LdN 423 Pendlerpauschale

Ich finde den kritischen Umhang mit der Pendlerpauschale in der LdN schwieirg. Wir haben ein riesiges Problem, dass die Mieten in Großstädten viel zu teuer sind, das Leben auf dem Land gilt als sehr unattraktiv. Dagegen muss dringend was gemacht werden. Wenn jeder, der beispielsweise in München oder Berlin arbeitet, auch noch dorthin zieht, wäre es für den ländlichen Raum eine Katastrophe und für den Wohnraum in der Stadt sowieso. Zudem erlaubt „Pendeln“ einem etwas mehr Jobflexibilität. Gerade Paare und Familien können nicht einfach für jeden Job umziehen, da viele andere Faktoren daran hängen (Job der Partner*in, Schule der Kinder etc.). Zudem gibt es einige Branchen, in denen man nur wenige Tage pro Woche ins Office fahren muss. Da können durchaus weite Wohnort-Arbeitsplatz-Fahrten in Kauf genommen werden und so weiter am ursprünglichen Ort gewohnt werden. Aus subjektiver Sicht pendeln solche Personen sehr, sehr häufig mit dem Zug, da hier die Zeit bereits zum Arbeiten genutzt werden kann. Auch das Argument, dass diese Personen ja dann weniger Miete zahlen, ist nicht zwingend richtig, da der bisherige Wohnort ja vielleicht auch teuer ist und aus anderen Gründen nicht so leicht gewechselt werden kann (z.B. Abeitsort der Partnerin, zu pflegende Angehörige, Wohnort der Großeltern, die für Kinderbetreuung notwendig sind etc.).

Ja, eine Pendlerpauschale an sich ist eine klimaschädliche Investition. Aber warum kann man nicht gezielt die Personen, die mit dem ÖPNV fahren, dennoch unterstützen?

2 „Gefällt mir“

Aber genau das tut die Pendlerpauschale ja mit Absicht nicht. Sie verzichtet ja bewusst auf jegliche Lenkungswirkung zum Vorteil ökologischerer oder klimafreundlicherer Verkehrsmittel - im Gegenteil, so richtig „lohnen“ tut sie sich nur mit dem eigenen PKW.
Und ob es generell so geschickt ist, die Zersiedelung etwa in Form von Einfamilienhäusern im Speckgürtel und damit ein immer weiter zunehmendes Verkehrsaufkommen noch zu befördern, anstatt endlich mal für bezahlbaren Wohnraum in Großstädten zu sorgen, wage ich auch zu bezweifeln.

6 „Gefällt mir“

Oder man arbeitet einfach woanders, was näher ist. Würde automatisch auch Druck ausüben, dass Unternehmen Ihre Standorte endlich nicht mehr blödsinnigerweise nur in Großstädten aufbauen (vermutlich oft aus Prestigegründen).

Das finde ich schlicht schwierig. Möglicherweise muss man mit Kindern auch mal sagen, dass manche Jobs dann eben nicht gehen, wenn der Arbeitgeber da auf Präsenz besteht. Ich habe 2 Kinder und schon während der Schwangerschaft war klar, dass wir das Kind niemals nur für etwas mehr Geld aus seinem sozialen Umfeld reißen. Das ist eben etwas was für mich logisch mit Kindern einhergeht und nichts, was durch Steuern finanziert werden muss.

Also grundsätzlich hilft die Pendlerpauschale sowieso ehr Menschen, die eh schon viel verdienen. Wieso sollte das nicht vom Arbeitgeber getragen werden? Wenn du als Mitarbeiter wichtig genug bist sollte es dem Arbeitgeber das wert sein. Ansonsten ist es vor allem wieder eine Subvention für ehr gut verdienende Menschen und eben für Arbeitgeber.

1 „Gefällt mir“

Ich sehe das nicht als Widerspruch. Man sollte die Pauschale ja zwingend an klimafreundliches Pendeln koppeln, anstatt sie abzuschaffen.

Und das mit der Zersiedlung sehe ich nicht. Ich wohne in Bayern und kenne sehr viele, die von strukturschwachen Regionen in die Großstädte pendeln. Ja, vielleicht handelt es nicht um „geringverdiener“, da diese ja kaum so spezialisierte Jobs ausüben. Aber gerade diese Mittelschicht würde ja in der Stadt den Mietpreis noch weiter anheben.

1 „Gefällt mir“

Also ich kann nur sagen, dass es einige Jobs in bestimmten Regionen schlichtweg nicht gibt. Bestimmte Industrien sind nur in einigen Gegenden in Deutschland vorhanden, wenn man da einen entsprechende Spezialisierung hat, kann man nur pendeln oder umziehen. Gerade als Paar ist es noch schwierig für beide entsprechende Jobs in der direkten Nähe zu finden.

Ja, dass es keine Förderung der Geringverdiener ist, ist definitiv wahr. Allerdings sind auch gerade Mittelschichtfamilien mit oft enormen Ausgaben belastet, dass auch hier mehrere Tausend Euro Pendelkosten (Bahncard 100) nicht leicht fallen.
Eine Zweckbindung an klimafreundliches Pendeln finde ich super, einen kompletten Wegfall nicht. Natürlich wäre eine Stärkung des strukturschwachen Raumes durch Ansiedlung von bestimmter Industrie super. Wenn allerdings in den Orten noch weniger Leute wohnen, verfällt dort die Infrastruktur, und der Ort wird als Standort nur noch unattraktiver.

5 „Gefällt mir“

Klar, könnte man das machen. Ist aber eben ein komplett anderes Prinzip als das bestehende, das war mein Punkt. Und bei einer schwarz-roten Koalition nicht gerade wahrscheinlich.

Jenseits anekdotischer Evidenz ist das durchaus ein relevantes Thema u.a. für Wissenschaft und Politik.

Wenn man die Mietpreise in Großstädten weiterhin „dem Markt“ überlässt, ja. Daher war meine Forderung ja, mit politischen Instrumenten den Mangel an bezahlbarem Wohnraum zu beheben.

Zersiedlung ist nicht nur ein Umweltproblem.
Wenn man auf alle Einfamilienhäuschen in Großstädten verzichten würde, hätte man in vielen Großstädten auch Platz.

Das Thema Pendeln hängt immer stark von den individuellen Voraussetzungen, aber auch Präferenzen ab.
Klar ist die Pendlerpauschale in der aktuellen Form keine sinnvolle Lösung.

Grundsatzfrage wäre dann, ob Kosten, die der Arbeitnehmer verauslagen muss, um einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen zu können, also u.a. Fahrtwege, erstattet oder subventioniert bekommen soll?
Ist einerseits ja schon ein direkter Abzug vom Gehalt, rein monetär.
Andererseits hat ja jeder Arbeitnehmer die Wahl, zum Arbeitsplatz zu ziehen. Also muss man Rücksicht nehmen auf persönliche Lebensentscheidungen Einzelner wie Familie, Hauskauf,…, due erstmal so nicht mit der Erwerbstätigkeit zu tun haben?

Und wer müsste sowas ggf. finanzieren? Der Staat oder der Arbeitgeber?

Mal anekdotisch: ich vergurke monatlich gut 200-250€ an Benzin für meinen kleinen Verbrenner bei 45 km einfache Strecke. E-Auto ist mangels Lademöglichkeiten aktuell kein Thema (Dorf, Mietwohnung). Mit dem Jobticket meines Arbeitgebers könnte ich für 40€ im Monat pendeln, allerdings komme ich mit ÖPNV nicht zur Arbeit.
Ich könnte umziehen, hätte aber schon 30-50% höhere Miete je qm, meine Frau müsste neuen Job suchen, und wir müssten regelmäßig zu unseren pflegebedürftigen Eltern und den Kindern/Enkeln pendeln.

Also ist schon die Frage, welche Alternativen gibt es bei solchen gar nicht so seltenen Fällen?

8 „Gefällt mir“

Damit meinte ich nicht die Zersiedlung per se, oder der weitergehende Zubau von freien Flächen, das ist natürlich ein Problem, hängt aber mMn nicht zwingend mit dem Pendeln zusammen. Gerade Pendler, die weite Strecken (>100km) fahren, wohnen ja nicht in der Vorstadt, sondern vielleicht eher in dem ländlichen Gebiet, in dem man geboren wurde, in dem man womöglich im Verein engagiert ist und die Großmutter pflegt, und findet dort dann eben keine entsprechende Arbeitsstelle. Oder gibt es hier einen bewiesenen Zusammenhang?

3 „Gefällt mir“

Ja, sehr schön dargestellt!

Die Spezialisierung fällt doch nun nicht vom Himmel. Du weißt ja, was für einen Beruf du lernst, und dann sollte man auch da wohnen, wo dieser Job ist. Wie hoch ist dabei die Wahrscheinlichkeit, dass die Partnerin ebenfalls so spezialisiert ist, dass sie nur in wenigen Regionen arbeiten kann? Wieso muss das die Allgemeinheit finanzieren?

Das sollte aber, wie ich schon geschrieben habe, der Arbeitgeber tragen, nicht die Allgemeinheit. Meine Frau und ich haben uns Arbeit in der Nähe gesucht, verdienen dann eben kein Großstadtgehalt und haben nichts von den Pauschalen. Du würdest doch diese langen Pendelstrecken nicht in Kauf nehmen, wenn der Job nicht entsprechend bezahlt wird.

Bei den akademischen Kettenverträgen kommt da schon einiges zusammen, würde ich sagen.

Das kann man natürlich diskutieren.

Da es ja hier ums Pendeln ging, meinte ich schon auch den Zusammenhang zwischen Zersiedelung und Mobilitätsverhalten. Auch der ist Thema in Wissenschaft und Politik, etwa in der untenstehenden Studie, die das exemplarisch für das Rhein-Main-Gebiet untersucht hat. Die von dir erwähnten Pendelstrecken von über 100 Kilometern sind einfach nicht die Regel.

Mein Punkt ist: Es ist m. E. zu kurz gedacht nur zu sagen „die Leute sollen ökologisch(er) pendeln“. Stattdessen sollte man diskutieren, ob immer mehr Pendeln überhaupt sinnvoll und gewünscht ist - und das entsprechend auch politisch steuern.

Ich sehe deinen Punkt. Sehe aber wahrhaftig sehr viele ländliche Gebiete, in denen es kaum noch Industrie gibt … In solchen Gebieten können dann eine Vielzahl von Jobs nicht ausgeübt werden. Wenn man da nicht entweder Pendeln finanziert (egal wer), oder den Raum anders gewaltig attraktiv macht (wie?), dann stirbt dieser Raum aus. Auch soziale Gründe sprechen oft für ein „bleiben“.

Hier beispiele Stahl-, Auto-, Biotech-Industrie.



Manche Gegenden sind gar nicht abgedeckt. Soll das Studium dann gar nicht erst gemacht werden, wenn man Angehörige in dem Bereich hat, die gepflegt werden sollen? Oder soll man es einfach akzeptieren, dass auf dem Land noch weniger Akademiker*innen leben?

Wenn das zur Folge hat, dass Arbeitgeber im Bewerbungsverfahren nach Wohnort der Bewerber selektieren, dann wäre ich klar für eine Finanzierung durch die Allgemeinheit.

2 „Gefällt mir“

Ja, sehe ich auch so (bin aber betroffen – absolutes Orchideenfach, mein Mann hatte ein anderes Kleines Fach, also Wahrnehmungsbias vorhersagbar, deswegen die offene Formulierung). Wenn die Gesellschaft Spezialisten in seltenen Fachgebieten möchte, dann müssen die Arbeits- und Lebensbedingungen im Konzept mit einkalkuliert werden.

Es geht ja nicht nur um Industriejobs.

Aber schon die Frage, ob man das Thema Arbeit mal anders denken muss, hinsichtlich zeitlicher und räumlicher Flexibilität und auch Attraktivität.

Ich könnte in meiner Profession auch an meinem Wohnort arbeiten, aber dann zum halben Netto. Schon probiert.
Ist sicher egoistisch und sehr monetär gedacht, aber das soll bei manchen Menschen durchaus eine Rolle spielen :grimacing:

Also evt tatsächlich die Arbeitgeber eher in die Pflicht nehmen? Obwohl die beim Thema Fachkräftemangel eh teils schon umdenken müssen.

1 „Gefällt mir“

Ich bin selbst gar nicht betroffen (Arbeitsweg 9km mit dem Fahrrad), kenne aber enorm viele in ländlichen Regionen, bei denen das ein riesen Thema ist und fühle daher das Thema sehr. Hier wird häufig weggezogen, oder eben 2x die Woche sehr weit gependelt (5% pendeln ja in Deutschland mehr als 1h einfach zur Arbeit). Häufig keine Spitzenjobs - solide Mittelschicht - bei denen ein Arbeitgeber auch vielleicht nicht zwingend „mehr“ zahlt. Die Verwurzlung im Ort ist enorm, und auch ein hohes soziales Engagement gegeben (Fussballtrainer/freiwillige Feuerwehr etc.)

Ob man das nun gesellschaftlich unterstützen möchte, ist wie eine relevante Frage und durchaus diskutabel. Ich persönlich sehe es als eine - natürlich nicht ausreichende - Investition in die ländliche Region und wollte das mal zur Diskussion stellen.

2 „Gefällt mir“

Ich finde das auch auf jeden Fall diskussionswürdig. Aber weder die von dir geschilderten Fälle, noch die hoch spezialisierten Akademiker machen m. E. die Masse des Pendelns aus. Und das ist aus meiner Sicht genau das Problem mit so einem „Gießkannen“-Instrument wie der Pendlerpauschale.

1 „Gefällt mir“

Wieso? Bitte schreib doch mal warum das wichtig wäre. Und die Alternative in sehr vielen Berufen ist doch Homeoffice.