LdN 423 Pendlerpauschale

Dies kommt mir unnötig polemisch vor (wenn ich dich richtig verstanden habe). @JohanneSAC schreibt ja,

Dies fandest du zu undifferenziert und schlägst nun ein differenzierteres Modell vor. Aber Johannes hat doch nichts über „dein Modell“ ausgesagt (oder ich habe es überlesen); daher verstehe ich deinen Nachsatz nicht. (Oder auf wen spielst du mit „einige“ an?)

Ich glaube schon, dass dieses Hängen am PKW sehr viel mit Bequemlichkeit zu tun hat, und wir alle wissen, was unser Gehirn manchmal so anstellt, um Altbewährtes vernünftig oder unumgänglich erscheinen zu lassen. Du [edit: @Flixbus – inzwischen wurde noch einiges gepostet] hast ja selber die Notwendigkeit angesprochen, alte Denkmuster oder Gewohnheiten über Bord zu werfen. Dass das nicht einfach ist – erst recht nicht, wenn die Politik dies durchsetzen will –, wissen wir alle. Dann heißt es eben, wir würden bevormundet etc.

Wie du schon sagtest, hängen sehr viele Themen mit dieser Frage zusammen. Wie eine gerechte Pendlerpauschale aussehen müsste, diskutieren wir ja gerade. Ich kenne mich nicht gut aus, aber aus meiner Sicht wäre schon der Ausbau eines für alle bezahlbaren ÖPNV der erste Schritt und neben dem Umdenken die wichtigste Voraussetzung, um vom Individualverkehr wegzukommen.

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Das mit der Gerechtigkeit und der deutschen Grundannahme, das alle erstmal vorsätzlich betrügen wollen, macht unsere Bürokratie nicht alltagstauglicher und effizienter.

Sonst müsste man bei jeder vom Staat gewährten Leistung strenge und aufwändige Einzelfallprüfungen nach dem Vier-Augen-Prinzip machen, damit auch kein Cent unbelegt und unberechtigt durchgeht.
Schafft natürlich Arbeitsplätze :wink:

Ok, einfach streichen ist sicher keine Lösung. Vermutlich schon rechtlich schwierig. Jede Änderung müsste gestuft und über einige Jahre gestreckt werden, um Anpassung auch tatsächlich zu ermöglichen.
Ich bezog mich mit der Kritik auf den Einwand, das entsprechende Änderungen würde als Bevormundung wahrgenommen. Bevormundung im Sinne von staatlicher Lenkung von Mobilitätsverhalten ist ja der Gegenstand der Beibehaltung oder Änderung. Das Framing/die Wahrnehmung, nur die Änderungen wären eine „Bevormundung“ blockiert die überfälligen Änderungen defacto komplett.

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Das ist wohl ein wichtiger Punkt.

Es nur über „Verbote“ oder Entzug von Leistungen anzustreben, Verhalten zu ändern, wird wie beim Bürgergeld nicht funktionieren.

Auf der anderen Seite muss immer auch eine Alternative da sein bzw. attraktiver gemacht werden.

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Das geht soweit an meinem Argument vorbei, dass es fast schon Strohmanncharakter bekommt. Bei jeder staatlichen Maßnahme wird es zu Mitnahmeeffekten kommen. Das ist einfach so und nicht zu ändern, ohne die Effizienz jeglicher Maßnahmen zu zerstören. Mein Punkt war aber, dass im Status quo der Pauschale extrem flächendeckende Mitnahmeeffekte und schädliche Anreizwirkungen zusammenkommen, die sich mit den vergleichsweise geringen gewünschten/wünschenswerten Effekten nicht rechtfertigen lassen.

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Als Pauschale oder überhaupt die steuerliche Absetzbarkeit von Kosten die mit der Erwebstätigkeit einhergehen?

Tatsächlich geht es hier nicht nur um die Extrafahrten, sondern auch die Kosten selbst. Kriege ich im Rahmen der Kitaplatzvergabe einen Platz beim Träger wo der Platz für 6h täglich 380 € kostet und das Essen 4,50 € oder einen wo der Platz für die gleiche Zeit 580 € kostet und das Essen 6,30 €?

Das ist in der Tat ein Gerechtigkeitsproblem. Nur sehe ich nicht, dass man ein Gerechtigkeitsproblem verbessert, wenn man bei einem anderen die Absetzbarkeit von Kosten streicht.

Was ist letztlich Egoismus? Viele meiner Freunde auf den Dörfern engagieren sich ehrenamtlich, als Fußballtrainer, bei der Feuerwehr, im Mundarttheater, etc.

Was würde aus diesen Einrichtungen werden, wenn alle die auswärts arbeiten wegziehen würden?

Ist es in Anbetracht von Wohnungsmangel in Städten und Leerstand am Land wirklich zielführend Anreize zu setzen das Land völlig ausbluten zu lassen?

Ich glaube hier braucht es einfach ein umfassendes Konzept welches diverse Themen miteinander verknüpft. Arbeitsplätze auf dem Land, ÖPNV Angebot in der Fläche, Wohnraum in Stadt und Land, Infrastruktur in Stadt und Land, Soziale Aspekte, etc.

Dazu gehören dann vielleicht auch flexible Betreuungsmöglichkeiten, damit Kinder vom Dorf z.B. nur Dienstag und Donnerstag die Zeit bis zum Sporttraining in der Stadt wo sie zur Schule gehen überbrücken können, auch wenn sie sonst eigentlich keinen Hortplatz benötigen.

Die Kritik die Pendlerpauschale wäre die Ursache dafür, dass Leute strecken zurücklegen ist in meinen Augen jedenfalls nicht gerechtfertigt. Und wie schon angemerkt gehört eine Absetzbarkeit der Kosten für die Erwerbsarbeit aktuell einfach zum Steuerrecht dazu. Die Pauschale durch eine Absetzbarkeit der tatsächlichen Kosten zu ersetzen würde wohl eher die belohnen die sehr hohe Kosten haben.

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Ich würde es eher Gewohnheit nennen als Bequemlichkeit, da es sich nicht nur auf das individuelle Nutzungsverhalten bezieht, sondern u. a. auch auf die politische Steuerung oder die Planung von Verkehrsinfrastruktur. Und genau deshalb braucht es aus meiner Sicht ein Umdenken und Überzeugen - unter anderem mit einem von Angebot her drastisch verbesserten und für alle Einkommensklassen finanzierbaren ÖP(N)V. Deshalb finde ich bezogen auf die konkrete Diskussion eine grundlegenede Kritik am Instrument der Pendlerpauschale in ihrer jetzigen Form m. E. geeignet, deren kurzfristige Abschaffung aber nicht. - aber beim dem letzten Punkt scheinen sich ja inzwischen auch alle hier weitgehend einig zu sein.

Was das Gefühl der Bevormundung angeht, finde ich es zu eindimensional gedacht, dieses pauschal auf einen Vorwand zu reduzieren, der dazu dient, notwendige Veränderungen zu blockieren. Ich bin überzeugt, dass eine Wahrnehmung dieses Gefühls und dessen Adressierung in dem oben genannten Sinne (Umdenken & Überzeugen) langfristig sehr viel erfolgversprechender ist. Außerdem bedeutet der Verweis auf die Existenz dieses Gefühls ja nicht automatisch eine Übernahme von dessen Rationalisierung (also des Arguments der angeblichen Bevormundung).

Sollte ein kleiner sarkastischer Einwurf zur deutschen Bürokratie sein. :grimacing:

Vielleicht auch der Hinweis, das der tägliche (längere) Weg zur Arbeit auch mit Stress, Vergeudung von Lebenszeit/Freizeit und Aufwand über die Fahrtkosten hinaus verbunden ist.

Also die wenigsten fahren aus Spaß oder um die Pendlerpauschale mitzunehmen

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Da wir das Thema schon reichlich diskutiert haben , würde ich hier zeitnah den Deckel drauf machen?

Ich glaube, die Formulierung

deckt mehr ab als nur den Aspekt, dass man Sachen durch die Titulierung als Bevormundung mutwillig blockiert. Natürlich müssen Änderungen sinnvoll und geschickt kommuniziert werden. Aber selbst bei optimaler Kommunikation tendiert der Mensch dazu, an Bekanntem festzuhalten – nenn es Gewohnheit oder Bequemlichkeit, für das Gehirn ist das kein wesentlicher Unterschied, würde ich mal sagen (dies wieder auf individueller Ebene argumentiert).

Was den ÖP(N)V betrifft, sind wir einer Meinung.

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Auf der individuellen Ebene sind die Begriffe Bequemlichkeit und Gewohnheit vermutlich weitgehend austauschbar, aber es ging mir ja auch um die Köpfe derer, die z. B. Verkehr oder oder Wohngebiete planen, also um die strukturelle gesellschaftlicher Dimension. Was ich zum Gefühl der Bevormundung schrieb, bezog sich allerdings eher auf @JohanneSAC, das hätte ich vielleicht deutlich machen sollen.

Ja, das ist es, und dies kann über die Pendlerpauschale, egal welche Details wir verändern, nicht alles aufgefangen werden.

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Mag sein, aber auch da gilt das, was ich eingangs geschrieben habe: Das eine schließt das andere nicht aus. Den Aspekt, den @JohanneSAC anspricht, gibt es ja in Teilen der Bevölkerung doch auch, oder?

Ich habe das Gefühl, dass da Fronten aufgezogen werden, die ich inhaltlich nicht ganz nachvollziehen kann.

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Ich meine das nicht despektierlich. Aber wie schon die Rolling Stones gesungen haben “you can’t always get what you want”. Wenn ich das aus deinen Beiträgen richtig verstanden habe, bist du auch im akademischen Bereich unterwegs. Da ist vor dem Studium meistens schon klar, wo die interessanten Jobs sind, und eben selten auf dem Land. Wenn einem das zuwider ist, ist das die falsche Karriere bzw. das falsche Studienfach. Und das dann mit der Pendlerpauschale ausgleichen zu wollen (oder wie vor ein paar Jahren Seehofer mit dem Heimatministerium noch weitgehender), ist aus vielen hier aufgeführten Gründen umweltschädlich und gesellschaftsschädlich meiner Meinung nach. Vereine gibt es auch in der Stadt. Viele ältere Menschen können in einer Stadt besser selbstbestimmt leben, auch wenn sie aus Altersgründen nicht mehr Autofahren können. Motorisierter Individualverkehr ist vom Flächenverbrauch und vom Umweltschutz her gesehen ein Desaster. Und das über die Pendlerpauschale zu fördern ist der falsche Anreiz.

Mir ging es explizit nicht um mich selbst. Wir haben das (zeitweise doppelte) Pendeln (zwischen Universitätsstädten) in Kauf genommen (ohne Auto und somit auch ohne Pendlerpauschale), weil wir für befristete Stellen die Kinder nicht „umpflanzen“ wollten. Und auch so bin ich in meinem Leben zwanzigmal umgezogen. (Habe hier auch mit keinem Wort eine Lanze für die Pendlerpauschale gebrochen, sondern für einen Ausbau des ÖP(N)V plädiert – wir sind uns, denke ich, im Großen und Ganzen einig, aber es gibt auch gute Gründe, irgendwo bleiben zu wollen, und da fand ich den Ausdruck „an ihrer Scholle kleben bleiben“ unpassend.)

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Btw…auch wenn die Pendlerpauschale komplett wegfallen sollte, wäre das für mich keinerlei Anreiz, meinen Wohn- oder Arbeitsort zu wechseln.
Maximal denke ich nochmal über die Mobilitätsform nach, falls sich Alternativen auftun.

Sonst muss ich höhere Pendelkosten tragen und schränke den Konsum wie Urlaub, Freizeitaktivitäten ein.

Bleiben ja nicht viele Optionen

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Bevor du das tust, möchte ich noch einen Aspekt einbringen, den ich hier noch nicht gefunden habe.

Jedes Unternehmen in diesem Land kann seine Standorte beliebig ungünstig verteilen und alle Kosten, die sich daraus ergeben, steuerlich absetzen. Das können Transportkosten sein, oder Reisekosten der Mitarbeiter - gerne auch 1. Klasse in der Bahn oder Business Class im Flugzeug. Dass das auch billiger ginge, völlig egal.
Oder Selbstständige, von der Anwältin bis zur Maurerin, die jede noch so unsinnige Standortwahl auffangen können, weil die Fahrten (gerne im geleaseten Oberklasse-Auto, das ebenfalls von der Steuer abgesetzt wird; und zwar auch der Meister im Handwerks-Betrieb) eine Betriebsausgabe sind.
Es ist ein elementares Prinzip unseres Steuerrechts. Niemand käme auf die Idee, das als umweltschädliche Subvention zu framen.

Nur wenn „der kleine Angestellte“ seine Kosten, die er für den Erwerb seines Einkommens hat, absetzt, ist das plötzlich eine Subvention??

Diese Sicht kommt wohl daher, dass der Angestellte ein festes, regelmäßiges Gehalt bekommt, und die Pendlerpauschale (d.h. die Pendelkosten) später vom Finanzamt zurück.
Würden Angestellte eher wie Selbststände/Unternehmen betrachtet, wäre klar, dass jemand, der 5000€ brutto verdient und 500€ Fahrtkosten hat, eigentlich nur 4500€ brutto verdient.

Danke dabei auch an @pbf85 , der hier nochmal klargestellt hat, dass Angestellte hier, zumindest wenn sie mit dem Auto pendeln, nichtmal ihre echten Kosten absetzen können, geschweige denn zurück bekommen.

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Die Kosten hat er aber zu einem guten Teil selbst in der Hand wenn es ums Pendeln geht. Wenn man als selbstständiger Anwalt von der Kanzlei zum Gericht fährt wird das anders behandelt als wenn ein angestellter Anwalt das tut – letzterer trägt nicht die Kosten, in dem Fall ist es die Kanzlei.

Niemand ist zum pendeln verpflichtet. Ist es sinnvoll, dass mit der Pendlerpauschale der Erhalt des Soziallebens auf dem Land gefördert wird? Das Versagen der Pflegeversicherung ausgeglichen? Klar, die Mieten in der Stadt nahe am Arbeitsort sind teurer, aber das auszugleichen wäre dann erkennbar eine Subvention, oder?

Wobei, die ganze Diskussion hatten wir 2022 hier eigentlich schon: E Auto - Zeit für Systemkritik? - #52 von Konsi

Und genau diese Themen lassen sich mit dem Geld aus der Pauschale zielgenauer adressieren, als mit so einer Pauschalen Maßnahme. Darum muss es ja gehen: Ist das Geld für das Ziel/die Ziele, die wir haben, so, wie es eingesetzt wird, am wirksamsten? Das würde ich ganz klar verneinen. Viel Mitnahmeeffekte, viel falsche Anreize, wenig erkennbarer Nutzen für die Ziele, über die wir uns vermutlich weitgehend einigen können.

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Das hat jedes Unternehmen doch auch.

  • Muss die neue Supermarkt-Filiale so weit vom Zentrallager weg sein? Die LKWs für die lange Strecke sind ganz schön teuer.
  • Wieso machst du dein Mercedes-Autohaus in Hamburg auf? In Stuttgart laufen die Autos doch direkt vom Band, dann musst du sie nicht so weit transportieren?
  • Wieso fliegen deine Angestellten Business Class von Hamburg nach München, ginge nicht auch 2. Klasse Bahn?
  • Wieso verkaufst du Fernseher in München? Das Schiff aus China legt in Hamburg an, du kannst dir den innerdeutschen Transport sparen.

Keine dieser Ausgaben würden wir jemals hinterfragen. Sie sind freie unternehmerische Entscheidungen. Die Kosten werden vom Finanzamt ohne Probleme akzeptiert.

Genau das ist mein Punkt!
Ich kann jederzeit eine Kanzlei für Finanz-Strafrecht irgendwo im Nirgendwo aufmachen (für eine günstige Büromiete) und mich dann „wundern“, dass ich so viele Fahrtkosten nach Frankfurt habe, weil meine Kunden alle Banken sind. Die Fahrtkosten werden immer von den Einnahmen der Kanzlei abgezogen, bevor versteuert wird. Genau wie jeder Kugelschreiber, Schreibtisch, Computer, und das Kopierpapier.
Nur der in dieser Kanzlei angestellte Anwalt soll seine „Betriebskosten“ durch kurze Wege klein halten.

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