Was du schreibst, ist für Tiere korrekt, nicht für Menschen.
Angst ist eine Emotion, und Emotionen dürfen das professionelle Verhalten nicht steuern.
Professionelles Verhalten muss sich an rationalen Risikoabwägungen orientieren, nicht an Ängsten. Ängste können als Hinweisgeber auf ein Risiko genutzt werden, aber dürfen nicht dazu führen, das Risiko dann über zu bewerten, während andere, realere Risiken, unterbewertet werden, weil diese keine Angst mehr auslösen.
Als Beispiel immer die Reaktion von einigen Leuten, wenn ich vor Corona gesagt habe, dass ich im Sinai tauchen war. Da kommt dann gleich: „Sinai, da sind doch noch Terroristen aktiv! Und überhaupt Ägypten, das ist doch viel zu gefährlich!“. Würde man deshalb diese Reise nicht antreten, wäre das ein Handeln aus Angst. Ich hingegen bin rational. Die Wahrscheinlichkeit, beim Tauchurlaub im Sinai Opfer von Terrorismus zu werden, ist in etwa ein Tausendstel so hoch, wie vor’m Hotel in einem beliebigen Land in einen Verkehrsunfall verwickelt zu werden.
Wir neigen dazu, übersteigerte Angst vor Dingen zu haben, die besonders Präsent in den Medien sind und mit denen wir keine persönlichen (abstumpfenden, angst-abbauenden) Erfahrungen haben (Terrorismus, Krieg). Andererseits unterschätzen wir konsequent Dinge, die tatsächlich gefährlich sind, an die wir uns aber gewöhnt haben (z.B. Autofahren, ungesundes Essen, Fettleibigkeit, Bewegungsmangel).
„Angst ist ein schlechter Ratgeber“ bedeutet daher in erster Linie, dass man niemals sein Verhalten unreflektiert an Ängsten ausrichten sollte. Dass es viele Dinge gibt, vor denen wir berechtigte Ängste haben und die wir auch nach einer rationalen Abwägung meiden sollten, steht dem nicht entgegen.
Bezogen auf die Russland-Diskussion erwarte ich, dass eine rationale Risikobewertung jedes weiteren Schrittes betrieben wird, statt aus Angst davor, in einen (Atom-)Krieg zu geraten, Russland einfach gewähren zu lassen.