Denkanstoß
Im Nachgang zur Europawahl lese und höre ich fast überall »Ein Weiter-so darf es nicht geben«. Dieser Meinung schließe ich mich uneingeschränkt an. Aber, wenn nicht so, wie dann? Ich habe Deutschland 2024 genau betrachtet und die Lage unserer Demokratie analysiert. Es würde mich freuen, wenn mein systemischer Blickwinkel einen weiteren, vielleicht sogar in einigen Aspekten neuen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs leisten könnte.
Kurz zusammengefasst: Deutschland läuft Gefahr, in eine sich selbstverstärkende Abwärtsspirale zu rutschen. Ich sehe drei Handlungsoptionen:
- Nicht-Handeln: Wir lassen die Dinge treiben und beobachten wohin uns Demokratie, Politik und Politiker ohne ausreichenden gesellschaftlichen Diskurs führen.
*Kontrollabgabe: Wir entscheiden uns für den mühelosen Weg einer Autokratie, mit starker Führung, möglicherweise höherer Sicherheit und definitiv eingeschränkter Freiheit. - Demokratie stärken: Wir machen unsere Demokratie systemisch überlebensfähig. Dazu gehört der gesellschaftliche Diskurs vieler mit der Bereitschaft, gemeinsam nach vorne zu denken.
Meine klare Empfehlung ist Option 3. Ich befürchte jedoch, dass die Theorie der disruptiven Innovation, bekannt als “Innovator’s Dilemma“, auch auf alternde Demokratien zutrifft – natürlich nicht technisch, sondern im übertragenen Sinne. Sollte sich diese Annahme bewahrheiten, besteht ein hohes Risiko, im ersten Schritt von Option 3 auf Option 1 zurückzufallen und schließlich bei Option 2 zu landen.
Worin besteht das Dilemma?
Schauen wir uns das Beispiel der deutschen Automobil-Industrie an. Sie hören ihren Bestandskunden zu, haben den Wettbewerb im Blick, sind in den Qualitäts-Reports vorne und investieren viel Geld in neue Produkte. Im Bereich Spaltmaße der Karosserie und Einspritzoptimierung von Dieselmotoren sind sie Weltmarktspitze, aber das Thema Elektromobilität haben sie falsch eingeschätzt. Warum? Weil sie nicht bereit waren ihre hoch profitablen Produkte durch eine neue technologische Innovation möglicherweise selbst zu gefährden, bestärkt durch den Marktertfolg und die Expertise der eigenen Belegschaft. Neue Wettbewerber haben diese Schwäche ausgenutzt und die deutschen Automobilindustrie in eine defensive Lage gebracht.
Was, wenn dieses Beispiel auch auf eine alternde Demokratie übertragbar wäre?
Was, wenn gesellschaftliche Veränderung wie Klima, Krieg, Pandemie, Inflation usw. eine Art Disruption darstellen würde und den Fokus auf die „Spaltmaße und Einspritzoptimierung“ der etablierten Politik in Frage stellen würden? Was, wenn die Kunden verunsichert wären und andere „Produkte“ nachfragen würden? Was, wenn neue Parteien diese „Produkte“ scheinbar leicht anbieten könnten und am Status quo der etablierten Parteien rütteln würden?
Die Welt außerhalb der Politik hat Erfahrung mit solchen Situationen:
- Nichts tun und hoffen das es nicht so schlimm kommt (z.B. Nokia)
- Erfolgreiche Start-ups übernehmen und Innovation einkaufen (z.B. Microsoft)
- Innovation auslagern und ein sogenanntes Spin-off gründen (z.B. Universitäten)
- Notwendige Disruptionen durchführen (z.B. deutscher Mittelstand)
Das Aufnehmen oder Abspaltung von Parteien und die Veränderung der Parteienlandschaft mag für Parteien und Politiker interessant sein, die systemischen Probleme Deutschlands würden nur dann gelöst, wenn dabei Verkrustungen positiv aufgebrochen würden. Bei den existierenden Gründungen scheint mir die Motivation eine andere zu sein.
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Warum hier als Themenvorschlag?
Das Thema ist dringlich und wichtig. Ich habe eine erste Antwort auf die Petition bereits erhalten. Das „Vorzimmer des Petitonsausschusses“ plant in 6 Wochen die Empfehlung zur Ablehnung auszusprechen und den Vorschlag auch nicht weiter zu publizieren.
Ich habe dem bereits widersprochen, habe aber die Befürchtung (s.o.) , dass die Politik das Thema, ohne weitere Öffentlichkeit, gerne abräumen möchte. Dabei wäre allein der Diskurs über das Thema dringend notwendig.