Michael Hartmann ist weder Wahl- noch Einstellungsforscher. Daher würde ich auf seine in den Bereichen nicht vorhandene Expertise rekurrieren.
Ein Beispiel noch aus einer Deutschlandfunk-Kultur-Sendung:
Dort äußerte eine Soziologe zum Thema Besetzung von Spitzenpositionen mit Westdeutschen im Osten sinngemäß, dass sich daran absehbar auch nichts ändern könne, weil die Positionen damals mit sehr jungen Menschen besetzt worden seien, mit Menschen, die auch das nötige Know-how schon mitbrachten. Es werden sich also innerhalb von 30 Jahren keine großen Veränderungen ergeben können.
Das mal so klar auszusprechen, auch wenn Personen, die diesbezüglich Kritik äußern, hören wollen, dass sich das jetzt ganz zügig ändern werde, ist der nötige sachliche/faktenbasierte Widerspruch, den ich meine.
Da habe ich mich wohl unklar ausgedrückt.
Meine Idee war es, klar zu Kommunizieren, dass die AFD die Wahl gewonnen und somit den Auftrag zur Regierungsbildung hat.
Die etablierten Parteien gehen dann auch in Koalitionsverhandlungen, lehnen eine Einigung aber immer wieder aus Inhaltlichen Gründen ab. Somit wären die AFD und ihre Wähle gezwungen sich mal mit dem Kurs der Partei abseits des Populismus auseinanderzusetzen.
Außerdem glaube ich dass die „Brandmauer“ die populistische These „wir repräsentieren die Menschen und kämpfen für euch gegen die da oben“ stärkt. Nimmt man die Menschen mit ihrer Wahl aber ernst indem man Höcke damit beauftragt eine Regierung zu bilden kann man die AFD vor sich hertreiben und somit den Spieß umdrehen. Ferner müsste die AFD dann bei den etablierten Parteien Kompromisse eingehen, was das Bild der Partei als „wir gegen die“ ad absurdum führen würde.
Wichtig wäre nur dass alle demokratischen Parteien das Spielchen mitspielen und am ende kein MP Höcke da steht.
Ich denke das könnte mehrere Vorteile haben.
Zum einen müssen sich die etablierten Parteien nicht gegenseitig aufreiben während die AFD zuschaut und beim nichts tun stärker wird.
Zum anderen nimmt man die Menschen ernst, und zwingt die AFD kommunikativ vom Populismus weg.
Und dabei vielleicht noch etwas Feuer mit Feuer bekämpfen und die These aufstellen „die AFD macht das Land so unattraktiv dass deutsche Firmen schließen, weil selbst deutsche hier nicht mehr arbeiten wollen… ich kenne da einen der einen kennt dem das passiert ist“
Die populistischen Phrasen im Sinne von „Diedaoben“ verwenden auch Merz, Lindner & Co, was ich fatal finde. Sie demontieren als Politiker selbst die Politik. Das haben sie selbst im Wahlkampf getan. Lindner dann auf jeden Fall nach den Wahlen.
Da gebe ich dir recht, das ist nur Wasser auf die Mühlen der AFD
Danke für die Klarstellung. Ich verstehe nur immer noch nicht, was an dem Szenario anders ist als an dem wie es gerade ohnehin abläuft. Im Einzelnen:
Wer soll denn Höcke damit „beauftragen“? Es gibt Staaten, in denen das Staatsoberhaupt je nach Ausgang der Wahl Parteichefs damit beauftragt, eine Regierung zu bilden. In Deutschland und auch in Thüringen ist das aber nicht so. Und eine Partei, die nicht mal von einem Drittel der Wähler gewählt wurde, hat nun mal nicht automatisch „einen Regierungsauftrag“. Es ist in Deutschland spätestens seit 1969 üblich, dass die größte Fraktion nicht mitregiert, wenn sich kleinere Fraktionen zu einer Koalition zusammenschließen, die mehr Stimmen hat.
Alle anderen Parteien, die im Thüringer Landtag vertreten sind, haben bereits vor der Wahl deutlich gemacht, dass sie jegliche Zusammenarbeit mit der AfD aus inhaltlichen Gründen ablehnen. Das hat weder zu irgendeiner „Mäßigung“ der AfD geführt, noch nennenswert Wähler davon abgehalten, die AfD zu wählen. Ich kann nicht nachvollziehen, warum dieselbe inhaltliche Abgrenzung nach der Wahl komplett andere Auswirkungen haben sollte und vor allem nicht, warum du denkst, dass die AfD dann Kompromisse eingehen müsste. Nein, muss sie eben nicht.
Das Ganze basiert ja auf der Annahme, dass die AfD unbedingt regieren will. Die teile ich aber nicht. Die Partei profitiert ja gerade von ihrer Selbstinszenierung als „Alternative“ zum Bestehenden und geht vermutlich zu Recht davon aus, dass sie nur verlieren kann, wenn sie Teil dessen wird. Warum sollte sie also? Anders wird das erst sein, wenn die AfD mal die realistische Möglichkeit erhält, alleine zu regieren oder eine Koalition zu dominieren. Aber danach sieht es zum Glück noch nicht aus (zumindest jenseits der Kommunalpolitik).
Auch die Argumentation gibt es doch schon längst.
Erst einmal vielen dank, dass du dich mit meiner Idee auseinandergesetzt hast. Ich gebe dir zudem in allen Punkten recht.
Mir ist auch klar, dass niemand in Deutschland offiziell beauftragt wird eine Regierung zu bilden. Es ist eher etwas, das aus Medien oder durch die anderen Parteien gefordert werden könnte. Immerhin haben die knapp 10%Punkte mehr als die CDU.
Da ich dir auch in dem Punkt recht gebe, dass ich glaube, dass die AFD garnicht regieren möchte wäre es doch genau die Chance den Wählern zu zeigen dass da nichts hinter steckt indem man sie in die Verantwortung zieht.
Es stimmt aber auch, wieso sollte eine inhaltliche Auseinandersetzung nach der Wahl besser klappen als vorher.
Fakt ist trotzdem, die bisherige Politik der Brandmauer hat nicht funktioniert, die Zustimmungzur AfD ist in den letzten 10 Jahren von Landtagswahl zu Landtagswahl in Thüringen gewachsen.
Und ich weiß nicht, wie eine Allparteienkoalition, deren einziges verbindendes Merkmal die Brandmauer ist, Thüringen so gut reagieren soll, dass in den kommenden 5 Jahren der Zuspruch zur AfD deutlich fällt.
Gerade für die CDU ist es schwierig, immer wieder in Bündnisse mit linksgerichteten Parteien gezwungen zu werden und damit ihre konservative Politik nur sehr begrenzt umsetzen zu können.
Damit wird der Raum rechts von der CDU immer größer.
Natürlich funktioniert eine Brandmauer nicht, wenn man gleichzeitig auf der anderen Seite selber ein Feuer anzündet. Konkret: Wenn Union, FDP und SPD zwar immer wieder wettern, wie böse und antidemokratisch die AfD ist, aber gleichzeitig - etwas bei der Migrationspolitik oder beim Grünen-Bashing genau deren Talkingpoints übernehmen und diese damit validieren, bestätigt das natürlich (potenzielle) AfD-Wähler eher als dass es sie abschreckt.
Das weiß glaube ich niemand und es ist ja auch die erklärte Strategie der AfD, die Union so lange vor sich herzutreiben und in solche Koalitionen zu zwingen, um sie deutlich zu schwächen (ähnlich wie es der FN/RN in Frankreich mit den Konservativen geschafft hat oder Berlusconi mit den Christdemokraten in Italien). Und obwohl die CDU das weiß und obwohl sie weiß, dass ihre bisherige Strategie eher der AfD nützt als ihr selbst, fährt sie diese Stratege weiter, anstatt sich auch inhaltlich wirklich gegen die AfD zu stellen.
Und genau da setzt meine Idee an.
Die AFD holt Jahr für Jahr mehr stimmen und redet davon was alles passiert wenn die erstmal regieren. Aber selbst jetzt als klarer Wahlsieger habe ich noch keinen Regierungsanspruch wahrgenommen (vielleicht ist es auch an mir vorbeigegangen).
Das zeigt doch, dass der Anspruch nicht vorhanden ist. Die Stärke der AFD ist es dich nichts zu tun aber zu wissen wie es besser ginge.
Deshalb sollte man die jetzt mal aus der reserve locken und in die Defensive zu drängen und dann mit den eigenen Waffen schlagen.
Wenn in der Gesellschaft erstmal das Narrativ entsteht, dass die stärkste Kraft sich zumindest um eine Regierungsbildung bemühen sollte, dann nämlich kann man die AFD durch Dorf treiben und nicht mehr umgekehrt.
Gleichzeitig muss aber genau das passieren, was schon beschrieben wurde. Eine Brandmauer bringt nichts wenn man selber zündelt.
Klingt ja schön und gut, aber wie genau soll das gehen? Warum sollte die AfD nicht genau so weitermachen, wenn sie damit so erfolgreich ist? Außerdem kann sie ja immer sagen: „wir wollen ja regieren, aber alleine - weil mit den anderen wird das eh nix“.
Und von der Idee, die AfD zu „entzaubern“, in dem man sie einfach mal mitregieren lässt, halte ich gar nichts. Erstens kann sie da jede Menge Schaden anrichten und zweitens gibt es genug Beispiele, die zeigen, dass so etwas nicht den Rechtsparteien geschadet hat, sondern dem gesamten politischen System.
Trump wollte 2016 gar nicht gewählt werden, seine Kandidatur war ein PR-Stunt. Als Präsident war er dann eine Katastrophe für das Land und die Welt.
Er wurde trotzdem nicht entzaubert.
Man muss gar nicht über den Atlantik schauen sondern es langt ein Blick nach Österreich.
Haider hat in Kärnten eine desolate Politik mit extremer Überschuldung betrieben. Korruption war an der Tagesordnung. Und die FPÖ hat mittlerweile mehrfach gezeigt, dass sie nicht wirklich bessere Politik machen kann. Aber nicht mal in Kärnten wo man die Folgen von Haiders Politik direkt spüren kann sieht man ihn besonders negativ. Trotz Haider, Ibiza-Affäre etc. ist die FPÖ vorne mit dabei.
Ich frage mich wirklich was eine Partei anstellen müsste um als entzaubert zu gelten.
Sie müsste wie von der Partei im Wahlkampf versprochen z.B. ein sinnvolles Gebäudeenergiegesetz vorschlagen, um den Klimaschutz voranzubringen. Also dann, dann wäre wirklich was los!
Die AfD hat nach ihrem Wahlsieg Gesprächseinladungen an das BSW (abgelehnt) und die CDU (bisher unbeantwortet) geschickt.
Aus einer netten Kolumne:
„Pass auf: Nach den Wahlerfolgen 2024 behinderte die AfD die parlamentarische Arbeit in den Landtagen, wo sie nur konnte, und verbreitete noch mehr antidemokratische Propaganda und Fake News. Als 2029 die letzte Landtagswahl in Sachsen und Thüringen stattfand, erhielt sie die absolute Mehrheit und vereinigte die beiden Bundesländer per Volksentscheid zum ‚Reichsreich‘, das sich umgehend vom Rest Deutschlands lossagte.“
„Bürgerkrieg?“, rufe ich entsetzt.
„Aber nein. Die Bundesregierung entschied sich dagegen, die abtrünnigen Gebiete mithilfe der Bundeswehr zurückzuholen. Stattdessen wurde das Reichsreich anerkannt und ein Grenzabkommen geschlossen: Menschen, die nicht in dem neu gegründeten faschistischen Staat leben wollten, durften in die Bundesrepublik ausreisen, wo sie finanziell und sozial unterstützt wurden. Nach kurzer Zeit war der Fachkräftemangel in der Bundesrepublik kein Thema mehr. Im Gegenzug durften Bundesbürger*innen, die Demokratie und Vielfalt ablehnten, in das Reichsreich übersiedeln. Da das Reichsreich nicht Teil der EU sein wollte, wurden die Grenzen um das neue Staatsgebiet für alle anderen Personen, Güter und Dienstleistungen von innen dichtgemacht.“
„Das ist ja schrecklich“, flüstere ich.
„Aber nein! Es war eine Win-win-Situation! Nachdem alle Menschen, die nicht weiß, biodeutsch, cis, hetero und rechtsextrem waren, das Reichsreich verlassen hatten, konnten die Faschisten dort ihr völkisches Paradies aufbauen. Keine BIPoC mehr, die das blasse Erbgut durchmischten; keine Wissenschaft, die die Tradition störte; keine anstrengenden Künstlerinnen oder Intellektuelle, die die Reichsreichsideologie kritisierten; keine Demokratinnen, die Mitsprache forderten. An der Spitze standen mehrere Fürsten, weil sich die Anhänger der unterschiedlichen preußischen Herrschaftslinien nicht darauf einigen konnten, wer der legitime Thronfolger für das Gesamtreichsreich sein sollte. Deshalb waren die einzelnen Teilgebiete schon nach kurzer Zeit in Erbfolgekriege verstrickt, die einen Großteil der politischen und wirtschaftlichen Kräfte banden.
Der finanzielle und kulturelle Ruin war nicht mehr aufzuhalten. Immer mehr Menschen verließen das Reichsreich, sodass es im Jahr 2100 nur noch eine Million Einwohner*innen zählte – bei einem Altersdurchschnitt von 71. Da es kaum noch Frauen, kein Pflegepersonal und schon lange keine ausreichende medizinische Versorgung mehr gab, war das Land zu diesem Zeitpunkt ein auf Subsistenzwirtschaft reduzierter Zwergstaat, der sich durch seine malerischen Ruinen, seine 1.111 Kartoffelrezepte und seine humangenetische Verarmung auszeichnete. Im Jahr 2123 starb der letzte Einwohner. Heute ist das ehemalige Reichsreich das größte zusammenhängende Naturschutzgebiet Europas. Nirgendwo sonst gibt es eine so große Artenvielfalt an Flora und Fauna. Stell dir vor: Blühende Landschaften, so weit das Auge reicht.“
2 Beiträge wurden in ein existierendes Thema verschoben: Haltungen und Strategien zu Russland/Ukrainekrieg
Empfehlung für diesen sehr interessanten Podcast mit Rechtsextremismusforscher Fabian Virchow und Felix Steiner vom Demokratieprojekt MOBIT.
Ich habe den Eindruck, wir müssen hier mal zumachen. Bei über 200 Beiträgen verliert man den Überblick.
Öffnet gerne bei Bedarf neue Threads, mit neuen Gedanken oder Ereignissen.