Ich komme auch aus einer Kleinstadt mit knapp 15.000 Einwohnern mit einem schwachen ÖPNV innerorts und einem kaum existierenden ÖPNV zu den umliegenden Dörfern. Dazu kommt noch, dass die Gegend Hügelig ist und Steigungen jenseits der 10% keine Seltenheit. Es ist also nur für wenige eine Option alles mit dem Rad zu machen, auch wenn das durch Pedelecs natürlich heute besser geht als noch vor wenigen Jahren.
Der Einkauf ist für Viele dadurch erschwert, dass sich mittlerweile die Supermärkte alle auf einer sehr kleinen Fläche am einen Ende des Ortes konzentrieren. Einkauf ist aber was die Mobilität im ländlichen Raum (und dazu zähle ich Kleinstädte die nicht direkt mit größeren zusammengewachsen sind) angeht nur einer von vielen Punkten.
Dazu kommt dann vor allem der Arbeitsweg. Nicht jeder arbeitet am Ort selbst sondern viele in Umliegenden Orten. Die Verbindung zu den nächsten zwei größeren Städten ist mit der Bahn ins Zentrum zwar sehr gut, je nachdem wo dort der Arbeitgeber sitzt kann es aber eben durchaus sein, dass man mit ÖPNV pro Richtung 40-50 Minuten länger braucht. Trotzdem wird die Bahnverbindung gut angenommen und der erst vergrößerte P+R Parkplatz ist meist überfüllt. Hier kommen wir aber schon wieder zum nächsten Punkt. Möchte man mit der Bahn fahren, dann muss man auch erstmal zum Bahnhof kommen. ÖPNV gibt es dafür nicht und das Rad wäre zuletzt im Dezember alleine an 4 Werktagen wegen Schnee und Eisregen keine Lösung gewesen.
Soziale Kontakte entstehen in solchen Regionen schon ab der Schulzeit nicht nur in der Nachbarschaft sondern auch zu den umliegenden Dörfern. Schulfreunde, Arbeitskollegen, etc. kann man aber auch nicht einfach so mit dem Bus besuchen.
Noch extremer finde ich die Situation z.B. im Erzgebirge wo ich viel beruflich unterwegs bin. Hier gibt es viele kleinere Orte und zudem noch viele dezentrale Industriegebiete. Das ganze bei vielen Steigungen und schmalen Landstraßen und einem schneereichen Winter. Die wenigsten Paare und Familien dürften überhaupt die Situation haben, dass alle am gleichen Ort Arbeit und ggf. Schule haben können.
Das heißt zumindest zum aktuellen Stand ist es für die meisten kaum praktikabel auf eine Auto zu verzichten und ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass in diesen Gegenden zukünftig in vielen Haushalten auf ein Auto verzichtet werden kann. Es ist aber auch heute schon durchaus so, dass ich sehe, dass die Leute trotzdem viel mehr einzelne Wege ohne Auto zurücklegen könnten. In meinem Bekanntenkreis gibt es viele die selbst kürzeste Wege mit dem Auto fahren, obwohl das nicht mal eine Zeitersparnis bringt. Weil das Auto sowieso vorhanden ist und anders als in Großstädten die Parkplatzsuche kein Problem ist wird nicht drüber nachgedacht welche Strecken auch anders zurückgelegt werden können.
Für die Zukunft würde ich mir für solche Regionen wünschen, dass es zumindest eine grundlegende Versorgung mit ÖPNV gibt und das Thema Radverkehr ausgebaut wird, z.B. auch durch sichere Abstellmöglichkeiten am Bahnhof. Ich glaube aufgrund des komplexen Verkehrs in alle Richtungen nicht, dass man das Auto komplett überflüssig machen kann, aber man kann zumindest die Abhängigkeit vom Auto massiv reduzieren. Und wenn damit nur der Zweit- oder Drittwagen (bei Familien mit erwachsenen Kindern) reduziert werden kann und die insgesamt zurückgelegten km deutlich reduziert werden, wäre in meinen Augen schon ein großer Schritt getan.
Das Thema Tempo 30 in Städten und Abbau von Parkplätzen sehe ich aber insgesamt so wie es in der Lage angesprochen wurde. Tempo 30 gibt es in Österreich auch in kleinen Orten ohne Probleme und der Abbau von Parkplätzen könnte für die vom Land kommende Bevölkerung dadurch abgemildert werden, dass attraktive P+R Angebote geschaffen werden.