LdN393 Interview mit Klara Geywitz

Der bestehende Thread zum Interview ist meiner Ansicht nach in eine Diskussion zu Mieten vs. Kaufen abgedriftet, habe ihn aber nur bis Beitrag ~40 gelesen.

Ich wollte mal gucken ob die Ministerin denn Maßnahmen genannt hat, die wirklich zu mehr Wohnungen führen würden?

  • Serielles Bauen
  • Nicht verpflichtender EH40 Standard
    • Das macht bauen schon günstiger und ist denke ich auch sinnvoll, denn der Schritt von EH55 auf EH40 spart 12 kWh Energie pro qma, also im Worst Case (CO2 Preis 600€/t und Gaskessel) 1,50€ pro Quadratmeter und Jahr.
  • Gebäudetyp E
    • Das Papier ist grotesk dünn. Im Grunde „erlaubt“ es nur den Vertragspartnern gemeinsam von Standard abzuweichen. Die Beispiele gehen an der Realität vorbei. Weder sind im Neubau Handtuchheizungen im Bad vorgesehen, noch 47 Steckdosen in einer 3-ZiWo.
  • Zweckentfremdung
    • Das ist auf jeden Fall ein riesiges Problem in touristischen Gebieten. Ich hoffe, dass die EU da schnell eine Lösung findet. Ich war vor vielen Jahren mal in Venedig. Eine tote Stadt, eher ein Museum.
  • Dann hat sie noch weitere Punkte genannt, zu denen ich nicht viel sagen kann:
    • Steuerbegünstigtes Mitarbeiterwohnen?
    • Wohngemeinnützigkeit?
    • Digitalisierung?
  • Abgelehnt hat sie:
    • Staat baut die Wohnungen selbst.
    • Sozialwohnungen bleiben für immer Sozialwohnungen. Wobei ich die Begründung dafür (keine Ghetto-Bildung) gut fand.
    • Mietpreisbremse, nicht direkt, aber in verklausoliertem Politiker-Bullshit. Sie ist eigentlich dafür, aber der Wissing ist zuständig und das findet sie auch ok.

Mir fehlende Punkte:

  • Wie bekommt man mehr Bewegung zwischen den Generationen hin? Die meisten alten Leute, die ich kenne wohnen alleine, oder zu zweit in großen Wohnungen oder sogar in Häusern.
  • Sind denn günstige Mietwohnungen nicht auch ein Benefit für die Wirtschaft? Sollte es nicht auch seitens der Unternehmen ein Interesse daran geben? Heutzutage kann ja niemand mehr, der einen älteren Mietvertrag hat für einen neuen Job umziehen.
  • Brauchen wir wirklich all die Wohnungen? Die Ministerin hat ja schon angedeutet, dass es in vielen Gegenden Deutschlands Leerstände gibt und dass der demographische Wandel irgendwann auf die Immobilien leeren wird. Hierzu ein Beitrag von einem Investmentberater, der für die 30er Jahre zurückgehende Immobilienpreise prognostiziert.
  • Viel mehr ließe sich einsparen, wenn man bei Sozialwohnungen auf Barrierefreiheit, Aufzüge und Tiefgaragen verzichten würde. Ich weiss nicht ob Tiefgaragen mittlerweile Pflicht sind, aber ich habe in den letzten 6 Jahren nicht ein Neubau-Exposé in Ost-Württemberg gesehen in dem keine (TG)Stellplätze eingeplant waren.

Vielleicht gucken wir erst ob ich nichts überhört habe und teilen dann die Diskussionen in verschiedene Threads auf?

Nur wenn ich alten Menschen ein überzeugendes Alternativangebot mache. Meine Großmutter hat sich irgendwann dazu entschieden, aus ihrem Haus in eine Wohnung in einer Wohnsiedlung für alte Menschen zu ziehen: schöner Park, schöner Balkon, zwei Zimmer mit Küche aber der Möglichkeit, auch in der Gemeinschaftskantine zu essen. Sämtliche Pflegeleistungen konnten (wenn nötig) in der eigenen Wohnung umgesetzt werden, der Arzt und Physiotherapie kam regelmäßig ins Haus, etc. Und sie hatte Gesellschaft.

Das war super für alle Beteiligten, muss man sich aber leisten können.

Alternativen dazu sind Mehrgenerationenhäuser, Alters-WGs, etc. Da kann man schon viel machen, es muss halt gemacht werden.

Die Hürde für Unternehmen, „Firmenwohnungen“ anzubieten ist recht hoch, weil das kapitalintensiv ist. Allemal einfacher, den Mitarbeitern mehr Gehalt zu zahlen um auf einem heißen Mietmarkt bestehen zu können. Das Konzept einer „Firmenwohnung“ hat zudem das Problem, dass es wohl Mietrechtlich nicht umsetzbar ist. Ich kann nicht das Bestehen des Mietvertrags an das Anstellungsverhöltnis binden, das sieht das BGB nicht vor. (Finde ich ehrlich gesagt auch gut)

Kommt sehr darauf an wo. In Berlin, Rhein-Main, München, Hamburg und Ruhrgebiet und anderen Agglomerationsgebieten wohl eher nicht, es sei denn es tritt eine drastische Veränderung der wirtschaftlichen und demographischen Trends ein.

Tiefgarage muss nicht sein, denke ich. Mit der Abschaffung von Barrierefreiheit und Aufzügen hole ich mir aber in einer alternden Gesellschaft nur das nächste Sozialproblem ans Bein. Da sehe ich schon die Klagen in den Kommentarspalten, wenn Oma Erna aus ihrer günstigen Mietwohnung in ein teures Wohnheim umziehen muss (oder sogar in der Wohnung vereinsamt und verendet), weil sie die Treppe nicht mehr schafft.

Mal davon abgesehen, dass es ein enormer Stinkefinger an alle Menschen mit Behinderung wäre, die ohnehin kaum Geld verdienen dürfen (weil ihnen sonst staatliche Leistungen gekürzt werden) oder können und somit oft auf Sozialwohnungen angewiesen sind.

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Ich muss leider sagen, das mir etwas der Fakten Check während dem Interview gefehlt hat Frau Geywitz konnte öfters Antworten geben die nicht auf die Frage gepasst haben, das war zumindest mein Gefühl. Bei Konfrontation wie z.b. sollte der Staat mehr Wohnung selbst bauen, wurde wenig darauf eingegangen warum nicht ?

Im Prinzip wurde das Thema ja schon öfter Diskutiert, die Nachfrage regelt den Mietpreis. Immobilienkonzerne agieren teilweise als Monopolisten (Preisabsprachen einfach möglich, unkontrollierbar beim Kartellamt). Massiv Investieren in Neubau ? Denke das bleibt bei der Kostennutzen Rechnung für solche Konzerne nicht so Lohnswert außer natürlich man hat eh Premium Wohnungen im Angebot. Aber denke das ist der Hauptpunkt Immobilien in Hand von wenigen füren zur Marktmacht ohne Notwendig in Erweiterung des Angebots, da eine Erweiterung nicht rentabel genug ist für Kapitalgeber.

Sprich es bleibt nur Wohnungen als Staat selbst in Auftrag geben und bauen bis der Marktpreis sozialverträglich ist. Denke am besten eignen sich hier Genossenschaften und Bauprojekte sollten direkt durch Städte und Dörfer genehmigt werden dürfen.

Aber kommen wir wieder zum Startpunkt Frau Geywitz hat in keinem Moment dieses Gesprächs den Eindruck erweckt Ideenreich, Motiviert und Zukunftsdenkend zu sein.

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Korrekt, und das heißt: weniger Quadratmeter = weniger Miete.
Bei Eigentum wird es dann schwieriger, aber der Erlös beim Verkauf einer großen Immobilie muss natürlich auch dementsprechend höher sein als der Kauf einer kleineren.

Sehr gute Folge - Danke!
Ich persönlich halte es allerdings für wichtig, dass Frau Geywitz sich vor einer solchen Folge auch mit anderen Städten auf Immoscout oder sonstigen Plattformen auseinandersetzt. Die Wohnungsnot ist nicht alleine ein „Münchner -Problem“, wie sie es betitelt, sondern ebenso ein Problem von Freiburg, Stuttgart, Konstanz und enorm vielen weiteren Städten. Mieten für 1-2 Zimmer Wohnungen explodieren; Vermieter*innen erlauben sich trotz Mieterschutzbünden widderrechtliche Mietverträge sowie diverse Klauseln die es einzuhalten gilt und das aus dem Grund, da sie genau wissen, wie groß die Wohnungsnot ist. Privatpersonen (vorausgesetzt sie sind privilegiert genug, um sich dies zu leisten) werden aus der Not heraus genau solche widerrechtlichen Verträge unterschreiben oder die bis ins Unermessliche steigenden Mieten für extrem geringe qm Anzahlen, zahlen.
Zudem werden die wenigen Mietwohungsanzeigen geflutet, so dass Vermietende nach wenigen Stunden schon über 200 Anfragen für Ihre Angebote bekommen.

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Ich denke auch, dass hier eine große Chance vertan wird.
Gerade weil der eigene Bau und somit Besitz von Sozialwohnungen nicht unter die Schuldenbremse fallen dürfte.

Bei so einem Vorhaben würde es sich ja um eine klare Investition handeln, die auch regelmäßige Rendite abwirft in Form der Mieten (dennoch wäre es vermutlich auf Jahrzehnte ein Verlustgeschäft, wenn man wirklich sozialverträgliche Mieten anbieten möchte). Hierfür könnte ein staatliches Bauunternehmen gegründet werden, dessen finanzielle Ausstattung nichts mit der Schuldenbremse zu tun hat (s. Kapitalerhöhung bei der Deutschen Bahn)

Gleichzeitig würde eine staatliche Bauoffensive vor allem praktische Vorteile bieten:

  1. Serielles Bauen im großen Stil würde zwangsläufig von einem eintretenden Skalen-Effekt bei der Produktion der Bauteile profitieren.

  2. Standardisierte Baupläne bzw. Gebäudetypen können Kosten und Bauzeit weiter absenken.

  3. Die benötigten Einrichtungsgegenstände wie z.B. die sanitären Einrichtungen oder Küchen wären pro Einheit günstiger bei großen Auftragsvolumen.

Entscheidend hierbei wäre natürlich die Umsetzung. Potenzial ist aber klar zu erkennen.

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Ich denke dieses Zitat geht ziemlich nah an eine Wurzel des Übels an dem wir in Deutschland leiden.

Wie kann es sein, dass sich Millionen „Normalos“ von ihrem „Normalo-Gehalt“ keine Wohnung leisten können die von anderen „Normalos“ gebaut wurde?

Eine ganz simple Überschlagsrechnung:

  • Der Preis für Neubauwohnungen lag bei uns letztens bei 6.000 €/qm, ist aber zum Glück nun rückläufig.
  • Wenn der Investor jetzt sein Geld ohne Zinsen in 30 Jahren zurück haben möchte, dann muss er eine Durchschnittliche Miete von (1/360) des Quadratmeterpreises verlangen.
  • Dh. Ohne Zinsen (!) muss die Quadratmeter-Kaltmiete schon bei 16,70 €/Monat liegen :frowning:

Wobei in diesem Preis ja schon ein Investorengewinn eingepreist ist. Denn die Baukosten liegen ja deutlich darunter. Bei uns (ländliches Rhein-Main) kann man günstig für ca. 3.000 Euro/m2 bauen, in Magdeburg hat mir ein Unternehmer vor kurzem von mindestens 2.200 Euro Baukosten/m2 erzählt.

Kostentreiber sind entsprechend die Grundstückskosten (ca. 200 Euro/m2 in Magdeburg, ca. 450 Euro/m2 bei uns, ca. 1.000 Euro/m2 bei Regensburg) sowie der Profit des Bauträgers.

Beides könnte im kommunalen Wohnungsbau drastisch reduziert werden. Durch eine Kontrolle des lokalen Bodenmarkts (indem Neubaugebiete nur noch auf gemeindeeigenem Grund ausgeschrieben werden) und die Errichtung von Mehrfamilienhäusern könnten die Bodenpreise teils drastisch reduziert werden. Und einen Profit müssen die Gemeinden nicht machen.

Bei 4.000 Euro/m2 Gesamtkosten bin ich dann bei nur noch 11 Euro/m2 Kaltmiete über 30 Jahre. Über serielles Bauen wären sicherlich auch noch niedrigere Baukosten drin.

Und dann ist da natürlich noch der Fakt, dass ich ohne kommunalen Wohnungsbau auch nicht komplett von diesen Kosten wegkomme. Denn mit steigenden Mieten wird es immer wahrscheinlicher, dass die Kommune für eine Familie Wohngeld zahlen muss. Nur dass sie dieses Wohngeld dann an einen privaten Vermieter und nicht das kommunale Wohnungsunternehmen zahlt.

Alles eine Frage der Kreativität und des politischen Handlungswillens.

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Klingt alles einleuchtend, und liegt irgendwie auf der Hand.
Schade, dass die Politik es ablehnt.
Was spricht gegen Wohnungen im Staatsbesitz?

  • Erpressungspotential, falls wir mal von einer extremen Partei regiert werden?
  • Die Erfahrung, dass Wohnungen im Staatsbesitz eher vergammeln? Wobei ich die Erfahrung in Westdeutschland nicht gemacht habe.
  • Bau von „armen“ Gebieten?

Die Frage ist aber: Kann Frau Geywitz mit einem Bundesministerium unter ihr bei dem Thema überhaupt direkt etwas tun oder Einfluß nehmen, oder ist das nicht komplett in der Entscheidungsgewalt der Städte und Kommunen?

Nicht (bzw. viel schwieriger), wenn dies in kommunaler Hand liegt und es weiter ein Verfassungsgericht gibt, dass Diskriminierung wirksam unterbinden kann.

Ich habe in einer kommunalen Wohnung in Westdeutschland gelebt, die war auch völlig in Ordnung. Das scheint mir jedenfalls kein generelles Problem des kommunalen Wohnungsbaus zu sein.

Das kommt glaube ich sehr auf die Ausgestaltung an. Kommunaler Wohnungsbau sollte sich darum auch explizit an die Mittelschicht richten und entsprechende Angebote machen (die dann auch ein wenig teurer sein dürfen). Es ist problemlos möglich, gemischte Quartiere zu bauen bzw. durch Sanierung entstehen zu lassen.

Es macht sicher wenig Sinn, wenn Frau Geywitz aus Berlin eine Wohnanlage in Rostock plant. Aber das Bauminsiterium könnte trotzdem wichtige Beiträge leisten, z.B.:

  • Erarbeitung von Referenzbauten (das scheint ja schon zu laufen), die von Kommunen ohne weitere Detailplanung übernommen und gebaut werden können (senkt die Kosten enorm).
  • Erstellung von Konzepten zur Vergabe und Verwaltung von kommunalen Wohnungen, damit das nicht jede Kommune selbst basteln muss. Im Idealfall kann das Ministerium eine Standard „Wohnbau-gGmbH“ entwerfen, die eine Kommune einfach übernehmen, mit eigenem Personal füllen und an lokale Bedingungen anpassen kann.
  • Anpassung des Baurechts, auch um überbordendes Landesbaurecht einzufangen.
  • Technische Unterstützung und Beratung.
  • Abstimmung mit den großen Bauunternehmen und der Baubranche allgemein, damit die nötigen Kapazitäten vorhanden sind.

Nicht im Zuständigkeitsbereich von Frau Geywitz, aber der Bundesregierung allgemein:

  • Finanzierung, z.B. über ein Sondervermögen, die KfW oder eine „Bau-GmbH“, die den Kommunen einen unkomplizierten Zugang zu Geldern ermöglicht.
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