Auf meine sehr viel konkretere Frage
Hast du allerdings noch nicht geantwortet.
Auf meine sehr viel konkretere Frage
Hast du allerdings noch nicht geantwortet.
Gibt es irgendeinen Grund, warum wir über angebliche Kriegsverbrechen der Ukraine diskutieren? Will irgendjemand damit weniger Unterstützung begründen oder so?
Ich bin ja auch voll für Verhandlungen und will die Russen ja auch als ernsthaften Verhandlungspartner sehen. Putin hat zum Ausdruck gebracht, dass er nicht verhandeln wird, so lange er glaubt, seine Ziele auch militärisch zu erreichen:
“It would be ridiculous for us to start negotiating with Ukraine just because it’s running out of ammunition,” Putin said, adding: “Possible negotiations are not a pause for rearming Kyiv, but a serious conversation with security guarantees for Moscow.” - Quelle
Keine Ahnung, was er für Sicherheitsgarantien will und Friedensgespräche müssten ja nicht mit einem Waffenstillstand anfangen. Er wird schon wissen, warum er es so formuliert hat.
President Vladimir Putin said Russia will only end its war in Ukraine if Kyiv surrenders the entirety of four regions claimed by Moscow and abandons its bid to join NATO - Quelle
hieß es noch im Juli. Maximalforderung wie eh und jeh.
Ganz aktuelle Aussage:
Der Kreml sieht anders als Bundeskanzler Olaf Scholz derzeit keine Grundlage für Friedensgespräche mit der Ukraine. „Was eine friedliche Beilegung des Konflikts in der Ukraine betrifft, zeichnen sich bislang keine greifbaren Konturen ab“, sagte Dmitri Peskow, Sprecher von Präsident Wladimir Putin, in Moskau - Quelle
Meiner Meinung nach wird es auf ein Lose-Lose hinauslaufen: Russland behält viele der Gebiete die es erobert hat und die Ukraine wird NATO-Mitglied.
Aber auch für diesen schlechten, dauerhaft friedenstiftenden Kompromiss muss die Ukraine militärisch Russland mindestens langfristig aufhalten können.
Aus der Grundannahme, dass die meisten Menschen (egal in welchem Land) außenpolitisch apolitisch sind und sie dort v.a. die Sicherheit vor einer externen Bedrohung interessiert. Wir haben hier eventuell schlichtweg verschiedene Menschenbilder. Agree to disagree?
Die wechselseitige Eskalation finden seit Beginn der Invasion statt (vermutlich/hoffentlich diplomatisch regelt). Die westlichen Eskalationssprossen umfassen bisher beispielsweise die Lieferung potenterere Waffensysteme, der Erlaubnis damit Ziele in Russland anzugreifen, und ggf. die Nord-Stream-Sabotage und die Beschädigung der Krim-Brücke. Die russischen Eskalationssprossen umfassen bisher beispielsweise die Ausweitung auf zivile Ziele, die Intensivierung der Angriffe auf zivile Ziele, die Intensivierung der Angriffe auf die kritische Infrastruktur und ggf. die Beschädigung des Kachowka-Staudamms.
Ganz oben auf der Eskalationsleiter steht der Einsatz strategischer Kernwaffen. Nur unwesentlich weiter darunter stehen als allerletzte Stopzeichen der Einsatz von taktischen Kernwaffen (z.B. vorerst über dem Schwarzen Meer gezündet) oder der offene Krieg zwischen zwei Atommächten.
Wir bewegen uns unweigerlich auf diese beiden Tabubrüche zu, aber je langsamer sich die Eskalationsspirale dreht, desto mehr Zeit bleibt der Welt, den Konflikt ohne den Einsatz von Atomwaffen zu beenden.
Hier sind ja viele historische Daten genannt, warum es zu dieser Situation gekommen sein könnte, warum eine andere Großmacht auch strittig agiert hat und ggf noch agiert.
Alles nachvollziehbar.
Auch der Status Quo ist bekannt. Kiew (und auch Kanzler Scholz) reden öffentlich von Friedensverhandlungen - mit Russland am Tisch. Würde das vorsichtig so interpretieren, das man nicht ausschließlich auf eine rein militärische Karte setzt.
Russlands Reaktion darauf ist zumindest noch unklar.
Aber mal im Sinne einer Friedenslösung Richtung Zukunft geschaut: welche Schritte wären wichtig?
Mal meine Idee:
auch wenn noch unvermindert gekämpft wird: konsequent Gesprächskanäle auf diplomatischer Arbeitsebene wieder öffnen und Rahmenbedingungen für eine erste Verhandlung abstimmen. Wer will genau was?
ein konkretes Treffen von Unterhändlern, um die ausgetauschten Positionen auf Kompromisse abzuklopfen. Also quasi mögliche Minimalforderungen finden.
ein hochrangiges Treffen, ggf mit Außenministern und entscheidungsfähigen Vertretern, um gemeinsam konforme Punkte und Positionen als Kompromiss festzuklopfen und schriftlich festzuhalten.
ideal unter Beteiligung externer Moderatoren (Brasilien, Türkei, ??) weiteres Erörtern beider Seiten bezüglich Sicherheitsinteressen und -Garantien, um künftig weitere kriegerische Akte zu verhindern. Besonders belastbare Garantien für die Sicherheit und Souveränität der Ukraine als angegriffenes Land.
konkrete Verhandlungen beider Seiten zu einem konkreten Friedensplan, bei der beide Seiten sich kooperativ zeigen müssen, dazu Terminierung eines Waffenstillstandes.
auf höchster Ebene (u.a. Auch Putin) Unterzeichnung eines Waffenstillstands- und Friedensvertrages. Darin Festlegung was mit den besetzten Gebieten passiert (dauerhafte oder temporärer Verzicht, unter externe Kontrolle von Friedenstruppen stellen), Frage nach Austausch aller Kriegsgefangenen, Reparationen, usw.
Erst dann wird man ansatzweise über „Frieden“ reden können. Die emotionalen Wunden nicht außer Acht lassen dabei.
Dann wird man sich ggf mal über eine neue europäische Sicherheitsordnung Gedanken machen können.
Das sowieso. Ich wollte nur wissen, ob es überhaupt eine Vermutung ist, die sich speziell auf Russland seit 2022 bezieht (das hast du m. E. suggeriert) oder um eine generelle. Nun weiß ich es.
Der Satz ergibt nur Sinn, wenn man es als „Eskalation“ betrachtet, wenn ein Land sich gegen einen Angriff wehrt. Aber genau so scheinst du es zu sehen.
Das ist aus meiner Sicht eher eine Angst oder Fantasie. Wenn du schon die gängigen Eskalations-Typologien anführst: Da steht lange vor einem Einsatz irgendwelcher Nuklearwaffen immer die Ausweitung von einem begrenzen konventionellen Krieg zu einem „großen“. Nicht mal dafür gibt es in der Realität Anzeichen, im Gegenteil, viele Akteure tun derzeit ziemlich viel dafür, um das tunlichst zu vermeiden (siehe Iran/Libanon). Und für darüber hinausgehende nukleare Horroszenarien gibt es in der Realität ohnehin keine Anhaltspunkte.
TL/DR: Du machst lange Ausführungen darüber, was die russische Bevölkerung angeblich will, um dann irgendwann zu sagen, dass du dich damit gar nicht beschäftigt hast und keine Ahnung hast. Du siehst es als „Eskalation“ an, wenn ein Land sich gegen einen völkerrechtswidrigen militärischen Angriff wehrt und du gehst ohne irgendeine Begründung davon aus, dass wir uns „unweigerlich“ auf einen Atomkrieg zubewegen. Da sehe ich wenig sinnvolle Diskussionsgrundlagen.
Ich empfehle das hier zu schauen.
Und was Verhandlungen anbelangt gibt’s einen langen Wikipediaeintrag zu Friedensverhandlungen im Ukraine Konflikt
Ist eig offtopic, weil hier zwischendrin um Russland ging.
Hier die Zusammenfassung von Chat gbt. Das Video zu schauen ist wegen der umfassenden Einordnung besser.
Klaus Gestwa hat in einem Video acht populäre Thesen über den Ukraine-Konflikt widerlegt. Hier eine Zusammenfassung dieser Thesen:
Putins Ziele sind unklar: Gestwa widerspricht dieser These und betont, dass Putins Ziele klar und strategisch motiviert sind. Russland strebt nach Kontrolle über die Ukraine, um seine geopolitische Macht auszubauen.
Die Ukraine ist keine Demokratie: Gestwa zeigt, dass die Ukraine ein demokratischer Staat ist. Es gibt eine lebendige Opposition und unabhängige politische Kräfte im Land, was die These, die Ukraine sei eine Marionette des Westens oder von Oligarchen, widerlegt.
Krim und Donbas gehören historisch zu Russland: Gestwa argumentiert, dass diese Regionen historisch gesehen lange zur Ukraine gehören und es keinen legitimen historischen Anspruch Russlands darauf gibt.
Waffenlieferungen verlängern den Krieg: Er widerlegt die Annahme, dass westliche Waffenlieferungen den Konflikt unnötig verlängern. Stattdessen helfen sie der Ukraine, sich zu verteidigen und ihre Souveränität zu bewahren.
Russische und westliche Medien lügen gleichermaßen: Gestwa betont, dass russische Medien gezielt Propaganda verbreiten, während westliche Medien im Allgemeinen objektiver berichten.
Der Westen hätte den Krieg durch Verhandlungen beenden können: Verhandlungen mit Russland seien nicht möglich, da Putin kein Interesse an einem echten Frieden hat.
Putin verteidigt sich nur gegen die NATO: Die These, dass Russland nur auf eine Bedrohung durch die NATO reagiert, wird ebenfalls entkräftet. Der Krieg ist ein imperialistischer Angriffskrieg.
Der Konflikt betrifft uns nicht direkt: Gestwa stellt klar, dass der Krieg weitreichende geopolitische Konsequenzen hat, die auch Europa und den Westen direkt betreffen.
Diese Thesenchecks sind Teil seiner Analyse, um populistische und falsche Behauptungen über den Krieg zu entkräften
Ich spreche von der Eskalationsspirale zwischen der NATO und Russland. Die Ukraine hat gar nicht die Möglichkeiten zu eskalieren bzw. würde durch Maßnahmen mit westlichen Waffen, die die NATO-Russland-Eskalation um eine Sprosse nach oben versetzen, die weitere westliche Unterstützung riskieren.
TL/DR: Du machst lange Ausführungen darüber, was die russische Bevölkerung angeblich will, um dann irgendwann zu sagen, dass du dich damit gar nicht beschäftigt hast und keine Ahnung hast. Du siehst es als „Eskalation“ an, wenn ein Land sich gegen einen völkerrechtswidrigen militärischen Angriff wehrt und du gehst ohne irgendeine Begründung davon aus, dass wir uns „unweigerlich“ auf einen Atomkrieg zubewegen. Da sehe ich wenig sinnvolle Diskussionsgrundlagen.
Es kann sich jeder selbst ein Bild machen, ob dieser Beitrag für oder gegen Ihre Lesekompetenz spricht.
Btw….wie Russland angesichts des Hinweises von Kanzler Scholz zu Friedensverhandlungen reagiert, stellt sich die Frage wer mit wem verhandeln soll.
Laut Russland sind weder die Ukraine noch der „kollektive, von des USA gesteuerte Westen (Europa)“ von Russland akzeptierte Gesprächspartner.
Also demnach soll die USA zusammen mit Russland festlegen, wie die Situation in Europa auszusehen hat.
Zitat: Der Kreml hat auf den Vorstoß von Bundeskanzler Olaf Scholz für stärkere diplomatische Bemühungen um Frieden in der Ukraine zurückhaltend reagiert. „Was eine friedliche Beilegung des Konflikts in der Ukraine betrifft, zeichnen sich bislang keine greifbaren Konturen ab“, sagte Dmitri Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Man höre Erklärungen aus verschiedenen europäischen Ländern. „Aber wir hören dazu nichts aus dem Land, das diesen Prozess steuert, das den kollektiven Westen dirigiert“, sagte Peskow mit Blick auf die USA.
Russland ist rundum von Ländern umgeben, die seiner aktuellen Politik nicht wohl gesonnen sind. Statt zu verhandeln, könnte man Russland also einfach in einen Viel-Fronten-Krieg verwickeln. Russland wird wohl kaum mit Atomraketen gegen die NATO reagieren, sondern eher öffentlich toben und im Hinterzimmer eine neue Friedensordnung verhandeln.
Allerdings wäre das dann nicht zu Putins Bedingungen, sondern auf Augenhöhe.
Ich spreche von der Eskalationsspirale zwischen der NATO und Russland.
Die Eskalationsspirale sieht übrigens so aus:
Kleiner Metakommentar am Rande:
Ich finde es schon bemerkenswert, wie hier Kreml-Narrative wiedergekäut werden.
Die Eskalationsspirale sieht übrigens so aus […]
Wann die Eskalationsspirale angefangen hat und wer den ersten Schritt gemacht hat ist mühselig bzw. sicherlich Gegenstand der subjektiven Einschätzung. Ich denke wir können uns aber einigen, dass es in den 1990er und 2000er neben Annährungsinitativen auch zu substanzielle Irritationen zwischen NATO-Ländern und Russland kam. Eine unvollständige und subjektive Liste in grob chronologischer Reihenfolge wäre beispielsweise:
Schließlich hält Putin 2007 eine Rede bei der Münchener Sicherheitskonferenz, wirbt nochmals für Zusammenarbeit und eine multipolare Weltordnung, kritisiert aber auch diverse aktuelle US-amerikanische Rechtsbrüche und warnt vor der Gefahr, dass dadurch die internationale Rechtsordnung entwertet wird. Für mich persönlich klingt die Rede nach dem (ehrlichen oder scheinbaren) Versuch eine Eskalation zu vermeiden.
Im Jahr 2008 haben diverse NATO-Länder erst einseitig erkärt, dass der Kosovo nicht mehr zu Serbien gehört, d.h. unter Androhung von Gewalt Grenzen verschoben und dann hat die NATO beschlossen, dass die Ukraine und Georgien langfristig Teil der NATO werden sollen. Spätestens seitdem dreht sich die Eskalationsspirale und dagegen konnten leider auch die Deeskalationsversuche von beispielsweise Merkel nichts mehr ändern.
Kleiner Metakommentar am Rande:
Ich finde es schon bemerkenswert, wie hier Kreml-Narrative wiedergekäut werden.
Das tut die sogenannte Friedensbewegung seit Ausbruch des Krieges. Besser als jede Trollarmee.
… und deswegen darf Russland die Ukraine überfallen. Bzw. müssen wir akzeptieren, dass sie einen guten Grund haben, die Ukraine zu überfallen.
Schließlich wollten wir mal einen Raketenschirm bauen, der uns vor russischen Raketen geschützt hätte. Und russische Nachbarländer wollen nicht von Russland bedroht und erobert werden und wollen daher lieber der NATO beitreten.
Ganz klar, die Schuld liegt mindestens hälftig bei der NATO. Mindestens.
unvollständige und subjektive Liste in grob chronologischer Reihenfolge
Eine schöne Formulierung für „ich pick’ mir mal raus, was so zu meiner Argumentation passt“.
Auch die Interpretation von Putins Rede auf der Münchner Sicherkeitskonferenz (SiKo) als „Werben für Zusammenarbeit“ und „Versuch, eine Eskalation zu vermeiden“ finde ich recht eigenwillig.
Dort faselte Putin etwas von Demokratieverlust und zunehmender Gewalt, nachdem er kurz zuvor etwa Alexander Litwinenko und Anna Politowskaja ermorden ließ. Außderem bezeichnete er in der Rede die NATO-Osterweiterung, die er 2004 selbst noch als völlig unproblematisch eingeordnet hatte (siehe hier) auf einmal als einen „provozierenden Faktor“. Zugleich brachte er dort das Narrativ der Garantien ins Spiel, die die NATO angeblich Russland gegeben hätte und die nun gebrochen würden. Sprich: Putin hat auf der SiKo 2007 bewusst und gezielt den Weg der Kooperation verlassen und den Spin genau für die Narrative gesetzt, auf die er später u. a. bei seinen Angriffen auf die Ukraine zurückgriff und die sich auch in so manchem Kopf in Deutschland festgesetzt zu haben scheinen.
Wer sich für die tatsächlich komplexe und vielschichte Geschichte der NATO-Osterweiterung interessiert, dem sei Mary Sarotte’s Buch Not One Inch (Link zur deutschen Übersetzung hier) empfohlen. Die Autorin hat diverse Archive durchforstet und rekonstruiert die unterschiedlichen Phasen auf der Grundlage unterschiedlicher Primärquellen. Hier gibt es auch eine längeres Interview mit ihr zu dem Buch (auf Deutsch):
“Sicherheitshalber” ist der Podcast zur sicherheitspolitischen Lage in Deutschland, Europa und der Welt. In Folge 80 sprechen Thomas Wiegold, Ulrike Franke, Frank Sauer und Carlo Masala mit Mary El…
und dann hat die NATO beschlossen, dass die Ukraine und Georgien langfristig Teil der NATO werden sollen.
Sicherlich purer Zufall, dass hier steht, dass die NATO beschließt, wer bei mir Mitglied werden „soll“ und nicht etwa, dass Länder ein Beitrittsgesuch stellen und die NATO dann darüber entscheidet - wie es eben in der Realität war und ist.
De facto bedeutete der Beschluss beim NATO-Gipfel in Bukarest 2008, dass sich (u. a.) die USA mit ihrem Wunsch, Georgiens Beitrittswunsch anzunehmen, nicht durchsetzen konnte, weil (vor allem) Deutschland und Frankreich dagegen waren. Beschlossen wurde letztlich eine Kompromissformel, die - wie wir heute alle wissen, aber auch damals schon vielen klar war - das Papier nicht wert war, auf dem sie stand. Der Vorschlag dazu kam von Merkel. Und am nächsten Tag wurde Putin nach Bukarest eingeladen und nahm erstmal an einem NATO-Gipfel teil. Was für eine krasse Eskalation seitens der NATO!!! Die „friedensstiftende“ Reaktion Russland erfolgte dann wenige Monate später in Form der militärischen Besetzung von Teilen Georgiens durch Russland.
Wer sich für die tatsächlich komplexe und vielschichte Geschichte der NATO-Osterweiterung interessiert, dem sei Mary Sarotte’s Buch Not One Inch (Link zur deutschen Übersetzung hier) empfohlen. Die Autorin hat diverse Archive durchforstet und rekonstruiert die unterschiedlichen Phasen auf der Grundlage unterschiedlicher Primärquellen. Hier gibt es auch eine längeres Interview mit ihr zu dem Buch (auf Deutsch):
Folge #80 Ist die NATO-Osterweiterung Schuld an Russlands Krieg gegen die Ukraine? – Sicherheitshalber
Schön, dass wir beide uns zumindest in dieser Hör- und Leseempfehlung einig sind! Das Gespräch ist ein wirklich schönes Beispiel einer erkenntnissuchenden und zivilisierten Streit- bzw. Diskussionskultur!
Magst du nochmal erläutern, warum du die Position, dass der Angriff Russlands nicht erfolgreich sein soll (1) genauso kritikwürdig findest wie die Forderung, die Ukraine gegen diesen Angriff nicht mehr militärisch zu unterstützen (3)? Oder habe ich da deine Kategorisierung als „extreme Positionen“ überinterpretiert?
Die „Kritikwürdigkeit“ zu vergleichen ist schwer. Aber das Problem an (1) ist, dass es über eine oberflächliche ethisch/moralische Bewertung nicht hinausgeht. Klar, Angriffkrieg ist unzulässig und eigentlich müssen die Grenzen von 2014 wiederhergestellt werden. Aber an diesem Punkt muss man sich ja fragen, wie sich dieses Ziel erreichen lässt und darf dabei nicht vergessen, dass manchmal das Ziel nicht die Mittel heiligt.
Wenn man also an einem Ziel festhält, muss man auch darlegen, wie es sich erreichen lässt, wenn nicht zu erwarten ist, dass es sich von allein einstellt. Und hier hört es dann bei der Fraktion (1) auf. Es gibt ja durchaus einen Konflikt: Waffenlieferungen alleine scheinen nicht zu reichen, aber selbst eingreifen will man nicht. Es entsteht ein Limbozustand, in dem täglich tausende Menschen sterben. Die Fraktion (1) müsste jetzt eigentlich ein Lösungsangebot für diesen Konflikt präsentieren. Das bleibt aber aus. Kritik an diesem Ausbleiben einer Antwort auf den o. g. Konflikt hört man nur selten, da viele Leitmedien der Fraktion (1) angehören.
In diese Kerbe schlägt nun das BSW (und auch die AfD), da beide ein gutes Gespür dafür haben, wann es sich lohnt, sich gegen den „Mainstream“ zu stellen. Beiden Parteien ist natürlich völlig klar, dass ihre Meinung niemanden interessiert. Der Ausgang des Krieges in der Ukraine liegt nicht in deutschen Händen - auch wenn das manchmal suggeriert wird. Daher nutzen sie die Thematik einfach, um sich als Anti-Mainstrem zu präsentieren und sind nur deshalb erfolgreich, weil die Mainstreammeinung tatsächlich Unzulänglichkeiten aufweist, die gerne verschwiegen werden.
Es gibt ja durchaus einen Konflikt: Waffenlieferungen alleine scheinen nicht zu reichen, aber selbst eingreifen will man nicht.
So einfach ist es dann doch nicht.
Eingeschränkte Waffenlieferungen mit Vorgaben, dass die Ukraine diese Waffen nicht effektiv gegen Russland nutzen darf, scheinen alleine nicht zu reichen.
Es ist doch genau das Problem:
Der Westen liefert der Ukraine seit Beginn des Krieges immer nur das aller nötigste, damit die Ukraine den Krieg nicht verliert. Erst wurden nur reine Defensivwaffen geliefert, dann die ewige Diskussion über Kampfpanzer, dann die ewige Diskussion über Kampfflugzeuge, dann die ewige Diskussion über weit-reichende Raketen, dann die ewige Diskussion, ob diese auch gegen Ziele in Russland eingesetzt werden dürfen…
Also es ist bei weitem nicht so, dass man sagen könnte: „Waffenlieferungen reichen nicht, aktiv eingreifen will man nicht“, denn „Waffenlieferungen“ ist mehr als ein binäres 0 oder 1… hätten wir von Tag 1 einfach mal alles geliefert und die Ausbildung von Panzer- und Kampfjet-Besatzungen eingeleitet, würde die Situation ganz anders aussehen. Es ist gerade diese Tatsache, dass der Westen immer nur das nötigste geliefert hat, die zu diesem „Limbozustand“ geführt hat, zu diesem „Abnutzungskrieg“.
Also es ist bei weitem nicht so, dass man sagen könnte: „Waffenlieferungen reichen nicht, aktiv eingreifen will man nicht“, denn „Waffenlieferungen“ ist mehr als ein binäres 0 oder 1… hätten wir von Tag 1 einfach mal alles geliefert und die Ausbildung von Panzer- und Kampfjet-Besatzungen eingeleitet, würde die Situation ganz anders aussehen.
Das glaube ich nicht. Im Gegenteil haben alle Ausweitungen der Erlaubnisse und Lieferungen keine Änderungen am Frontverlauf nachsichgezogen. Du offenbarst genau das Problem, dass sich ein gewisses Meinungslager aktuell immer nur tiefer in die eigene Argumentation zurückzieht, anstatt sich selbst zu kritisieren. Beispiel hier: Meinung: Waffenlieferungen werden zum Sieg der Ukraine führen. Realität: stimmt nicht. Konsequenz: Noch mehr/anderer/schnellere Waffenlieferungen.
Das Muster besteht also darin, dass man bei Fehlschlag der eigenen Argumenation den Fehlschlag immer daran begründet, dass der Argumenation nicht extensiv genug gefolgt wurde. Bei Corona war das genauso. Als die Lockdowns nicht die gewünschten Wirkungen zeigte, war die einzuge Erkenntnis, die man zuließ, dass die Lockdowns eben nicht drastisch genug waren. Ich finde das absurd. So bohrt man sich argumentativ in ein Loch. Die Medien müssen schnell aus diesem Muster raus, sonst treiben sie die Populisten