Haltungen und Strategien zu Russland/Ukrainekrieg

Es ist aber ein entscheidender Unterschied ob du sagst „Keiner weiß, was gewesen wäre“, oder ob du - wie vorher - sagst „Es hat nicht geklappt“ - obwohl es sich zwei verschiedene Dinge handelte, nämlich einmal um Forderungen (1) und einmal um ein Herumlavieren in schlechten Kompromissen mit unklarem Ziel (2).

Warum diese Polemik? Erkennst du nun an, dass es einen substanziellen (und eben nicht nur einen marginal quantitativen) Unterschied zwischen den Positionen (1) und (2) gibt oder nicht? Es wäre schon hilfreich für die Diskussion, wenn du nicht ständig den Standpunkt wechselst.

Wie war das mit dem Glashaus nochmal?

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Das ist eine nicht belegte Behauptung. Wie ein armes 40 Millionen Land ein wohlhabendes 140 Millionen bezwingen soll, bleibt schleierhaft. Nach den Masalas und Strack Zimmermanns müsste der Drops längst gelutscht sein, stattdessen tritt das Gegenteil ein.

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Immer nur unter der Prämisse, dass das von (1) proklamierte Ziel in den von (1) proklamierten Grenzen erreichbar ist. Dass also die Ukraine die Grenzen von 2014 wiederherstellen kann, wenn sie 1) ausreichend und 2) schnell genug die entsprechenden Waffen erhält, bzw. erhalten hätte.

Das wird immer vorausgesetzt, aber tatsl. kann das bis heute niemand beweisen. Darum geht es mir im Kern. (1) setzt Prämissen, die für die Bewertung der Qualität des Arguments wichtig sind. Sobald mir jemand belegt, dass die Prämissen von (1) zutreffend sind, ziehe ich meine Kritik vollständig zurück. Soweit das aber nicht geschieht, erwarte ich Zurückhaltung.

Ähnlich dachten auch die Amerikaner in Vietnam :wink:
Immer eine Frage, was bin ich bereit zu investieren?

Aber wieder die Frage: was wäre nun die Folge, wenn der Westen die Waffenlieferungen einstellt?

  1. Dass sich eine Aussage nicht beweisen lässt, ist etwas komplett anderes als die Behauptung, dass diese Aussage widerlegt wurde.
  2. Es gibt einen Unterschied zwischen einem formulierten politischen ZIel (a) und den Mitteln, die zu dessen Erreichung erforderlich sind (b). Wenn (b) nicht gegeben ist, folgt daraus nicht notwendigerweise, dass (a) falsch ist.
  3. Die Punkte 1. und 2. gelten für alle drei beschriebenen Positionen zum Ukrainekrieg, nicht nur für eine.

Ich habe mich ausführlich und detailliert mit deiner Argumentation auseinandergesetzt. Wenn wir uns allerdings auf diese aus meiner Sicht wirklich basalen Diskussionsgrundlagen nicht einigen können und du zudem nicht bereit bist, auf Gegenargumente argumentativ einzugehen, hat eine weitere Diskussion aus meiner Sicht wenig Sinn.

Dass die Situation „ganz“ anders aussehen würde, meinetwegen.
Dass die Situation anders aussehen würde - keinesfalls!

Der Faktor „wohlhabend“ wäre auf der Seite der Ukraine, wenn der Westen alles geliefert hätte, was er könnte. Denn dass der Westen wirtschaftlich wesentlich stäker ist als Russland dürfte wohl absolut unbestritten sein. Zur Erinnerung: Russland hat in etwa die Wirtschaftskraft Italiens…

Der Faktor „Einwohnerzahl“ und damit „potenzielles Mobilisierungspotenzial“ ist tatsächlich auf der Seite der Ukraine. In einem Verteidigungsfall kann eben ein wesentlich größerer Teil der Gesellschaft aktiv für die Verteidigung rekrutiert werden als im Falle eines Angriffskrieges. Wenn du dir z.B. die Truppenstärken in der Ukraine bei Wikipedia anschaust fällt auf, dass die Ukraine keineswegs zahlenmäßig unterlegen ist.

Dazu kommt eben der Verteidiger-Vorteil. Jeder Verteidigungsexperte wird dir bestätigen, dass man für einen erfolgreichen Angriff mindestens ein 3:1-Verhältnis herstellen muss. Um das bei einer Bevölkerung von 140 Mio vs. 40 Mio zu erzeugen, müsste Russland so stark mobilisieren wie die Ukraine, was wie gesagt in einem Angriffskrieg recht schwer politisch vertretbar ist (es gibt Gründe, warum Putin keine Vollmobilisierung macht… der politische Preis ist selbst für einen Autokraten sehr hoch).

So ein Unsinn. Als der Konflikt angefangen ist, hat niemand geglaubt, die Ukraine könnte auch nur zwei Wochen überleben. Mittlerweile harrt sie seit Jahren aus und die Russen machen nahezu keine relevanten Fortschritte.

Dass daher „das Gegenteil eingetreten“ wäre, ist absurd. Der Grund, warum die Ukraine Russland im Donbass nicht komplett stoppen kann, ist die massive Artillerie- und vor allem Gleitbomben-Überlegenheit. Russland legt alles in Schutt und Asche, bevor es vorrückt - wirklich alles. Aber genau diese Überlegenheit könnte man komplett nivellieren, wenn der Westen das passende Material liefern und der Ukraine freie Hand im Einsatz gewähren würde.

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Die Folge wäre, dass die Ukrainer wohl abgeschlachtet würden. Zeitgleich würde die Friedensbewegung brav anfangen russisch zu lernen, um sich Ihrem baldigen neuen Diktator Putin auch ordentlich unterwerfen zu können und so in Frieden und ohne Freiheit leben zu können.

Ich finde es schon bedenklich, dass mittlerweile russische Narrative hier im Forum verbreitet und vor allem nicht entfernt werden.

Ich denke, Russland hat klar gemacht, dass sie all-in in der Ukraine zu gehen.
Der Vietnam Krieg und Ukraine sind sehr schlecht vergleichbar. In der de Ukraine gibts keinen dichten Urwald oder afghanische Gebirge.

Die Ukraine hat mir der Kursk Offensive ihr Blatt für näher rückende Verhandlungen mMn verschlechtert denn verbessert. Ohne westliche Waffenlieferung müsste die Ukraine nahezu bedingungslos kapitulieren. Mein Eindruck ist nicht, dass die Ukraine mit fortdauernden Kämpfen in eine bessere Verhandlungsposition kommt.

Die Aussage ist doppelt falsch. Wo haben die beiden irgendwas in der Richtung behauptet?
Und das Gegenteil von „die Ukraine hat gewonnen“ wäre wohl, dass sie verloren hat. Was auch nicht der Fall ist.

Waffenlieferungen helfen der Ukraine offensichtlich sich zu verteidigen. Sonst wäre sie längst besiegt. So lange die Ukraine sich verteidigen will, sollten wir sie dabei unterstützen.

Dass wir ihnen die Hände auf dem Rücken binden, tötet ukrainische Soldaten. Müsste Russland seine Bomber von Flugplätzen starten lassen, die außerhalb der Reichweite von Taurus liegen, würden sie weniger Bombruns/Tag schaffen. Dadurch ist der Krieg nicht sofort entschieden, aber für die Ukrainischen Soldaten an der Front macht es einen Unterschied, ob ein Bomber 1mal am Tag ne 500kg Bombe auf sie wirft oder 4mal am Tag.

Aber all diese Diskussionen lenken vom Thema ab. Wer gegen Waffenlieferungen ist kann ja mal seinen Friedensplan erklären. Bitte einen, der nicht auf Wunschdenken basiert sondern die Realität berücksichtigt, in der Moskau es für unsinnig hält zu verhandeln, wenn der Ukraine die Munition ausgeht.

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Die USA haben den Vietnamkrieg beenden müssen, weil der Druck im Inland zu groß wurde. Eben weil „Draft Dodging“ ein sehr massives Thema wurden, massenhaft Leute nach Kanada ausgewandert oder dort untergetaucht sind usw. usf.

Genau das können wir auch in Russland beobachten. Ich war letztes Jahr in Armenien und Georgien und habe in drei verschiedenen Hostels Russen getroffen, die dort quasi „dauerhaft“ lebten und die relativ klar sagten, dass sie aktuell nicht nach Russland zurückkehren wollen, weil sie sonst eingezogen würden. An der Grenze von Armenien zu Georgien haben wir eine Gruppe von drei Russen getroffen, die dort ihren halbjährlichen „Grenzgang“ absolviert haben (die müssen alle 6 Monate einmal Georien verlassen und wieder neu einreisen, da der Aufenthalt immer nur für 6 Monate nach Einreise erlaubt ist, dafür reisen sie dann an die Grenze zu Armenien, nicht nach Russland, aus offensichtlichen Gründen…). Die russische Wirtschaft leidet jetzt schon extrem darunter, dass auch viele Fachkräfte ausgewandert sind. Und würde Putin jetzt tatsächlich eine volle Mobilmachung einleiten, der Widerstand wäre immens.

Russland ist gerade nicht all-in in der Ukraine. All-in wäre eine Generalmobilmachung. Und ich denke, dass Putin tatsächlich davor zurück schreckt, weil ihn das politisch sehr viel kosten würde - möglicherweise sogar mehr als eine „Einfrieren“ des Konfliktes in der Ukraine, was aus russischer Sicht jederzeit möglich wäre.

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Du kannst einem schwarzen Amerikaner einfach nicht erklären, warum er am anderen Ende der Welt sterben soll (Vietnam). Dieses Problem stellt sich Russland nicht ansatzweise

Weil bisher nicht nötig.

Beide Fälle sind tatsächlich identisch.
Die amerikanische Regierung hat ihrer Bevölkerung erzählt, man müsse Vietnam vom Kommunismus befreien, weil der Kommunismus Amerika bedrohe. Die Stimmung in den USA war zu dieser Zeit geprägt von der McCarthy-Ära und extrem Anti-Kommunistisch, sodass zu Beginn auch viele diese Dominotheorie geglaubt haben. Der „American Way of Life“ wurde als „vom Kommunismus bedroht“ gezeichnet.

Die russische Regierung hat ihrer Bevölkerung erzählt, man müsse die Ukraine „heim in’s Reich“ holen und die dortige „Nazi-Führung“ enthaupten, weil sie einen „Genozid“ an der russischen Bevölkerung in der Ostukraine begehen würde.

Beide Kriege beruhten darauf, dass die Regierung dem Volk einredet, dass es sich quasi um präventive Verteidigung handelt würde. Und in beiden Ländern gibt es gute Teile des Volkes, die diese Lügen durchschauen. In den USA konnten sich - dank Demokratie und Massendemonstrationen - die Kriegsgegner durchsetzen, in Russland bisher nicht. Aber der Druck auf Putin steigt und eine Generalmobilmachung würde den Druck um ein vielfaches erhöhen.

Klar, Russland kämpft sich zum Spaß seit zweieinhalb Jahren in der Ukraine ab und erleidet Verluste im sechsstelligen Bereich… und die Menschen in Kursk sehen das vermutlich auch anders :wink:

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Vielleicht kennst du die aktuelle Zahl, aber zuletzt müssten es rund 700.000 Soldaten gewesen sein, die Russland in der Ukraine akkumuliert hat. Russland wäre durchaus in der Lage, diese Zahl zu verdoppeln, jedoch würde dies in der aktuellen Situation militärisch keinen ausreichenden Nutzen bringen. Russland macht langsam, aber stetig Fortschritte. Die russische Seele kenne ich zwar nicht, aber von außen betrachtet würde ich einschätzen, dass Putin auch eine Generalmobilmachung überstehen könnte. Und wie sieht es in Deutschland aus? Genau! Und das ist das Problem, weil auch Putin das weiß.

Oh es gibt da schon sehr kontroverse Meinungen, was passiert wenn die Wohlstandsrussen aus den Großstädten mit Zwang rekrutiert und an die front geschickt werden. Das wäre die größte innenpolitische Gefahr für Putin. Bisher wird er Krieg auch deshalb unterstützt, weil die wohlhabendere Stadtbevölkerung nicht belästigt wird und nur das ländliche Volk verheizt wird. Wenn wir endlich alles an Waffen an die Ukraine schicken was wir haben und leisten können, würde Russland wohl in sehr große Bedrängnis kommen und müsste sich zurückziehen oder städtisch rekrutieren. Es hat Gründe wieso Putin solche Propaganda verbreiten lässt von der möchte gern Friedenbewegung, die auch von dir und anderen hier benutzt wird.

Der Kreml hütet sich wie der Teufel vorm Weihwasser davor, in größeren Mengen Wehrpflichtige an der Front einzusetzen, weil er weiß, dass das den grundlegenden Deal zwischen Regime und Bevölkerung gefährden würde. Bei den Kontraktniki müssen die Russen inzwischen schon mehr als 10x so viel zahlen wie zu Beginn der Vollinvasion - selbst in der tiefsten Provinz und bei Leuten, die von so viel Geld vorher noch nicht mal zu träumen gewagt hatten. Der Flaschenhals sind aber die Ausbildungskapazitäten, deren Ausbau nach allem was ich weiß, nicht so recht gelingen mag - ganz abgesehen von der „Qualität“ der Ausbildung.
Auch für die These angeblich unendlicher „menschlicher Ressourcen“ der russischen Arme gilt daher:

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Es ist meine Sicht auf die Situation und kein Versuch zu überzeugen. All-in bedeutet dass Russland den Kampf um die Ukraine bereit ist bis zum äußersten zu führen. Das bedeutet natürlich nicht dass man sofort jede Waffe und Soldaten mobilisiert, um schnellstmöglich zu siegen. Um den Krieg zu gewinnen braucht es viele Soldaten aber nicht auf einen Schlag, an einem Ort …

Ne, bei so viel geballter Power ist es natürlich allein eine strategische Entscheidung, das Ganze so langsam und schleichend wie möglich zu machen. Bringt ja auch nur Vorteile: Es sterben Hunderttausende Menschen, es gibt mehr Zerstörung von Infrastruktur durch ukrainische Gegenangriffe, die Geldreserven werden immer kleiner, die Wirtschaft kriecht aufgrund der Umstellung auf Kriegsproduktion auf dem Zahnfleisch, immer mehr Menschen, die noch halbwegs denken können, versuchen das Land zu verlassen und immer mehr High-Tech-Ersatzteile können fehlen. In diesem Sinne. Dawaj, Rossija!

Ich meinte das nicht topographisch.

Die USA wollten einen maximal begrenzten Krieg in Vietnam und haben die „Strohhutträger“ (Vietcong) nicht ernst genommen. Mussten aber feststellen, das die US-Armee mit der Art der asymmetrischen Kriegsführung nicht umgehen konnten, und mussten sich recht erfolglos zurück ziehen.
Ähnlich Russland in Afghanistan.

Beide wollten kein All-In.

Russland dachte auch, die Ukraine ist in einer Woche erobert.
Den Widerstandswillen und die Vorbereitung der Ukraine hat Russland aber völlig unterschätzt.
Ein Rückzug wäre für Putin innen- und außenpolitisch undenkbar. Daher das Narrativ, das man gegen die NATO kämpfe.
Aber All-In, also eine Generalmobilmachung, traut er sich innenpolitisch auch nicht.

Daher die Vergleichbarkeit

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So unterscheiden sich die Wahrnehmungen.
In Russland wurde von der Bevölkerung auch durchaus registriert, dass die dort festgesetzten Wehrpflichtigen schnell von der Ukraine zurückgetauscht wurden. Die dort festgesetzten Offiziere erzählen derweil deutschen Journalisten, dass sie eigentlich gar nicht mehr nach Russland zurückwollen, weil es in der Gefangenschaft gut aushaltbar sei und Putin sie zur Strafe an die Front schicken würde.

Deutschland hat sich mit Freunden umgeben. Ohne Außengrenze lebt es sich ganz wunderbar. Ein Gefühl, das Russland nie mehr wird schmecken können, solange es überall nur Feinde sieht.

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Dann hat Erhard Bühler im NDR podcast neulich Quatsch erzählt, als er dort erklärt hat, dass Russland derzeit keine weiteren Soldaten braucht. Leider weiß ich nicht mehr in welcher Folge.