Hot Take: Wir haben endlich mal wieder ein echten Kampf der Ideen

Und wie soll Friedrich Merz „extrem rechte Gesetze“ mit der AfD beschließen, wenn er eine andere Mehrheit, einen Koalitionsvertrag & Koalitionspartner hat?

Das ist doch keine ernsthafte Diskussion mit plausiblen Argumenten mehr.

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Ganz einfach: Ein Problem wird im konservativen Ordnungswahn für so wichtig erachtet, dass man bereit ist, die Regierungskoalition dafür auf’s Spiel zu setzen. Das wird Merz nicht in den ersten drei Jahren der Legislaturperiode machen, aber wenn der Wahlkampf beginnt und es wieder zu ähnlichen Taten kommt und Merz wittert, dass er mit einem Bruch der Regierung Kapital schlagen kann, traue ich ihm durchaus zu, das zu tun…

Merz hat sich meines Erachtens für jeden, der der AfD keine Macht geben will, völlig unwählbar gemacht. Ich hoffe, dass insbesondere viele Christen, die tatsächlich noch an Dinge wie Nächstenliebe und Menschlichkeit glauben, nun Merz den Rücken kehren werden, auch, weil ja sogar die Kirchen hier ganz klar Position gegen Merz’ Initiative ergriffen haben.

Und nein, man reduziert nicht die Macht von Faschisten, indem man selbst deren Pläne umsetzt. Und selbst wenn dem so wäre, wäre damit nichts gewonnen, denn meine Sorge ist nicht, dass eine Partei mit dem Namen „AfD“ an die Macht kommen könnte, sondern dass diese Partei ihr katastrophal menschenfeindliches Programm tatsächlich durchsetzen kann. Es ist nichts gewonnen, wenn nun pseudo-demokratische Parteien selbst diese menschenfeindliche Politik durchsetzen…

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Aber dann ist nicht die Frage „Wären Unionswähler bereit AfD zu wählen“ und dadurch die Union auf einer Stufe mit einer rechtsextremen Partei nahe des Verbots zu stellen, sondern „Wie sehr vertrauen Unionswähler Friedrich Merz keine Zusammenarbeit mit der AfD zu vollziehen?“

Das sind zwei unterschiedliche Dinge in meinen Augen.

Merz hat gerade eine 180°-Wendung vollzogen. Er hat vor sechs Wochen etwas ganz klar propagiert und exakt das Gegenteil diese Woche getan. Wie sehr kann man ihm also vertrauen, wenn er beteuert, auf gar keinen Fall eine Koalition mit der AfD einzugehen? Vor allem, nachdem diese exakte Situation in Österreich gerade erst passiert ist, mit einem konservativen Kanzlerkandidaten, der jede Koalition mit der rechtsextremen FPÖ ausgeschlossen hat. Und wer verhandelt gerade über eine Koalition?

Was also, wenn nach der Wahl nur ein Bündnis aus Union, Grünen und SPD oder Schwarz-Blau möglich wäre? Was, wenn die Koalitionsverhandlungen zwischen diesen drei sehr ungleichen Parteien scheitern, weil die beiden „progressiven“ Junior-Partner zusammen vielleicht sogar stärker als die Union sind und die Union (vor allem die CSU) nicht bereit ist, so viele Kompromisse zu machen?

Ich halte eine Koalition zwischen Union und AfD nach dieser Wahl immer noch für sehr unwahrscheinlich, aber nach dieser Woche halte ich sie nicht mehr für unmöglich… leider.

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Vielleicht nicht mal als Koalition, vielleicht startet es erstmal mit genau dem Manöver von dieser Woche. Mir klingt dauernd in den Ohren, wie Linnemann im ZDF diese Option nicht ausgeschlossen hat (auch wenn das ZDF das auf seiner Homepage behauptet. Ich hab mir die Stelle nochmal angehört. Darauf, was Merz macht, wenn er keine demokratische Mehrheit für seine Kanzlerschaft findet, antwortet Linnemann nicht.)

Stimmt, eine CDU/CSU-Minderheitsregierung, vielleicht noch mit der FDP zusammen, die Mehrheiten mit SPD/GRÜNEN aber auch der AfD sucht, wäre ebenfalls denkbar… Ich höre die Unions-Rechtsaußen jetzt schon sagen: „Die Linke in Thüringen haben wir ja auch toleriert… das ist doch keine Zusammenarbeit.“

Was „Zusammenarbeit“ ist und was nicht wird aktuell recht opportunistisch neu definiert, wie es gerade passt… Ich bleibe daher dabei: Wer die AfD wirklich an der Macht hindern will, kann nicht ruhigen Gewissens CDU wählen.

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Mit rassistischen Lügen, wie der von Merz gestern im Bundestag, stellt sich die Union ganz ohne fremde Hilfe auf diese Stufe.

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Noch etwas zum Kampf der Ideen: Wäre ja schön, wenn es diesen auf der Basis von Demokratie und Rechtsstaat gäbe. Nichts spricht gegen eine konservative Partei.

Die Union verlässt diesen Boden aber gerade.

In einem ZEIT-Artikel, aus dem ich ein Zitat gehört habe, spricht ein CDUler von der Trump-Optik, die sie bräuchten, und von dem „Scheiß-Gericht“…

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Ich finde sehr, weil er eine Zusammenarbeit mit der AfD immer ausgeschlossen hat und sein politisches Leben daran geknüpft hat. Das hat er auch so als Antwort am Freitag auf eine Kurzintervention von Felix Banaszak auch nochmal im Bundestag bekräftigt.
Ergo müsste er als Vorsitzender erstmal zurücktreten und dann sehe ich auch niemanden, der dann Vorsitzender der CDU werden könnte, um dann in die hochgradige unpopuläre Koalition mit der AfD zu gehen bzw. zu verhandeln.

Hier wird auch oft so getan, als wäre die Basis der CDU/CSU größtenteils fein mit einer möglichen Koalition mit der AfD, aber das ist mitnichten so:

Es bleibt politischer Selbstmord der Union, wenn sie eine schwarz-blaue Koalition eingeht und das wissen auch alle Führungsleute. Deswegen bin ich mir sehr sicher , dass es diese nicht gibt.

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Das hat er auch, als er nach dem Scheitern der Regierung die Koalition aufgefordert hat, mit ihm sich an folgende Regel zu halten, keine Anträge und Gesetze einzubringen für die eine Mehrheit jenseits der AFD nicht im Vorhinein feststeht. SPD und Grüne haben sich daran gehalten. Hier werden Grenzen verschoben. Aber damit ist das Tor für weitere Verschiebungen weit aufgestoßen. Was bringt es, wenn Grüne und SPD sich mit Merz nicht einigen, die AFD in den sozialen Netzwerken schon feixt „jetzt gibt es solange Neuwahlen bis den Eliten das Ergebnis passt“, Merz sich für eine Minderheitsregierung von der AFD zum Kanzler wählen lässt und dann sich alle in der Union einig sind: „eine Zusammenarbeit mit der AFD wird es auch mit einem Kanzler Merz nie geben“

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Seit Mittwoch muss man sagen, dass behauptet er. Merz weist ja das Wort „Zusammenarbeit“ kategorisch zurück, diefiniert diese allerdings ausschließlich als aktive gegenseitige Absprache. Dass man auch ein Hinwirken zweier Parteien auf ein gemeinsames Ziel (= ein Bundestagsbeschluss mit Unions/AfD-Inhalten) als Zusammenarbeit bezeichnen kann, ignoriert er einfach.
Selbst wenn man dieser Spitzfindigkeit viel Beachtung schenken will: Merz hat glasklar entgegen seiner sehr klaren Aussage über das Abstimmungsverhalten vom November gehandelt. Mit welchem Grund sollte man jetzt annehmen, dass er das nicht bei anderen Arten der Zusammenarbeit mit der AfD nicht auch tut, wenn es ihm politisch opportun erscheint?

Politischer Selbstmord ist es auch, als Union politische Forderungen der AfD zu übernehmen und zu denken, damit die AfD und nicht sich selbst zu bekämpfen. Politischer Selbstmord ist es auch, sich für einen kurzfristigen und minimalen populistischen Effekt mitten im Wahlkampf der AfD inhaltlich an den Hals zu schmeißen. Politischer Selbstmord ist es auch, für einen absolut wirkungslosen Entschließungsantrag einen solchen Tabubruch zu begehen und gemeinsame Sache mit Rechtsextremen zu machen. Auch das ist also leider nicht gerade ein Argument, was dagegen spricht, dass Merz sich von der AfD mitwählen lassen würde.

Dass das im Rahmen einer Koalition passieren würde, erwartet glaube ich für die nächste Wahlperiode niemand oder?

Und was soll das schon heißen? Wenn er es doch macht, erscheint ein roter Blitz und er gibt automatisch all seine Ämter ab, weil er es ja anders versprochen hattte oder was?

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Guten Abend liebes Forum,

ich möchte mich mit einer Herzensangelegenheit zu Wort melden – und zwar unter in bezugnahme "zum echten Kampf der Ideen“.

Für mich stellt sich die sogenannte Migrationsdebatte schon seit viel zu langer Zeit als ein Schwarz-Weiß-Denken dar – emotional aufgeladen, hochgradig spaltend und letztlich wenig zielführend. Was ist eigentlich mit unserer ehrbaren Kultur des Diskurses passiert, in der wir auf Basis von Fakten, wissenschaftlichen Erkenntnissen und wahren Werten diskutieren? Stattdessen erleben wir ein ständiges Seitenbeziehen und Lagerdenken, das uns als Gesellschaft immer weiter auseinandertreibt.

Ein Satz, der mir in diesem Zusammenhang nicht mehr aus dem Kopf geht, lautet:

„Es ist schon lange nicht mehr genug, einfach Fakten auf den Tisch zu legen. Unsere Politiker ignorieren sie, wenn sie ihnen nicht in den Kram passen.“

Er stammt aus einem Buch, das mich in letzter Zeit sehr gefesselt hat: Migration – 22 populäre Mythen und was wirklich hinter ihnen steckt von Hein de Haas. Ich habe das Inhaltsverzeichnis hier beigefügt, damit ihr einen Überblick bekommt, worüber ich eigentlich spreche.

:open_book: Eine Leseprobe findet ihr direkt auf der Fischer-Verlagsseite:
:link: Migration - Hein de Haas | S. Fischer Verlage
:loud_sound: Eine Hörprobe gibt es hier von Hein de Haas persönlich:

Schon die ersten Seiten haben mir neue Perspektiven eröffnet und vor allem: Vertrauen zurückgegeben. Vertrauen in eine differenzierte Debatte, in Graustufen statt Polemik, in Verständnis und Wissenschaft statt ideologischer Grabenkämpfe.

Ich bin überzeugt, dass wir keine ideologisch gefärbte oder interessengeleitete Migrationsdebatte brauchen, sondern eine wissenschaftlich fundierte Diskussion, die von den klügsten Köpfen geführt wird – von Menschen, die sich mit ihrem gesamten wissenschaftlichen Schaffen diesen wichtigen Fragen widmen. Wir brauchen keine „Besserwisser“, die einen Artikel gelesen haben und glauben, die einzig wahre Lösung zu kennen.

Ich selbst habe mich lange nicht mehr aktiv mit dem Thema befasst, weil mir die Motivation ausgegangen ist, einfach nur gegen etwas zu sein – ich möchte viel lieber für etwas stehen. Deshalb sehe ich mich nun als Fürsprecher für eine fundierte, sachliche und lösungsorientierte Debatte.

Man wird ja förmlich überrollt von den immer gleichen Schlagzeilen und reißerischen Argumentationsmustern, die sofort eine emotionale Reaktion auslösen. Es fühlt sich an, als würde man in eine vorgefertigte Denkrichtung gedrängt. Doch dieses Buch hat mir einen neuen Zugang eröffnet – und jetzt brenne ich wieder dafür, mich differenziert, faktenbasiert und mit offenem Geist mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Vielleicht konnte ich mit diesem kleinen Beitrag eine kleine Glut auch in euch entfachen – oder vielleicht sogar ein Feuer.

Lasst uns nicht weiter in Grabenkämpfen verharren, sondern endlich wieder einen echten Kampf der Ideen führen – mit Argumenten, mit Respekt und mit dem unbedingten Willen zur Wahrheit.

Was denkt ihr?

Beste Grüße,
euer Sven


PS: Ich möchte an dieser Stelle um Verzeihung bitten für das Hochladen der beiden Seiten mit der Inhaltsübersicht. Mir ist bewusst, dass in diesem Forum großer Wert auf Datenschutz und Urheberrechte gelegt wird – und das auch vollkommen zu Recht. Mein einziges Anliegen ist es, den Diskurs transparenter zu gestalten und eine bessere Grundlage für eine Diskussion zu schaffen – nicht, Inhalte unerlaubt zu verbreiten oder als meine eigene Publikation darzustellen.

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Die Deutschlandfunk Hörsaal-Episode habe ich heute auch gehört und kann sie auch nur empfehlen. De Haas nennt einige Fakten, die mir auch noch nicht bekannt waren. Natürlich würde mich eine Antwort von einem konservativen Migrationsforscher interessieren, weil ich befürchte, dass die Gegenseite diese Fakten wiederum bestreiten wird und es daher letztlich doch ein wissenschaftlicher Grabenkampf ist, welchem Experten man lieber glauben möge, mit Ruud Koopmanns auf der einen und Hein de Haas auf der anderen Seite… ebenso wie die leidige Diskussion, ob Pull-Faktoren existieren und wie stark sie wirken (wobei de Haas ja durchaus auch mit Pull-Faktoren argumentiert, aber eben nicht so migrationskritisch, sondern eher erklärend).

Hier ist ein Video desselben Vortrags verlinkt (durchaus sinnvoll, weil de Haas auf Grafiken etc. Bezug nimmt)

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So wie ich es verstanden habe, stellt de Haas das gesamte Push-Pull-Modell infrage und plädiert stattdessen dafür, stärker die beiden Faktoren „Migrationsambitionen“ und „Migrationsfähigkeit“ in den Blick zu nehmen.

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Politischer Selbstmord heißt, dass es immer noch genügend Stimmen in der Union gibt, die eben eine Zusammenarbeit, wie sie stattgefunden hat, bereits kritisiert; einer Koalition aber so fundamental gegenübersteht, als dass ein Parteiaustritt unausweichlich wäre - auch in Führungspositionen der Partei. Er würde damit also die Partei spalten.
Auf der anderen Seite: Wenn sich SPD/Grüne quer stellen und der Union die Koalition verweigern, kann Merz Neuwahlen fordern und die SPD/Grüne als Sündenbock für vernünftige Politik darstellen, was wiederum für einen Stimmenzuwachs führen würde, da er dann wieder seine Glaubwürdigkeit „beweisen“ könnte.

Ob das gut für Deutschland und die hier lebenden Menschen ist? Wahrscheinlich nicht, aber Politik besteht …eben auch aus Symbolpolitik inklusive dem Ernstnehmen von Ängsten in der Bevölkerung. Und diese Ängste adressiert Merz …
Dass es aus dem bürgerlichen Lager (auch bei denjenigen mit Migrationshintergrund) daher als vernünftig erscheint, die Unions-Pläne umzusetzen, um wieder gesellschaftliche Stabilität zu erhalten (weniger Belastung der Infrastruktur/Ressourcen/weniger Straftaten und dadurch auch weniger Anfeindung gegen Migranten/Asylanten/Migrationsstämmige) zu erlangen - unabhängig davon, ob die Ziele auch tatsächlich/objektiv damit erreicht werden (können) - ist nachvollziehbar, da es zumindest subjektiv als möglich erscheint.
Hierzu gab es beim Podcast „Absolute Mehrheit“ eine Folge mit dem Vorsitzenden der Grünen, der eben auch festgestellt hat, dass Ängste nicht durch Statistiken genommen werden können, sondern man sich mit diesen auseinandersetzen muss. Das schafft linke Politik (leider) momentan überhaupt nicht, … Daraus gewinnen dann eben die rechten Kräfte.

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Nur nicht bei der Union. So doof sind die Wähler nicht.
Die AFD wird sich freuen, wenn „die Eliten solange wählen bis ihnen das Ergebnis passt“
Neuwahlen zahlen genau in deren Narrativ und motiviert die Wähler erst recht dazu keine etablierte Partei zu wählen: „wollen wir doch mal sehen, wie sie mit einem noch schlechteren Ergebnis umgehen wollen“.
Frankreich ist da ein gutes Beispiel.

Das klingt halt so, als wären diese Ängste einfach so da und würden nicht - unter anderem von rechten Politikern - permanent geschürt. Das eine zu erwähnen und das andere wegzulassen finde ich schon fast mutwillig. Da klingt das das Erstarken rechtsextremer Kräfte schnell mal so als sei es eine unaufhaltsame Naturkatastrophe. Ich frage mich dabei immer zweierlei: Erstens: Warum soll ausgerechnet eine Übernahme der Narrative von Forderungen von Rechtsextremen diese bekämpfen? Zweitens: Warum sehen so viele Leute eigentlich vor allem Linke, nicht aber Liberale und gemäßigte Rechte in der Pflicht, klare Kante gegen Rechtsextreme zu zeigen?

Konkret geht es ja darum, dass SPD und Grüne sich aus verschiedenen inhaltlichen Gründen (u. a. politischen und rechtlichen) dagegen aussprechen, Forderungen zu übernehmen, die Union und FDP von der AfD übernommen haben. Und das framen sie dann noch so als sei es quasi die staatspolitische Verantwortung von Parteien der Mitte, rechtsradikale Positionen zu übernehmen. Das muss man sich nochmal auf der Zunge zergehen lassen. DAS ist aus meiner Sicht politischer Selbstmord oder auch Selbstmord aus Angst vor dem Tod.

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Doch, natürlich auch für die Union. Denn die von der SPD und Grünen enttäuschten Wähler werden kaum AfD wählen, werden aber dann einsehen, dass sie der Union „vertrauen“ können. Die Wählerschaft in Deutschland ist eine grundlegend andere bzgl. ihrer Mentalität.

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