Mag sein, aber auch da gilt das, was ich eingangs geschrieben habe: Das eine schließt das andere nicht aus. Den Aspekt, den @JohanneSAC anspricht, gibt es ja in Teilen der Bevölkerung doch auch, oder?
Ich habe das Gefühl, dass da Fronten aufgezogen werden, die ich inhaltlich nicht ganz nachvollziehen kann.
Ich meine das nicht despektierlich. Aber wie schon die Rolling Stones gesungen haben “you can’t always get what you want”. Wenn ich das aus deinen Beiträgen richtig verstanden habe, bist du auch im akademischen Bereich unterwegs. Da ist vor dem Studium meistens schon klar, wo die interessanten Jobs sind, und eben selten auf dem Land. Wenn einem das zuwider ist, ist das die falsche Karriere bzw. das falsche Studienfach. Und das dann mit der Pendlerpauschale ausgleichen zu wollen (oder wie vor ein paar Jahren Seehofer mit dem Heimatministerium noch weitgehender), ist aus vielen hier aufgeführten Gründen umweltschädlich und gesellschaftsschädlich meiner Meinung nach. Vereine gibt es auch in der Stadt. Viele ältere Menschen können in einer Stadt besser selbstbestimmt leben, auch wenn sie aus Altersgründen nicht mehr Autofahren können. Motorisierter Individualverkehr ist vom Flächenverbrauch und vom Umweltschutz her gesehen ein Desaster. Und das über die Pendlerpauschale zu fördern ist der falsche Anreiz.
Mir ging es explizit nicht um mich selbst. Wir haben das (zeitweise doppelte) Pendeln (zwischen Universitätsstädten) in Kauf genommen (ohne Auto und somit auch ohne Pendlerpauschale), weil wir für befristete Stellen die Kinder nicht „umpflanzen“ wollten. Und auch so bin ich in meinem Leben zwanzigmal umgezogen. (Habe hier auch mit keinem Wort eine Lanze für die Pendlerpauschale gebrochen, sondern für einen Ausbau des ÖP(N)V plädiert – wir sind uns, denke ich, im Großen und Ganzen einig, aber es gibt auch gute Gründe, irgendwo bleiben zu wollen, und da fand ich den Ausdruck „an ihrer Scholle kleben bleiben“ unpassend.)
Btw…auch wenn die Pendlerpauschale komplett wegfallen sollte, wäre das für mich keinerlei Anreiz, meinen Wohn- oder Arbeitsort zu wechseln.
Maximal denke ich nochmal über die Mobilitätsform nach, falls sich Alternativen auftun.
Sonst muss ich höhere Pendelkosten tragen und schränke den Konsum wie Urlaub, Freizeitaktivitäten ein.
Bevor du das tust, möchte ich noch einen Aspekt einbringen, den ich hier noch nicht gefunden habe.
Jedes Unternehmen in diesem Land kann seine Standorte beliebig ungünstig verteilen und alle Kosten, die sich daraus ergeben, steuerlich absetzen. Das können Transportkosten sein, oder Reisekosten der Mitarbeiter - gerne auch 1. Klasse in der Bahn oder Business Class im Flugzeug. Dass das auch billiger ginge, völlig egal.
Oder Selbstständige, von der Anwältin bis zur Maurerin, die jede noch so unsinnige Standortwahl auffangen können, weil die Fahrten (gerne im geleaseten Oberklasse-Auto, das ebenfalls von der Steuer abgesetzt wird; und zwar auch der Meister im Handwerks-Betrieb) eine Betriebsausgabe sind.
Es ist ein elementares Prinzip unseres Steuerrechts. Niemand käme auf die Idee, das als umweltschädliche Subvention zu framen.
Nur wenn „der kleine Angestellte“ seine Kosten, die er für den Erwerb seines Einkommens hat, absetzt, ist das plötzlich eine Subvention??
Diese Sicht kommt wohl daher, dass der Angestellte ein festes, regelmäßiges Gehalt bekommt, und die Pendlerpauschale (d.h. die Pendelkosten) später vom Finanzamt zurück.
Würden Angestellte eher wie Selbststände/Unternehmen betrachtet, wäre klar, dass jemand, der 5000€ brutto verdient und 500€ Fahrtkosten hat, eigentlich nur 4500€ brutto verdient.
Danke dabei auch an @pbf85 , der hier nochmal klargestellt hat, dass Angestellte hier, zumindest wenn sie mit dem Auto pendeln, nichtmal ihre echten Kosten absetzen können, geschweige denn zurück bekommen.
Die Kosten hat er aber zu einem guten Teil selbst in der Hand wenn es ums Pendeln geht. Wenn man als selbstständiger Anwalt von der Kanzlei zum Gericht fährt wird das anders behandelt als wenn ein angestellter Anwalt das tut – letzterer trägt nicht die Kosten, in dem Fall ist es die Kanzlei.
Niemand ist zum pendeln verpflichtet. Ist es sinnvoll, dass mit der Pendlerpauschale der Erhalt des Soziallebens auf dem Land gefördert wird? Das Versagen der Pflegeversicherung ausgeglichen? Klar, die Mieten in der Stadt nahe am Arbeitsort sind teurer, aber das auszugleichen wäre dann erkennbar eine Subvention, oder?
Und genau diese Themen lassen sich mit dem Geld aus der Pauschale zielgenauer adressieren, als mit so einer Pauschalen Maßnahme. Darum muss es ja gehen: Ist das Geld für das Ziel/die Ziele, die wir haben, so, wie es eingesetzt wird, am wirksamsten? Das würde ich ganz klar verneinen. Viel Mitnahmeeffekte, viel falsche Anreize, wenig erkennbarer Nutzen für die Ziele, über die wir uns vermutlich weitgehend einigen können.
Muss die neue Supermarkt-Filiale so weit vom Zentrallager weg sein? Die LKWs für die lange Strecke sind ganz schön teuer.
Wieso machst du dein Mercedes-Autohaus in Hamburg auf? In Stuttgart laufen die Autos doch direkt vom Band, dann musst du sie nicht so weit transportieren?
Wieso fliegen deine Angestellten Business Class von Hamburg nach München, ginge nicht auch 2. Klasse Bahn?
Wieso verkaufst du Fernseher in München? Das Schiff aus China legt in Hamburg an, du kannst dir den innerdeutschen Transport sparen.
Keine dieser Ausgaben würden wir jemals hinterfragen. Sie sind freie unternehmerische Entscheidungen. Die Kosten werden vom Finanzamt ohne Probleme akzeptiert.
Genau das ist mein Punkt!
Ich kann jederzeit eine Kanzlei für Finanz-Strafrecht irgendwo im Nirgendwo aufmachen (für eine günstige Büromiete) und mich dann „wundern“, dass ich so viele Fahrtkosten nach Frankfurt habe, weil meine Kunden alle Banken sind. Die Fahrtkosten werden immer von den Einnahmen der Kanzlei abgezogen, bevor versteuert wird. Genau wie jeder Kugelschreiber, Schreibtisch, Computer, und das Kopierpapier.
Nur der in dieser Kanzlei angestellte Anwalt soll seine „Betriebskosten“ durch kurze Wege klein halten.
Und müssen vom Unternehmen auch erwirtschaftet werden. Nur weil man es vom Gewinn abziehen kann bevor der versteuert wird, heißt nicht, dass die Kosten nicht anfallen. Beim Angestellten sollen diese unternehmerischen Entscheidungen nun nur teilweise nicht hinterfragt werden. Auch die Kanzleimiete unterscheidet sich zwischen verschiedenen Standorten – privat gelten aber nur die Fahrtkosten als abzugsfähig, nicht der Mietunterschied. Wie weit geht das dann ins Privatleben? Kann man wenn man körperlich arbeitet auch ein zweites Frühstück von der Steuer absetzen? Oder zumindest, wenn man mit dem Fahrrad pendelt?
Pendeln ist keine Gottesstrafe. Sondern eine bewusste Entscheidung die Kosten hat, finanziell, Zeiteinsatz, Sozial. Und ich finde mit jeder Förderung des Pendelns werden unter sozialen und ökologischen Aspekten genau die falschen Anreize für diese Entscheidungsfindung gesetzt.
Wobei dann die Zielsetzung eben wieder komplexer sein muss als „alle sollen dort wohnen wo sie arbeiten“.
Ich selbst finde eine Sache wie die Pendlerpauschale daher erstmal ok, würde sie aber so umgestalten, dass sie sich eben auf den Freibetrag auswirkt und nicht auf das zuversteiermde Einkommen, damit alle gleich viel profitieren und nicht gutverdienende mehr.
Das stimmt nicht ganz, bzw. kommt auf die Konstellation an. Ja, die Pendlerpauschale verzichtet auf eine Unterscheidung nach Verkehrsmittel. In Kombination mit dem Deutschlandticket ergibt sich daraus aber ein starker finanzieller Anreiz.
Ich pendle beispielsweise tageweise mit dem Zug in eine andere Stadt. Entfernung 50km einfach.
Auch wenn die Kosten durch das Deutschlandticket sehr niedrig sind bekomme ich sogar mehr erstattet als ich dafür bezahle.
Würde ich mein Elektroauto nutzen müsste ich draufzahlen, mit einem Verbrenner vermutlich noch mehr.
Das Deutschlandticket ist für mich schon eine Bahncard 100 light nur viel günstiger. Die meisten Pendler vom Land nutzen eh die Regionalbahn und nicht den ICE.
Durch das Deutschland Ticket zahlt man wenig und bekommt bei der Steuer genauso viel erstattet, wie jemand der seinen teuren PKW bezahlen muss. Ich finde das hat ehrlich gesagt eine starke Lenkungswirkung und verstehe die Diskussion dahingehend nicht.
Endlich sagts wer! Ich bin echt verwundert über die scheinbar ernsthafte Diskussion. Ich hab noch keinen Arbeitnehmer gesehen der sich reich-gependelt hat. Wohl aber Unternehmer mit fragwürdigen "Firmen"fahrzeugen aller Art, die viel mehr „subventioniert“ werden (um beim selben Framing zu bleiben). Wollen wir ernsthaft über erstere diskutieren? Erinnert mich an das „lieber nach unten treten“ bei Bürgergeld vs Erbschaftssteuer…
Selbst eine ersatzlose Streichung der Pendlerpauschale wird nicht dazu führen, das jemand deswegen sagt:“oh, dann verkaufe ich mein Haus, zieh in eine kleine Mietwohnung nahe der Arbeit, verzichte aufs Auto, und mit meiner pflegebedürftigen Mutter telefonier ich nur noch.“
Überspitzt, aber ich denke da überschätzt man den Einfluss dieser sicher strittigen Pauschale völlig.
Und da würde ich antworten „Ja sie ist legitim“. Drehen wir die Argumente aus diesem Thread mal um: Wer nicht die Chance hat in einen sehr kleinen Radius zu Arbeiten und Leben (Hobbies, Familie etc.) und nicht in einer Großstadt lebt oder leben kann, wird auch mittelfristig ein Auto benötigen. Der Anteil der Kosten der für den „Broterwerb“ anfällt, lässt sich zum Teil steuerlich absetzen. Damit reduziert man effektiv seine Steuerlast um einen Teil der anfallenden Kosten.
Aufgrund der Tatsache, dass man die Pendlerpauschale auch bei Fahrrad, ÖPNV etc ansetzen kann, liegt bereits eine gewisse Lenkungswirkung vor, denn wer den Luxus kurzer Wege hat kann zusätzlich noch mehr herausbekommen als die tatsächlichen Kosten - in jedem Fall anteilig mehr als wenn man Auto fährt.
Die Einordnung als umweltschädlicher Subventionen empfinde ich persönlich als wirklich grenzwertig.
Ein subjektiver Eindruck aufgrund des wiederkehrenden Themas Pendlerpauschale: kann es sein, dass sich das Thema abseits seines eigentlichen Inhalts auch langsam zu einem Symbol entwickelt?
Klar. Ist halt eine von vielen Regelungen, deren weiterer Bestand dokumentiert, dass Klimaschutz nur geduldet ist, solange er keine Veränderung für den „german way of life“ bedeutet, der sich wie eigentlich nirgends um den Fetisch Auto herum gebildet hat. Das ist völlig überholt, in keinem anderen Industrieland nehme ich aber vergleichbare Beharrungskräfte wahr, wenn es um den Ausbau von Alternativen und die Lenkung in diese Richtung geht. Egal ob es um Tempolimit, autoarme Innenstädte, Dienstwagenprivileg, Pendlerpauschale, Dieselprivileg, Radwege- und ÖPNV-Ausbau geht, werden regelmäßig verrückte Entscheidungen getroffen (mein liebster Irrsinn aktuell ist die A100 in Berlin). Am Ende von Diskussionen, die in ihrer argumentativen Struktur annähernd identisch zu denen ums Waffenrecht in den USA verlaufen. Weil es eben um eine Art nationalen Fetisch geht. Meist verbirgt sich sehr knapp unter einer scheinbereiten Oberfläche (ja, da muss sich was tun) schon ein Meer aus Einwänden gegen jeden konkreten Ansatz, der tatsächlich Veränderung bringen könnte (aber erstmal anderes ausbauen, aber bloß nicht auf Kosten der Auto-Flächen und auch nicht allzu teuer). Ich bin auf dem Land groß geworden und dort bin ich im 20km Radius genauso alltagstauglich in unter 60 Minuten fast überall und in 30 Minuten an einem Bahnhof (mittlerweile auch ohne e-motor), wie in der Stadt. Schon den Mythos, dass es so viele Regionen gäbe, in denen man ohne Auto praktisch von der Welt abgeschnitten wäre, halte ich deswegen für eine ähnliche Ausrede, wie die Behauptung, dass wir alle Förster mit Großfamilie und Gehbehinderung wären, weswegen es unter einem dicken SUV wirklich nicht geht und dafür in der ganzen Stadt entsprechend große Parkgelegenheiten (am besten gratis) vorzuhalten wären. Was das Pendeln angeht sind rund 80% der Pendelstrecken unter 30km und der Durchschnitt liegt seit Jahren bei unter 20km. Damit ist für mich klar, dass die wenigsten wirklich aufs Auto angewiesen sind und grade die würden extrem profitieren, wenn die meisten anderen morgens und nachmittags nicht die Straßen verstopfen würden. Aber es ist eben ein Fetisch und der eine Bereich, in dem es Ausdruck von „Freiheit“ zu sein scheint, auf Kosten anderer eigene Präferenzen auszuleben.
Ja, die Pendlerpauschale ist nur ein Symbol oder ein (kleinerer?) Teil eines großen Problems. Aber es gibt halt auch nicht nur die eine Sache, an der es scheitert, dass wir mal eine zeit- und lagegemäße Mobilität und Infrastruktur bekommen.
Der Ausgangspunkt war
Ich finde den Umgang mit Vergangenheitssubventionierung regelmäßig eher zu zahm.
Auf jeden Fall. Es war ja Teil einer Aufzählung. Dass dann ausgerechnet dieser Punkt herausgegriffen wird, sagt viel aus. Und ich sehe es schon als klimaschädliche Subvention - und zwar wegen der Erhöhung ab dem 21. Kilometer (ein CSU-Wunsch). Denn damit soll natürlich das Auto adressiert werden. Dass auch Bahnfahrer, aber nur sehr wenige Radfahrer davon profitieren, nimmt die CSU da gern in Kauf. Gerade bei Radfahrern (kurze Strecke) gilt auch: sie kommen nur sehr selten über die Grenzen der Werbungskostenpauschale. Ich habe 7km, würde ich nicht ständig neue EDV brauchen, könnte ich mir den Posten Werbungskosten sparen - und auch so sind es nur ein paar Euro über der Grenze.
Danke, sehr lesenswerter Link! Ich teile die Einschätzung, dass das nur eine Scheindebatte ist, ähnlich Bürgergeld-Kürzungen. Natürlich kann man das diskutieren, aber letztlich ist das Framing „umweltschädliche Subvention“ doch irgendwie seltsam.