Ergänzend: Russland hatte im Budapester Memorandum und einer Reihe weiterer Abkommen der Ukraine und anderen die freie Bündniswahl zugesichert. Dass es sich daran vom Start weg nicht halten wollte, wird mit dem Verweis auf die (angebliche, aber nirgends in Verträgen fixierte) Sonderrolle der Ukraine entschuldigt von Leuten, die aus dieser Feststellung regelmäßig fließend zur Forderung endlich neue Vereinbarungen mit diesem pathologisch vertragsbrüchigen Staat zu schließen.
Da der Thread offenbar viel Interesse erzeugt, daher recht lang wird, versuche ich mal eine Zusammenfassung/Zwischenstand - ganz subjektiv. Korrigiert mich bitte wenn ich völlig daneben liege.
Grundsätzlich halten wir alle kriegerische Auseinandersetzungen nicht für das ideale Mittel zur Erreichung von politischen Zielen. Da in Kriegen vorrangig Unschuldige oder Wehrlose leiden müssen.
es gibt einigen Meinungen zufolge aber durchaus Gründe, die eine kriegerische Reaktion rechtfertigen können. Zum Beispiel Angriffe unter Verletzung des Völkerrechts, Völkermord, etc
es gibt verschiedene völlig legitime Meinungen, ob man selbst aktiv an einem Krieg teilnimmt bzw. Einen Wehrdienst in Erwägung zieht.
wir alle halten prinzipiell Diplomatie und Verhandlungen für den besseren Weg, aber nur wenn diese auf Augenhöhe stattfinden. Also kein Diktatfrieden oder eine Kapitulation, da dieses Potential für neue Konflikte birgt.
es gibt sehr unterschiedliche Meinungen zu moralischen Aspekten. Also wer darf sich gerechtfertigt und moralisch korrekt die Wahrung von Recht und Ordnung in der Welt auf die Fahnen schreiben?
es gibt verschiedene Ideen für eine mögliche europäische oder internationale Sicherheitsordnung. Dabei scheint die Rolle und Sanktionierbarkeit der Grossmächte noch eine ungelöste Frage zu sein.
tendenziell werden Waffenlieferungen an die Ukraine eher befürwortet, aber es zeigt sich eine deutlich Wahrnehmbare Angst vor einer Eskalation des Krieges, vor allem nuklear.
Eine ultimative Antwort ist nicht Ziel des Threads, aber wohl der Meinungsaustausch, Erkenntnisgewinnung und ggf überdenken der eigenen Meinung.
Scheint mir bis hier, wenn auch oft kontrovers, gelungen.
Dank bis dahin.
Danke für deine Mühe, aber ich bin mir nicht ganz sicher, welche Funktion solch eine Zusammenfassung hat, außer einer Art Index, welche Aspekte angesprochen wurden. Um mal ein mehr oder weniger fiktives Beispiel nach derselben Logik zu kontruieren.
Wenn z. B. kontrafaktisch behauptet, die NATO sei „per se“ eine Bedrohung für Russland, so wie Russland de facto seit 2014 eine Bedrohung für die Ukraine ist und mehrere Leute dem widersprechen, fände ich dem es nicht hilfreich, das zusammenzufassen als „es gibt unterschiedliche Haltungen zu der Frage, ob die NATO für Russland genau so eine Bedrohung ist wie Russland für die Ukraine“.
Für Militärs und Diplomaten (inklusive aller Laien-Militärs und Laien-Diplomanten).
Volle Zustimmung. Ich habe ja gerade drauf hingewiesen, dass es auch hier im Lage-Forum regelmäßig zu dieser Form der Demagagie kommt.
Ich (wie ja z.B. auch @Mike?!) argumentiere, dass „moral-zentrierte Sichtweisen“ nicht hilfreich zur Konfliktbeilegung sind. Dementsprechend möchte ich auch nicht irgendeine andere „moral-zentrierte Sichtweise“ propagieren.
Du behauptest, dass es „regelmäßig zu dieser Form der Demagogie kommt“. Wenn es solche Äußerungen tatsächlich gibt, kann man sie dementsprechend aufgreifen und ggf. im Konkreten kritisieren. Es gibt also keinen Grund, einen solchen Strohmann zu basteln. Und hilfreich ist es erst recht nicht.
Meine Argumentation lief eher darauf hinaus, dass diese Behauptung, dass es sich um „moralzentrierte“ Positionen handelt, vielfach falsch und reduktionistisch finde. Sie lässt m. E. häufig außer acht, dass es u. a. auch um bestimmte rechtliche und politische Vorannahmen geht, also nicht nur um bloße Moral.
Wir haben bereits mindestens seit 2021 Beispiele für diese selektiv anti-russische Demagogie (wobei nicht überraschenderweise inzwischen diverse dieser Nutzer ihren Account oder ihre Beiträge nachträglich gelöscht haben). Das Archiv ist nichtsdestotrotz immer noch ein reicher Fundus.
In der Tat, siehe beispielsweise wie in jenen Threads damit umgegangen wurde (von mir und anderen, meine hier verlinkten Beiträge sind nur Beispiele, es lohnt sich die ganzen Threads zu lesen):
Wie würdest Du hier denn aus Deiner Sicht die russische Position sicherheitspolitisch und die Intention hinsichtlich der Ukraine in kurzen Worten beschreiben?
Wir sollten uns davor hüten, verkürzte und damit unterkomplexe und pauschale Aussagen zu treffen. Im Kontext meiner obigen ausführlichen Worte versuche ich dennoch Ihrem Wunsch nach einer maximalen Komprimierung nachzukommen:
„Vermutlich wird dieser Krieg aus Sicht der russischen Bevölkerung mehrheitlich als notwendiger Präventivkrieg gesehen, da eine Ausdehnung der NATO in die Ukraine als inakzeptables Sicherheitsrisiko eingeschätzt wird. Darüber hinaus scheint ein signifikanter Teil der russischen Elite oder Bevölkerung auch einer vollständigen Annexion der Ukraine nicht abgeneigt zu sein.“
Das spiegelt wohl schon die russische Sicht der Dinge wieder, stark beeinflusst durch die russische Staatspropaganda, speziell was die historische Sicht auf die Ukraine angeht.
Aber warum sollte das der Fall sein?!?
Warum ist die Ausdehnung der NATO auf die Ukraine ein „inakzeptables Sicherheitsrisiko“, während dieser Krieg gleichzeitig dazu geführt hat, dass Finnland nun der NATO beigetreten ist.
Dem liegt einfach keine Logik zu Grunde, vor allem keine, die einen „Präventivkrieg“ rechtfertigen könnte, noch weniger eine, die einen „Präventivkrieg“ mit der Konseqeunz, dass Finnland der NATO beitritt (was absehbar war!) rechtfertigen könnte… (nicht nur ist die gewählte Methode falsch, sie hat auch ihr Ziel massiv verfehlt und zum Gegenteil geführt; die Sicherheitspolitische Lage Russlands war nie schlechter als Heute - wegen des Angriffskrieges, nicht trotz des Angriffskrieges)
Aus Sicht der Nazis war der Angriff auf Polen und später Russland auch ein „Präventivkrieg“, um einen Angriff von zwei Fronten zu verhindern, der natürlich genau dazu geführt hat: einen Zwei-Fronten-Krieg. Diese Logik ist einfach wahnsinn und das sollte mittlerweile mal durchgesickert sein.
Und was ist die Konsequenz dieses Denkens? Richtig, dass die Ukraine für immer ein „russischer Vorhof“ bleibt, in dem Russland bestimmt, was Sache ist. Was die Ukrainer wollen spielt dabei keine Rolle.
Ja, so wie ein signifikanter Teil der deutschen Eliten 1939 einer vollständigen Annexion Teilen Polens zwecks Lebensraumerweiterung nicht abgeneigt war. Das ist doch keine Rechtfertigung oder auch nur in irgendeiner Weise zu unterstützende Position.
Du zeigst im Prinzip auf, warum es so wichtig ist, Russland entschlossen entgegen zu treten. Warum es gerade keine „anti-russische Demagogie“ ist. Wenn das, was du beschreibst, die russische Position ist, ist jeder Widerstand gegen diese Position zuhöchst gerechtfertigt und alles andere als „anti-russische Demagogie“, sondern ein schlichtes Beharren auf die Selbstbestimmungsrechte der Völker im Hinblick auf die Ukraine und das Gewaltverbot zwischen Staaten, beides Dinge, die Russland einseitig katastrophal gebrochen hat.
Wenn man sich rein auf die russische Sicht konzentriert, hat man ein Land mit extrem langen Aussengrenzen, die weitgehend an Länder angrenzen, die Russland eher ablehnend bis potentiell feindlich gegenüberstehen.
Vor den Zusammenbruch der Sowjetunion war die Grenze (oder „Front“) zum Westen/Nato vergleichsweise kurz.
Mit der Ukraine als „Puffer“ könnte man die nun dank Finnland enorm lange Grenze etwas kompensieren.
Strategisch kann ich das durchaus nachvollziehen.
Problematisch ist eher die historisch verklärte Sicht sowie der expansive Drang Russlands unter Putin. Genau diese eher psychologische Ebene machen Verhandlungen grade besonders schwer.
Aus westlicher Sicht stellt sich das natürlich völlig anders dar. Auch aufgrund anderer sicherheitspolitischer Ansichten und eher völkerrechtlicher Schwerpunkte.
Nein. Ich habe mich nur auf die Demagogen bezogen, die bei der Sanktionierung von Völkerrechtsverstößen mit doppelten Standards messen und sehr dünnhäutig mit „Whataboutism“ reagiert, wenn man sie darauf hinweist.
Ich habe nicht behauptet, dass Position 1 per se demogogisch ist bzw. dass es keine sachlichen Argumente für Position 1 geben kann.
Vielleicht liest du noch mal nach, was Demagoge bedeutet. Darauf hinweisen, dass „aber USA! … aber NATO!“ Whataboutism ist, um den völkerrechtswidrigen Überfalls Russlands mindestens zu entschuldigen, ist keine Demagogie.
Nein, du behauptest, die Position würde dominieren. Ich sage, so wie du sie beschreibst, existiert sie nicht einmal.
In diesem schon recht langen Thread wurde - wie man dank @Mikes Zusammenfassung hervorragend sehen kann - sehr unterschiedliche Aspekte angesprochen und sehr unterschiedliche Standpunkte formuliert, ohne dass es zu der von dir erwähnten Demagogie gekommen ist - solltest du das anders sehen, hättest du sicher entsprechende Zitate aus diesem Thread aufgegriffen und kritisiert. Begriffe wie „Nazi“ oder „Putinknecht“ kamen in diesem Thread erst recht nicht vor - jedenfalls nicht in dem von dir unterstellten Sinne. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wozu dieser Vorwurf der Demagogie dienen soll, wenn du als Begel dazu auf zum Teil fast zwei Jahre zurückliegende Diskussionen mit völlig anderen Beteilgten zurückgreifen und daraus eine Art vermeintliche „Gesamtmeinung“ des Forums konstruieren musst. Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass es sich hierbei um einen Strohmann handelt.
[Nachtrag: in keinem der drei von dir verlinkten „historischen“ Threads kommt der Begriff „Putinknecht“ vor. „Nazi“ kommt in einem der drei Threads vor allerdings nicht in dem von dir behaupteten Sinne, sondern meist bezogen auf das russische Propagandanarrativ, die Ukraine werde von „Nazis“ beherrscht.]
Man kann doch nicht die ganze Zeit von seiner nicht-ganz-aber-ein-bisschen-irgendwie-schon-Kriegspartei-Regierung verlangen, dass sie diese oder jene Handlung vornimmt (oder unterlässt), um ganz ausdrücklich das Kriegsgeschehen zu lenken ,und dann aber von Verantwortung für eben dieses Handeln nichts wissen wollen. Das ist doch mega skurril.
Das passt wirklich nur, wenn man Verantwortung im rein völkerrechtlichen Sinne versteht. Was wiederum für eine politische Diskussion super langweilig ist, in der Hinsicht ist der Fall doch klar. Angriffskrieg ist pfui, und von ein paar Helmen bis Boots on the ground auf dem Roten Platz ist als Waffenhilfe alles drin. Viel spannender sind dann doch Fragen nach den Konsequenzen, und ob man diese (als Mensch , nicht als Staatsmann!) wollen kann oder nicht. Oder auch den Interessen, die ja immerhin mittlerweile als existent erkannt werden.