Für Militärs und Diplomaten (inklusive aller Laien-Militärs und Laien-Diplomanten).
Volle Zustimmung. Ich habe ja gerade drauf hingewiesen, dass es auch hier im Lage-Forum regelmäßig zu dieser Form der Demagagie kommt.
Ich (wie ja z.B. auch @Mike?!) argumentiere, dass „moral-zentrierte Sichtweisen“ nicht hilfreich zur Konfliktbeilegung sind. Dementsprechend möchte ich auch nicht irgendeine andere „moral-zentrierte Sichtweise“ propagieren.
Du behauptest, dass es „regelmäßig zu dieser Form der Demagogie kommt“. Wenn es solche Äußerungen tatsächlich gibt, kann man sie dementsprechend aufgreifen und ggf. im Konkreten kritisieren. Es gibt also keinen Grund, einen solchen Strohmann zu basteln. Und hilfreich ist es erst recht nicht.
Meine Argumentation lief eher darauf hinaus, dass diese Behauptung, dass es sich um „moralzentrierte“ Positionen handelt, vielfach falsch und reduktionistisch finde. Sie lässt m. E. häufig außer acht, dass es u. a. auch um bestimmte rechtliche und politische Vorannahmen geht, also nicht nur um bloße Moral.
Wir haben bereits mindestens seit 2021 Beispiele für diese selektiv anti-russische Demagogie (wobei nicht überraschenderweise inzwischen diverse dieser Nutzer ihren Account oder ihre Beiträge nachträglich gelöscht haben). Das Archiv ist nichtsdestotrotz immer noch ein reicher Fundus.
In der Tat, siehe beispielsweise wie in jenen Threads damit umgegangen wurde (von mir und anderen, meine hier verlinkten Beiträge sind nur Beispiele, es lohnt sich die ganzen Threads zu lesen):
Wie würdest Du hier denn aus Deiner Sicht die russische Position sicherheitspolitisch und die Intention hinsichtlich der Ukraine in kurzen Worten beschreiben?
Wir sollten uns davor hüten, verkürzte und damit unterkomplexe und pauschale Aussagen zu treffen. Im Kontext meiner obigen ausführlichen Worte versuche ich dennoch Ihrem Wunsch nach einer maximalen Komprimierung nachzukommen:
„Vermutlich wird dieser Krieg aus Sicht der russischen Bevölkerung mehrheitlich als notwendiger Präventivkrieg gesehen, da eine Ausdehnung der NATO in die Ukraine als inakzeptables Sicherheitsrisiko eingeschätzt wird. Darüber hinaus scheint ein signifikanter Teil der russischen Elite oder Bevölkerung auch einer vollständigen Annexion der Ukraine nicht abgeneigt zu sein.“
Das spiegelt wohl schon die russische Sicht der Dinge wieder, stark beeinflusst durch die russische Staatspropaganda, speziell was die historische Sicht auf die Ukraine angeht.
Aber warum sollte das der Fall sein?!?
Warum ist die Ausdehnung der NATO auf die Ukraine ein „inakzeptables Sicherheitsrisiko“, während dieser Krieg gleichzeitig dazu geführt hat, dass Finnland nun der NATO beigetreten ist.
Dem liegt einfach keine Logik zu Grunde, vor allem keine, die einen „Präventivkrieg“ rechtfertigen könnte, noch weniger eine, die einen „Präventivkrieg“ mit der Konseqeunz, dass Finnland der NATO beitritt (was absehbar war!) rechtfertigen könnte… (nicht nur ist die gewählte Methode falsch, sie hat auch ihr Ziel massiv verfehlt und zum Gegenteil geführt; die Sicherheitspolitische Lage Russlands war nie schlechter als Heute - wegen des Angriffskrieges, nicht trotz des Angriffskrieges)
Aus Sicht der Nazis war der Angriff auf Polen und später Russland auch ein „Präventivkrieg“, um einen Angriff von zwei Fronten zu verhindern, der natürlich genau dazu geführt hat: einen Zwei-Fronten-Krieg. Diese Logik ist einfach wahnsinn und das sollte mittlerweile mal durchgesickert sein.
Und was ist die Konsequenz dieses Denkens? Richtig, dass die Ukraine für immer ein „russischer Vorhof“ bleibt, in dem Russland bestimmt, was Sache ist. Was die Ukrainer wollen spielt dabei keine Rolle.
Ja, so wie ein signifikanter Teil der deutschen Eliten 1939 einer vollständigen Annexion Teilen Polens zwecks Lebensraumerweiterung nicht abgeneigt war. Das ist doch keine Rechtfertigung oder auch nur in irgendeiner Weise zu unterstützende Position.
Du zeigst im Prinzip auf, warum es so wichtig ist, Russland entschlossen entgegen zu treten. Warum es gerade keine „anti-russische Demagogie“ ist. Wenn das, was du beschreibst, die russische Position ist, ist jeder Widerstand gegen diese Position zuhöchst gerechtfertigt und alles andere als „anti-russische Demagogie“, sondern ein schlichtes Beharren auf die Selbstbestimmungsrechte der Völker im Hinblick auf die Ukraine und das Gewaltverbot zwischen Staaten, beides Dinge, die Russland einseitig katastrophal gebrochen hat.
Wenn man sich rein auf die russische Sicht konzentriert, hat man ein Land mit extrem langen Aussengrenzen, die weitgehend an Länder angrenzen, die Russland eher ablehnend bis potentiell feindlich gegenüberstehen.
Vor den Zusammenbruch der Sowjetunion war die Grenze (oder „Front“) zum Westen/Nato vergleichsweise kurz.
Mit der Ukraine als „Puffer“ könnte man die nun dank Finnland enorm lange Grenze etwas kompensieren.
Strategisch kann ich das durchaus nachvollziehen.
Problematisch ist eher die historisch verklärte Sicht sowie der expansive Drang Russlands unter Putin. Genau diese eher psychologische Ebene machen Verhandlungen grade besonders schwer.
Aus westlicher Sicht stellt sich das natürlich völlig anders dar. Auch aufgrund anderer sicherheitspolitischer Ansichten und eher völkerrechtlicher Schwerpunkte.
Nein. Ich habe mich nur auf die Demagogen bezogen, die bei der Sanktionierung von Völkerrechtsverstößen mit doppelten Standards messen und sehr dünnhäutig mit „Whataboutism“ reagiert, wenn man sie darauf hinweist.
Ich habe nicht behauptet, dass Position 1 per se demogogisch ist bzw. dass es keine sachlichen Argumente für Position 1 geben kann.
Vielleicht liest du noch mal nach, was Demagoge bedeutet. Darauf hinweisen, dass „aber USA! … aber NATO!“ Whataboutism ist, um den völkerrechtswidrigen Überfalls Russlands mindestens zu entschuldigen, ist keine Demagogie.
Nein, du behauptest, die Position würde dominieren. Ich sage, so wie du sie beschreibst, existiert sie nicht einmal.
In diesem schon recht langen Thread wurde - wie man dank @Mikes Zusammenfassung hervorragend sehen kann - sehr unterschiedliche Aspekte angesprochen und sehr unterschiedliche Standpunkte formuliert, ohne dass es zu der von dir erwähnten Demagogie gekommen ist - solltest du das anders sehen, hättest du sicher entsprechende Zitate aus diesem Thread aufgegriffen und kritisiert. Begriffe wie „Nazi“ oder „Putinknecht“ kamen in diesem Thread erst recht nicht vor - jedenfalls nicht in dem von dir unterstellten Sinne. Ich verstehe ehrlich gesagt nicht, wozu dieser Vorwurf der Demagogie dienen soll, wenn du als Begel dazu auf zum Teil fast zwei Jahre zurückliegende Diskussionen mit völlig anderen Beteilgten zurückgreifen und daraus eine Art vermeintliche „Gesamtmeinung“ des Forums konstruieren musst. Ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass es sich hierbei um einen Strohmann handelt.
[Nachtrag: in keinem der drei von dir verlinkten „historischen“ Threads kommt der Begriff „Putinknecht“ vor. „Nazi“ kommt in einem der drei Threads vor allerdings nicht in dem von dir behaupteten Sinne, sondern meist bezogen auf das russische Propagandanarrativ, die Ukraine werde von „Nazis“ beherrscht.]
Man kann doch nicht die ganze Zeit von seiner nicht-ganz-aber-ein-bisschen-irgendwie-schon-Kriegspartei-Regierung verlangen, dass sie diese oder jene Handlung vornimmt (oder unterlässt), um ganz ausdrücklich das Kriegsgeschehen zu lenken ,und dann aber von Verantwortung für eben dieses Handeln nichts wissen wollen. Das ist doch mega skurril.
Das passt wirklich nur, wenn man Verantwortung im rein völkerrechtlichen Sinne versteht. Was wiederum für eine politische Diskussion super langweilig ist, in der Hinsicht ist der Fall doch klar. Angriffskrieg ist pfui, und von ein paar Helmen bis Boots on the ground auf dem Roten Platz ist als Waffenhilfe alles drin. Viel spannender sind dann doch Fragen nach den Konsequenzen, und ob man diese (als Mensch , nicht als Staatsmann!) wollen kann oder nicht. Oder auch den Interessen, die ja immerhin mittlerweile als existent erkannt werden.
Erstens ist Deutschland durch seine militärische Unterstützung für die Ukraine nicht Kriegspartei - auch nicht „ein bisschen irgendwie schon“ und zweitens ist Deutschland weit davon entfernt, das Kriegsgeschehen zu „lenken“.
Es mag ja sein, dass die Frage, ob militärische Handlungen im Einklag mit dem Völkerrecht stattfinden oder unter Verletzung desselben, für manche Menschen einfach nur „super langweilig“ ist - aber die Ansicht, dass es sich nicht auch um eine immanent politische Frage handelt, teile ich nicht.
Ich finde das jedenfalls spannender als ein neublöses Gerede über „die Konsequenzen“ und „die Interessen“, das genau der interessanten Frage ausweicht, wer denn für welche Konsequenzen die Verantwortung trägt und welche Interessen welche Bedeutung haben sollten. Dass Handlungen Konsequenzen haben, gerade in der internationalen Politik, ist eine Binse. Warum sonst wägen da viele Akteure jeden einzelnen Handlungsschritt sorgsam ab? Genau so banal ist, dass Staaten jeweils spezifische Interessen vertreten. Das sagt aber noch nichts darüber aus, wie legitim diese sind - gerade wenn sie in Konflikt mit den Interessen anderer Staaten und mit dem internationalen Recht stehen.