LdN341 Ost/West

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Zum Thema "Sind wir nicht endlich durch mit Ost/West Thema "

Worauf Frau Lemke eventuell hinaus wollte ist folgendes:
Durch eure Einleitung/Einordnung von Frau Lemke als Ostdeutsche, stellt ihr klar, das die Norm West ist und ihre Ost Perspektive die exotische Sichtweise ist. Aus ihrer Realität ist ihre Perspektive nicht exotisch sondern alltäglich. Solange die Anmoderation nur bei Ostdeutschen so geführt werden, ist klar dass auf eurer Seite keine Gleichberechtigung der Erfahrungen existiert. Eigentlich müsste es immer dazu gesagt werden oder nie, auf welcher Seite man geboren wurde. Denn auch die westdeutsche Perspektive gehört als solche gekennzeichnet, sonst weiß ich gar nicht wie ich die bewerten soll.

Schließlich geht es bei der Frage „Wann sind wir damit endlich mit dem Ost/West Thema durch“ nicht darum wann endlich alle Ossis einen westdeutschen Blickwinkel haben. Ich denke die unterschiedlichen Sichtweisen sollten als Vielfalt begrüßt und immer mit abgebildet werden.

Ich würde mich sehr freuen wenn ihr euch auf diese Gedankenreise begebt.

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Ich verstehe den Ansatz und konnte auch ihre Anmerkung dazu nachvollziehen im Interview.

Trotzdem ist es aus meiner Sicht biografisch nicht ganz das gleiche. Steffi Lemke ist in der DDR aufgewachsen und sozialisiert worden und lebt nun (allerdings seit 30 Jahren) in einem System, das das System der damaligen West-BRD ist - die DDR wurde ja an sich nur eingegliedert, es gab keine Reform des Staatswesens. Sprich sie hat einen Systemwechsel für sich persönlich erlebt und in 2 Systemen gelebt. Für „Wessis“ ist „nur“ ein Landteil dazugekommen, sie leben aber immer im gleichen Staatssystem. Die westdeutsche Perspektive ist fast zwangsweise allein aufgrund der Bevölkerungszahl BRD/DDR die Mehrheitsperspektive, nicht zu vergessen dazu noch die Perspektive all jener, die nach 1989 groß geworden und auch in der BRD sozialisiert wurden.

Also, was ich meine: Darauf hinzuweisen, dass jemand ja in einer Diktatur aufgewachsen ist, das finde ich ggf. schon erwähnenswert. Dass jemand in Deutschland in einer Demokratie aufgewachsen ist, ist der große Mehrheitsfall.

Speziell hier im Interview hatte es ja auch einen tieferen Sinn: Sie wurde im Laufe des Interviews zu ihrer Perspektive auf das Wählerverhalten und -einstellungen in den „neuen“ Bundesländern gefragt, die sie vielleicht anders / besser einordnen kann als jemand im gleichen Alter aus den „alten“ Bundesländern. Wobei das anhand ihrer Biografie natürlich auch klar wurde, auch ohne die Eingangserwähnung.

Ich finde es super schade, dass nach 30 Jahren sich da so eine Kluft auftut. Ich habe Mitte der 2000er (als Hesse) in Thüringen studiert (da war das Thema Ossi und Wessi unter Studis nur mal in Scherzen eins) und mein Gefühl ist, dass viele Menschen dort heute weiter weg sind von ihrem Glauben an die Demokratie als damals. Ist vielleicht aber auch ein gesamtdeutsches Phänomen mit Staatsskepsis, kein Vertrauen in „die da oben“ etc.

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Ich war von Frau Lemkes Reaktion ebenfalls überrascht. Klar, ich verstehe, dass Sie es nicht toll findet, wenn auch heute noch eine Einordnung in Ost und West vorgenommen wird.

Aber das eine Bundesministerin Ostdeutsche ist, ist heute leider unverändert etwas Außergewöhnliches und daher durchaus bemerkenswert. Sie ist bei 16 Ministern m.W. die einzige Ostdeutsche im Ministerrang im Kabinett, obwohl 20% der Deutschen „Ostdeutsche“ (Bewohner der fünf „neuen“ Bundesländer und Ostberlin) sind.

Und schließlich: Deuten nicht zahllose Studien, Umfragen und auch die Wahlergebnisse darauf hin, dass die politische Haltung und Werte der „Ostdeutschen“ sich von denen der Westdeutschen nicht unwesentlich unterscheidet (Achtung: Das ist eine über den Kamm gescherte Durchschnitts-Aussage, die sicherlich nicht allen „Ostdeutschen“ gerecht wird)? Allein schon deshalb ist der Hinweis auf Herkunft bei solch einem Interview nicht nur erlaubt, sondern wünschenswert.

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Naja ich konnte Lemke schon etwas nachvollziehen. Philipp und Ulf haben ja schon teils grenzwertige Fragen (aus meiner Neue-Bundesländer-Sicht) gestellt.

Da wird dann gebohrt warum „Die Ostdeutschen“ die Grünen nicht mögen oder warum „Die Ostdeutschen“ AFD wählen. Dabei sind die Probleme im gesamten Bundesgebiet in abgehängten Regionen sichtbar. Ulf und Philipp schossen sich dabei aber ganz spezifisch auf eine Region ein, was aus meiner Sicht nahelegt, dass sie das Problem Rechtspopulismus noch immer nicht richtig zu greifen kriegen.

Das ist wie wenn man Sinti und Roma fragt warum „Die Sinti und Roma“ kriminell seien. Das kann natürlich ehrabschneidend aufgenommen werden, auch wenn es so gar nicht gemeint ist.

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Dein zweiter Satz wäre eine wunderbare Erwiderung durch Frau Lemke gewesen. Leider hat sie den Pass nicht genommen …

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Genau genommen sind es doch eher die Ostdeutschen, die Wert auf ihre „ostdeutsche Identität“ legen, auf die man bitte Rücksicht zu nehmen habe, und die immer wieder auf dem Thema herumreiten, wie wenig Ostdeutsche denn nun irgendwo in Positionen sitzen. Ich identifiziere mich bspw. als Norddeutscher, habe aber noch nie gehört, dass Norddeutsche irgendwo im Kabinett gezählt würden.

Klara Geywitz ist auch in Ostdeutschland geboren. (Und wenn du auf „Bewohner“ abzielst, kommen da je nach Definition noch mehr bei rum, z.B. Baerbock, die seit langem im Landesverband Brandenburg ihrer Partei verwurzelt ist.)

Das ist zwar immer noch weniger als 20%, aber andererseits war eben auch eine Ostdeutsche beinahe 50% der Zeit seit 1990 Kanzlerin. In den ostdeutschen Ländern sind nunmal die derzeitigen Regierungsparteien vergleichsweise schwach aufgestellt. Wenn die Ostdeutschen traditionell bevorzugt AfD, CDU und Linke wählen, und sich in diesen Parteien organisieren, müssen sie sich eben nicht wundern, wenn eine Regierung aus SPD, Grünen und FDP relativ wenig ostdeutsches Personal hat.

Das ist dasselbe wie mit Bayern. Regierung mit CSU: Überdurchschnittlich viele Bayern im Kabinett. Regierung ohne CSU: weniger.

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Ich habe die Folge heute im Auto gehört. Meines Erachtens hat sie diesen Hinweis gebracht. Etwa bei 51:20 fragt Ulf was Politik tun müsse um diese Menschen (gemeint sind Ostdeutsche, die AfD wählen) wieder für die Demokratie zu gewinnen.

Darauf antwortete Lemke, man unter anderem anerkennen, dass das kein ostdeutsches Problem sei und die AfD bundesweit bei 19,5% stünden, zumal viele der AfD Protagonisten aus den alten Bundesländern kämen.

Darauf protestiert Philip, dass die großen Mehrheiten im Osten gewonnen würden und Ulf wirft ein, dass die AfD im Westen ja nur bei 13% stünden.

Meines Erachtens zeigt das, dass Ulf und Philip die vielfältigen Gründe für die Unterstützung rechtspopulistischer Parteien trotz ihrer vielen Berichterstattung und Recherche bis heute nicht ganz verstanden haben.

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Mal von Merkel abgesehen, waren Merkel I bis IV denn mit 20 % Menschen aus den neuen Bundesländern besetzt? Offene Frage, ich habe nicht nachgezählt.

Ehrlich gesagt ist mir diese Repräsentationsfrage auch zuwider. Aber wenn Menschen mit völlig anderem soziokulturellem Background, viel besseren finanziellen Möglichkeiten, stärkeren wirtschaftlichen Strukturen und ohne die massive Umbruchserfahrungen der 1990er Jahre, die für viele ehemalige DDR Bürger als Demütigung erfahren worden sein muss, regelmäßig den „Ossis“ Demokratie und die Welt (v)erklären, dann finde ich das doch zuweilen sehr anmaßend.

Ich glaube kaum, dass schon mal ein Mensch, der in den alten Bundesländern aufgewachsen ist, von einem ostdeutschen Chef im Bewerbungsgespräch gefragt wurde, ob er nicht lieber bei sich bleiben wolle, ob er denn die Industrieunternehmen seiner Heimat nicht kenne und doch bitte dort bleiben solle.

Ich habe das dagegen bei der BASF (Ludwigshafen) im Jahr 2017 so erlebt. Ich solle mich doch bei Wacker in Dresden oder Total in Leuna bewerben und im Osten bleiben. Wohlgemerkt, das habe ich gehört noch bevor(!) das Gespräch fachlich losging.

Das schlimme daran, der Teamleiter war kaum über 40.

Oder ein ehemaliger Kommilitone hat sich nach dem Abi für ein duales Studium bei der Polizei in einer westdeutschen Landespolizei qualifiziert. Sein Vorgesetzter habe ihm kurz nach Beginn der Ausbildung gesagt, dass er keine Ossis im Team haben wolle und er ihm zwangsweise zugeteilt wurde. Er würde aber nicht lange bleiben.

Wenige Wochen später wurde meinem späteren Kommilitone gekündigt. Ihm wurde Urkundenfälschung vorgeworfen, da er eine Bescheinigung seines Vermieters als Kopie abgegeben hatte und nicht im Original. Das war 2005. Er hat dann etwas anderes studiert.

Ja das ist anekdotisch und sicher ebenso wenig repräsentativ für die Westdeutschen wie das Rassistenlabel für Ostdeutsche. Aber solche Erlebnisse prägen leider. Ich bin aber überzeugt, dass es mit der Zeit besser wird.

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Tatsächlich hab ich das mal getan. Wenn man den Posten als Bundeskanzlerin genau wie einfache Minister wertet – nicht mehr und nicht weniger – dann entspricht der Anteil der Minister aus den 5 ostdeutschen Ländern (ohne Berlin) sogar fast exakt dem Bevölkerungsanteil.

Allerdings mit extremer Konzentration auf Mecklenburg-Vorpommern (durch Merkel) und Sachsen, während Thüringen und Sachsen-Anhalt in 4 Legislaturperioden keinen einzigen Minister stellten – was allerdings auf Schleswig-Holstein und Bremen genauso zutraf.

Hab allerdings nicht mit 20% gerechnet, sondern mit den tatsächlichen Bevölkerungszahlen, und ohne Berlin sind das bloß 15%.

Und ich muss dazu erwähnen, ich hab die Minister den Ländern zugeordnet, wo sie politisch her kamen. Also bspw. Thomas de Maiziere zu Sachsen, obwohl er im Westen geboren wurde.

Edit: Hatte ursprünglich Berlin in Ostdeutschland mit drin, und bin mit den Spalten etwas durcheinander gekommen. Deswegen hier die richtige Grafik.

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Mir ging es dabei nur um den Referenz-Anteil der Bevölkerung.
Maßgeblich bei der Kabinettszugehörigkeit ist für mich eher eine ostdeutsche Sozialisierung.
Baerbock ist m.W. Hamburgerisch sozialisiert (auch wenn sie länger in Brandenburg war).
Dass Klara Geywitz ostdeutsch sozialisiert wurde, wusste ich nicht – danke für die Erhellung.

Das ist eine Erklärung der Unterrepräsentierung, aber es bleibt bei der Unterrepräsentierung

Das liegt wohl daran, dass die „Alten Bundesländer“ seit 1945 gut zusammengewachsen bzw. eben nicht signifikant auseinandergedriftet sind. Und das, obwohl es „kulturell“ durchaus nicht unerhebliche Unterschiede zwischen z.B. Hamburg und München bzw. Schleswig-Holstein und Bayern gibt.

Ja, das hat sie gesagt. Ich bezweifele, dass das stimmt. Die AfD ist im Osten nun mal deutlich stärker als im Westen.

Ist das so?

Bezogen auf die Sozialstruktur der AfD-Wählerschaft kommen die vorliegenden Untersuchungen zu teilweise disparaten Befunden, was darauf hindeutet, dass monokausale Erklärungsversuche hier zu kurz greifen. So führen z.B. weder eine hohe Arbeitslosenquote noch ein höherer Ausländeranteil per se zu einer größeren Wahlbereitschaft der AfD. Im Westen scheint die AfD vor allen dort zu punkten, wo die Wähler ein unterdurchschnittliches Haushaltsaufkommen aufweisen und/oder einer Tätigkeit in der Industrie nachgehen.

Ich empfehle folgende Quelle:

Sorry, aber wenn 32 % der Bevölkerung einer offen rassistische und rechtsextreme Partei zusprechen, ist es richtig, mit den Ostdeutschen ins Gespräch zu kommen. Und zwar über Demokratie, Menschenrechte, Pluralismus etc.

Fortsetzung …

Fortsetzung:

Ich halte sehr wenig davon, 30 Jahre nach der sog. „Wiedervereinigung“ (die rechtlich und faktisch ein Beitritt war) Verständnis dafür aufzubringen, wenn 1/3 der Bevölkerung rechtsradikal wählen will. Und das mit dem Verweis auf Sozialisierung im Sozialismus und traumatisierenden Umbrucherfahrungen. Damit spricht man den Ostdeutschen jegliche Fähigkeit zum Lernen, Persönlichkeitsentwicklung und Einsicht ab. Das empfinde ich als diskriminierend.

Es gibt eine klare Grenze, wo Verständnis und Toleranz aufhört und bei mir ist – bei allem Verständnis über die Verärgerung der grottigen Ampel-Kommunikation in den vergangenen Monaten – diese Grenze klar überschritten.

Edit: Falschen und historisch problematischen Begriff „Anschluss“ durch den korrekten Begriff „Beitritt“ ersetzt. Ich bitte um Nachsicht für diese Irrung.

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Die hat ein paar Semester in Hamburg studiert. ist aber im Wesentlichen in Hannover aufgewachsen und lebt und agiert jetzt seit 2009(?) für den Brandenburger LV der Grünen.

Das ist nunmal das Wesen unserer Demokratie. Wenn du eine Kleinstpartei wählst, bist du im Bundestag nicht repräsentiert, und wenn du eine Oppositionspartei wählst, bist du in der Regierung nicht repräsentiert.

Ob nun jemand als Ostdeutscher repräsentiert wird oder nicht, hängt in erster Linie davon ab, ob er „ostdeutsch sein“ als herausragende Eigenschaft ansieht.

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Carsten Schneider aus Thüringen und Reem Alabali-Radovan aus Mecklenburg-Vorpommern sind beide Staatsminister/in im Bundeskanzleramt, ersterer sogar explizit für Ostdeutschland. Beide gehören zwar nicht zum Bundeskabinett haben aber formal auch herausgehobene Positionen.

Ein Beitrag wurde in ein neues Thema verschoben: Interview Steffi Lemke

Lemke dürfte sich auf die „neue Ostdebatte“ bezogen haben, die seit einigen Monaten geführt wird und die in der Lage wohl noch keine Rolle spielte, wie dieser Thread zeigt. Ausgelöst wurde diese u. a. durch das Buch „Jenseits der Mauer“ von Katja Hoyer, das ursprünglich in Großbritannien ein Beststeller war und Dirk Oschmanns polemische Streitschrift „Der Osten - eine westdeutsche Erfindung“. Grob gesagt geht es neben den hier im Thread schon angeschnittenen Transformationserfahrungen und dem verbreiteten Gefühl einer Kolonisierung durch den Westen auch um fortlebende Zuschreibungen im deutsch-deutschen Verhältnis. Hoyers Buch kenne ich nicht. Oschmann benennt aus meiner Sicht zwar wichtige Punkte, bleibt aber m. E. bei einseitigen Schuldzuweisungen, Selbstviktimisierung und der Anrufung anti-westdeutscher Ressentiments stehen. Eindrücklich zeigt dies eine gemeinsame Veranstaltung des Autors mit David Begrich in Magdeburg (Ein Videomitschnitt findet sich hier).
Einen guten Einblick und differenzierte Positionen zur Debatte vermittelt m. E. diese Diskussionssendung vom Deutschlandfunk:

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Den folgenden Beitrag schrieb ich gestern @TilRq per PN, der mir in seiner gewohnt sehr fachkundigen Antwort unter anderem vorschlug das doch lieber im Thread zu diskutieren.

Ich muss meinen Beitrag nachträglich aber korrigieren. Ich habe heute den folgenden ZEIT Online-Beitrag
DAS POLITIKTEIL: Der AfD-Schock
gehört, in dem die Hosts mit Julia Reuschenbach über die AfD, Gründe ihres Aufstiegs und mehr sprechen. Darin ist mir klar geworden, dass was ich ich als Protest-Wahl begreife, wohl von der allgemeinen Wahrnehmung abweicht.

Wenn ich oben von Protest schrieb, dann gehört für mich dazu nicht nur, dass man SPD, Grün u Union einen Denkzettel verpassen möchte, sondern dass man deren Lösungsvorschlägen misstraut u daher selbst absurden Vorschlägen der AfD die Stimme schenkt, auch obwohl man den rechten Background der Partei ablehnt.

Sehr wichtig finde ich an dieser Stelle die Einordnung von Frau Reuschenbach, dass Unsicherheit der AfD hilft, denn er verunsichert die Bevölkerung. Das bringt mich zu der Theorie, dass die Unsicherheit im Osten aufgrund der nicht erfüllten Versprechungen u des erfolgten Strukturbruchs viel größer ist als im Rest des Landes. Die örtliche Infrastruktur ist schlecht, bspw. gibt es wenig ÖPV, im ruralen Raum weite Wege zum nächsten Supermarkt o Arzt u aufblühende Wirtschaftszweige wurden durch pol. Entscheidungen zerstört o massiv geschädigt (bspw. Solar-Branche im Solar Valley aka Thalheim 2008; Windkraft in Magdeburg, 2018?). Dadurch glaubt man den etablierten Parteien nun eventuell nicht mehr, wenn sie behaupten den sicheren Masterplan zu kennen. Das sorgt, kombiniert mit geringerem Puffer-Vermögen, das Krisen abmindern könnte, für Verunsicherung.

Übrigens fand ich es toll, wie einer der LdN-Hosts von seiner ostdeutschen Frau sprach und der unterschiedlichen Wahrnehmung, ob es einen Ost-West-Unterschied gibt. Mich erinnert das sehr an andere Konfliktfelder, zum Beispiel Türken in Deutschland, Frauendiskriminierung u.v.m… Die priviligierte Gruppe hat oft Probleme Diskriminierung in ihren Reihen wahrzunehmen.

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Was bei diesem Narrativ der Protestwahl ebenso fehlt, wie beim direkten Schluss von bestimmten Erfahrungen (etwa während der Transformationszeit), Unzufriedenheit, Verunsicherung oder fehlendem Vertrauen auf ein bestimmten Wahlverhalten, ist eine Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit Menschen bestimmte politische und gesellschaftliche Vorstellungen, die die AfD vertritt, einfach teilen. Stattdessen wird - meist ohne Grund - unterstellt, dass AfD-Wählerinnnen mit den politischen Positionen der Partei „eigentlich“ gar nichts am Hut haben.
Ein zentraler Punkt ist hierbei eine grundsätzliche Ablehnung von Demokratie und die Sehnsucht nach autoriäteren Formen der Organisation von Gesellschaft - oft einhergehend mit dem Wunsch nach Bevorzugung bestimmter Bevölkerungsteile und der Ausgrenzung anderer. Das hat jüngst mal wieder eine Studie zu „Autoritären Dynamiken und die Unzufriedenheit mit der Demokratie“ in Ostdeutschland gezeigt. Und nein, das ist kein Problem, das nur im Osten existiert, aber ja, es ist dort besonders dringend.
So wichtig es ist, die in der Transformationsperiode entstandenen gesellschaftlichen Verwerfungen zur Kenntnis zu nehmen (siehe mein letzter Post zur „Ost-Debatte“), so wenig hilfreich ist es, diese zur alleinigen Erklärung für autoritäre Denkmuster zu machen. Auch ökonomische Prekarisierung taugt nur bedingt als Argument. Es gibt durchaus viele Gegenden in Ostdeutschland, wo es eben nicht die Mittellosen, sondern eher die von Abstiegsängsten geplagte Mittelschicht ist, die AfD wählt. Auch bei den Präsidentschaftswahlen in den USA 2016 hatte Trump die höchste Zustimmung bei Wähler:innen mit einem Jahreseinkommen über 50.000 US-Dollar.

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Absolut und volle Zustimmung. Ich hoffe meine Beiträge wurden nicht so verstanden als gäbe es keine Rechtsextremen in den neuen Bundesländern.

Frau Reuschenbach weist auch darauf hin, dass es laut Studien ein klassisch rechtes Potenzial von etwa 10 % der bundesdeutschen Bevölkerung gäbe. Das gibt es natürlich auch im Osten und es liegt bestimmt auch ein paar Prozent höher als im Westen der Republik. Aber es ist eben sicher kein 80/20-Verhältnis, das nahelegen würde, dass es sich nur um ein lokales Problem handele.

Ganz wichtig ist zu verstehen, dass der ganze Themenkomplex sehr kompliziert und vielschichtig ist. Daher stört mich diese Reduktion auf die „rechtsextremen (Jammer-)Ossis“, die einige politische Journalisten gerne fahren.

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Norddeutschland wurde aber auch nicht mit Systembruch „einverleibt“

Du machstbden typischen Fehler der Westdeutschen.
Für euch fing es nach der Wende weiter wie vorher, im Osten war alles anders.

Der Westen ist das „Normale“ und der Osten soll sich gefälligst anpassen und vor allem auf ewig dankbar sein.

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