Aber jetzt redest du ja wieder nur von Maßnahmen, die nichts bringen. Mir geht es aber um Maßnahmen, die etwas bringen.
Grade in Deutschland haben wir dazu die absolute Empirie: Wir hatten hier schon mal den Versuch eine Landgrenze zu kontrollieren. Mauer und Todesstreifen | Chronik der Mauer Das wird nicht weniger rausgeschmissenes Geld und vor allem nicht weniger menschenverachtend, wenn man die Leute aussperrt, statt sie einzusperren. Und es wird auch nicht weniger aussichtslos. Im Gegenteil. Das Ausmaß, in dem geschlossene Grenzen zu unseren wichtigsten Handelspartnern (und unter geschlossenen, massiv kontrollierten Grenzen wird es das, was die Union will, nicht geben), unseren eigenen Wohlstand vernichten wird, ist astronomisch hoch. Großbritannien muss keine Mauern bauen, die haben den Ärmelkanal. Die sind sogar aus der EU ausgetreten. Hat am Problem nichts geändert, sie sind jetzt halt über 100 Mrd. Euro pro Jahr (!) ärmer, als vorher. Führt das zu weniger Gewaltverbrechen? Nein. Weil dutzendfach belegt ist, dass Herkunft nicht das entscheidenden Merkmal für die Wahrscheinlichkeit von Verbrechen ist. Aber für Deutschland soll der gleiche Irrsinn funktionieren? An einer kompletten Landgrenze? Wie man diesen Schwachsinn überhaupt nur erwägen kann, ist für mich völlig rätselhaft.
Du hast völlig recht: Der Punkt ist oder sollte vielmehr sein, was wirklich etwas bringt, um unsere Sicherheit zu erhöhen. Gemacht wird aber, was nach Jahrzehnten kontrafaktischer, rassistischer Hetze in Medien und einem Teil der Politik den Leuten lieber ist.
Exakt. Daher finde ich es zumindest bemerkenswert, dass man sich im Forum sehr einig darüber ist, dass Merz’ Vorschläge nichts bringen (zu Recht), gleichzeitig aber auch sehr von den eigenen Lösungsvorschlägen überzeugt ist. Ich vermute, dass man auch auf viele Probleme bei der Umsetzung stoßen würde, wenn man sich genau mit den eigenen Vorschlägen befasst.
Welche sind das denn?
Das ist ja was viele kritisieren. Dass es bisher meist Gründe gibt warum viele Maßnahmen nicht funktionieren und es daher gar nichts bringt diese Maßnahmen weiter zu verschärfen, denn dann funktionieren sie noch immer nicht, sondern dass man zumindest an diesen Gründen arbeiten müsste.
Was willst du uns sagen?
Lasst es uns doch einfach versuchen.
Und was das Lieblingsthema Migration betrifft: Auf EU-Ebene werden bereits so menschenverachtende Maßnahmen durchgeführt. Vielleicht erreicht man damit, was man will. Die Außengrenzen der EU sind jedenfalls definitiv die wichtigeren. Ich frage mich zwar, wann wir soweit sind, regelmäßiger auf Schutzsuchende zu schießen, aber ich finde, wenigstens könnte Herr Merz sich damit einfach mal zufriedengeben, statt die Demokratie zu zerstören.
Was willst du uns sagen?
Eigentlich genau das, was ich in meinem Kommentar, auf den du geantwortet hast, geschrieben habe.
Welche sind das denn?
Ja das ist ja genau meine Frage! Wir können uns ja einig sein, dass Merz’ Maßnahmen nichts bringen. Aber dann muss die nächste Frage ja sein, was wirklich was bringt.
Natürlich stößt man, wie immer im Leben, auch auf Probleme. Aber die kann man anpacken, lösen. Pragmatisch. Nicht die Hände in den Schoß legen.
Eine fast 4000 km lange Grenze kann man nicht einfach schließen. Da hilft Pragmatismus nicht. Lieber auf EU-Ebene nach gemeinsamen Lösungen suchen und parallel Schutzsuchende gut versorgen und integrieren. Win-Win.
Der fundamentale Irrtum der meisten, die von rechts auf die Flüchtlings- und Migrationspolitik schauen, ist, dass wir bisher auch nur im Ansatz eine linke Migrationspolitik hatten und diese nun gescheitert wäre. Das Asylrecht kommt aus den Gründungsjahren der BRD. Adenauer-Regierungen. Ab 1955 holte man massenweise „Gastarbeiter“ ins Land. Adenauer-Regierungen. Das Dublin-System, die Arbeitsverbote waren die Reaktion einer Unionsregierung auf rechten Terror in Deutschland. Die fehlende Migrationspolitik hatte ihre Wurzeln in den Dekaden der Weigerung der Union, anzuerkennen, dass ein Staat in der Mitte Europas mit einer Geburtenrate deutlich unter 2 selbstverständlich nur stabil wachsen kann, wenn er ein Einwanderungsland ist. Die unterlassene Hilfeleistung für die EU-Außengrenzen waren wesentlich auf Kritik von rechts (und offenen Rassismus „Kinder statt Inder“ um ein Beispiel von hunderten rauszugreifen) zurückzuführen. Der Kollaps dieser von Unionsregierungen designten und über die meiste Zeit gemanagten Ordnung 2015 beruhte wesentlich auf typisch rechtem Denken, bloß nicht zu viel Geld für Flüchtlingslager in der Nähe Syriens zu geben und den anderen europäischen Ländern bloß nicht freiwillig Hilfe bei der Verteilung von Flüchtlingen anzubieten. Merkel hatte dann einen einzigen „linken“ Impuls, weil sie nicht hinnehmen wollte, dass an der Grenze Deutschlands Menschen im staatenlosen Niemandsland vegitieren. Praktisch direkt danach hat sie eine europäische Lösung zur Verteilung mit qualifizierter Mehrheit herbeigeführt die -man ahnt es schon - am offenen Rechtsbruch der rechten Regierungen aus dem Visegrad-Bündnis scheiterte. Ab dann wurde wieder bis heute eine annähernd durchgängig rechte Politik betrieben, die die Türen nach Deutschland immer weiter schloß und dabei mindestens billigend in Kauf nahm, dass genau das passieren musste, was die AfD 2015 forderte: Dass an den Grenzen Flüchtlinge zu hunderten krepieren würden. Man musste nicht auf Frauen und Kinder schießen, man konnte die einfach im Mittelmeer ersaufen oder auf dem Balkan erfrieren und verhungern lassen. Und trotzdem, obwohl seit über 30 Jahren die Grundrechte von Asylbewerbern permanent unterminiert und zerstört wurden, obwohl man jedes Jahr über 1000 Tote an den Außengrenzen zulässt und herbeiführt, obwohl man Menschen, die in Afghanistan für unsere Soldaten ihr Leben riskierten von den Taliban abschlachten lässt, anstatt sie herzuholen, bestehen die tatsächlichen oder fantasierten Migrationsprobleme. Die Antwort in all den Jahren war immer mehr vom Gleichen: Dumme, rechte „Ausländer raus!“ Politik. Und die funktioniert bis heute nicht. Wer jetzt wieder mehr vom Gleichen will und das als „Wende“ deklariert, muss mit dem Denken einfach noch mal ganz von vorne anfangen. Und das sind leider weite Teile der deutschen Bevölkerung, Medien und Politik.
Das sprachliche Framing in der ganzen Sache finde ich interessant. Gerade beim Laufen habe ich einen Podcast gehört, in dem davon gesprochen wurde, dass Merz mit der Abstimmung „die Zustimmung der AfD in Kauf genommen habe“. Das halte ich für ein falsches Framing. Er hat sie nicht „in Kauf genommen“, sondern er hat fest damit gerechnet, weil es rechnerisch unmöglich war, dass eine Zustimmung ohne die AfD zu Stande kommen würde.
Von „in Kauf nehmen“ kann man sprechen, wenn der Ausgang ungewiss ist - könnte sein, dass die SPD oder die Grünen zustimmt, könnte aber auch sein, dass die AfD zustimmt. Das war hier nicht der Fall, SPD und Grüne haben klar kommuniziert, dass sie gegen den Vorschlag sind. Was Merz hier also getan hat, war eine unausgesprochene Absprache: Er hat der AfD nonverbal, aber absolut klar und eindeutig, signalisiert, dass sie seinem Vorschlag zustimmen solle, weil das die einzige Chance war, diese Abstimmung zu gewinnen. Das ist mindestens indirekte Zusammenarbeit, da das eigene Verhalten darauf abgestimmt wurde, wie der Kooperationspartner sich verhalten wird, um zusammen ein Ziel zu erreichen. Das ist kein „in Kauf nehmen“ mehr, das ist ganz klarer, direkter Vorsatz.
Ich scheine mich wirklich nicht gut ausdrücken zu können. Wir sind doch einig darin, dass Merz’ Maßnahmen nicht funktionieren.
Genauso wird ein Merz davon überzeugt sein, dass die Probleme, die bei seinen Maßnahmen auftauchen, lösbar sein werden. (Würde ich ihm zumindest so zutrauen.) Daher machst du ja genau das, was Merz macht: Hoffen, dass die eigenen Lösungen funktionieren werden, und dabei die auftauchenden Probleme kleinreden.
Ich rede nichts klein.
Aber lassen wir das.
Ich würde ihm auch zutrauen, dass er sich hier einfach impulsiv verrannt hat (bedenke: die ganze Diskussion kam erst zu Stande, nachdem er von einem Journalisten dazu befragt wurde und weder Merz, noch die CDU, danach im Stande waren, den Geist wieder in die Flasche zu bekommen…). Ebenso würde ich ihm zutrauen, dass wenn er sich impulsiv verrannt hat, er einfach das aus seiner Sicht „Beste“ daraus machen möchte, indem er jetzt die Sache zu Ende spielt, wohl wissend, dass seine impulsive Idee so nicht durchführbar ist.
Wir sind uns glaube ich einig, dass wir uns in der Endphase des Wahlkampfes befinden und Merz zumindest auch einen Hang zum Populismus hat (siehe „kleine Paschas“ und „Zahnarztdiskussion“). Ist es wirklich undenkbar, dass Merz jetzt versucht, hier nun populistischen Wahlkampf zu betreiben? Merz hat offensichtlich Teile von Trumps Rezeptbuch kopiert (siehe seine direkte Ansprache nach der letzten Bluttat), und zu diesem Rezeptbuch gehört es auch, einfach mal ein Dekret zu erlassen, dass ganz eindeutig gegen den Wortlaut der Verfassung verstößt, auch wenn er genau weiß, dass die Gerichte das wieder einsammeln werden. Kurzum: Merz will hier aus dieser Forderung Kapital schlagen. Ob er es nach der Wahl auch umsetzen kann (oder vielleicht sogar will?) ist möglicherweise ebenso wenig relevant wie die Frage, ob wenn er es umsetzen würde, es eine gerichtliche Überprüfung (sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene) überstehen würde. Denn die Wahl ist dann schon lange vorbei…
Merz hat regelmäßig keinen back-down-Plan deswegen bleibt ihm nur eine double-down-Strategie. Jeder Fehler zieht zunehmend schwerere Folgefehler nach sich. Keine gute Eigenschaft bei einem Kandidaten mit sehr begrenzter Impulskontrolle.
Das kommt doch schon auf die Definition des Problems an. Also was ist das Problem?
Dass Migranten hier sind?
Dass Migranten Sozialleistungen bekommen?
Dass es unter Migranten Straftäter gibt?
Dass es unter Migranten psychisch kranke gibt?
Je nachdem welche Aspekte man als Problem sieht kann eine Lösung ja ganz unterschiedlich aussehen.
Ich sehe es als utopisch an im großen Stil abzuschieben, also bleibt für mich als Lösung nur die zu integrieren die hier sind.
Das heißt bessere Qualifizierung, bessere Integration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt, bessere Betreuung bei psychischen Erkrankungen.
Viele Maßnahmen gegen Straftaten sollten zudem so gestaltet werden, dass sie unabhängig der Herkunft wirken.
Ich hab jetzt hier aufgehört, also sorry, wenn darauf schon jemand eingegangen ist.
Tatsächlich gibt es eine Möglichkeit, dass Deutschland an der Grenze Asyl-Bewerber abweisen kann, nämlich dann, wenn im Land, in das zurückgeschickt wird, Deutschland die Möglichkeit hat, das Asylersuchen zu prüfen und wenn Deutschland zuständig ist, die Einreise zu ermöglichen. Es liegt also auf der Hand, was etwas bringen würde: europäische Prüfzentren in jedem EU-Land mit Außengrenzen, die von allen Mitgliedsstaaten unterhalten werden. Das erfordert halt, dass man sich mit den europäischen Partnern auf ein gemeinsames Vorgehen einigt und da ist wohl das Hauptproblem.
Wenn schon immer wieder von den „richtigen Lösungen“ die Rede ist, lohnt es sich aus meiner Sicht, auch mal zu fragen, ob denn eigentlich das zu lösende Problem überhaupt richtig definiert ist. Man kann natürlich einfach so tun, als hätten AfD & Co. die richtige Problemdefinition geliefert und das mit der großen Zustimmung zu dieser Defiinition begründen. Ist aber nicht wirklich ein einhaltliches Argument. Man könnte zum Beispiel auch mal auf die wissenschaftliche Forschung zu Migration hören, die viele der politisch derzeit so beliebten Überzeugungen schlichtweg als Mythen bezeichnet und zeigt, dass es eigentlich um ganz andere Fragen geht wie z. B. dieser Vortrag zeigt:
Und zum Titel des Threads: Ich habe noch kein einziges Argument gelesen, warum die Brandmauer „undemokratisch“ sein soll und was das eigentlich genau heißt. Gibt es neuerdings irgendeine Pflicht für Politiker, politischen Positionen zuzustimmen, die sie eigentlich ablehnen?
Das kommt doch schon auf die Definition des Problems an. Also was ist das Problem?
Das ist sicherlich richtig, aber mein ursprünglicher Punkt ist hiervon unabhängig (bzw. spricht dieses Problem indirekt an). Vielleicht noch mal von Anfang:
In dem Kommentar, auf den ich zuerst geantwortet habe, hast du unter anderem geschrieben:
Wir reden hier überwiegend nicht über wirksame Maßnahmen sondern über symbolpolitik und am Ende werden dann wieder Krankenpfleger und Erzieher die gut integriert sind abgeschoben und die Problemfälle bleiben unter dem Radar.
Warum nicht mehr Geld in echte Problemlösung stecken statt in symbolische Maßnahmen?
woraufhin ich gefragt habe, wer echte von symbolischen Problemlösungen unterscheidet. Du stellst es so dar, als ob es klar wäre, was etwas bringt und was nicht. Und genau das sehe ich nicht so. Ich denke nicht, dass es klar ist, was zu tun ist. Das ist eigentlich alles, was ich aussagen wollte.
Das heißt bessere Qualifizierung, bessere Integration in die Gesellschaft und in den Arbeitsmarkt, bessere Betreuung bei psychischen Erkrankungen.
Das ist genau das, was ich meine. Das klingt ja erst einmal gut und schlüssig. …
Aber wie das Schließen von Grenzen gezeigt hat, ist die Realität oftmals nicht so einfach und das, was logisch klingt, ist oftmals nicht so einfach umzusetzen oder bringt nicht den gewünschten Effekt.
Bitte hör jetzt einfach mal auf, uns allen einreden zu wollen, dass es nicht möglich sei, Problemlösungen anzugehen. Du hast es jetzt oft genug geschrieben. Das macht es nicht richtiger.