zu a) Wenn ich mich mit dem Thema Ukraine damals beschäftigt hätte,vermutlich schon. Das Thema kam aber selten in meiner Lebensrealität an.
zu b) Das kommt immer auf die Misstände an und ob es zur Sprache kommt. Es ist ja nicht so, dass ich täglich über die Misstände in Staaten nachdenken und mir eine Meinung bilden muss. Ich finde genauso viel Gruseliges über die USA, über Kanada, über Australien, die Liste ist lang. Auch die darf ich kritisieren. Ich darf auch die Afghanen kritisieren, die einen Krieg erdulden mussten durch die USA und nun wieder einen Rückfall in ihre alten Strukturen, sprich Taliban, stattfinden lassen.
Was hilft mir eine Aufstellung für einen Vergleich wenn ich nur die eine Seite gezeigt bekomme, sprich die Deutsche. Die ist mir ebenso bekannt wie Dir (wobei die Dunkelziffer ganz allgemein zumindest an rechten Sympathisanten in den deutschen Verfassungsorganen und der Bundeswehr vermutlich höher als bekannt ist). Wie sieht das den in der Ukraine aus? Ich kenne keine Fakten, ich befürchte es gibt auch keine, zumindest nicht was das Militär angeht.
Unterm Strich: Ich sehe auch, dass man mit Kritik an der Ukraine nicht von dem Fakt ablenken sollte, dass das Land in seiner Gesamtheit bedroht und zerstört wird. Sie aber gar nicht mehr äussern zu dürfen finde ich ebenso falsch. Man muss es in Relation setzen, und nicht als Rechtfertigung des Agressors, sprich Russlands.
Nun, der etwas verkürzte und polemische Begriff „Putinversteher“ bezeichnet m.E. eine Diskursposition, die wenn es um Russland geht stets dazu bereit ist, möglichst viele Lizenzen einzuräumen, Rationalisierungen anzubieten und Relativierungen zu betreiben (mithin - zumindest zum Teil - Verständnis zu üben), während die vorgebrachte Ukraine-Kritik stets zur Unterfütterung von Standpunkten verwendet wird, die auf die bestmöglichen Outcomes für Russland zielen. Es wird mit dem Begriff ja auch niemand bezeichnet, der punktuell Kritik an der Ukraine äußert, sondern es geht um Argumentationsmuster und Argumentationsverläufe, in denen sich eine Position herausbildet, die - natürlich ganz zufällig und abgewogen - die Interessen des Aggressors mindestens gleich gewichtet, wenn nicht gar prämiert. (Polemik ist übrigens etwas anderes als Diffamierung.)
Ach Gottchen. Es ist bezeichnend, dass die Position, die eine Betitelung als „Putinversteher“ für unbotmäßig hält, sich zur Rechtfertigung eines feudalistischen Status- und Reputationssystems („Ehre“) bedient. Honi soit qui mal y pense.
Wenn wir allerdings schon so intensiv über Bezeichnungen und ihren Bezug zur Wirklichkeit nachdenken, dann scheint mir zumindest die Verharmlosung des faschistischen Angriffskriegs als
viel bedenklicher und fragwürdiger.
Mal im Ernst: Wer wurde denn aus welcher Diskussion ausgeschlossen? Gab es Redeverbote im Bundestag oder mit Zeitungen? Ist Mützenich nicht mehr Fraktionsvorsitzender der SPD? Zwingt jemand die SPD dazu, ihre Politik zu ändern? Und ab wann kann man denn von Putinverstehern in der SPD sprechen? Wenn man, wie es gestern Olaf Scholz passiert ist, für die eigene Russlandpolitik von Tino Chrupalla gefeiert wird?
Ich nehme gerne die Position ein, die für eine Streitkultur plädiert, die ohne ehrverletzende Polemik und Diffamierung auskommt. Ferner nehme ich auch gerne die Position ein, dass §185–187 StGB auch in einem nichtfeudalen System gute Rechtsnormen sind.
Der Begriff „Ukrainekonflikt“ wurde von einer breiten Öffentlichkeit als Bezeichnung für die geopolitischen Ereignisse in der Ukraine ab 2014 etabliert (beispielsweise benutzen die Tageschau, die FAZ und die LBP-BW diesen Begriff in der einschlägigen URL – wobei im Falle der Tagesschau die Beiträge seit März über andere Seiten laufen). Am 24.02.2022 ist dieser Konflikt mit dem russischen Großangriff in eine neue Phase eingetreten. Es ist konsistent diese anhaltende Phase als „russisch-ukrainischen Krieg“ zu bezeichnen.
Man kann es bedauerlich finden, dass bei „Ukrainekonflikt“ der Zusammenhang mit Russland nicht vorkommt und man den Begriff dadurch als irreführend empfindet. Man kann auch der Meinung sein (und schon immer gewesen sein), dass seit 2014 durchgehend Krieg in der Ukraine herrscht (sei es ein Bürgerkrieg oder ein russisch-ukrainischer Krieg). Fakt ist, dass nahezu alle reichweitenstarken Staaten, Parteien und Leitmedien diesen Konflikt durchgehend als „Ukrainekonflikt“ und nicht als „Krieg“ bezeichnet haben.
Interessante Auffassung von Streitkultur, direkt mit dem Strafgesetzbuch zu wedeln. Ich hätte ehrlich gesagt nicht im Traum für möglich gehalten, dass du die Bezeichnung „Putinversteher“ für justiziabel hältst.
Den schlechten Track Record der Tagesschau bei der schlagwort- oder überschriftenartigen Einordnung von einseitigen Aggressionen mal beiseite gelassen, scheint mir die Verwendung des Begriffs „Ukrainekonflikt“ seit 2014 im April 2022 kein sonderlich überzeugendes Argument. Wenn allerdings die Verbreitung und Etabliertheit des Begriffs das Argument ist, dann wäre ja auch am Begriff „Putinversteher“ nichts auszusetzen. Schon eine kurze Google-Recherche belegt die verbreitete und internationale mediale Nutzung des Begriffs - selbst die ehrlosen Genoss:innen in der SPD verwenden ihn:
Sie habe „Ehre“ als ein Rechtsgut eines feudalistischen Status- und Reputationssystems bezeichnet. Ich habe lediglich auf den Fakt hingewiesen, dass dieses Rechtsgut immer noch in unserer Rechtsordnung Gewicht hat. Ob Sie mit Ihrer Aussage kundtun wollten, dass Sie dieses Rechtsgut ablehnen und in der Konsequenz auch §185–187 StGB ablehnen oder dass die Bundesrepublik Deutschland auf einem feudalistischen Status- und Reputationssystem fusst, ist für diese Debatte allerdings unerheblich.
Wenn „Ehre“ hier also nicht im feudalen bzw. metaphorischen Sinne als Kategorie des Ansehens in einer hierarchisch organisierten Gesellschaft gemeint ist, dann bleibt als Interpretation ja nur noch die Ehre im Sinne des Strafrechts. Eine „Ehrverletzung“ wäre folglich ein Verstoß gegen die Rechtsordnung. Wundert mich nicht, bleibt aber dennoch bemerkenswert. Wir sind vermutlich aber nun auch allzu weit vom Thema abgekommen.
Die Kritik an NATO oder Warschauer Pakt/Russische Förderation oder auch an der Ukraine mag ja in Teilen berechtigt sein. Aber, auch wenn es vom historischen Vergleich her fürchterlich knirscht, gab es 1914 und 1939 diese Bündnisse nicht, trotzdem war die Welt nicht friedlicher. Wenn es nach 1945 keine NATO gegeben hätte, wäre die Welt dann definitiv friedlicher gewesen?
Die Probleme von Ungarn und Polen wurden mehrfach in der Lage angesprochen. Sogar in der hiesigen Folge!
Daher bleibe ich bei meiner Meinung, dass die Bezeichnung Putinversteher da korrekt ist.
Die obigen Kriterien, habe ich übrigens mal in einem Interview mit irgendeinem Vertreter der Juden gehört, wo es darum ging, ob man konstruktive Israelkritik ausübt, oder es einfach billiger Antisemitismus ist…
Und bei Dir sieht es - bezogen auf die Ukraine - nach letzterem aus.
Rein hypothetisch. Wenn morgen China Taiwan angreift und ich mich dann für Taiwan und China interessiere, und feststelle dass in Taiwan Dinge passiert sind die ich kritikwürdig finde, darf ich diese Kritik nicht mehr äußernsidn bin ich ein Xi Jinping Versteher bin?
Zu diesem Argument hat @Dave sich ja auch schon geäußert, dies hier vielleicht noch als Ergänzung:
Hätte die NATO 2014 nach dem Euromaidan und dem russichen Überfall auf die Krim und den Donbass eine härtere Strategie gegen Russland gefahren und kein Appeasement auf Kosten Ukraines betrieben, dann hätte es nicht zwangsläufig des Aufbaus von rechtsextremen Bürgerwehren bedurft, die sich selbst bewaffnen und dann in Zivilgesellschaft und Militär verankern. Es ist deshalb m.E. problematisch, die Folgen des Nichtstuns der NATO-Partner jetzt als Argument zu nehmen, warum die Ukraine keine Unterstützung mit schweren Waffen bekommen sollte. Die rechtsextremen politischen Akteure, die das u.a. verantwortet haben, namentlich die Swoboda-Partei und der heute umstrittene Innenminister Arsen Awakow, spielen heute in der ukrainischen Politik auch keine Rolle mehr.
Es ist die altbekannte Ignoranz gegenüber der Rechercheleistung von Antifa-Kollektiven und antifaschistischen Journalist:innen, gerade jetzt die rechtsextremen Tendenzen im ukrainischen Militär zu entdecken und sie als Argument zu nehmen, warum man die demokratische Ukraine bei der Unterstützung gegen ein seit Jahren gefestigtes und geschlossenes faschistisches Regime nicht vollumfänglich unterstützen sollte. Antifa-Publikationen berichten seit 2014 ausgiebig und ausführlich über Rechtsextremismus in der Ukraine - man muss nicht mit vielen rhetorischen Fragen so tun als könne man das alles nicht so genau wissen.
Wenn die unbestreitbar existenten und gefährlichen rechtsextremen Strukturen im ukrainischen Militär herangezogenen werden, um der Ukraine die bestmögliche Verteidigung zu versagen, dann bedeutet das in der Konsequenz, dass man es dem viel größeren rechtsextremen Aggressor viel einfacher macht, seine Ziele zu erreichen. Während man den russischen Staatsterrorismus zugleich munter weiter mit Energieimporten finanziert. Wenn der Kampf gegen Rechtsextremismus wirklich das Argument ist, um das es den Ukraine-Kritikern geht, dann kann man doch gar nicht anders, als den größten Exporteur und Subventionierer von Rechtsextremismus - Russland - mit allen möglichen Mitteln zu bekämpfen.
Du kannst an einer Frau kritisieren, dass sie sich Männern gegenüber gar zu aufreizend verhält (wobei auch das grenzwertig ist => anderes Thema). Wenn Du das aber machst, nachdem sie gerade vergewaltigt worden ist, nimmst Du - ob Du das willst, oder nicht - implizit den Vergewaltiger in Schutz, nach dem Motto: „Ist sie ja selber dran schuld!“
Und genau das gleiche machst Du hier!
Putin: „Wir marschieren in die Ukraine ein, weil wir das Land von Nazis befreien müssen“
Du: „Hmmm… Also man muss schon sagen, dass die Ukraine da ein ziemliches Naziproblem hat!“
Das ist erlaubt, dass ist nicht verboten. Das kannst Du gerne so machen!
Aber dann hör bitte auf, rumzujammern, dass man Dich einen Putinversteher nennt! Denn das bist Du dann nunmal!
Bei Wikipedia kann man in einem recht ausführlichen Artikel nachlesen, wie sich „Putinversteher“ etabliert hat. Korrekt ist, dass dies keine neutrale Beschreibung der Position von Diskursteilnehmern ist sondern dem Abqualifizieren derselben dient. Aber auch dies hat seine Berechtigung, denn nicht jeder, der sich öffentlich äußert, tut dies im ehrlichen Bemühen, sich der Wahrheit anzunähern. Daher braucht es Begriffe wie „Troll“, „Schwurbler“ und eben auch den „Putinversteher“, um Grenzen zu ziehen.
Ich halte „Putinversteher“ auch für eine tolle, weil treffende Bezeichnung. Ich verstehe das auch nicht unbedingt als Beleidigung. Wir alle müssen einsehen, dass wir in Diskussionen blinde Flecken und Automatismen im Denken haben. Das ist menschlich.
Nicht nur bei Putinversteher*innen treten diese Mängel zu Tage. „Männerrechtler“ fühlen sich bei Diskussionen zu Sexismus immer dazu gezwungen, beide Seiten zu sehen, die Binsenweißheit „All Lives Matter“ wird genutzt, um Rassismusdiskurse in eine Richtung zu lenken, in der man sich als weißer Mensch nicht so schlecht fühlen muss, „Israelkritik“ dient im deutschsprachigen Raum vor allem dazu, im bequemen Sessel ein Gefühl der moralischen Überlegenheit zu behalten auf Kosten der Sorgen der Menschen in Israel, die nur unter Raketenschutzschirmen sicher leben können und „Putinverstehen“ ist in meinen Augen auch eine dieser Diskursverzerrungstaktiken.
Ich kann mir mehrere psychologische Erklärungsansätze vorstellen, was Putinversteher*innen antreiben könnte. Mitunter wirde ich in anderen Diskussionen auch schon bei vergleichbaren Denkmustern ertappt.
Manche Putinversteher*innen scheinen sich als misverstandene Skeptiker in der Tradition Sokrates zu verstehen, die einem vermeindlichen „Mainstream“ unbequeme Fragen stellen wollen. Andere scheinen mir eher von einer gewissen Selbstbezogenheit angetrieben zu sein oder das ganze als Spiel zu verstehen: „Ich habe hier eine total originelle Perspektive und das ist jetzt wichtiger, als der ganze Rest der Debatte!“ Manchmal glaube ich auch eine Art Übersprungshandlung zu sehen, wenn dieser Krieg so unbegreiflich ist, dass man nach jedem Strohhalm greift, um das Geschehen zu rationalisieren. Und mitunter scheint mir auch eine Spielart des Stockholm-Syndroms am Werk zu sein, wenn zwanghaft versucht wird, nachzuvollziehen, was denn den Täter antreibt und die Opfer ignoriert werden.
Sorry, aber diese Vergleiche mit blm und Feminismus schießen jetzt wirklich den Vogel ab.
Vielleicht solltest du nochmal überlegen, wer die Opfer des Krieges sind. Das sind weder ein Selenskyj noch die EU oder die Nato.
Die Opfer sind die einfachen Menschen. Und wenn diese Menschen gezwungen werden zu kämpfen und zu sterben und das einfach abgebügelt wird als „ist jetzt halt notwendig für die westlichen Werte“, das ist das einfach nur noch zynisch. Hier werden Menschenleben gegeneinander aufgewogen. Kein Mensch sollte für eure „Werte“ sterben müssen.
Oh Gott. Natürlich gibt es einen Hauptaggressor (Putin) und natürlich mein ich mit den einfachen Menschen zum großen Teil die zivile ukrainische Bevölkerung.
Ich klink mich jetzt hier aus. Gegen Krieg und Kriegstreiber zu sein ist wohl einfach nicht mehr woke. Peace.
Ich glaube, dass die Mehrheit der ukrainischen Soldaten nicht gezwungen wird zu kämpfen (auch wenn die meisten sich sicher etwas besseres vorstellen können, als Krieg zu führen). Ihre Leistungen gegen die russische Armee sprechen für eine hohe Motivation. Und die ergibt sich für mich unter anderem aus dem Willen nach Unabhängigkeit und (demokratischer) Selbstbestimmung, also für Eigenschaften, die wir mit ihnen teilen.
Dein stummgeschalteter Beitrag ist nicht mehr diskursiv angelegt und stört damit das Diskussionsklima. Bitte argumentiere wieder, anstatt den Rauswerfer zu spielen
Dass die Bürger eines Staates herangezogen werden können, um diesen bzw. seine Ordnung im Notfall unter Einsatz ihres Lebens zu verteidigen, ist sowohl Basis des staatlichen Gewaltmonopols nach innen als auch der zwischenstaatlichen Sicherheit nach außen. Deswegen hat so gut wie jedes Land auf der Erde Streitkräfte und Polizei. Für diese Menschen gehört es zur Jobbeschreibung, dass ihre körperliche Unversehrtheit, wenn es nicht anders geht, hinter der Durchsetzung ihres Auftrags zurückzustehen hat. Staaten, bei denen dies nicht gegeben war, sind entweder zerfallen oder wurden von „wehrhafteren“ Nachbarn geschluckt.
Dass jemand für den Staat bzw. seine Werte zu sterben bereit ist, ist daher das Fundament jeder staatlichen Ordnung. Was Deutschland und der Westen insgesamt unternimmt, das ist Hilfeleistung gegenüber der Ukraine zur Aufrechterhaltung ihrer Staatlichkeit gegen den Angreifer. „Wir“ zwingen dort niemanden zu irgendetwas. Aber die Grundvoraussetzung für die dauerhafte Existenz eines Staates ist die Bereitschaft seiner Einwohner (bzw. einer hinreichend großen Teilgruppe), diesen nach innen und außen zu verteidigen.