sind nur 38 Prozent aller Befragten der Meinung, dass es die [CDU/CSU] besser machen würde, wenn sie an der Regierung wäre (schlechter: 12 Prozent; kein Unterschied: 45 Prozent). Dass die Union von vielen nicht als glaubwürdige Alternative zur Ampel wahrgenommen wird, ist auch ein wichtiger Grund, warum Parteien wie die [AfD] und das [BSW] jetzt bei den Wahlen so gute Ergebnisse erzielt haben.“
Alle Politiker außer Pistorius sind zudem in Minusbereichen, das gab es historisch noch nie in der Breite. Ich halte das für strukturell extrem gefährlich.
Als Grund würde ich einen Schritt zurücktreten, das ist kein Thema der letzten 10 Jahre, sondern eine Akkumulation von Gründen und deswegen mit Kleinklein nur noch schwer lösbar:
- Wer politisch seit ca.30 Jahren interessiert ist, kennt die Diskussionen zum Thema Bildung, Sicherheit, Digitalisierung. Das ist ein systemisches Problem, an dem sich alle Akteure abarbeiten. Allerdings waren auch alle Akteure in verschiedenen Verantwortlichkeiten seit 30+ Jahren wechselseitig an der Macht, mal im Land, mal im Bund, immer wieder in den Kommunen. Seitdem ist es mit Bildung und Digitalisierung nicht besser geworden, um mal etwas zu untertreiben. Mit Bedauern haben die jeweiligen Parteien dann auf die verschiedenen Verantwortlichkeiten verwiesen, falls mal wieder eine föderale Verantwortung überschritten wurde und keine Lösung gefunden werden konnte.
Warum wurde das föderale System nicht reformiert, wenn es denn offensichtlich nicht funktional ist? Weil es natürlich auch zum Vorteil der Parteien ist, denn Doppelstrukturen sind natürlich auch Postenstrukturen. Und so haben viele ältere Wähler*innen den Eindruck: Die waren seit 30 Jahren dabei, warum sollen sie es jetzt besser machen? Welches Interesse haben sie daran, das System zu reformieren?
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Verhältniswahlrecht: Im Prinzip fein, aber in Combo mit den föderalistischen Strukturen führt es halt zu Koalitionsregierungen und damit über die Jahre zu einer Beliebigkeit und dem Abschleifen von Positionen. In einem Mehrheitswahlrecht (das andere Nachteile hat!) ist es leichter, für die Wähler*innen Alternativen zu sehen.
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Deutschland hat in den letzten 2 Jahrzehnten unter allen Parteien eine Regelungswut an den Tag gelegt, die es in sich hat. Unter allen Parteien sind immer mehr Vorschriften raufgesattelt worden, Bürokratieabbau haben ALLE Parteien versprochen. Passiert ist sehr wenig. Irgendwann sind Parteiprogramme dann halt auch mal Papier. Stichwort Glaubwürdigkeit.
Das war seit 30 Jahren schon so, aber jetzt haben wir eine Situation, in der a) Deutschland von seinem Konto gezehrt hat (Infrastruktur, Brücken, Schulen) und das offensichtlich wird (Symbol Dresdner Brücke); b) das Gefühl da ist, nicht fit für das 21. Jahrhundert zu sein, nachdem Angela Merkel durch ihre Strategie der asymmetrischen Demobilisierung eine Art „Alles wird gut“ über das Land gelegt hat, das viele wohlig angenommen haben.
Nun kommen eben multiple Krisensymptome zusammen, Deutschlands Wirtschaft rutscht in eine Rezession (anders als alle Nachbarn) und durch Inflation und Energiekosten sind viele deutlich persönlich betroffener als vorher.
Dafür kann die Ampel übrigens gar nichts, sie haben halt die A…karte bekommen. Machen sie deswegen gute Politik? Siehe oben Politbarometer - laut Mehrheit nein. Aber der CDU/CSU traut die Mehrheit auch nicht mehr zu.
Aus dem Gesagten oben - wenn alle etablierten Parteien schon seit 30/40 Jahren in diesem System unterwegs waren und das damit auch gestützt haben und gleichzeitig Akteure als auch Betroffene sind - warum sollte man ihnen zutrauen, das zu lösen? Es sind ja noch dieselben Akteure.
Alternativen?
Wirklich schwer. Eigentlich bräuchten wir strukturelle Basisreformen und ggf. eine Zentralisierung einerseits und deutlichere Verantwortlichkeiten in die Gemeinden andererseits. Der Dreiklang aus Bund, Länder und Gemeinden zerschleißt alle Parteien, weil sie, egal in welcher Position, null Gestaltung haben (Beispiel Schulfinanzierung).
Wird das passieren? Eher nein. Ich selber wähle aus den Parteien SPD, FDP, Grüne und CDU/CSU seit 8 Jahren auch nur noch die geringeren Übel gegen AfD, aber Lösungskompetenz billige ich niemandem zu.
Ich mache keinen Vorwurf an einzelne Politiker*innen - wer jemals Change Management gemacht hat weiß, dass du am Ende des Tages nur so erfolgreich bist, wie ein System dich lässt. System verändern eher Menschen als das Menschen Systeme verändern. Das ist leider vielfach so.