LdN346: Eine völlig andere Perspektive auf die Migrationsdebatte

Zur dem Migrationstheme empfehle ich, neben den beiden entsprechenden Kapiteln aus der letzten Lage, auch die …

Ausgabe „Der Status Quo des Asylsystems ist inhuman“ des Zeitpodcast „Das Politikteil“

mit dem Soziologen und Migrationsforscher Ruud Koopmanns.

Ruud Koopmanns verdeutlicht völlig unaufgeregt, wie das gegenwärtige Asylsystem, in dem sehr viel mehr Menschen auf dem Weg nach Europa ihr Leben verlieren als wir tatsächlich durch das Asylsytem „retten“: Die meisten Menschen, die in der Subsahara, im Mittelmeer, im Atlantik und in der Nordsee Ihr Leben verlieren, waren eigentlich schon aus sicherem Boden! Und faktisch: Mit dem Fuß, mit dem sie europäischen Boden betreten, ist ihr dauerhafter Aufenthalt dennoch hier zu 95% gesichert. Diejenigen Menschen, die unser Asylsystem wirklich dringend benötigten (die Alten, die Frauen, die Kinder oder so gut wie alle Yemeniten) schaffen es gar nicht an die Grenzen Europas.

Er plädiert dafür, aktiv ein jährliches Kontingent Schutzbedürftige aus den Krisenregionen der Welt zu holen. Und gleichzeitig die Grenzen Europas undurchlässig zu machen (im Gegensatz zu Ulf und Philip sagt er: Die Türkei zeige, dass das sehr wohl gehe), in angrenzenden Drittländern (mit denen man entsprechende Abkommen abschließen müsste) die ankommenden Menschen aufzufangen, zu versorgen und dort ihr Asylbegehren zu prüfen. Diese faktischen „Haftlager“ sind natürlich höchst umstritten und das setzt wirlich voraus, dass die EU diese Lage sehr verantwortlich betreibt, z.b. für Versorgung, Gesundheit, Bildung und Rechtsbestand auf hohem Niveau sorgt. Diese Lager dienen vor allem für das Signal: Durch Euer Wagnis, nach Europa zu kommen, habt Ihr zukünftig keine Chance mehr, in Europa zu bleiben.

Man kann über diese Haltung streiten. Aber sie ist plausibel - auch aus humanitären Gesichtspunkten heraus. Bevor Ihr dem widersprecht, hört Euch bitte wirklich unvoreingenommen den Podcast an!

Mit Ulfs und Philips und mit Herrn Koopmanns Haltung stehen zwei sehr bedenkenswerte Positionen nebeneinander. Ich weiß bis jetzt nicht, wie ich die zusammen bekomme.

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Ja, das Menschenrecht sollte unangetastet bleiben. Aber das praktizierte Asylrecht sollte dringend grundlegend reformiert werden, damit diesem Menschenrecht überhaupt Geltung verschafft wird.

Heute treten wir dieses Menschenrecht mit den Füßen: Unser Asylsystem ist grundlegend inhuman. Diejenigen, die es dringend benötigen, bekommen dieses Menschenrecht nicht, weil sie zu arm oder zu schwach sind, sich an Europas Grenzen vorzukämpfen (oder, z.B. im Fall vom Jemen, weil die geographische Lage es unmöglich macht). Und diejenigen, die es bekommen, haben es meist gar nicht mehr nötig, weil sie auf dem Weg von ihrer Heimat längst wenigstens einen Staat durchquert haben, in dem sie nicht mehr verfolgt sind bzw. in dem kein Krieg mehr herrscht oder im dem der Klimawandel das Leben nicht unmöglich gemacht hat.

Aber dadurch, dass Flüchtlinge und Migrationen eine 95%ige Chance haben, hier zu verbleiben, wenn sie es erst einmal hierher geschafft haben, sterben auf dem Weg hierher viele tausende von Menschen in der Hoffnung auf ein besseres Leben oder verlieren ihre sämtliche Ersparnisse an Schlepper. Am Ende sterben mehr Menschen, als wir wirklich retten. Dieses System ist grundlegend inhuman und ist daher alles andere unantastbar.

Es ist viel humaner, politisch ein Kontingent von Menschen zu bestimmen, die wir in Deutschland (besser noch: in Europa) aufnehmen wollen und werden, weil sie verfolgt oder von Krieg bedroht sind und diese dann proaktiv hier her zu holen. Jährlich!

Dafür müssen hier die Voraussetzungen für eine gelungene Integration geschaffen werden: Wohnen, Schule, gesellschaftliche Integration (letzteres auch immer eine Bringschuld von uns selbst - eine vom Staat geförderte Willkommenskultur), etc., damit erst gar kein Gefühl von „Konkurrenz“ entstehen kann.

Fortsetzung …

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Fortsetzung:

Wirtschaftsmigranten (meist: „Hungerflüchtlinge“), also Menschen, die sich aus Verzweiflung und in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf den gefährlichen Weg machen, sollten wir die Hoffnung nehmen, dass diese Reise zum Erfolg führen kann. Denn wir werden sie nicht alle aufnehmen können, sondern sollten - da wir in jedem Fall eine Auswahl treffen müssen - uns statt dessen solche auswählen, die wir hier tatsächlich benötigen, die daher hier ein selbstbestimmtes, selbstwirksames Leben führen können.

Die Wirtschaft sollte, wahrscheinlich mit Unterstützung des Staates, proaktiv solche Menschen aus ihren Ländern oder aus sehr gut und human organisierten Auffanglagern rund um Europa abholen, und sie hier als Arbeits- oder Fachkräfte auszubilden und zu integrieren. Auch dafür müssen hier die Voraussetzungen geschaffen werden: Ein einwanderungsfreundliches, unbürokratisches Migrations-, Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungsrecht, gute Ausbildungskapazitäten und -kompetenzen seitens der Wirtschaft (spezialisiert auf Einwanderer), und auch: Wohnen, Schulen und gesellschaftliche Integration (s.o.)

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Vielen Dank, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, dass alles kompakt aufzuschreiben. Habe schon länger genau dieselben Gedanken und kann dem nur zustimmen. Genau darüber sollte man diskutieren ohne gegenseitige Unterstellungen.

Bei den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine ist die Aufnahmebereitschaft deutlich höher, weil es die Menschen verstehen. Genauso würden es Verständnis geben für Menschen aus dem Jemen oder unterdrückten Frauen aus Afghanistan oder dem Iran. Wenn aber hauptsächlich junge Männer Asyl suchen, weil nur sie die harte, unmenschliche Route auf sich nehmen und dabei auch noch oft traumatisiert werden, führt das zu weniger Verständnis. Dabei verdienen grausame Schlepper und kriminelle Banden. Und gleichzeitig macht man sich abhängig von Erdogan und co, die das schamlos als Druckmittel einsetzen. Irgendwann muss man den Teufelskreis durchbrechen. Das wird zwar erstmals womöglich sehr hart sein und zu menschlichen Leid führen, aber auf lange Sicht hoffentlich humaner gestaltet.

Gerade das große Netzwerk der politischen Stiftungen (Konrad Adenauer, Friedrich Ebert, …) könnte doch vor Ort die Organisation übernehmen und z.B. die UN dann festlegen wer besonders schützenswert ist. Das ganze dann mit Sprachkursen oder Qualifikationsanerkennung vor Ort unterstützen. Auch könnte man die Einreise ermöglichen für Menschen, die sich verpflichten z.B. für 5 Jahre in der Pflege o.ä. zu arbeiten.

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Danke für die differenzierten Gedanken.
Ich kannte den Politikteil-Podcast bereits, bin aber sehr sicher Ulfs und Philips Meinung.
Die Migrationsbewegungen werden weiter zunehmen. Abschotten wird nicht funktionieren.

Wir sollten unsere Kraft und Energie in die Bewältigung und nicht in die Abschottung, die doch gar nicht zu humanerer Politik führen kann, investieren.

Statt zweifelhafte Abkommen mit zweifelhaften Staaten abzuschließen, um Migranten notfalls mit Gewalt abzuhalten (Tunesien scheint sie in der Wüste auszusetzen), sollten wir lieber aufhören, ärmere Staaten auszubeuten, und ihnen lieber mit Klein(st)krediten an Einzelpersonen und Dorfgemeinschaften (ganz toll finde ich african greentec https://www.africagreentec.com/wer-wir-sind/) unter die Arme zu greifen, damit das Leben in den armen Ländern besser wird und auch um ihnen zu helfen, die fossilen Energieträgerund Fahrzeuge zu überspringen, wie es bei Computern/Telefonnetze (übersprungen) und Smartphones (hat für den Alltag den Computer ersetzt) geschehen ist. Nicht als Pseudo-Wohltat, sondern mit echtem wirtschaftlichen Interesse, aber ohne Neokolonialismus.

Die aktuelle Politik ist nicht human, das ist wahr. Aber jeder Weg der Abschottung wird das nicht verbessern, sondern verschlimmern. Wie weit wollen wir gehen?
Und wer will dann noch als benötigte Arbeitskraft kommen? Ich glaube, nicht genug.

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Mmh, als ich vor einigen Wochen einen Beitrag von Ruud Koopmanns geteilt habe, wurde postwendend seine Expertise bestritten, weil er nicht zu den „progressiven“ Wissenschaftlern gehört, die, wenn überhaupt, Begrenzung von Migration allenfalls in kosmetischer Form zulassen wollen, auch wenn dem in der Bevölkerung nur ein geringer Teil zustimmt.

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Corona hat gezeigt, dass es durchaus möglich ist, Migrationsbewegungen zu kontrollieren. Und solche Appelle haben sich schon längst abgenutzt, wenn bald wieder Turnhallen belegt werden müssen.

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Es könnte fast der Eindruck entstehen, dass selbst unter den Moderatoren Meinungsvielfalt herrscht :wink:

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Natürlich. Drei Moderatoren, vier Meinungen :wink:
Ich meine auch nicht Deutschland allein, sondern letztlich auch Europa.

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Europa ist schon deutlich weiter als Deutschland, allerdings eher in Sinne der Begrenzung irregulärer Migration. Und das wird sich auf absehbare Zeit auch nicht ändern.

Ich hab war beim Titel so hoffnungsvoll. Und als ich’s dann gelesen hatte, musste ich mich wirklich fragen was daran denn jetzt so völlig anders sein soll. Kritik am Asyl und Aufenthaltsrecht ist ja nun wirklich nicht neu. Außer halt holen statt annehmen.
Und am Ende steht dann doch wieder:

Da ist sie wieder, die Auswahl nach der Nützlichkeit für Deutschland. Nicht das was er ist (hilfsbedürftiger Mensch) soll ausschlaggebend sein, sondern was wir aus dem herausholen können. Was ist denn daran so viel humaner, die Leute in gebrauchenswert und unnütz zu scheiden?

Einen ‚positiven‘ Aspekt bringt die totale Abschottung halt auf jeden Fall: Dank weniger Ertrinkenden muss sich der brave Bürger nicht mehr so oft fragen, warum die sehr reichen und die sehr armen Staaten nur eine Bootsfahrt voneinander entfernt existieren. Und ob am Ende das eine mit dem anderen vielleicht was zu tun haben könnte.

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@BrewSwillis Nick, Ich empfinde Deinen Ton als aggressiv-sarkastisch. Als Moderator muss ich sagen: So was wolleln wir hier im Forum nicht lesen.

Ich würde mir wünschen, Du würdest ernsthaft auf die m.E. sehr viel differenzierten Sachargumente eingehen …
Lass mich raten: Du hast Dir den Podcast gar nicht angehört?

Ich kann mich über solch einen, den ehrlichen Diskurs abwürgenden, Diskussionsstil nur ärgern. Nichts dergleichen habe ich gesagt oder auch nur insinuiert. Mir so etwas zu unterstellen, ist schlicht: Eine Unverschämtheit! Wenn man nun mal nicht alle, die hier leben möchten, aufnehmen kann, wird man eine Auswahl treffen müssen. Zunächst diejenigen, die von ihrem Staat, ihrer Gesellschaft oder vom Kriege bedroht sind. Und dann diejenigen, die die hier die besten Chancen haben, ihren Beitrag zu leisten. Was das mit „herausholen“ im Sinne einer Ausbeutung zu tun haben soll, entzieht sich mir hier völlig.

Dieses Argument ist ähnlich wie „Fluchtursachen beseitigen“ (s.u.): Wir sollten einfach alles Unrecht dieser Welt beseitigen - dann wäre das Problem gelöst. Das ist ebenso richtig wie in dieser Debatte völlig nutzlos.

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Ich stelle einmal, als weitere Zusammenfassung, die sog. „Flop-Five“ der abgedroschenen Klischees, Phrasen und Floskeln vor, die jeder Gast dieses Podcasts nicht mehr hören kann. Herrn Koopmann kann nicht mehr hören …

„Das europäische Asylrecht ist eine europäische Errungenschaft“. Nein, das europäische Asylrecht ist zutiefst inhuman und alles andere als bewahrenswert (s.o.)

„Schutzsuchende“: Der Begriff wird angewandt auf Menschen, die aus ihrem Heimatland fliehen müssen (weil sie in ihrer körperlichen oder seelischen Unversehrtheit bedroht sind) und auf ihrem Weg durch Länder kommen, in denen sie dieser Verfolgung nicht mehr unterliegen. Oder auf Menschen, die kein Schutz (vor Verfolgung oder Krieg) suchen müssen, sondern ein besseres Leben. Letzteres ist sehr verständlich. Aber für diese Menschen ist das Flüchtlingsrecht nicht geschaffen worden. Und es ist schlechterdings unmöglich, alle Menschen in Deutschland oder auch in Europa aufnehmen, die aus Ländern kommen, in denen das Leben sehr viel schlechter ist an hier.

„Migration kann man nicht aufhalten“. Dieser Satz dient ausschließlich dem Zweck, der Politik die Mittel aus der Hand zu schlagen. Dahinter steht die Fehlannahme, dass Migration ein „Naturereignis“ ist, mit dem wir einfach leben müssen. Doch, man kann Migration aufhalten, wie z.B. das Türkei-Abkommen sehr eindrücklich gezeigt hat. Oder auch 2021, als Polen und Litauen sehr erfolgreich die Grenzen zu Belarus geschlossen hatte. Migration ist regulierbar und die Aufgabe ist, das im Einklang mit den Menschenrechten zu machen.

„Fluchtursachen beseitigen“: wie zynisch! Jeder, der das sagt, weiß eigentlich, dass er kurz- und mittelfristig Unmögliches fordert als Alternative zu einer regulierenden Migrationspolitik. Den Angriffs-Krieg Russlands gegen die Ukraine beenden? Den Diktator Assad stoppen? Die Taliban stoppen? Den Bürgerkrieg in / Angriffs-Krieg gegen den Jemen stoppen? Den Völkermord in Myanmar stoppen? Die Klimakrise stoppen? Das ist alles wichtig, ebenso Entwicklungshilfe. Aber es ist keine realistische Alternativ zu einer regulierenden Migrationspolitik.

„Legale Migrationswege verhindern irreguläre Migration“: Das ist eine naive Illusion. Solange die Chance besteht, nach Europa zu kommen und dort zu bleiben, wird es den Migrationsdruck geben. 20–30% der Nigerianer = 20–30 Millionen Menschen wollen in Europa arbeiten! Wir können gar nicht so viele Arbeitsplätze anbieten, um diesen Druck zu verhindern. Legale Migrationswege sind wichtig – wir benötigen Zuwanderung in den Arbeitsmarkt (400.000 Menschen pro Jahr allein in Deutschland). Aber das ist keine Lösung für die Migrationsproblematik.

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Und ich möchte noch ergänzen: „Das reiche Deutschland / Europa kann doch sehr viel mehr Migration stemmen“. Ja. Genau das befürwortet ja der Vorschlag von Herrn Koopmann: Wir holen wirklich Verfolgte aus den Krisengebieten der Erde auf Basis von Asyl. Und unsere Unternehmen holen Menschen, die ein besseres Leben suchen, aus jenseits der Grenzen der EU. Das setzt aber voraus, dass wir unsere eigene Fähigkeit und Bereitschaft zur Integration massiv ausweiten. Damit meine ich mehr noch die Integrationsleistung der Deutschen gegenüber den Immigranten als die Integrationsleistung von Immigranten gegenüber unserer Gesellschaft.

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Auch wenn Immigranten „geholt“ werden, bleibt die Frage, wie man andere davon abhält, sich auf den Weg zu machen. Eine Lösung wird das Holen nicht sein.
Am Ende steht man trotz allem vor der Frage, wie hoch die Zäune und wie abschreckend die Push-Backs werden. Meiner Vorstellung von Humanität und Verantwortung entspricht das nicht.
Abgesehen davon ist mir auch noch nicht klar, wie man aussuchen will, wen man „holt“.

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Zugegeben, wohl ist mir dabei auch nicht. Aber was die Alternative wäre, spricht niemand aus: Was wäre denn Deiner Meinung nach eine verantwortlicher, humaner Umgang mit Menschen, die ein besseres Leben suchen? Eine humanere Lösung ohne Limitierung /Regulierung eines Zuzugs fällt mir beim besten Willen nicht ein. Das Ergebnis eines unlimitierten Zugzugs wäre, dass wir keine Chance hätten, diese systematisch in unsere Gesellschaft zu integrieren. Auch wenn ich gerne in einer Gesellschaft leben würde, in der jeder „fremde Menschen“ vorbehaltlos willkommen heißt und ihnen bei der Integration hilft: Das ist und bleibt ein naiver Traum, auf den wir hinarbeiten sollten, aber den wir niemals werden erreichen können.

Wie gesagt:

  • Wir definieren politisch ein Kontingent für Menschen, die von Verfolgung und Krieg gedroht sind. So erreichen wir sehr viel mehr in Sachen Menschenrechte als heute. Können wir damit alle Verfolgten und Bedrohten retten? Sicher nicht. Schon eher, wenn das alle Erste-Welt-Länder tätigen. Also fangen wir damit an.
  • Wir erleichtern Arbeitsimmigration und unterstützen Unternehmen dabei, Menschen, die ein besseres Leben suchen, in ihren Heimatländern oder in den Ankunftsländern rund um Europa, anzuwerben. Die Auswahl treffen dann die Unternehmen nach ihren Anforderungen an Arbeits- und Fachkräften.
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Pragmatisch.
Sorry für die persönliche Begründung, aber meine Eltern haben in einer Notsituation mehr Kinder als Pflegekinder in ihre Obhut genommen, als sie selber Kinder hatten. Naiv? Wahrscheinlich. Schwierig? Natürlich. Und doch war es die einzig richtige Entscheidung. Wenn sie vor lauter Sorge oder Egoismus gesagt hätten: „Das können wir nicht. Ihr seid einfach zu viele für uns. Wir können uns nicht um euch kümmern“, wäre ich im Rückblick wirklich enttäuscht von meinen Eltern gewesen.
Vielleicht erklärt diese Familiengeschichte, warum ich keine Angst vor „zu vielen“ Immigranten habe. Ehrlich: So viele sind es aktuell doch (noch) gar nicht.

Wenn noch größere Teile der Welt durch Hitze und Dürren unbewohnbar werden und Kriege ihr übriges dazu tun, werden wir nicht damit durchkommen, uns einzuigeln. Das geht in der globalisierten Welt doch auch gar nicht. Im Gegenteil: Noch heute tun wir einiges, um von Rohstoffen (oder Absatzmärkten) in den Entwicklungsländern zu profitieren.

Meine Lösung? Hätte ich eine, wäre ich Super-Grobi. Aber wie wäre es mit:
„Koalition der Willigen“ in Europa, Investitionen ins Bildungssystem und Investitionen statt Kürzungen in die Eingliederungsmaßnahmen. Anerkennung von Lehrern, auch wenn sie nur ein Fach haben, Förderung der Begegnungen auf kommunaler Ebene, Unterstützung eigenständiger Entwicklung in den Herkunftsländern…
solche Maßnahmen.
Im übrigen gilt für mich: Wir Industrieländer tragen (auch als Kolonialmächte) eine enorme Verantwortung und Schuld. Wir sind reich geworden auf Kosten anderer Länder und Menschen. Zuallererst müssten wir bereit sein, auch zu teilen.
Wenn ich mir ansehe, wie überdimensioniert die Vermögen in den Industrieländern sind, wie luxuriös wir (Wohlhabenden) alle leben, dann ist mein erster Gedanke nicht: Wie kann ich die Armen weghalten? Sondern: Wie kann ich mit den Armen teilen, damit alle vernünftig leben können.
Kein Wohnraum? Warum wohnen dann so viele in übergroßen Wohnungen und Häusern?
Kein Geld? Warum kann in Deutschland ein Riesenvermögen quasi steuerfrei vererbt werden?
Etc.
Ich würde wirklich meine Energie investieren, Menschen Deutsch beizubringen, für sie eine Arbeitsstelle zu finden, sie unterzubringen, sie weiter auszubilden. Statt so unendlich viel Energie zu verschwenden, sie wegzuhalten, vor allem weil das gar nicht funktionieren wird.

Die Debatte ist nach meinem Empfinden zynisch und menschenverachtend. Wir alle können von Glück reden, dass wir nicht auf der anderen Seite des Zauns leben. Aber auch auf unserer Seite des Zauns wird das Leben weniger angenehm sein, wenn wir weiter zusehen, wie es den weniger Glücklichen geht.

Was braucht man wirklich, um zufrieden zu sein? Nahrung, Dach über dem Kopf, medizinische Versorgung, soziale Begegnungen, Selbstwirksamkeit, die Möglichkeit zu lernen.

Es braucht niemand, wirklich niemand einen SUV, zwei Urlaubsflüge im Jahr etc.

Was wir wirklich brauchen, sind wieder mehr zwischenmenschliche Begegnungsorte, menschenfreundlichere Städte…
Oje, ich schweife ab. :wink:
Was ich sagen will: Wovor haben alle Angst? Ist diese Angst nicht sehr irrational?

Wenn wir mehr teilen, wird unser Lebensstandard (also der der Wohlhabenden, ärmere Menschen müssen auch bei uns viel mehr unterstützt werden) ökonomisch abnehmen (während die Lebensqualität trotzdem steigen kann…), was wiederum eine abnehmende Zahl von Menschen mit sich bringen wird, die „ein besseres Leben suchen“ und dafür lebensgefährliche Reisen auf sich nehmen. Niemand verlässt seine Familie und sein Land ohne Grund. Die Menschen brauchen in ihren Heimatländern eine echte Perpektive. Das wäre die einzige richtige Lösung.

Persönlich glaube ich, dass eine große Transformation notwendig wäre. In allen Lebensbereichen. Ich selbst kann sie allein nicht in Gang setzen. Aber ich gehöre durchaus zu denen, die bereit wären, sie gemeinsam anzugehen.
Das wird natürlich nicht passieren. Das weiß ich auch. Aber es wäre erforderlich.

Das glaube ich dir natürlich ohne jeglichen Zweifel.

Was ich überhaupt nicht verstehe: Warum lässt man die Schutzsuchenden nicht viel schneller arbeiten oder anders am Leben teilnehmen? Menschen zu Hunderten in F.heimen unterzubringen kann nur zu Eskalation führen. Was sollen die (teilweise jungen) Leute denn den ganzen Tag mit sich anfangen?

Aber das ist doch aber der entscheidende Punkt. Politik muss sich an realen Gegebenheiten orientieren, nicht an einer Wunschvorstellung, die, was das Thema dieses Threads betrifft, selbst in Deutschland kaum mehrheitsfähig sein dürfte, von den meisten anderen europäischen Ländern ganz zu schweigen. Oder glaubst du, du kannst mit Verzichts- und Schrumpfungsplänen Wahlen gewinnen?

Wenn selbst nach Jahren die Hälfte der nach 2015 nach Deutschland erwerbsfähigen Geflüchteten noch keine Beschäftigung aufgenommen haben ist das wohl keine Lösung. Und da ich täglich mit Asylsuchenden beruflich zu tun habe kann ich dir sagen, dass die meisten entweder zu jung sind und daher noch keine Qualifikation haben (können) oder schon aufgrund fehlender Sprachkenntnisse kaum kurzfristig zu realisierende Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt haben.

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Ich halte die Idee des Weghaltens allerdings auch für eine Wunschvorstellung.

Könnte auch daran liegen, dass sie zunächst gar nicht arbeiten durften

Ausbilden, ausbilden, ausbilden

Das Problem wäre viel größer, wenn wir eine riesige Arbeitslosenquote hätten. Haben wir aber nicht, ganz im Gegenteil.

Und nochmal: Egal wie viele du holst, es werden sich weiter Menschen auf den Weg machen, solang sie in Not sind.
Und dann müssen wir uns an der Grenze fragen: Sind wir bereit zu schießen?
Nein, ich bin es nicht.

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