Dann bedankte dich bei der Teilprivatisierung der Bahn. Hierdurch wurden Kapazitäten abgebaut und Strecken lahm gelegt. Außerdem wurden Angestellte außerhalb der letzten Bahnbeamten nicht gut behandelt (kaum Inflationsausgleich und Nullrunden während sich das schlechte Management reichlich gönnt). Dein ganzer Post spiegelt deine seltsame Abneigung gegen Gewerkschaften und Arbeitnehmerrechte wieder. Die Probleme der Akzeptanz des ÖPNV sind be der Führung und nur bei der Führung zu suchen, politisch und im Management. Manchmal ergibt eben Minus mal Minus eben doch nur ein sehr großes Minus.
Dass ich eine Abneigung gegenüber Gewerkschaften und vor allem gegenüber deren Methoden habe, stimmt. Ist aber genauso wenig „seltsam“ wie die Ansicht, das Gewerkschaften eine nützliche und sinnvolle Einrichtung in unserer Gesellschaft sind. Es ist schlichtweg eine Überzeugung - die steht ja hoffentlich jedem zu?
In Bezug auf die wenig erfolgreiche Teilprivatisierung gebe ich Ihnen vollkommen recht. Entweder ganz oder gar nicht. Entweder hätte man entschieden, dass die Bahn weiterhin ein Staatsbetrieb bleibt, akzeptiert, dass sie defizitär ist und vom Steuerzahler subventioniert werden muss - wäre eine Lösung gewesen. Oder man hätte sie richtig privatisiert, restrukturiert auf Profitabilität getrimmt. Dass hätte sicher für noch mehr Strecken das Aus bedeutet, aber zu dem Zeitpunkt (1994?) war die Verkehrswende noch kein so großes Thema. Ein wirtschaftlich orientiertes Unternehmen hätte es vielleicht auch geschafft, sich bis heute (wo es aus Sicht vieler hier wichtig ist) in eine Lage zu wirtschaften, in der sie wieder expandieren und auch wirtschaftlich weniger lukrative Strecken aufbauen könnte. Die Deutsche Bahn von heute mit veralteter Technik, maroden Strecken und unflexibler Belegschaft wird das nur mit enormem Aufwand und Fremdkapitaleinsatz schaffen.
Das mag für Deutschland stimmen, aber beispielsweise in der Schweiz gab es schon in den 1980er Jahren das Projekt „Bahn 2000“ mit dem Ziel, das Verkehrangebot der Bahn deutlich besser und attraktiver zu machen. Außerdem hätte Mitte der 1990er Jahre ein Blick nach Großbritannien gereicht, um zu sehen, was für verheerende Auwirkungen eine Vollprivatisierung der Bahn hat. Sprich: Die Idee aus einem Betrieb der Daseinsvorsorge ein börsennotiertes Unternehmen zu machen, war noch nie besonders schlau. Aber damals haben eben noch sehr viel mehr Menschen daran geglaubt, dass der Markt schon alles regelt…
Und das hat geklappt. Schweizer Bahnen sind eine Freude.
(Aber ehrlich gesagt liebe ich es sogar in Deutschland, mit der Bahn zu fahren )
Ja, ich finde auch, es hat ziemlich gut geklappt - auch in anderen Ländern. Aber eben mit einer solider Planung, einem klaren Fokus auf Verbesserung des Angebots, den dazugehörigen Investitionen und vor allem mit einer Projektlaufzeit von mehreren Jahrzehnten. So etwas geht eben nicht über Nacht (genausowenig wie eine Energiewende oder eine Wärmewende) - egal wie viel vorher von wem verpennt wurde.
Die Verbesserung der Bahn dauert natürlich.
Die Wärmewende auch. Aber genau deshalb müssen wir anfangen.
Ist alles richtig.
Aber bis dato wird doch nur die Startlinie beschlossen und nicht direkt der Zieleinlauf.
All jene die jetzt noch schnell eine fossile Heizung einbauen verschieben die Ziellinie um 20-30 Jahre.
Wenn also noch nicht mal der Startschuss fällt verschiebt sich der Zieleinlauf einfach nur immer weiter.
Also niemand erwartet über Nacht eine vollendete Wärmewende, aber man kann sie über Nacht starten.
Selbiges gilt für die Energiewende oder eben auch für die Mobilitätswende.
Und was viel schlimmer ist: die nächste Konservative Regierung wird alles tun um den Zieleinlauf zu verhindern.
Kein Einspruch und natürlich darfst du deine Überzeugung haben.
Mich würde aber interessieren wie du ohne Gewerkschaften verhindern willst, dass es für die Arbeitnehmer wieder so prekär wird wie vor der Gründung von Gewerkschaften.
Das ist jetzt - wie schon Deine Antwort - hier etwas OT und eigentlich eher was für den Thread Bremenwahl: Ergebnis und Bedeutung für die Grünen:
Natürlich muss man irgendwann mal anfangen und natürlich hätte das schon längst passieren sollen. Mein Argument war nur, dass es nichts bringt, Dinge übers Knie zu brechen, nur weil sie lange verschleppt wurden. Das macht es jenen, die das eh verhindern wollen, nur leichter. Zudem finde ich es zunehmend müßig, immer nur über die bösen Konservativen und die böse FDP zu schimpfen. Die gibt es auch in der Schweiz, aber da haben sie „Bahn 2000“ mitgetragen. Und in Dänemark sind die Rechtsparteien inzwischen weitgehend auf den Klimaschutzkurs mit eingeschwenkt. Es kann also funktionieren. Aber dazu braucht es überzeugende (langfristige) Konzepte und einen Motor, also eine politische Mehrheit, die das auch wirklich will. Wenn wir schon ranten, dann lohnt es sich m. E., mal eher in Richtung SPD zu schauen: Die hielt bis vor kurzem billiges Gas aus Russland noch für ein tolles Energiekonzept und regiert gerne mit Verkehrsministern wie Dobrindt, Scheuer und Wissing zusammen.
Organisationen wie „Agora Energiewende“ machen sich ja seit Jahren Ideen, was passieren müsste. Aber scheinbar gibt es nicht wirklich Konzepte, wie man da auch Vereine wie die CDU und die SPD mit ins Boot holen kann - inklusive derjenigen, deren Interessen sie vertreten. Aber ohne die wird’s nicht gehen. Aus einer 10-20%-Position heraus zu polarisieren halte ich für eine sehr ungeschickte Strategie.
Gewerkschaften hatten zur Zeit der industriellen Revolution und lange danach eine gewisse Daseinsberechtigung und haben einiges zum Schutze der Arbeitnehmer erreicht. Das stelle ich auf keinen Fall in Frage. In globalen Wettbewerb der heutigen Zeit fehlt den Gewerkschaften oftmals völlig das Maß in ihren Forderungen. Sie werfen mit jeder Runde weitere Forderungen (nicht nur reine Entlohnung) in den Raum und machen Arbeit für Arbeitgeber immer unattraktiver. Natürlich agieren sie vermeidlich im Sinne ihres Klientel. Sie übersehen aber, dass sie Arbeitgeber zum Handeln zwingen, um die Kosten konstant zu halten. Mit jeder vermeintlich „guten Tat“ im Rahmen eines Tarifabschlusses erzwingt man Maßnahmen zum Ausgleich der Kosten. Allein die Erhöhung des Mindestlohnes von etwa 9,30 € auf über 12 € hat bei uns in der Abfüllung 4 von 17 Stellen gekostet. Eine Investition in Automatisierung war plötzlich rechenbar. Weitere Maßnahmen sind in Vorbereitung. In so einem Fall jedoch bleibt wenigstens die Wertschöpfung im Land. Andere Zweige (z.B. Feststoff-Formulierer) fahren die Ware jetzt nach Bulgarien und füllen dort ab.
Wir überlegen uns inzwischen bei jeder Stelle, ob wir sie nicht irgendwo im Ausland schaffen, statt in Deutschland. Und die steigende Drohung von Arbeitsniederlegungen hilft hier gar nicht.
Um auf ihre Frage nach der Gefahr prekärer Arbeitsumfelder zurückzukommen: Die Arbeitsgesetze (z.B. Arbeitszeitgesetz) sind vollkommen ausreichend und bieten Schutz genug vor Ausbeutung.
Da bin ich nun als aktiver Gewerkschafter nicht so ganz deiner Meinung.
Denn hier bei uns sind es die Gewerkschaften die die Einhaltung dieser Gesetze überwacht.
Von Arbeitgeber die nicht Im Tarifvertrag gebunden sind wird immer wieder berichtet, dass das Gesetz gebrochen wird, denn die staatlichen Inspektionen sind selten.
Gleiches gilt auch für Arbeitssicherheit.
Ich hatte eine Vorlesung von einem Gewerkschaftsjuristen über tödliche Arbeitsunfälle und deren rechtliche Folgen: keine.
Alle Fälle zum Fehlverhalten der Arbeitgeber sind gescheitert.
Und es zeichnet sich immer wieder ab, dass es dem Kapital (also den Investoren) völlig egal ist ob der Arbeitnehmer am Ende des Tages unversehrt nach Hause geht oder nicht.
Der Fairness halber: Vermutlich ist es dem Kapital nicht völlig egal. Die passendere Formulierung wäre: Der Kapitalgeber will langfristig die beste Rendite erreichen, dieses Ziel verfolgen auch die Vorstände und Aufsichtsräte. Wenn dieses Ziel dadurch erreicht wird, dass der wertvolle, gut ausgebildete und eingearbeitete Mitarbeiter geschützt wird, wird viel für den Arbeitsschutz getan, wenn hingegen die Kosten für den Arbeitsschutz teurer sind als die leicht ersetzbaren Arbeitnehmer und es damit betriebswirtschaftlich lohnenswerter ist, einen höheren Verschleiß an Arbeitnehmern in Kauf zu nehmen, muss es entsprechende andere Mechanismen geben, die dazu führen, dass ein hinreichender Arbeitsschutz zum Tragen kommt.
Das ist wieder genau so ein klassisches Beispiel, wo die wirtschaftsliberale Theorie von „Der Markt regelt das schon“ versagen kann, nämlich dann, wenn das Marktinteresse (=hohe Rendite) und das gesellschaftliche Interesse (=gute Arbeitsbedingungen, hohe Arbeitssicherheit) auseinander fallen. Wenn in diesen Fällen der Staat kein scharfes Schwert gegen die Arbeitgeber führt wird es für die Arbeitnehmer ganz schnell ganz bitter.
Aber auch hier zeigt sich, dass die Rechnung langfristig nicht aufgeht.
Die Bereiche, in denen Gewerkschaften und Arbeitnehmervertretungen rar sind und dementsprechend lange niedrige Löhne durchdrücken konnten, stellen nun fest, dass die Lehrlinge weggebrochen sind. (z. B. Steuerfachangestellte und PTAs)
Eigentlich wären Gewerkschaften unnötig, denn es muss ja im Interesse des Arbeitgebers sein, attraktive Arbeitsplätze anzubieten. Da dies nicht der Fall ist, sollten Arbeitgeber froh sein, dass es Gewerkschaften gibt, die sie mit der Nase darauf stoßen, wo Handlungsbedarf besteht.
Warum war es denn Deiner Meinung nach vor 100 oder 150 Jahren legitimer, dass Gewerkschaften einen Kapitalisten aka Arbeitgeber dazu zwingen, auf einen Teil seines Profits zu verzichten? Auf die heutigen Verhältnisse bezogen scheinst Du ja das Recht von Unternehmer:innen auf möglichst geringe Produktionskosten höher zu bewerten als das Interesse von Lohnabhängigen, von ihrer Arbeit anständig leben zu können.
Da du es ja komplett legitim zu finden scheinst, dass Unternehmen, Teile ihrer Produktion in Billiglohnländer auslagern, fände ich es auch spannend zu hören, ob Du es genauso legitim findest, wenn Menschen aus diesen Billiglohnländern hierher kommen, um höhere Löhne zu erzielen.
Da würde ich ja mal ganz unschuldig aber provokant zurückfragen wollen, was denn dann ein akzeptables Maß an Forderungen wäre, und vor allem, woraus sich dieses Maß ergibt.
Ich halte dagegen, dass im globalen Wettbewerb um Fachkräfte jeder Art den Arbeitgebern jedes Gefühl fehlt. Anstatt sich attraktiv zu machen wird lieber mehr Arbeit für weniger Geld verlangt.
Auch passend zum thema:
Auch wenn die Phrase abgedroschen klingt: „der Markt regelt das“. Zahlt ein Arbeitgeber zu wenig, laufen ihn die Fachkräfte weg. Natürlich ist es die Aufgabe jedes Unternehmers, seinen Gewinn zu maximieren. Spätestens jedoch wenn er mögliches Geschäft auf Grund fehlender Arbeitskräfte nicht mehr bedienen kann, wird er die Entlohnung anheben.
Das Mass ist das Unternehmensergebnis. Ein Unternehmer muss immer im Auge haben, welche Wertschöpfung eine Arbeitskraft hat. Fällt diese Wertschöpfung der Arbeitsleistung und damit der Profit unter ein gestecktes Verhältnis, lohnt sich das Geschäft nicht mehr und man sollte es entweder in die Profitzone bringen oder es aufgeben. Und steigende Kosten der Arbeitsleistung ohne proportional steigende Einnahmen führen zur der fehlenden Profitabilität. Und zur Zunahme von Insolvenzen https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/insolvenz-deutlich-mehr-unternehmen-geht-die-luft-aus-18886933.html. Natürlich sind die immer steigenden Lohnkostenvorteil nur ein Teil Ursachen für die Insolvenzen. Hier kommen aktuell viele Aspekte zusammen, die es Industrie und Wirtschaft immer schwerer machen, profitabelste Arbeiten.
Wenn wir ausreichend Arbeit haben und diese Arbeitskräfte beschäftigen können: ein klares ja. Die Höhe des Lohns wird definiert durch die Wertschöpfung der geleisteten Arbeit und die damit verbunden Ergebniserwartung. Wenn das Verhältnis stimmt, mach Zuwanderung Sinn.