Es ist schon spät, aber eines möchte ich ergänzen.
Am 22.11.2022 feierte sich Merz dafür, beim Bürgergeld mehr durchgesetzt zu haben, als er es für möglich gehalten hat. Erstaunlich ist, dass die Erinnerung verloren gegangen ist, dass auch die Berechnung zur Erhöhung mitbeschlossen wurde. Wir haben das in der Lage gelernt.
Nun baumelt dieser Satz im Universum herum: Arbeit muss sich lohnen.
Aber was heißt das denn?
Meint Spahn damit, dass der Mindestlohn auf 14,50 Euro abgehoben werden soll, damit der Abstand wieder stimmt? Oder soll die Erhöhung rückgängig gemacht werden?
Was meint denn Heil, wenn er den gleichen Satz sagt?
Oder Lindner?
Wir wissen es nicht. Wir wissen nur, dass die AfD gern einen Mindestlohn von 9,86 Euro hätte.
Wieso wählt man AfD, wenn man das Lohnabstandsgebot gefährdet sieht? Die Leute tun es wohl. Aber wieso? Weil man weiß, woran man ist? Und dieser herumbaumelnde Satz entweder Ressentiments schürt oder ein Thema wegwischt, das vielleicht noch mal erklärt werden muss, weil selbst Merz vergessen hat, was er mitbeschlossen hatte?
Natürlich ist ein Satz wie „Arbeit muss sich lohnen“ leicht gesagt und populistisch. Aber gibt ja durchaus durchgerechnete Szenarien bei denen der Mehrverdienst durch eine 40h Arbeitswoche nicht viel mehr ergibt als mit Bürgergeld. Klar kann man sagen, dann muss einfach der Mindestlohn erhöht werden. Aber bei einer Wirtschaft die eh schon ächzt wird das schwierig. Gibt ja auch andere Vorschläge von Linnemann wie z.B. Überstunden steuerfrei und Rentnern bis 2000€ steuerfrei arbeiten zu lassen, wie hier auch mit Kritik beschrieben:
Letztlich ist der Mensch auch nicht von Neid befreit und Armut in Deutschland relativ. Da vergleicht sich ein Geringverdiener natürlich mit Menschen in Bürgergeld.
Und da schimpft es sich leicht „die sollen doch arbeiten gehen“. Dazu dann die Statistik, dass immernoch ~50% der seit 2015 Geflüchteten in Bürgergeld sind. Da verfängt dann die Afd-Erzählung von der Migration in die Sozialsysteme. Die Erklärung, dass alle Probleme von der Migration herrühren und es gar kein Fachkräftemangel geben würde ist da für viele eine einfache Lösung, die man glauben will.
Überstunden steuerfrei zu machen, wird dazu führen, dass Arbeitsverträge eine solche Regelung zukünftig ausnutzen würden.
Und wer will das kontrollieren.
Das sagt die Wirtschaft immer. Viele haben aber erhebliche Gewinne und verteilen Divenden, Bonus…
Die Arbeitskraft der Arbeitnehmer:innen ist wertvoll. Sie sollte entsprechend vergütet werden.
Herr Lindemann beweist in letzter Zeit immer wieder, dass er eine sehr neoliberale Weltsicht hat und bedient sein Klientel.
Bevor die Überstunden steuerfrei gemacht und damit Millionen von Verträgen umstrukturiert werden, um mehr Überstunden abzuschöpfen, sollte man die 702 Millionen unbezahlten Überstunden vielleicht erst einmal auszahlen.
Die Probleme mit den Arbeitsverträgen & Überstunden sehe ich auch, wird im Artikel ja auch darauf eingegangen.
Was die viel Diskutierten Dividenden der DAX Unternehmen angeht würde ich anmerken, dass ein großer Teil des Gewinns im Ausland erwirtschaftet wird und der Großteil der Jobs eh nach Tarif und über dem Mindestlohn bezahlt wird. Mindestlohn wird hauptsächlich im Dienstleistungssektor wie Gastronomie, Kassierer etc bezahlt. Hier landen die erhöhten Kosten durch eine Anhebung des Mindestlohns aber oft wieder bei den Konsumenten und schlagen bei den erhöhten Lebenshaltungskosten direkt wieder speziell bei den Geringverdienern durch.
Da kann nachhaltig nur eine Erhöhung der Produktivität zu einer Veränderung führen.
Finde da den Vorschlag der „Aktivrente“ durchaus diskussionswürdig.
Ich dachte genau das ist seit Ende Juni das Thema dieses Threads, also die Ursachen zu diskutieren, warum Menschen bereit sind, die AfD zu wählen und sich darüber auszutauschen, was dagegen getan werden kann. Menschen mit ihren Sichtweisen und Problemen wahr- und ernstzunehmen, klingt in einer Demokratie erst mal nach einer super Idee. Ein Großteil der über 200 Beiträge beschäftigt sich ja auch damit. Aber ob jetzt gerade Arbeitszeitregelungen dabei das allerdrängendste Problem sind - da wäre ich eher skeptisch. Das wäre m. E. eher ein Thema für einen eigenen Thread.
Wenn aber Neid eine Ursache ist, wieso hilft dann das
Wird dann nicht die Neidebatte nur verschoben? Etwa: ich muss sogar 44 Stunden pro Woche arbeiten, um das zu haben, was andere geschenkt bekommen?
Zu Verdruss führen doch Andeutungen, die nicht in konkrete, folgerichtige Lösungen führen.
Die Erhöhungslogik beim Bürgergeld kann kein Automatismus sein, denn Lohnerhöhungen könnten dauerhaft geringer ausfallen, als die Erhöhung des Bürgergelds.
Wenn ich es recht verstehe, muss die Berechnung jeweils politisch bestätigt werden. (Das war unklar in der Lage.)
Ein Statement könnte also beim nächsten Mal lauten: um das Lohnabstandsgebot einzuhalten, haben wir uns entschieden, 2% unter der Empfehlung zu bleiben und den Mindestlohn um 1% zu erhöhen. Dann zeigt man noch an zwei oder drei Szenarien, dass der Abstand immer x hundert Euro beträgt und hat doch verantwortungsvoll und umsichtig gehandelt und kommuniziert.
Die Zahlen sind dabei austauschbar. Wichtig ist, dass die Begründung Vertrauen schafft.
Die Neiddebatte wird es immer geben. Das wird immer eine Abwägung bleiben, sodass es keine zu großen Verwerfungen gibt.
Aber wenn ich nach den regulären 40h kaum mehr habe als mit Bürgergeld, ist doch dann der Anreiz groß mehr zu arbeiten wenn man fast das doppelte pro Stunde bekommt. Wenn ich mir dadurch mehr leisten kann sollte es doch zu weniger Neid führen?
Klar, wenn ich erst mit überstunden ähnlich viel bekomme wie mit Bürgergeld, wäre das natürlich unsinnig.
Unter der Empfehlung zu bleiben heißt aber doch Menschen über kurz oder lang die Grundlage Ihres Lebens zu nehmen. Die Empfehlung wird ja nicht aus der Luft gegriffen
Ja, oder auch darüber hinaus gehen. Die Zahlen sind austauschbar. Wenn man die eine Seite aber immer mit dem Warenkorb entlang der Inflation gleiten lässt, die andere Seite über die Mindestlohnkommission regelt, muss es zu einem Schiefstand kommen.
Es ist ja nicht Aufgabe des Staates durch Mindestlohn in die Vertragsfreiheit einzugreifen. Der Staat hätte einen gewaltigen Hebel, indem einfach mal eine grundlegende Steuerreform gemacht wird, bspw. (illustrativ):
Steuern und Abgaben für Geringverdiener deutlich runter, das zahlt auch auf das Lohnabstandsgebot ein
Spitzensteuersatz nicht schon in der Mitte der Mittelschicht beginnen lassen
Ggf. ganz oben ein paar % drauf als Gegenfinanzierung
Ggf. über eine negative Einkommenssteuer nachdenken
Aber um nochmal auf die AfD zurückzukommen: Ich weiß, dass es hier niemand hören will, aber ich würde mal die These aufstellen, dass die grüne Partei durch die Oberlehrer-Mentalität - zumindest scheint es von einigen so wahrgenommen zu werden - auch einen entsprechenden Teil dazu beiträgt, wenn Leute die sowieso schon an „den da oben“ zweifeln sich dann für die AfD entscheiden. Da mögen die Absichten noch so edel sein - und die edlen Absichten bezweifle ich ausdrücklich nicht.
Mal eine zugespitzte Beschreibung, wie ich mir naiv vorstelle, dass es bei manchen Leuten ankommen könnte: Wenn eine 29-jährige Politikerin ohne „echte“ Berufserfahrung dem Ronny aus Sachsen, der mit seinen hart erarbeiteten 1.800€ brutto kaum über die Runden kommt, dann noch mit erhobenem Zeigefinger den Golf 2 verbieten will und Kosten von 50k für die Heizung in Aussicht stellt, hakt es einfach aus und das Kreuz wandert zur AfD.
Politiker ohne Berufserfahrung gibt es zuhauf über alle Parteigrenzen hinweg. Das was du da schreibst ist die Wahrheit nicht hören wollen. So wird eben lieber eine Partei gewählt, die sagt die Rente sei sicher oder das mit dem Klimawandel geht auch mit Innovation gelöst.
Wer sich, wie die Grünen, lebenslänglich mit grünen Ideen befasst, wird leicht zum Nerd.
Das ist ja eigentlich gut. Aber es führt dazu, dass man Wissen bei anderen voraussetzt, das nicht im Ansatz vorhanden ist. Dann werden Erklärungen schnell oberlehrerhaft und ungeduldig. Das erklärt die AKW Diskussion (auch ein Thread hier).
Man kann ja auch Ronny sagen, dass wir seine Hilfe beim Windradbau brauchen, damit er sich einen E-Golf leisten kann. Einfach, weil der E-Golf cooler ist.
Und dabei ist nichts gelogen.
Die Transformation ist so groß: wir brauchen jede und jeden.
Vieles kommt irgendwann aus den USA herübergeschwappt. Das mit den Oberlehrern ist auch zu einem Schimpfwort für die Demokraten und Liberalen geworden.
Ich sage ja nicht, dass immer jeder Berufserfahrung braucht. Das Argument im Absatz drüber gilt ME für die breite Partei. Wollte nur mal einen Denkanstoß hier lassen für alle, die sich sicher sind, dass CDU und FDP die Alleinschuld tragen
Und fully agree. Im Unternehmenskontext werden Transformationen mit sehr gut durchdachten Change-Konzepten über mehrere Jahre begleitet. Und da ist der Stake deutlich niedriger, weil es „nur“ um das Unternehmen, aber nicht um das gesamte Land geht.
Im Land dagegen ist das, was ankommt, häufig der Streit (auch von den Medien z. T. noch mal zusätzlich aufgebauscht - man will ja Klicks) und ein Kanzler, der nicht liefert was man bestellt - nämlich Führung - und aktiv nicht kommuniziert.
Ich sehe das überhaupt nicht. Die pol. Gegner wissen die Partei dadurch nur sehr effektiv zu diskreditieren.
Mir kommt z.B. die FDP viel oberlehrerhafter vor, weil sie mir wieder irgendeinen Bären aufbinden möchte.
Oder die CDU, die mir seit Jahren nicht die Wahrheit sagt.
Puh, gehört hier eigentlich nciht hin, da es um die Umfragewerte der AFD geht, aber sowas triggered mich:
zu 1.
Geringverdiener zahlen ohnehin keine bzw kaum Lohnsteuer. Die dicken Brocken der Sozialabgaben sind Kranken-, Rente- und Pflegeversicherung, die man sicherlich queersubventionieren könnte, aber dann muss man auch sagen wo das Geld herkommen soll.
zu 2.
Der Spitzensteuersatz begint aktuell ab 62.810€ Bruttojahreseinkommen. Alles darüber wird mit 42% versteuert. D.h. wenn Du z.B. 70.0000€ jährlich brutto verdienst, zahlst Du auf 7190€ diesen Spitzensteuersatz.
Jetzt kann man trefflich darüber streiten, ob ein Bruttolohn von z.B. 70k€ pro Jahr die MItte der Gesellschaft abbildet, aber ich denke das ist schon stemmbar für die Betroffenen. Dieser Spitzensteuersatz war auch schon sehr viel höher in den späten 80er Jahren.
Übrigens zahlen aktuell 4 Millionen Menschen Spitzensteuersatz. Nur mal so als Hinweis bei der Einschätzung, ob das die MItte der Gesellschaft ist.
zu 3. Das kannst Du ja gerne mal gegenrechnen. Lindner hat das mal in einer PK getan, ich kann mich nicht mehr an die genauen Zahlen erinnern, aber je höher man bei Einkommen kommt desto weniger Menschen werden das, desto höher müsste die Steuerlast werden. Er kam da auf Steuersätze bei Spitzenverdienern von ~57%.