Wenn „Ehre“ hier also nicht im feudalen bzw. metaphorischen Sinne als Kategorie des Ansehens in einer hierarchisch organisierten Gesellschaft gemeint ist, dann bleibt als Interpretation ja nur noch die Ehre im Sinne des Strafrechts. Eine „Ehrverletzung“ wäre folglich ein Verstoß gegen die Rechtsordnung. Wundert mich nicht, bleibt aber dennoch bemerkenswert. Wir sind vermutlich aber nun auch allzu weit vom Thema abgekommen.
Die Kritik an NATO oder Warschauer Pakt/Russische Förderation oder auch an der Ukraine mag ja in Teilen berechtigt sein. Aber, auch wenn es vom historischen Vergleich her fürchterlich knirscht, gab es 1914 und 1939 diese Bündnisse nicht, trotzdem war die Welt nicht friedlicher. Wenn es nach 1945 keine NATO gegeben hätte, wäre die Welt dann definitiv friedlicher gewesen?
Hast Du aber nicht! Und das ist der Punkt!
Die Probleme von Ungarn und Polen wurden mehrfach in der Lage angesprochen. Sogar in der hiesigen Folge!
Daher bleibe ich bei meiner Meinung, dass die Bezeichnung Putinversteher da korrekt ist.
Die obigen Kriterien, habe ich übrigens mal in einem Interview mit irgendeinem Vertreter der Juden gehört, wo es darum ging, ob man konstruktive Israelkritik ausübt, oder es einfach billiger Antisemitismus ist…
Und bei Dir sieht es - bezogen auf die Ukraine - nach letzterem aus.
Moment, nur damit ich das richtig verstehe:
Rein hypothetisch. Wenn morgen China Taiwan angreift und ich mich dann für Taiwan und China interessiere, und feststelle dass in Taiwan Dinge passiert sind die ich kritikwürdig finde, darf ich diese Kritik nicht mehr äußernsidn bin ich ein Xi Jinping Versteher bin?
Zu diesem Argument hat @Dave sich ja auch schon geäußert, dies hier vielleicht noch als Ergänzung:
-
Hätte die NATO 2014 nach dem Euromaidan und dem russichen Überfall auf die Krim und den Donbass eine härtere Strategie gegen Russland gefahren und kein Appeasement auf Kosten Ukraines betrieben, dann hätte es nicht zwangsläufig des Aufbaus von rechtsextremen Bürgerwehren bedurft, die sich selbst bewaffnen und dann in Zivilgesellschaft und Militär verankern. Es ist deshalb m.E. problematisch, die Folgen des Nichtstuns der NATO-Partner jetzt als Argument zu nehmen, warum die Ukraine keine Unterstützung mit schweren Waffen bekommen sollte. Die rechtsextremen politischen Akteure, die das u.a. verantwortet haben, namentlich die Swoboda-Partei und der heute umstrittene Innenminister Arsen Awakow, spielen heute in der ukrainischen Politik auch keine Rolle mehr.
-
Es ist die altbekannte Ignoranz gegenüber der Rechercheleistung von Antifa-Kollektiven und antifaschistischen Journalist:innen, gerade jetzt die rechtsextremen Tendenzen im ukrainischen Militär zu entdecken und sie als Argument zu nehmen, warum man die demokratische Ukraine bei der Unterstützung gegen ein seit Jahren gefestigtes und geschlossenes faschistisches Regime nicht vollumfänglich unterstützen sollte. Antifa-Publikationen berichten seit 2014 ausgiebig und ausführlich über Rechtsextremismus in der Ukraine - man muss nicht mit vielen rhetorischen Fragen so tun als könne man das alles nicht so genau wissen.
-
Wenn die unbestreitbar existenten und gefährlichen rechtsextremen Strukturen im ukrainischen Militär herangezogenen werden, um der Ukraine die bestmögliche Verteidigung zu versagen, dann bedeutet das in der Konsequenz, dass man es dem viel größeren rechtsextremen Aggressor viel einfacher macht, seine Ziele zu erreichen. Während man den russischen Staatsterrorismus zugleich munter weiter mit Energieimporten finanziert. Wenn der Kampf gegen Rechtsextremismus wirklich das Argument ist, um das es den Ukraine-Kritikern geht, dann kann man doch gar nicht anders, als den größten Exporteur und Subventionierer von Rechtsextremismus - Russland - mit allen möglichen Mitteln zu bekämpfen.
Exakt!
Du kannst an einer Frau kritisieren, dass sie sich Männern gegenüber gar zu aufreizend verhält (wobei auch das grenzwertig ist => anderes Thema). Wenn Du das aber machst, nachdem sie gerade vergewaltigt worden ist, nimmst Du - ob Du das willst, oder nicht - implizit den Vergewaltiger in Schutz, nach dem Motto: „Ist sie ja selber dran schuld!“
Und genau das gleiche machst Du hier!
Putin: „Wir marschieren in die Ukraine ein, weil wir das Land von Nazis befreien müssen“
Du: „Hmmm… Also man muss schon sagen, dass die Ukraine da ein ziemliches Naziproblem hat!“
Das ist erlaubt, dass ist nicht verboten. Das kannst Du gerne so machen!
Aber dann hör bitte auf, rumzujammern, dass man Dich einen Putinversteher nennt!
Denn das bist Du dann nunmal!
Dann bin ich das wohl, deal with it.
Bei Wikipedia kann man in einem recht ausführlichen Artikel nachlesen, wie sich „Putinversteher“ etabliert hat. Korrekt ist, dass dies keine neutrale Beschreibung der Position von Diskursteilnehmern ist sondern dem Abqualifizieren derselben dient. Aber auch dies hat seine Berechtigung, denn nicht jeder, der sich öffentlich äußert, tut dies im ehrlichen Bemühen, sich der Wahrheit anzunähern. Daher braucht es Begriffe wie „Troll“, „Schwurbler“ und eben auch den „Putinversteher“, um Grenzen zu ziehen.
Ich halte „Putinversteher“ auch für eine tolle, weil treffende Bezeichnung. Ich verstehe das auch nicht unbedingt als Beleidigung. Wir alle müssen einsehen, dass wir in Diskussionen blinde Flecken und Automatismen im Denken haben. Das ist menschlich.
Nicht nur bei Putinversteher*innen treten diese Mängel zu Tage. „Männerrechtler“ fühlen sich bei Diskussionen zu Sexismus immer dazu gezwungen, beide Seiten zu sehen, die Binsenweißheit „All Lives Matter“ wird genutzt, um Rassismusdiskurse in eine Richtung zu lenken, in der man sich als weißer Mensch nicht so schlecht fühlen muss, „Israelkritik“ dient im deutschsprachigen Raum vor allem dazu, im bequemen Sessel ein Gefühl der moralischen Überlegenheit zu behalten auf Kosten der Sorgen der Menschen in Israel, die nur unter Raketenschutzschirmen sicher leben können und „Putinverstehen“ ist in meinen Augen auch eine dieser Diskursverzerrungstaktiken.
Ich kann mir mehrere psychologische Erklärungsansätze vorstellen, was Putinversteher*innen antreiben könnte. Mitunter wirde ich in anderen Diskussionen auch schon bei vergleichbaren Denkmustern ertappt.
Manche Putinversteher*innen scheinen sich als misverstandene Skeptiker in der Tradition Sokrates zu verstehen, die einem vermeindlichen „Mainstream“ unbequeme Fragen stellen wollen. Andere scheinen mir eher von einer gewissen Selbstbezogenheit angetrieben zu sein oder das ganze als Spiel zu verstehen: „Ich habe hier eine total originelle Perspektive und das ist jetzt wichtiger, als der ganze Rest der Debatte!“ Manchmal glaube ich auch eine Art Übersprungshandlung zu sehen, wenn dieser Krieg so unbegreiflich ist, dass man nach jedem Strohhalm greift, um das Geschehen zu rationalisieren. Und mitunter scheint mir auch eine Spielart des Stockholm-Syndroms am Werk zu sein, wenn zwanghaft versucht wird, nachzuvollziehen, was denn den Täter antreibt und die Opfer ignoriert werden.
Sorry, aber diese Vergleiche mit blm und Feminismus schießen jetzt wirklich den Vogel ab.
Vielleicht solltest du nochmal überlegen, wer die Opfer des Krieges sind. Das sind weder ein Selenskyj noch die EU oder die Nato.
Die Opfer sind die einfachen Menschen. Und wenn diese Menschen gezwungen werden zu kämpfen und zu sterben und das einfach abgebügelt wird als „ist jetzt halt notwendig für die westlichen Werte“, das ist das einfach nur noch zynisch. Hier werden Menschenleben gegeneinander aufgewogen. Kein Mensch sollte für eure „Werte“ sterben müssen.
Oh Gott. Natürlich gibt es einen Hauptaggressor (Putin) und natürlich mein ich mit den einfachen Menschen zum großen Teil die zivile ukrainische Bevölkerung.
Ich klink mich jetzt hier aus. Gegen Krieg und Kriegstreiber zu sein ist wohl einfach nicht mehr woke. Peace.
Ich glaube, dass die Mehrheit der ukrainischen Soldaten nicht gezwungen wird zu kämpfen (auch wenn die meisten sich sicher etwas besseres vorstellen können, als Krieg zu führen). Ihre Leistungen gegen die russische Armee sprechen für eine hohe Motivation. Und die ergibt sich für mich unter anderem aus dem Willen nach Unabhängigkeit und (demokratischer) Selbstbestimmung, also für Eigenschaften, die wir mit ihnen teilen.
Dein stummgeschalteter Beitrag ist nicht mehr diskursiv angelegt und stört damit das Diskussionsklima. Bitte argumentiere wieder, anstatt den Rauswerfer zu spielen
Dass die Bürger eines Staates herangezogen werden können, um diesen bzw. seine Ordnung im Notfall unter Einsatz ihres Lebens zu verteidigen, ist sowohl Basis des staatlichen Gewaltmonopols nach innen als auch der zwischenstaatlichen Sicherheit nach außen. Deswegen hat so gut wie jedes Land auf der Erde Streitkräfte und Polizei. Für diese Menschen gehört es zur Jobbeschreibung, dass ihre körperliche Unversehrtheit, wenn es nicht anders geht, hinter der Durchsetzung ihres Auftrags zurückzustehen hat. Staaten, bei denen dies nicht gegeben war, sind entweder zerfallen oder wurden von „wehrhafteren“ Nachbarn geschluckt.
Dass jemand für den Staat bzw. seine Werte zu sterben bereit ist, ist daher das Fundament jeder staatlichen Ordnung. Was Deutschland und der Westen insgesamt unternimmt, das ist Hilfeleistung gegenüber der Ukraine zur Aufrechterhaltung ihrer Staatlichkeit gegen den Angreifer. „Wir“ zwingen dort niemanden zu irgendetwas. Aber die Grundvoraussetzung für die dauerhafte Existenz eines Staates ist die Bereitschaft seiner Einwohner (bzw. einer hinreichend großen Teilgruppe), diesen nach innen und außen zu verteidigen.
Der Gedanke ist interessant vor dem Hintergrund, dass in Deutschland eine deutliche Minderheit noch dazu bereit wäre. Nach dieser Umfrage [1] war es 2015 noch nicht Mal jeder fünfte. Das ist zugegebenermaßen einige Zeit her. Eine neuere Umfrage [2] sagt, dass es jeder dritte in der älteren und jeder vierte in der jüngeren Bevölkerung ist.
[1]
[2]
Solche Umfragen sind aber auch mit Vorsicht zu genießen. Es ist eine Sache jetzt von einem hypothetischen Fall zu sprechen und eine andere, wenn Russland schon in Niedersachsen steht und damit droht ganz Europa in Schutt und Asche zu legen.
Das stimmt natürlich. Ich halte die Schlussfolgerung aber schon für plausibel, dass die deutsche Bevölkerung im Vergleich zur ukrainischen eine signifikant geringere Bereitschaft hätte, ihr Land mit dem eigenen Leben zu verteidigen. Sicher auch eine Folge der (ja sehr sinnvollen) Aufarbeitung des dritten Reiches. Führt aber vielleicht hier zu stark vom Thema weg …
Ich denke, dieser Satz ist konsensfähig. Der Hauptstreitpunkt liegt allerdings darin, was man unter „Abqualifizieren“ versteht und wichtige Nebenstreitpunkte darin, was man unter „ehrlichem Bemühen“ und „der Wahrheit“ versteht.
„Die Wahrheit“: Die Institution, die sich noch am ehesten anmaßen könnten „die Wahrheit“ zu kennen ist die Wissenschaft. Im gesellschaftlichen Diskurs wird hingegen vorrangig über Themen gestritten bei denen „die Wahrheit“ eben nicht ausreichend bekannt ist. Offensichtlich gibt es auch über wissenschaftliche Studien hinaus an Sicherheit grenzende „Alltagshypothese“ bzgl. der Wahrheit (z.B. war es wohl auch ohne wissenschaftliche Studie schnell sicher, dass die russische Armee in die Ukraine eingefallen ist), aber bei vielen anderen Fragestellungen wäre mehr Demut über das eigene unvollkommene Wissen auf beiden Seiten der Debatte wünschenswert.
„Ehrliches Bemühen“: Spricht sich jemand ohne stichhaltige Argumente gegen die Erkenntnisse der Wissenschaft (oder anderer unumstößlicher Fakten) aus, so kann dieser jemand ggf. als Lügner identifiziert werden und dessen „ehrliches Bemühen“ infrage gestellt werden. Auch bei jemandem, der sich offensichtlich nur oder überwiegend destruktiv am Diskurs beteiligt, kann dessen „ehrliches Bemühen“ infrage gestellt werden. Abseits von reinem Spamming oder Beleidigen ist es allerdings im Zweifel Willkür festzulegen, ob etwas noch konstruktiv ist oder eben nicht.
„Abqualifizieren“: Es ist ein bewährtes Mittel der Wissenschaft (und Justiz) vorgebrachte Positionen bzw. Diskursbeiträge sachlich auf ihre Korrektheit oder Plausibilität zu überprüfen. Ist ein Diskursbeitrag eindeutig als inkorrekt oder unplausibel identifiziert worden, so wird er „abqualifiziert“. Sollte der gleiche Diskursbeitrag wieder erhoben werden, so kann ohne nennenswerten Aufwand auf das alte Ergebnis referenziert werden. Was man in der Wissenschaft eher selten vorfindet (die Hochschulpolitik mal außen vor gelassen), ist die „Abqualifikation“ eines Diskursbeitrag, weil man den Diskursteilnehmer nicht mag.
Nachtrag: Mir ist bewusst, dass in meinen Ausführungen kein Konditional vorkommt. Mir fällt es offensichtlich schwer die Unvollkommenheit meines Wissens ohne den Anschein der Hybris der Allwissenheit zu formulieren (bzw. ich will das im Sinne der Lesbarkeit nicht tun). Ich hoffe, mir wird dies verziehen.
Ich versuche, es sachlicher zu formulieren (danke an @ExMod für die freundliche Ermahnung ) aber auch hier finde ich, dass man sowohl widersprechen sollte, als auch auf die putinversteherischen Argumentationsmuster, hinweisen sollte, die sich hier wieder gut beobachten lassen:
Die Bezeichnung Putins als „Hauptagressor“ und die Aussage, dass „zu großen Teilen“ die ukrainische Zivilbevölkerung die Opfer seien, sind sehr geschickte Formulierungen, die nahelegen, dass es noch andere Agressoren gäbe und dass auch die Zivilbevölkerung anderer Länder durch Gewalt überzogen würde. Wer das genau ist, wird bewusst offengelassen. Somit wird irgendwie der Angriffskrieg schon verurteilt und somit dieser Aspekt des Themas abgeräumt, aber gleichzeitig wird mit der indirekten Erzählung von weiteren Agressoren und Opfern einen Vakuum geschaffen, welches zum einen die Debatte einsaugt und zum anderen den üblichen Verschwörungserzählungen der russischen Regierung („drogensüchtige Nazis, die im Donbas einen Genozid begehen“) Raum bietet.
Und bei all dem behält der Verfasser plausible deniability, denn er kann ja immer ausführen, dass er
mit den „Nebenagressoren“ Lavrov und Shoigu im Sinn hatte und bei der Zivilbevölkerung eifach vergessen hatte, dass die in der DNR und der LNR zwansrekrutierten und in den Krieg geworfenen Zivilisten auch noch ukrainische Staatsbürger sind.
Das verstehe ich nicht unter einem diskursiven Stil. Du baust den Popanz eines Argumentationsmusters auf und „analysierst“ mit diesem Instrument den Beitrag von @lobster.