LdN 311: Klimaproteste: Straßenblockaden vs. Attacken auf Kunstwerke

Deine persönliche Sicht und die ausführliche Herleitung in allen Ehren, aber man darf bei solchen Aktionen nicht aus dem Blick verlieren, wie sie als kommunikative Akt funktionieren. Das war der Schwerpunkt unserer Kritik: Sicher kann man mit dem ein oder anderen Klimmzug immer einen Zusammenhang herstellen, auch wenn es dann schnell beliebig wird, wie Norbert ja zu Recht feststellt. Irgendwo habe ich gelesen, dass sich der Zorn auch deswegen gegen Kunstwerke richtet, weil es anscheinend Museen gibt, die Spenden von Ölkonzern annehmen. Aber wer kann das noch nachvollziehen?

Auch wenn ich ansonsten Vergleiche zwischen der radikalen Klimabewegung und der RAF unzulässig finde, scheint es mir doch lehrreich, darauf zu schauen, warum die RAF stets eine Splittergruppe blieb und nie eine gesellschaftliche Relevanz erreichen konnte. Einer der vielen Gründe scheint mir zu sein, dass man schlicht nicht verstanden hat, warum sie tut, was sie tut.

Deswegen haben wir auch den Kontrast deutlich gemacht zwischen den Blockaden gegen den Straßenverkehr und dem Beschmieren von Kunstwerken: Während letzteres den allermeisten Menschen willkürlich und sinnfrei erscheint, nehmen Blockaden des Verkehrs wenigstens einen Teil des Problems ins Visier.

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Der Klimawandel schadet dem Dom

Nicht jede Gefahr für den Dom erwächst aus dem Stein. Lange Zeit waren es die Schwefelstoffe in der Luft, die dem Gemäuer zusetzten und es schwarz färbten. Das gehört der Vergangenheit an. „Zwar ist die Luft jetzt sauberer“, sagt die Steinrestauratorin, „dafür wächst das Grün schneller.“ Moos, Gras, kleine Bäume - der Bewuchs macht den Dom zu einem großen Biotop.

Lineal der Restauratoren liegt auf Steinen

In Experimenten fand die Dombütte zu ihrer ganz eigenen Mörtelmischung

Noch mehr Sorgen bereitet Pinkale und Distelrath aber der Klimawandel: „Starkregen, Sturm, Dürre“ - für ein solches Klima ist der Dom nicht gebaut!", so Pinkale. Eine Klimastation überwacht inzwischen Wind und Wetter rund um den Dom
Quelle

Wie von den Betroffenen mit dem Thema umgegangen wird, zeigt mir, dass die Angriffe sehr persönlich genommen werden und/oder da ein bisschen das Gefühl da ist, dass die Angreifer nicht ganz im Unrecht sind.
Wer Bilder attackiert, will ein Foto für seinen Feed, etwas Presse und dann abgeführt oder heimgeschickt werden.
Gerade von Kunstausstellern hätte ich erwartet, dass sie etwas kreativer darauf reagieren.
Ein Schild „Sonderausstellung: Klimaaktivist an Rembrandt“ daneben stellen und den Aktivist zwei Stunden kleben lassen, bringt dem Museum Lacher und Sympathien und zieht die Aktion ins Lächerliche.

Einzigartige Kulturgüter anzugreifen hat auch meine Sympathie nicht. Da hilft auch nicht, dass sie von Glas bedeckt sind. Das Kartoffelbrei-Bild hat anscheinend nur überlebt, weil ein Stoff eingespannt war, der den Brei, der unter den Rahmen lief, aufhielt.

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Framing ist hier das entscheidende Stichwort. Leider wurde zumindest beim van gogh bild meist das Video in zweigeschnitten damit ging der Frame verloren, weil der Vortrag fehlte, das ist aber mehr schuld der Medien. Dabei bezog es sich auf die Inflation( damit Spritpreise) und die Lebenshaltungskosten „Menschen können sich nicht mal eine Dose Suppe Leisten“.
Daher die Frage was ist wichtiger Lebensmittelversorgung oder der abstarkte wert von Kunst.

Ich finde eigentlich den Frame und die symbolik nicht schlecht. Wenn man es etwas zuspitzen will könnte man durchaus sagen, dass die soziale Stellung vieler Journalist*innen natürlich dazu führt dass der Wert von Kunst (bzw. sprechen wir hier ja von einer spezifischen gesellschaftlich anerkannten Kunst) völlig überdreht wird, wird während viele hier sehr entkoppelt sind von materiellen Problem des Überlebens durch die Inflation. Da wie es in einem Paper letztens hieß journalismus sich als grieschicher Chor verteht, sprich als Wächter gesellschaftlicher Moralität ist es verständlich aber wenig reflektiert so zu reagieren wie es die Medien gemacht haben

Ich würde weiterhin dafür plädieren, die Aktionen der Aktivist:innen, insbesondere die Aktionen in Museen, als Kunst-Aktionen zu verstehen, die an bestimmte traditionelle Formen von Avantgarde-Bewegungen anschließen. Die meisten Avantgarden haben auf die eine oder andere Weise die ‚Zerstörung‘ überkommener Produktions- und Rezeptionsformen von Kunst in Szene gesetzt.

Die SZ hat dazu kürzlich ein aufschlussreiches Interview mit Boris Groys veröffentlicht. Einer der Kernsätze: „Es geht darum, die gesellschaftliche Aufmerksamkeit zur Solidarität mit dem Lebendigen zu bewegen.“ Interessant ist auch der Hinweis, dass das ‚attackierte‘ Monet-Gemälde aus der Privatsammlung des SAP-Gründers Hasso Plattner stammt: „Museen sind Orte, an denen die Geldaristokratie ihren Besitz ausstellt.“

Böse gesagt: Das zur Schau gestellte Unverständnis gegenüber den Museums-Aktionen offenbart vor allem eine Form von intellektueller Spießigkeit, die in ihren Umgangsweisen mit Kunst noch tief im 19. Jahrhundert steckt. Sehr bürgerlich, das alles.

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Da stellt sich mir die Frage ob es nicht die Strategie gewisser politischer Kreise ist die „letzte Generation“ durch

in die Radikalität zu drängen. Denn in diese Richtung berichten die meisten Medien.

Das Problem dabei ist, dass diese Argumentation zwar durchaus logisch konsistent ist, bei der Mehrheit der Bevölkerung jedoch nicht ankommen wird.

Protest ist immer in dem Spannungsverhältnis zwischen „Möglichst viel Aufmerksamkeit erregen“, wozu auch eine Disruption der Allgemeinheit hört, aber gleichzeitig die Sympathie der Allgemeinheit zu gewinnen. Die radikalen Protestformen gegen die Castortransporte (z.B. „Castor Schottern“) waren zumindest großen Teilen der Bevölkerung (dh. allem links der CDU) noch vermittelbar und wurden von Grünen und Linken nahezu einhellig befürwortet. Die aktuellen radikalen Aktionsformen hingegen werden selbst innerhalb der Grünen harsch kritisiert, laut diversen Umfragen sprechen sich teilweise über 90% der Bevölkerung gegen diese Aktionsformen aus.

Die vorgebrachten Argumentationen, warum man die Aktionen der „Letzten Generation“ als Kunst verstehen sollte, werden daran wenig ändern. Klar kann man die Sache so sehen - aber es hilft nicht, wenn die Mehrheit der Bevölkerung sich dieser Sichtweise nicht anschließt.

Die Tatsache, dass die ständigen Forderungen der Union nach Strafrechtsverschärfung leider jetzt selbst in der Ampel-Koalition auf fruchtbaren Boden gefallen sind (siehe Tagesschau - Buschmann erwägt härtere Strafen) ist die Konsequenz mangelnden Rückhalts in der Bevölkerung für diese Aktionsformen.

Solche radikalen Aktionsformen machen Sinn, wenn die Mehrheit der Bevölkerung nicht nur hinter dem Ziel der Maßnahmen steht (das ist wohl gegeben), sondern auch die Radikalität der Aktionsformen unterstützt. So lange das nicht der Fall ist, bringt man mit diesen Aktionsformen nur die Bevölkerung gegen sich auf, was es der Politik sehr leicht macht, härtere Gesetze gegen diese Aktionsformen zu erlassen - eben weil das in dieser Situation sogar der populärste Kurs der Politik ist.

Ich bleibe daher bei meiner Meinung, dass auch wenn ich die Ziele der Aktivisten vollumfänglich unterstütze, ich diese Aktionsformen schlicht für massiv kontraproduktiv halte, weil sie weit mehr negative als positive Auswirkungen haben…

Natürlich ist das auch ein Ziel gewisser Interessengruppen. Umso wichtiger, hier nicht stumpf berechenbar das zu tun, was diese Gruppen wollen!

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sehe ich ähnllich

Google mal Hamburger Kessel. Ich weiß nicht ob der Vergleich so trägt, zum einen weil die grünen sich eher Richtung Zentrum bewegt haben, weil viele von den linken ausgetreten sind. Zum anderen war die Reaktion der Sicherheitsbehörden extrem heftig.

Die andere Sache ist dass du hier die ganze Zeit von einem funktionierenden politischen Diskurs ausgehst. Das passt aber nicht, wenn schon der Kanzler bei einem einfachen Protest Klimaktivisten mit nem Nazi Vergleich deligitimiert. Hier fehlt es an Responsivität auf linker seiter für einen effektiven politischen Diskurs.

Den Aktivisten gehts darum die Hegemonie bzw das Overton Window zu verschieben und das ist notwendig um systemverändernde Klimapolitik betreiben zu können. Die Allgemeinheit trägt solche starken veränderungen nicht einfach durch den zwanglosen Zwang des besseren Arguments. Mit deiner Logik sind sämtliche größeren Reformen bzw. Veränderung nicht möglich, weil Aktivisten und Politik sich immer nach der Allgemeinheit richten muss. Nicht nur dass sondern man trägt auch noch die Verantwortung für reaktionären Backlash.

Es ist nicht die Schuld der Akivistinnen oder der allgemeinheit, dass die Ampel über rechte Ordnungspolitik nachdenkt. Das haben die schon vorher gemacht, siehe das ewige hin und her bei der Vorratsdatenspeicherung oder dass man bei der spd recht stumm ist, wenn der Bundespräsident mal wieder laut über den Reichsarbeitsdienst nachdenkt. Das ist bestenfalls populistische Politik schlimmstenfalls reaktionäre.

Die Anpassung an die gesellschaftliche Hegemonie und civility politics haben aus der größten marxistischen Partei europas eine neoliberale Partei gemacht die nicht mal mehr angemessen auf aktive Bedrohungslagen reagieren kann, von progressiver Politik ganz zu schweigen.

Ich finde es nach wie vor extrem äufflig, wie weit du hier bereit bist das Verhalten der Politik und der Medien über externe Zwänge legitimieren, während Akivistinnen scheinbar unter gar keinen Zwängen stehen und damit die volle Verantwortung tragen. Ich verstehe einfach nicht, wie man sich als linker verstehen kann und (staatliche/strukturelle) Macht dermaßen affimieren kann, dass man jegliche Kritik und Analyse dieser ignoriert und dass bei einem Thema, dass man selbst für zentral hält.

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Das mag sein. Es trägt allerdings meines Erachtens auch nicht zu einer größeren Akzeptanz in der Bevölkerung bei, wenn Journalismus auf Erklärungen und Kontextualisierungen verzichtet, und stattdessen mit Volkes Stimme spricht.

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Die Aktivisten tragen natürlich die Verantwortung dafür, wie ihre Aktionen von der Öffentlichkeit aufgenommen werden, so wie jede Partei, jeder Politiker und jeder Staat die Verantwortung dafür tragen, wie ihr Handeln aufgenommen wird. Dass die Medien - je nach politischer Ausrichtung - die Öffentlichkeitswirkung noch mal modifizieren, ist klar (bedeutet: die Öffentlichkeitswirkung in der BILD oder WELT wird negativer sein als in der Süddeutschen oder der Taz).

Die Frage, welche Aktionsformen angemessen sind, ist eben eine strategische Frage - und bei dieser Frage kann man zu ganz unterschiedlichen Antworten gelangen, je nachdem, wie man die unterschiedlichen Punkte gewichtet. Daraus machst du dann, dass man die „Kritik und Analyse“ ignorieren und den „Staat affirmieren“ würde, obwohl letztlich lediglich eine unterschiedliche Einschätzung und Gewichtung von Kritik und Analyse vorliegt. Und das führt eben gefährlich schnell zum Fanatismus, zum Schwarz-Weiß-Denken - wer nicht unsere Kritik und Analyse teilt, versteht das Thema nicht und/oder ist der Gegner.

Ich gewichte z.B. die Spaltung der Umweltschutzaktivisten deutlich höher als du. Diese Spaltung sehen wir schon hier, wenn ich die Aktivisten kritisiere, weil ich ihre Aktionsformen problematisch finde und du mir dann vorwirfst, meine Kritik sei quasi den Staat legitimierend und damit aus Sicht des Umweltaktivismus schädlich, mit dem Ergebnis, dass du in Frage stellst, ob ich überhaupt „richtig“ hinter der Sache stehen würde. Das sind diese typisches Spaltungs-Debatten, den einen sind die Ziele und Mittel nicht radikal genug, den anderen sind sie zu radikal. Und am Ende bekämpft man sich gegenseitig, statt zusammen etwas zu bewegen.

Im Resultat sind wir uns einig: Die Politik unternimmt aktuell noch deutlich zu wenig, um den Klimawandel hinreichend zu begegnen. Es müsste noch mehr geschehen. Der Unterschied liegt vermutlich vor allem in der Prognose für die Zukunft: Du siehst den unzureichenden Status Quo und einen Verkehrsminister wie Wissing und sagst: „Das endet in einer Katastrophe!“, ich hingegen schaue mir die Fortschritte an, die wir die letzten 5 Jahre gemacht haben, und sage: Es bewegt sich etwas in die richtige Richtung - immer noch deutlich zu langsam, aber es bewegt sich zweifelsohne etwas.

Du willst nun diese langsame Bewegung mit einem starken Ruck beschleunigen - ich hingegen sehe die Gefahr, dass ein zu starker Ruck irreparable Schäden erzeugen könnte. Die Frage, wer Recht hat, kann man ehrlicherweise nicht beantworten. Werden wir auch mit einer langsamen Beschleunigung den Karren schnell genug aus dem Dreck ziehen können, bevor die verderblichen Güter zu stark verrottet sind - oder brauchen wir zwangsläufig die Chance (samt Risiko) eines starken Rucks, durch den wir entweder unser Ziel rechtzeitig erreichen - oder der Karren dabei zu Bruch geht.

Ich sage nicht, dass ich diese Frage beantworten kann. Du verlangst mit Recht, dass sich die Gegner der radikaleren Aktionsformen mit der Frage der Risiken eines zu späten Einlenkens der Politik beschäftigen - und ich tue nichts anderes, als zu verlangen, dass sich auch die Vertreter des radikalen Aktivismus mit den möglichen Konsequenzen ihres Handels beschäftigen. Beide Seiten können natürlich nun auf Studien verweisen, die ihren Standpunkt stützen, die daher besagen, dass in diesem und jenem historischen Fall radikale Aktionsformen geholfen haben oder eben nicht. Beispiele gibt es für beides.

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s. auch hier

Zum Thema „Die Aktion hat nichts mit dem Thema des Protests zu tun“ möchte ich gerne
folgende Perspektive einbringen.

Die grandiose Samira El Ouasil vom Podcast Piratensender Powerplay erklärt den Widerspruch unserer Reaktion auf diese Aktion und der Intention der Aktivisten in sehr klugen Worten, viel besser als ich es jemals könnte.
Ein persönlicher O-Ton von ihr im nächsten Podcast fände ich hilfreich als Ergänzung und Ansatz zum Nachdenken.
Ich paraphrasiere Samiras Gedanken wie folgt:

Wir sprechen bei dem Gemälde von Van Gogh von einem Kulturgut, dass uns allen gehört. Es wird der gesamten Menschheit zur Verfügung gestellt in Form der Ausstellung in einem Museum. Das gleiche gilt für unsere Natur (gehört uns allen).

Vor den Augen aller wird dieses Kunstwerk nun scheinbar zerstört und das Motiv der Natur ist ganz kurz nicht mehr sichtbar. Diese Aktion nehmen wir empört auf, weil wir das Bild als schützenswert und wertvoll betrachten.

Wenn uns dieses Gemäldes also so lieb und teuer erscheint, warum schützen wir nicht das Motiv darauf genauso leidenschaftlich?

Die Zerstörung dessen was das Gemälde abbildet, macht uns also nicht wütend. Und hier reden wir von einer existenziellen realen Bedrohung, die ebenfalls vor uns aller Augen stattfindet. Ä

Die eigentliche Aussage ist also:
Sind wir mehr um den Schutz eines Gemäldes mit der Abbildung von Natur besorgt, als um den Erhalt unserer tatsächlichen Natur?

Ergänzung meinerseits:
Die Kunstwerkaktion hat keinerlei negative Auswirkungen auf Mensch und Kulturgut.

Die Proteste in denen Stau provoziert wird, obwohl thematisch unmittelbar an der Ursache, haben sehr wohl negative Auswirkungen. Unter anderem muss man bei solchen Aktionen mit der Rücksichtslosigkeit der Verkehrsteilnehmer rechnen. Dass die Rettungsgasse mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht gebildet wird sehen wir täglich, wenn wir selbst im Stau stehen und dadurch sterben Menschen.

Gibt es also überhaupt eine Protestform, die uns allen passt und die wir nicht erst zu Tode kritisieren anstatt uns mit der Ursache des Protests zu beschäftigen?

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Genau das. Und mir scheint, die meisten haben nicht verstanden, was hier kommuniziert wurde. Glücklicherweise ist das aber egal. Die Hauptaussage (auch wenn sie oft nicht als solche verstanden wurde), die trotz allem fast überall angekommen ist: Etwas gegen die Klimakatastrophe zu tun, ist jetzt so dringend aber gleichzeitig so vernachlässigt, dass man einfach drauf aufmerksam machen muss, auch wenn (oder vielleicht sogar weil) die Methode recht kontrovers ist.

Freilich wird jetzt an vielen Stellen darüber diskutiert, was denn Van Gogh mit dem Klima zu tun hat, oder ob Kartoffelbrei den Rahmen schadet, und vor allem, ob nicht eine andere Art des Protestes dem Anliegen besser genützt hätte. Aber dass diese Diskussionen auf diese Art geführt werden, zeigt mir, dass das Grundanliegen akzeptiert wurde und nur mehr über „Verfahrensfragen“ gesprochen wird.

Aktivisten werden in Talkshows eingeladen, Podcasts machen sich Gedanken über Protestformen, Konservative haben Angst vor einem neuen Terrorismus. Aber allen ist vor Augen geführt worden, dass junge Leute nicht mehr die Zeit haben, den langen Marsch durch die Institutionen anzutreten, um die Bedrohung ihres Lebens abzuwenden.

Ich sehe auch keinen Zusammenhang zwischen Bildern, die im Museum hängen und dem Treibhauseffekt. Aber ich sehe auch keine bessere Methode, das Thema ins Gespräch zu bringen. Immerhin sind Gefahren für Leib und Leben ziemlich ausgeschlossen und trotzdem eine maximale Öffentlichkeitswirkung erzielt.

Edit: Tippfehler

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Ich finde es schade, dass der Kern des Problems etwas außer Sicht zu geraten droht, auch in dieser Diskussion. Einige meiner Vorredner haben bereits wichtige Punkte genannt, an die ich anknüpfen möchte.

Fakt ist, dass die Klimakrise von den politischen Entscheidungsträgern nicht energisch genug bekämpft wird. In diesem Analyseschritt sind wir uns alle einig. Um daran etwas zu ändern, braucht es einen klaren politischen Konsens in der Gesellschaft und Menschen, die versuchen den politischen Diskurs darüber positiv zu befördern und zu beschleunigen, um den Druck auf die Politik zu erhöhen. Wir sind eine Demokratie und nur einen Demokratischen Konsens können wir etwas erreichen.

Um auf das Problem aufmerksam zu machen und für das Thema zu werben, ist Protest in allen möglichen Ausdrucksformen erlaubt. Da dürfen, ja müssen womöglich auch drastische Mittel gewählt werden. Wichtig ist aber, dass sich möglichst viele Bürger hinter den Motiven des Protests versammeln können und durch Sie angesprochen werden. Bestes Beispiel ist Fridays for Future. Grundsätzlich am Freitag nicht zur Schule zu gehen, war ein deutliches Zeichen des Bruchs mit Konventionen durch Tausende SchülerInnen. Aber durch die Art des Protests, durch die Vielzahl der Teilnehmer und den viele unterschiedlichen Gruppen, die sich unter dem Banner FFF versammelt haben (Scientists for Future und viele andere Nicht-SchülerInnen etc.), hat die Bewegung es geschafft ein positives aber deutliches politisches Bild zu vermitteln und für Ihre Botschaft zu werben.

Attacken auf Kunstwerken geht dieser Punkt völlig ab. Hier wird nur selten über die Beweggründe geredet, sondern über die Art des Protests. Dies mag durch Medien befeuert werden, ist aber meiner Ansicht nach erster Impuls bei einer Vielzahl unserer Mitmenschen. Dieser Umstand hilft weder den Initiatoren des Protests noch der Sache, also der Klimapolitik an sich. Vielmehr befürchte ich beim Akt des Beschmierens und Festklebens eine spaltende Wirkung auf die Gesellschaft, weil viele die Art des Protests ablehnen. Diskussionen über eine Metaebene führen doch in die Irre. Es ist egal, wieviel Kunst mit Klima zu tun hat, ob man höhere Strafen braucht oder ob die Kunstwerke Glasscheiben als Schutz haben oder auch nicht. Die meisten Menschen interessiert diese Diskussion wenig. Am Ende bleibt nur Tomatensuppe.

Die Frage ist doch allein, ob die Proteste das Potenzial haben einend oder antreibend auf die Gesellschaft zu wirken und dem Diskurs zu befördern oder ihm zumindest mehr zu helfen als zu schaden. Dies sehe ich leider nicht. Wenn bis zu 90% der Menschen dieses Art des Protests ablehnen, laufen wir Gefahr, dass viele Menschen durch die Art der Proteste auch die Motive hinter den Aktionen kritisch sehen oder sich davon distanzieren.

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Exakt so….

Oder eine Bildunterschrift „Ist das Kunst oder kann das weg?“

Ein Bekannter von mir vertritt die These dass diese Form von Auseinandersetzungen nicht passiert, weil der Feuillton verschnupft ist. Schließlich wird die heilige Kunst angegriffen.

Dafür zeigt sich nun wes Geistes Kind die Menschen so sind in ihrer affektiven Ablehnung (die auch verständlich ist) und der entlarvende Effekt ist maximal- und zerreißt mir das Herz.

Da wird gepöbelt was das Zeug hält und es werden Worte wie „Terror“ inflationär genutzt.
So durchsichtig.

Und was wurde FFF von Denselben herabgesetzt und beschimpft. Überlasst es den Profis. Ja ne , is klar Herr Lindner.

Daran zeigt sich wie ernst es ist. Und wie weit einige bereit sind zu gehen um den Status Quo nicht aufzugeben. Es wird noch hässlicher werden.

Take your broken heart
Make it into art

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Strategie ^^ jetzt mal bitte Butter bei die Fische.
Was wäre eine einigermaßen konkrete Strategie wie man den politischen Diskurs soweit verschoben bekommt dass „kurzfristig“ Handlungsdruck entsteht und bei dem man die Allgemeinheit abholt? Wie mobilisieren wir Leute ? Was was wurde noch nicht versucht? Wo ist Handlungsspielraum? Wo soll man Grenzen ziehen ? Wie geht man mit den Medien um ? Wie soll mit reaktionären Reaktionen umgegangen werden? etc.

Ehrliche Frage

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Ich finde es merkwürdig, dass oft der Eindruck entsteht, dass bisherige Protestformen, wie z.B. die von Fridays for Future keinen Handlungsdruck erzeugt haben, die Allgemeinheit nicht abgeholt haben und keine Leute mobilisieren.

Persönlich finde ich es schade, dass deren Beitrag so klein geredet wird. Insbesondere durch diese Klimabewegungen und ihren (friedlichen, aber bestimmten) Protest ist das Bewusstsein entstanden, dass der Klimaschutz eins der wichtigsten Probleme ist, die angegangen werden müssen (siehe z.B. diese Umfrage :arrow_right: Einschätzung der wichtigsten Probleme für Deutschland 2022 | Statista). Auch ist der breiten Öffentlichkeit klar (83%), dass ein großer bis sehr großer Handlungsbedarf beim Klimaschutz besteht (siehe Umfrage hier :arrow_right: Handlungsbedarf im Klimaschutz 2021 | Statista). Das bedeutet, es geht nicht mehr um das ob, sondern nur noch um das wie. Auch eine Mobilisierung findet statt. Die Grünen, deren Markenkern der Klimaschutz ist, haben alleine 2019 fast 24.000(!) neue Mitglieder erhalten ([Quelle].(Mitgliederzahlen der politischen Parteien in Deutschland 2019 | Statista)) Das ist bei der eigentlichen Parteigröße eine immense Zahl. Eine der führenden FFF-Leute ist beim COP27 dabei und hat ein 4 Augen-Gespräch mit dem Kanzler oder auch mit dem Finanzminister. Das heißt, dass deren Perspektive direkt angehört wird und das ausschließlich durch friedlichen Protest. Das ist schon eine beachtliche Leistung.

Lange Rede, kurzer Sinn: Man schafft Awareness, Mobilisierung, etc. auch ohne sich auf die Straße zu kleben oder Kunstwerke mit Tomatensuppe zu bewerfen.
Die Frage die offenbleibt ist, wie man die Politik zu schnellerem Handeln bewegt. Das funktioniert, meiner Ansicht nach, aber in keinem Fall mit zivilem Ungehorsam, weil eben die meisten Leute diese Art von Protest nicht verstehen, ein hartes Handeln der Politik dagegen fordern und die Politik das (auch aus populären Gründen) umsetzt. Mich würde bei vielen interessieren, warum sie denken, dass Straßenblockaden oder Attacken auf Kunstwerken, die Politik zum schnellen Handeln beim Klimaschutz bewegen sollte.

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Genau das sind die wichtigen Fragen, quasi der heilige Gral. Wenn es eine einfache Antwort darauf gäbe, hätte sie sicher schon jemand Klügeres als ich gefunden. Dennoch fände ich es gut, wenn wir konstruktiv nach Vorschlägen suchen. Deswegen bitte ich um allseitige Ergänzung!

Grundsätzlich muss sich der Protest doch an den problematischen Umständen abarbeiten und nicht an Stellvertretern. Wenn man ganze Autobahnen blockiert, blockiert man eben auch potenziell Notärzte, Medikamententransporte oder auch E-Autos. Ein Treppenwitz in sich! Warum tut man nicht etwas gegen den MIV, der wirklich problematisch ist? SUV-Shaming war u.a. vor langer Zeit Thema in der Lage. Das ist zumindest Zielgenauer. Warum steckt man zu großen Autos in der Stadt statt einer „Wollen Sie ihr Auto verkaufen?-Karte“ nicht mal eine „Schon mal über nen Kombi nachgedacht?-Karte“ unter den Scheibenwischer? Warum protestiert man nicht direkt bei Herrn Wissing und blockupied mal das Verkehrsminidesterium? Es geht auch positiver Protest: mal ein Autokorso mit Car-Sharing-Autos durch Berlin und jeden Mittwoch um 18 Uhr wird nur mit Car-Sharing-Autos mal ein paar Minuten gehupt, damit auch dem letzten Großstadtbewohner klar wird, dass es die Dinger auch in seiner Nachbarschaft gibt.

Auch finde ich die Blockade von oder den Protest vor Betrieben in Ordnung, die einen unnötig hohen CO2-Fußabdruck haben und deren Produktion schon längst hätte klimafreundlicher umgestellt werden können. Braunkohlekraftwerke gehören dazu (wobei in diesem Winter der Protest aufgrund der Energieknappheit nicht die Beste Idee sein könnte, aber darüber lässt sich diskutieren), genauso wie die bereits vorhandenen Proteste in den Braunkohlerevieren. Man kann nicht zufrieden sein mit den Ergebnissen vom Hambi, aber die hitzige Debatte aufgrund der Proteste hat gezeigt, dass hier Bewegung möglich ist und dass man die Aufmerksamkeit und Akzeptanz von breiten Bevölkerungsgruppen erreichen kann, ohne Unbeteiligten zu schaden.

Vielleicht habt ihr bessere Ideen! Ich würde mich darüber freuen sie zu lesen!

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Im Grunde bestätigst du leider meine These. Wenn man am Ende nur eine „Kunstaktion“ als Ventil dafür nutzt, seinen persönlich Frust über die Zustände medienwirksam darzustellen aber inhaltlich nicht zu ändert, hilft das nicht bei der Lösung des Problems. Der Großteil der Bevölkerung versteht die Aktionen nicht oder sogar falsch. Das kann man Bedauern, aber auch das hilft nicht weiter. Die Menschen sind leider wie sie sind. Darauf muss man sich einstellen.

Ja, der Punkt mit der Kritik an FFF ist vollkommen richtig! Jede Art von Protest wird immer anecken und auch von einigen abgelehnt werden. Das liegt in der Natur der Sache. Ich glaube aber bspw. dass der Kommentar von Herrn Lindner ihm selbst mehr geschadet hat als FFF und je einleuchtender und nachvollziehbarer man Aktionen gestaltet, desto weniger angreifbar macht man sie, selbst wenn sie dann immer noch kritisiert werden werden. Da sind wir wieder beim zwanglosen Zwang des besseren Arguments.

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