LdN395 Was wählen wenn die demokratischen Parteien versagen?

Hallo in die Runde.

In der Lage 395 wirft @philipbanse zum Thema wählen folgendes ein:
„das mag ja alles sein, aber deshalb muss man doch nicht AFD und BSW wählen.“
Ich hätte genau das in einem anderen Zusammenhang hier schonmal versucht zu thematisieren, da es nicht so einfach ist.
Ich stimme völlig überein, das man unter realistischen Gesichtspunkten nicht AFD und BSW wählen sollte.
Aber schauen wir uns den demokratischen Rest und Ihre Wirkung auf die Wähler mal an.

Bei der letzten Wahl hat eine große Zahl junger Menschen Grüne und FDP gewählt. Das war sicher verbunden mit der Hoffnung das sich etwas ändert und die Politik fortschrittlicher wird.
Mindestens mal die Gruppe wurde enttäuscht. Die FDP hat sich auf Ihr Klientel zurück gezogen und hat sich durch Ihren Fetisch mit der Schuldenbremse in eine Ecke manövriert aus der Sie nicht mehr herauskommt. Daher sind bei den letzten Wahlen viele Wähler entweder wieder zurück zur CDU oder direkt zur AFD gewandert.
Die Grünen haben Ihr Klientel und andere ebenfalls vergrault weil Sie für die einen nicht konsequent genug Klimaschutz vorantreiben, während Sie für die anderen den Klimaschutz mit der Brechstange vorantreiben und damit Existenzängste auslösen und scheinbar kein Verständnis dafür haben.
Die SPD hat Ihr Profil seit Jahren verloren. Liegt Sie nun zwischen Linke und Grünen, oder zwischen CDU und Grünen mit Tendenz zur CDU. Man aber getrost sagen, das Sie keine Partei der Arbeitnehmer mehr ist auch wenn Sie das gerne wäre. Hier ist eine Lücke entstanden die aktuell niemand füllt.
Hinzukommt das trotz eines Parteienwahlsystems und vieler Stammwähler die Kandidaten und möglichen Minister durchaus auch eine Rolle spielen. Die CDU/CSU hat ja schon vor Monaten ein mögliches Übergangskabinett vorgestellt. Wenn man sich ansieht wer hier wieder in Ministerposten kommen soll muss man klar sagen, das dies auch eine hürde darstellt.
Das sind nur einige Aspekte unter vielen, aber nachdem die Umfragen auch angeben, das die Wähler inzwischen der AFD gewisse Kompetenzen in bestimmten Feldern mehr zuschreiben als der CDU und anderen, dann muss man schon sagen, das für viele die Alternative zur Alternative fehlt. Wobei das BSW für einige diese nun zu sein scheint.
Man hat zuletzt eine Große Koalition und vor allem die Union abgewählt, sieht nun das die Ampel aufgrund von Parteipolitik und mangelnder Kommunikation für viele abschräkend ist. Was soll man nun wählen wenn man nicht die gleichen Gesichter der letzen Jahre wieder in den Ministerien sehen will? Dann bleiben die kleinen Parteien wenn man nicht die Ränder bedienen will. Vielen ist aber auch bewusst, das die Stimmen dann verpuffen.
Es ist unsäglich das sich die ehemals großen Parteien nicht mehr dazu durchringen können Profil zu zeigen und kompromissbereit nach vorne gehen auch wenn es nicht das Beste für das eigene Klientel ist.

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Ein bisschen widerspricht sich das. Profil zeigen und Kompromisse eingehen zeigt ja bei den Grünen, dass es nicht hilft. So viele Kompromisse wie sie eingehen, sind sie trotz eines starken grünen Profils doch relativ beliebig geworden.

Auf jeden Fall würde es helfen, nicht auf die Erzählung der CDU hereinzufallen, zum Schutz vor der AFD lieber CDU als eine Partei zu wählen die knapp über die 5% Hürde kommen würde. Fällt diese Partei Weg, erhöht sich automatisch der Stimmenanteil der AFD in Parlament.

Würde es die Grüne Partei in Brandenburg nicht in den Landtag schaffen, erhöhen sich die Sitze der AFD von 26 auf 31 und damit auf Höhe der Sperrminorität. Für die Demokratie ist es also wichtiger, Parteien über die 5% zu helfen als die CDU oder SPD noch zusätzlich zu stärken. Dies gilt natürlich auch für die Linkspartei oder die freien Wähler.

Aus meiner Sicht haben wir derzeit nur ein Problem, zu wenig Geld für zu viele Aufgaben.

Ich habe es schon oft gesagt, dass die Einführung einer Erbschaftssteuer in vernünftiger Höhe sowie eine Vermögenssteuer aus meiner Sicht unumgänglich ist. Dieses Geld kommt unmittelbar den Bundesländern zugute und nicht dem Bund, und würde so in Schule, Bildung, Infrastruktur und die Arbeit in den Kommunen ankommen und nicht bei Rheinmetall.
Aber wir sind ja darauf aus, immer zu behaupten wir hätten Rekordeinnahmen und sowieso zu viel Einnahmen für den Staat, so dass wir lieber auf Kosten der zukünftigen Generationen leben, staatliche Aufgaben vernachlässigen und die schwäbische Hausfrau hochleben lassen.

Um es noch mal deutlich zu sagen, ich würde wenn ich könnte eine demokratische Partei wählen, die knapp über die 5% kommen kann.

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Ich versuche besser zu verstehen, was genau das Versagen der Parteien ist.

Da war eine klare Hoffnung (auch bei mir), die leider nicht erfüllt wurde. Aber kann man da schon von Versagen sprechen?

Mir persönlich passt das zwar auch nicht, aber man könnte vielleicht sagen: die FDP bedient eben genau Ihre Stammwählerschaft. In diesem Fall ist es zwar sehr ärgerlich, dass sie die Koalition aufhalten, aber auf der anderen Seite passiert für ihre Stammwähler ja das Gegenteil von Versagen, nämlich das Repräsentieren und Durchsetzen von Interesse. Man könnte also argumentieren, dass die FDP vielleicht im Sinne eine staatsmännischen Verantwortung nicht gut funktioniert, aber rein demokratisch würde ich sagen geht das.

Hier verstehe ich auch das Gefühl, welches einen bei den Grünen begleitet, aber faktisch geht das doch nicht, dass ich gleichzeitig zu viel und zu wenig Klimaschutz mache? Vielleicht in den Augen der unterschiedlichen Wähler-Interessen, aber auch hier wäre die Frage: worin besteht nun genau das Versagen? Es nicht allen recht machen zu können und dabei jedem ein bisschen was zuzumuten ist doch im Kern sehr demokratisch.

Nochmal: Ich versteh die Gefühle hier sehr gut, ich versuche nur das Problem genauer zu fassen.

In Summe würde ich verschiedene Optionen vorschlagen:

  1. eine demokratische Partei strategisch wählen, auch wenn einem das Profil nicht passt, um schlimmeres zu verhindern
  2. eine kleine Partei wählen, die einem gut passt, mit der Gefahr, dass diese an der 5 Prozent-Hürde scheitert
  3. selbst politisch aktiv werden: entweder in einer Partei oder außerhalb in Interessensgemeinschaften, Vereinen, Gewerkschaften, durch das Aufsuchen der eigenen politischen Vertretung etc.
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Also ich finde den Post von @Der_Chris schon treffend. Und ich denke es wäre vor allem wichtig die 5% Hürde auf mindestens 3% zu senken, um demokratische Alternativen zu schaffen. Da ich mich von keiner Partei mehr in meinen Kernanliegen vertreten fühle, werde ich so oder so eine Partei unter den 5% wählen und da ist mir mittlerweile ehrlich gesagt egal, ob diese dann drüber kommt oder nicht. Ich finde es höchst undemokratisch, wenn etablierte Parteien die 5% Hürde als Wahlargument für sich nutzen und ehrlich gesagt ist es auch abstoßend.

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Das Versagen hier ist vielleicht nicht klar rüber gekommen, aber für mich ist es, dass die grünen schlicht auf sozialen Ausgleich pfeifen, ob wohl sie ihn im Wahlkampf laut kommuniziert haben. Da die Grünen eben von den Realos beherrscht werden, wurde alles Soziale in Kompromissen geopfert, besonders auch von Habeck, der bei mir stetig an Ansehen verloren hat, trotz gutem Start. Es ist genau das, was sicher viele wie mich von Grünen und SPD (von der FDP war wirklich nichts zu erwarten) abschreckt. Keine dieser beiden Parteien macht Politik für die unteren mittleren Einkommen. Es wurde viel getan ursprünglich für den Niedriglohnsektor, dann das Bürgergeld und dann gab es fröhlich Subventionen für besser Verdienende. Alles dazwischen wurde wie immer ignoriert. Zeitgleich kommen aber Beitragserhöhungen in die Sozialsysteme und man muss trotzdem die immensen Preissteigerungen tragen. Da will ich auch nicht mehr hören wieso da jetzt eben leider nichts mehr geht, denn natürlich wäre es gegangen, wenn man Geld nicht an die Oberen verteilt hätte, die es nicht brauchen.

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Sind es denn die „demokratischen Parteien“, die versagen? Oder ist es mittlerweile das System das versagt?

ZB: Angela Merkel hatte von Anfang an Prof Schellnhuber und mit ihm den gesamten Weltklimarat IPCC als Berater. Sie war maßgeblich an den wichtigsten Abkommen wie Kyoto und Paris beteiligt. Mann kann nicht sagen, dass nicht seit Jahrzehnten ein Problembewusstsein vorhanden war. Dennoch hat Deutschland die Entwicklung verschlafen. Zu lange wollte die Autoindustrie möglichst große = profitable Verbrenner exportieren (darum bis heute keine Tempolimit). Hätte sie viel früher auf kleine E-Autos gesetzt, dann müsste VW heute niemand entlassen (und der Staat dafür gerader stehen).

Wäre das mit AfD oder BSW anders gewesen? Ich glaube nicht.

Es scheint in Deutschland zunehmend an Bildung (in Form von Weisheit!), Zusammenhalt und Bereitschaft zur Nachhaltigkeit zu fehlen. Stattdessen habe ich durch die Jahrzehnte eine Entwicklung hin zu Materialismus und Egoismus festgestellt.

Mir wäre mittlerweile lieber, unser politisches System wäre so aufgestellt, dass es keine Zeitverzögerung durch Regierung/Opposition mehr gibt. Stattdessen: Gewählte Parteien (über eine niedrigere Hürde von meinetwegen 3% o.ä. ließe sich streiten) entsenden ihre Abgeordneten. Alle zusammen müssen - ähnlich wie in Land- und Stadträten - in gegebener Zeit eine Lösung für ein Problem erarbeiten und entscheiden. Bei mehreren Lösungen haben nachhaltige den Vorrang. Kitas, Schulen, Krankenhäuser, usw müssten anders organisiert werden.

Ich will auch keine Faschisten auf Wahllisten sehen und habe die letzten Jahre mich sehr viel dafür eingesetzt, dass es nicht passiert. Bei den Wahlergebnissen muss der Wählerwille aber auch berücksichtigt werden, daher gehört einfach die Demokratie wasserdicht gegen Staatsstreiche gemacht… womit sich ja Gott sei Dank immer mehr beschäftigt wird.

Also:

  • Staatsziele neu ausrichten auf Nachhaltigkeit und Gemeinwesen
  • Wirtschaft dem Zugriff von Gier und Korruption entziehen, sie damit aber fördern und nicht zerstören
  • Parteien zu gemeinsamer, weiserer und schnellerer Entscheidungsfindung zwingen, statt durch
    Machtspiele und Fraktionszwang wertvolle Zeit zu verschwenden
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Dennoch kann das eine Alternative sein.
Zum einen wegen der Parteienfinanzierung: jede Stimme wird vergütet und gibt den Bundestagsparteien noch mal einen zusätzlichen Schub. Für eine kleine Partei kann, auch wenn es für 5% nicht reicht, das Geld Aktionen finanzieren, um die eigene Bekanntheit zu steigern oder außerparlamentarische Opposition zu betreiben zum Beispiel mit Bürgerentscheiden.
Dazu kommt, dass es schwerer wird, die Wähler der Sonstigen zu ignorieren, wenn sie eine bestimmte Masse erreichen. Das erleben wir gerade bei jungen Wählern.
Und damit kann es dann dazu führen, dass Kleinparteien sich doch Chancen ausrechnen, wenn sie mit anderen zusammengehen (das wird sehr gefürchtet, da man zum einen große Hürden bei eben jener Parteienfinanzierung hat, aber auch Angst hat, seine Marke zu verwässern).
Das Bündnis „Plus Brandenburg“ ist ein gutes Beispiel und ich hoffe, die Wähler würdigen das.

Es ist eher die politische Kultur als das System, das versagt.

Das wäre einzig eine Frage der politischen Kultur. Auch im aktuellen System wäre eine an Sachfragen orientierte Politik möglich - der Fraktionszwang ist eben gerade kein fester Bestandteil des „politischen Systems“, sondern der „politischen Kultur“. Es braucht daher auch keine Änderung im System, sondern vor allem in der Kultur, wie wir mit diesem System arbeiten. Hätten wir eine auf Sachfragen zentrierte politische Kultur, gäbe es auch überhaupt kein Argument für eine Prozent-Hürde. In einer auf Parteien zentrierten politischen Kultur hingegen, wo Regierungsmehrheiten im Vordergrund stehen, greift hingegen das Weimar-Argument.

Das ist ein schwieriger Spagat. Also einerseits zu sagen, dass z.B. nachhaltige Lösungen Vorrang haben (was ich definitiv richtig finde, aber wenn der Bürger Parteien wählt, die gegen Nachhaltigkeit sind, erscheint mir dieses Diktat im Hinblick auf die Demokratie problematisch, weil der Wählerwille dann ja gerade nicht zum Ausdruck kommt), andererseits bei den Faschisten aber den Wählerwillen hoch zu halten.

Letztlich gibt es gerade bei Fragen, welche Lösung „nachhaltig“ ist, natürlich auch Meinungsverschiedenheiten, ebenso wie bei der Frage, wer „Faschisten“ sind. Wer soll da entscheiden, wenn nicht die Politiker? Bei den Faschisten eindeutig das BVerfG, aber wenn das in allen Sachfragen die Nachhaltigkeit bewerten würde, wäre der Handlungsspielraum der Politik gegenüber dem BVerfG doch sehr reduziert.

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Ich würde diesen Punkt gerne unterstreichen. Jeder Mensch findet in Deutschland Parteien, Vereine und andere Organisationen, die an Problemen arbeiten, die er oder sie gerne lösen würde.

Die lokale Schule ist nicht gut ausgestattet? Da gibt es Fördervereine, Elternbeiräte und Gemeinde- und Kreisräte, in denen man sich mit nichts anderem beschäftigen kann, als diese Situation zu verbessern. Man hat Angst vor der „Überfremdung“ der eigenen Kultur? Jedes Kaff hat einen Traditions-, Geschichts-, Karnevals-, oder Brauchtumsverein, deren Mitglieder aber langsam aus Altersgründen wegsterben, weil die jungen Leute lieber auf AfD-Demos gehen, als sich für ihre Kultur zu engagieren. Du glaubst, dass „den Ausländern“ viel mehr gegeben wird, als den armen Rentnern und arbeitenden Deutschen? Die Tafel, Gewerkschaft und andere Organisationen freuen sich auf deine Beteiligung.

Mal davon abgesehen, dass alle Parteien jenseits einiger weniger politischer Hotspots immer Platz für engagierte neue Mitglieder haben, die Politik mit gestalten wollen. Unser Kreisverband konnte bei der Letzten Mitgliederversammlung keinen neuen Vorstand wählen, weil es keine Kandidaten gab. Da kann man sich aufstellen lassen und ist (wenn man das will) praktisch automatisch beim nächsten Landes- oder Bundesparteitag dabei und kann die Hand für und gegen konkrete politische Vorhaben heben. Und wer wirklich glaubt, dass er zwischen Freien Wählern, CDSU, SPD, GRÜNEN, FDP, LINKE, BSW und anderen in der Lokalpolitik etablierten Parteien nicht repräsentiert ist, der kann ohne Probleme seine eigene gründen.

Ich halte „das Versagen der etablierten Parteien“ als Ausrede für das Wählen einer gesichert rechtsextremistischen Organisation wie der AfD entsprechend für völlig unbrauchbar.

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Ich kann die Ratlosigkeit von @Der_Chris gut verstehen und nicht nur nich habe mir diese Frage in letzter Zeit oft gestellt, auch in meinem persönlichen Umfeld gibt es mehr Leute denn je, die nicht wissen, was sie wählen sollen. Und dabei reden wir in den meisten Fällen über durchaus politisch interessierte Akademiker, die bisher meist Linke, Grüne oder auch mal SPD gewählt haben.

Wenn ich aber mal vom persönlichen Umfeld weggehe, ist ja offensichtlich, dass gerade die SPD, aber auch FDP, Grüne und Linke gerade massiv Wähler verlieren. Und ich kann es gut verstehen. Ich weiß nicht, ob ich das Wort „Versagen“ benutzen würde, aber die Ampel ist mit zwei Versprechen angetreten: 1. ein neuer Politikstil: im respektvollen Miteinander gute Kompromisse suchen, statt im schlechte Deals aus gegenseitigem Misstrauen und 2. als „Fortschrittskoalition“ den Stillstand der GroKos beenden und das Land nach vorne bringen. Wer so vollmundige Versprechungen macht, muss sich natürlich auch fragen lassen, was denn 3 Jahre später davon noch übrig bzw. umgesetzt ist. Und da finde ich die Einschätzung „grandios gescheitert“ schon sehr treffend.

All dieses strategisch, taktische oder sonstwie arithmetische Wählen mag interessant sein für Menschen, die das Wählen demokratischer Parteien als ihre staatsbürgerliche Pflicht ansehen. Die gibt es und das ist auch gut so. Aber es gibt eben auch verdammt viele Menschen, die sich für eine Partei entscheiden, weil sie damit bestimmten politischen Vorhaben zur Umsetzung verhelfen wollen. Die wollen dann aber auch erleben, dass sich durch einen Wechsel der Parteien an der Regierung tatsächlich etwas ändert, und das ist offensichtlich aus der Sicht Hunderttausender nicht der Fall. Damit meine ich übrigens nicht die Wähler von AfD und BSW, sondern jene, die eher zu kleinen Parteien neigen oder gar nicht mehr wählen gehen.

TL/DR: „Schlimmeres verhindern“ mag für manche ein Wahlmotiv sein, ist aber für viele offensichtlich keins.

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Ein paar unsortierte Anmerkungen:

  • Die Welt ist in den letzten 50 Jahren nicht einfach geworden. Im Gegenteil werden viele Dinger zunehmend komplexer, sei es weil ein digitaler Prozess eben mehr Fachwissen braucht, als wie man Papier in eine Schreibmaschine steck und dann von A nach B bekommt, sei es weil unser alle Anforderung an das Leben zunehmend höher werden.

  • Die Welt ist auch nicht langsamer, sondern im Gegenteil immer schneller geworden, die Masse an Menschen auf der Erde ermöglicht uns heute eine Schlagzahl beim technischen und wissenschaftlichen Fortschritt, die man schon lange nicht mehr gesehen hat. Dazu hat die Digitalisierung der Nachrichten den „Newscycle“ massivst beschleunigt.

  • Die Klimakatastrophe ist nur noch mit größten kognitiven Anstrengungen zu verneinen. Die Folgen werden sichtbar und können nicht mehr ignoriert werden.

  • Wer ist denn heute noch bereit sich in einer Partei zu engagieren? Wer ist denn bereit seine persönlichen Verhältnisse, seine Familie auf eine Parteikarriere aufzubauen? Mit jeder Wahl zu riskieren vor dem nichts zu stehen? Und sich dann dafür auch noch schwerst beleidigen und eventuell sogar körperlich angreifen zu lassen? Ich bin es nicht, und so wie es aussieht sind es auch sehr viele andere nicht.

Alle Punkte sind Teil der Rahmenbedingungen denen sich jede Regierung, jedes Parlament stellen muss, keiner dieser Punkte ist in irgendeiner Form ignorier- oder änderbar für die Beteiligten.

Wenn wir uns nun beschweren, dass die Regierungspolitik der Parteien austauschbar geworden ist, dann liegt das doch genau daran, das egal wer regiert, alle mit den gleichen Rahmenbedingungen umgehen müssen. Das da am Ende sehr ähnliche Ergebnisse bei herumkommen finde ich ehrlich gesagt nicht besonders verwunderlich.

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Bei den Linken kann ich es nicht verstehen. Zumal sie bisher keine Regierungsmacht im Bund haben und für wo sie beteiligt sind, es dich ganz okay läuft. Von Organ Herz sind die sozialer als SPD und grüner als die Grünen. Wollen halt nur steuererhöhung für Reiche und das reicht schon zur Unwählbarkeit und Unvereinbarkeit schon aus :pensive:

Ich bin auch unzufrieden - wähle aber trotzdem weiterhin eine Partei der Ampel.

Zu 100% einverstanden. Ich hatte die Frage schon einmal anders gestellt: Anstatt

„Was wählen, wenn die demokratischen Parteien versagen?“
"Ein Weiter-so darf es nicht geben … aber wenn nicht so, wie dann?"

Die Alternative darf ja nicht sein, UNdemokratische Parteien wählen zu müssen. Wir müssen m.E. die Spielregeln so ändern, dass demokratische Parteien wieder aus der Schnapp-Atmung rauskommen und dadurch für viele wieder wählbar werden. Aber das schaffen sie nicht allein!

4 Slides zum Thema

Ich halte es eher für eine Frage des Systems, weil 4 Jahre so, 4 Jahre so, dann wieder 4 Jahre so, den massiven Problemen, die langfristige Lösungen erfordern, nicht gerecht wird. Stellen Sie sich in Ihrer Stadt vor, 4 Jahre gäbe es ein funktionierendes Kita System, dann wird es wieder gekippt, 4 Jahre ist eine Ausrichtung auf Nachhaltigkeit wichtig, dann wieder 4 Jahre nicht. Das ist doch absurd. Darum sollte auf Bundesebene eben auch zusammen und langfristig entschieden werden.

Ich hielte das auch nicht für eine „Quasi-Räterepublik“ und ich glaube auch, dass so schneller, effizienter und langfristiger geplant und umgesetzt werden könnte.

Wenn natürlich gerade 80% keine nachhaltigen Lösungen bevorzugen, dann ist das halt so, man müsste halt verankern, dass alte, funktionierend Projekte nicht ohne existenziellen Grund gekippt werden
können. Aber ich vertraue ehrlich gesagt darauf, dass es quer durch alle Parteien immer genug Gewählte gibt, denen gemeinsame und möglichst weise Entschlüsse ein Anliegen sind.

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Wenn alle demokratischen Parteien (mit Regierungsbeteiligung in den letzten Jahren?) versagen, frage ich mich doch, was ihnen gemein ist und komme zu einem ähnlichen Schluss wie @Christoph:

Was für einen demokratischen Staat absolut absurd ist, denn „Geld ist eine Kulturtechnik. Und kein Naturgesetz. Geld wird von uns gemacht.(www.geld-der-zukunft.org)“
Wenn ich mich recht entsinne wurde es doch bereits in der Lage gesagt: Austerität führt nach Rechts. Deutschlands Osten hat die ersten Demokratieerfahrungen mit der Treuhand und dann der Sparpolitik/Schuldenbremse/schwarze Null gemacht und nun ist die AFD dort am stärksten.

Für alle, die auf die Frage „Woher kommt das Geld?“ auch keine Antwort haben, sei gesagt: So geht es fast allen. Falls es euch interessiert schaut doch bitte die folgenden Links an:

Verfahren und Wirkungen bei der Emission von Bundeswertpapieren (www.bundestag.de)

Edit:

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Da ich die gleichen Experten hier nicht gebetsmühlenartig immer wieder anführen möchte, hört einfach mal auf mit dem Protestwähler-Märchen.

Keine ehemaligen Grünenwähler wählen das rechtspopulistische BSW oder die rechtsextremistische AfD, weil die Grünen in der Regierungskoalition zu wenig Klimaschutz durchgesetzt haben. Falls es doch eine solche Mikrominorität geben sollte, müsste man sich fragen, wovon die denn zu viel geraucht hat.

Rechtsreaktionäre Parteien werden für die von ihnen versprochene Rückschrittlichkeit gewählt. Der besondere Treiber ist hier die bei AfD- und BSW-Wählern in besonderem Maße nachgewiesene gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Ich hatte die Empirie hierzu schon mehrfach verlinkt.

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Das Thema die Linke kann man eigentlich einfach erklären.
Sie versuchen zwanghaft so Links zu sein das Sie vergessen die Realität mit einzupreisen.
Ein Linke Partei mit realistischen Forderungen und auf den Stand der Zeit wäre genau das, was in die Lücke der SPD rücken könnte.

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Hierzu kann ich das Interview von Tilo Jung („Jung und Naiv“) mit Prof. Schellnhuber empfehlen.
Hier sagt dieser ganz deutlich das Angela Merkel gern mehr getan hätte und den Stand der Dinge auch verstanden hat, allerdings in Ihren Regierungen und Fraktionen keine Mehrheiten also keine Verständnis für die Notwendigkeiten vorhanden waren.

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Den Hauptfehler den die Grünen machen und das sagen auch viele Wirtschafts- und Politikwissenschaftler, ist die Mauer abzubrechen ohne zu prüfen ob es eine tragende Wand war. Um es mal bildhaft darzustellen.
Wenn ich soviel Klimaschutz wie möglich erreichen möchte wie in 4 Jahren möglich ist, dann muss ich mir gleichzeitig überlegen was ich den Leuten anbieten kann um einen drastischen Wandel erträglich zu machen. Zudem muss es so kommuniziert werden das es nicht sofort von Bild und Co. zerrissen wird. Das Sie in Sachen politischem Verkaufen seit dem Wahlkampf mit A.Bärbock nichts dazugelernt haben wundert mich immer wieder.

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Zu deinem Post passt die letzte Umfrage vom ZDF Politbarometer:

Daraus:
„Trotz dieser sehr schlechten Bewertung der Ampel-Koalition sind nur 38 Prozent aller Befragten der Meinung, dass es die [CDU/CSU] besser machen würde, wenn sie an der Regierung wäre (schlechter: 12 Prozent; kein Unterschied: 45 Prozent). Dass die Union von vielen nicht als glaubwürdige Alternative zur Ampel wahrgenommen wird, ist auch ein wichtiger Grund, warum Parteien wie die [AfD] und das [BSW] jetzt bei den Wahlen so gute Ergebnisse erzielt haben.“

Alle Politiker außer Pistorius sind zudem in Minusbereichen, das gab es historisch noch nie in der Breite. Ich halte das für strukturell extrem gefährlich.

Als Grund würde ich einen Schritt zurücktreten, das ist kein Thema der letzten 10 Jahre, sondern eine Akkumulation von Gründen und deswegen mit Kleinklein nur noch schwer lösbar:

  1. Wer politisch seit ca.30 Jahren interessiert ist, kennt die Diskussionen zum Thema Bildung, Sicherheit, Digitalisierung. Das ist ein systemisches Problem, an dem sich alle Akteure abarbeiten. Allerdings waren auch alle Akteure in verschiedenen Verantwortlichkeiten seit 30+ Jahren wechselseitig an der Macht, mal im Land, mal im Bund, immer wieder in den Kommunen. Seitdem ist es mit Bildung und Digitalisierung nicht besser geworden, um mal etwas zu untertreiben. Mit Bedauern haben die jeweiligen Parteien dann auf die verschiedenen Verantwortlichkeiten verwiesen, falls mal wieder eine föderale Verantwortung überschritten wurde und keine Lösung gefunden werden konnte.

Warum wurde das föderale System nicht reformiert, wenn es denn offensichtlich nicht funktional ist? Weil es natürlich auch zum Vorteil der Parteien ist, denn Doppelstrukturen sind natürlich auch Postenstrukturen. Und so haben viele ältere Wähler*innen den Eindruck: Die waren seit 30 Jahren dabei, warum sollen sie es jetzt besser machen? Welches Interesse haben sie daran, das System zu reformieren?

  1. Verhältniswahlrecht: Im Prinzip fein, aber in Combo mit den föderalistischen Strukturen führt es halt zu Koalitionsregierungen und damit über die Jahre zu einer Beliebigkeit und dem Abschleifen von Positionen. In einem Mehrheitswahlrecht (das andere Nachteile hat!) ist es leichter, für die Wähler*innen Alternativen zu sehen.

  2. Deutschland hat in den letzten 2 Jahrzehnten unter allen Parteien eine Regelungswut an den Tag gelegt, die es in sich hat. Unter allen Parteien sind immer mehr Vorschriften raufgesattelt worden, Bürokratieabbau haben ALLE Parteien versprochen. Passiert ist sehr wenig. Irgendwann sind Parteiprogramme dann halt auch mal Papier. Stichwort Glaubwürdigkeit.

Das war seit 30 Jahren schon so, aber jetzt haben wir eine Situation, in der a) Deutschland von seinem Konto gezehrt hat (Infrastruktur, Brücken, Schulen) und das offensichtlich wird (Symbol Dresdner Brücke); b) das Gefühl da ist, nicht fit für das 21. Jahrhundert zu sein, nachdem Angela Merkel durch ihre Strategie der asymmetrischen Demobilisierung eine Art „Alles wird gut“ über das Land gelegt hat, das viele wohlig angenommen haben.

Nun kommen eben multiple Krisensymptome zusammen, Deutschlands Wirtschaft rutscht in eine Rezession (anders als alle Nachbarn) und durch Inflation und Energiekosten sind viele deutlich persönlich betroffener als vorher.
Dafür kann die Ampel übrigens gar nichts, sie haben halt die A…karte bekommen. Machen sie deswegen gute Politik? Siehe oben Politbarometer - laut Mehrheit nein. Aber der CDU/CSU traut die Mehrheit auch nicht mehr zu.

Aus dem Gesagten oben - wenn alle etablierten Parteien schon seit 30/40 Jahren in diesem System unterwegs waren und das damit auch gestützt haben und gleichzeitig Akteure als auch Betroffene sind - warum sollte man ihnen zutrauen, das zu lösen? Es sind ja noch dieselben Akteure.

Alternativen?
Wirklich schwer. Eigentlich bräuchten wir strukturelle Basisreformen und ggf. eine Zentralisierung einerseits und deutlichere Verantwortlichkeiten in die Gemeinden andererseits. Der Dreiklang aus Bund, Länder und Gemeinden zerschleißt alle Parteien, weil sie, egal in welcher Position, null Gestaltung haben (Beispiel Schulfinanzierung).

Wird das passieren? Eher nein. Ich selber wähle aus den Parteien SPD, FDP, Grüne und CDU/CSU seit 8 Jahren auch nur noch die geringeren Übel gegen AfD, aber Lösungskompetenz billige ich niemandem zu.
Ich mache keinen Vorwurf an einzelne Politiker*innen - wer jemals Change Management gemacht hat weiß, dass du am Ende des Tages nur so erfolgreich bist, wie ein System dich lässt. System verändern eher Menschen als das Menschen Systeme verändern. Das ist leider vielfach so.

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