In Bremen hat sich das erste Mal gezeigt, dass die Grünen gerade wirklich Probleme kriegen könnten. Zumindest, im Gegensatz zur FDP, hat man dort bemerkt, dass es womöglich am schlechten sozialen Ausgleich liegt. Ich hoffe dort wird nun entsprechend gegen gesteuert. Wenn man es geschickt macht, zwingt man die SPD dort in die Partnerschaft, da dies normalerweise auch ihr Thema ist.
Bisschen off topic, aber ich würde die Betonung auf „könnten“ relativ stark machen. Bei den zeitgleich stattfindenden Kommunalwahlen in Schleswig-Holstein haben die Grünen als einzige Partei neben der AfD und dem SSW Gewinne erzielt (+1,2%). (Die +0,1% der FDP rechne ich mal unter „Ergebnis gehalten“.)
Also bei Jörg Schönenborn (ARD Deutschlandtrend) klang das gestern anders. Zwar wies auch er, untermalt von Zahlen, darauf hin, dass der Bundesgrüne Abwärtstrend auch in Bremen existierte. Da die Zustimmung in Bremen in den letzten Wochen vor der Wahl aber deutlich stärker fiel, sah er darin eher regionale Probleme der Grünen.
Da gab es zum Beispiel den Skandal um die Brötchentaste, den Ricarda Lang gestern bei Anne Will auch als unglücklich einräumte.
Dabei ging es um eine eher symbolische Thematik, die die TAZ wie folgt zusammenfasst:
Als Brötchentaste wird die Option bezeichnet, an Parkautomaten ein Gratis-Kurzzeitticket zu lösen, damit Autofahrer*innen beim Bäcker aus ihrer Karre springen und schnell eine Kleinigkeit kaufen können, ohne fürs Parken zu bezahlen. Diese Begünstigung war in einem Stadtteil abgeschafft worden, kurz vor der Wahl; angeblich senatsintern unabgesprochen und auf Betreiben der zuständigen Senatorin Maike Schaefer, der Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen.
Zum zweiten Mal in kurzer Zeit haben die Grünen also unabgestimmt versucht, Hand ans Autofahrergemüt zu legen. Mich erinnert das sehr an das Debakel um die Friedrichstraße, die die Grünen die Regierungsbeteiligung in Berlin kostete.
Zwar ziemlich OT, aber ich halte es für etwas übertrieben, dass die Grünen allein wegen der Friedrichstraße nicht an der Regierung beteiligt wurden. Die CDU hat in der Hauptstadt Kulturkampf betrieben: Autos gegen Fahrrad, Außenbezirke gegen Innenstadt, Law & Order gegen „kriminelle Ausländer“ - und da war die Schnittmenge mit der SPD einfach um ein Vielfaches größer.
Wie auch immer. Ob es eine Einkaufsstraße oder eine Kurzparktaste war, die populistisch gegen die Grünen eingesetzt wurde.
Fakt ist, dass die Grünen nun mit dem Rücken zur Wand stehen und endlich, am besten noch vor der Hessen- und der Bayernwahl beweisen müssen, dass sie das, wofür sie gewählt wurden, auch umsetzen können.
Für Kuschelkurs mit der FDP sehe ich da keinen Platz mehr. Und auch keinen Grund, warum man auf die Klientelprobleme der FDP weiter Rücksicht nehmen sollte.
Das kam offensichtlich nicht ganz korrekt rüber. Ich stimme klar zu, dass die Union Kulturkampf betreibt. Aber es ist das unprofessionelle Unvermögen der Grünen diese Flanken überhaupt zu öffnen.
Oder wie Frau Lang bei Will gestern sagte, man habe Probleme, mit den eigenen Vorstellungen Menschen außerhalb der grünen Kernklientel zu erreichen.
Siehe die Antwort an Veche. Ich fürchte, wenn sie das machen und noch mehr Flanken öffnen, dann haben wir zur BTW 2025 wieder die CDU in der Regierung. Damit hätte man nichts fürs Klima getan.
Siehe auch die Sonntagsfrage bei infrast dimap im zeitlichen Verlauf seit Sommer 2022.
Ich gehe fest davon aus, dass sich die Union im Herbst 2025 aussuchen kann, ob sie mit SPD, Grünen oder AfD regieren will. Wer auch nur halbwegs vorausschauend Politik machen will, sollte das berücksichtigen.
Änderungen in Richtung Klimaschutz werden noch ganz andere Flanken öffnen. Und wenn es schon an einer Brötchentaste scheitert, wie soll man dann über einen CO2-Preis, autofreie Städte, klimaverträgliches Bauen oder Renaturierung von Böden sprechen. Und es scheitert ja nicht daran, dass die Wähler nicht wüssten, dass die Transformation nötig ist. Sie wollen nur sehen, dass sie möglich ist. Dafür wurden die Grünen gewählt.
Und wenn die FDP einfach alles blockiert und damit die Grünen zwingt, bei ihrem Ziel zu scheitern, wird grün zu Recht abgewählt.
@Margarete vielleicht könnten die Beiträge beginnend mit
ausgelagert werden, um dem OT entgegen zu wirken?
Titelvorschlag: "Bremenwahl: Ergebnis und Bedeutung für die Grünen
Edit: Danke!
Ich mach mal wieder meinen üblichen Punkt: Die FDP ist als Klientelpartei wenigstens ehrlich und glaubwürdig. Das reicht halt je nach Stimmung für 4-15 Prozent. Das viel größere Problem ist doch die SPD, die zwar in ihrer Rhetorik viel von nachhaltig, xxx-Wende etc. quatscht, aber bei der praktischen Umsetzung dann doch auch bestimmte Industrieinteressen bedient und sich freut, wenn der Gegenwind bei den Grünen landet. Die ganzen Hannover-Connections nach Wolfsburg, Mokau und weiß der Geier noch wohin sind ja nicht über Nacht verschwunden. Und auch bei den Grünen gibt es sicherlich nicht wenige, die sich freuen, wenn sie bei bestimmten Sachen sagen können: „sorry, hätten wir ja gerne gemacht - aber die Koalitionspartner, ihr wisst schon…“
Zum Thema Wahl möchte ich mich ganz herzlich beim Lage-Team bedanken. Ich höre den Podcast nun seit über 6 Jahren und er hat maßgeblich zu meiner politischen Bildung beigetragen. Nun bin ich am Sonntag erstmals bei der Kommunalwahl in S-H angetreten und konnte ein Direktmandat für die Gemeindevertretung in meinem Ort gewinnen. Das ist auch der Lage zu verdanken.
Es ist für die Grünen im Prinzip ein Problem von 2 Richtungen:
Der eine Teil, ich würde ihn jetzt mal als SPD / Union Wechselwählerteil benennen, ist aufgeschreckt, weil seit Jahren des Stillstandes erstmals echte Änderungen drohen, die auch die Bürger selbst betreffen. Sei es das berühmt berüchtigte sogenannte Heizungsverbot, sei es die Brötchentaste, sei es der Verlust von Parkraum.
Diese Wähler sammelt SPD und Union mit Geldversprechungen und ,wir verhindern das, aktuell wieder ein.
Der 2. Teil sind die Wähler, viele würden sagen die eigentliche, Grüne Bubble. Diese ist natürlich zunehmend frustriert, enttäuscht, und wendet sich im schlimmsten Fall von der Politik wieder ab, siehe Einschlafen von FFF. Hier sehe ich die große Gefahr, dass diese ins Lager der Nichtwähler gehen.
Die SPD fährt den aktuell erfolgreichen Kurs des ,Klappe halten und zuschauen, , und dabei, wenn gefragt, immer nur die soziale Verträglichkeit in den Vordergrund stellen.
Die Union fährt einen sehr erfolgreichen harten anti Habeck Kurs, ohne dabei auch nur irgendwie konkret zu sagen, wie wir 2045 klimaneutral sein wollen. Und das schlimme ist, breite Wählerschaften wollen dies glauben und sind einfach nur froh, dass es eine Partei gibt, die Klimaschutz ohne Verhaltensänderung verspricht.
Und die FDP ist, wie schon völlig korrekt erkannt, eine Klientelpartei für, hauptsächlich, egoistische Alphamänner.
Schöne Analyse.
Zu ergänzen wäre:
- Die GRÜNEN machen leider in der Kommunikation einen miserablen Job
- Kaum jemand erklärt die aktuelle Politik (z.B. Wärmewende, Energiewende)
- Kaum jemand ordnet die eigene Politik gegen das Framing und den „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“-Populismus von SPD, FDP und Union richtig ein
- Niemand fragt die SPD, FDP und Union ganz offen: Und wie wollt Ihr eine Klimaerwärmung von 2° und mehr verhindern? Und zwar: Ganz konkret? Bei Energie, Gebäuden, Verkehr?
- Die GRÜNEN haben in der Frage der sozialen Kompensation eine gaaanz offene Flanke.
Siehe dazu hier:
Ich fürchte es ist nicht nur die Kommunikation. Dazu kommt noch, dass es auch bei den Grünen viele gibt, denen weiter Mitregieren im Zweifelsfall wichtiger ist als konsequenter Klimaschutz. Es ist jetzt beileibe nicht so, dass die Grünen dieselben Anliegen teilen wie Fridays for Future.
Na ja, ich verstehe und teile die Einsicht, dass die Alternativen, Opposition (d.h., Große Koalition) oder Schwarz-Grün, noch viel weniger fürs Klima bringen würde, im Zweifel dem Klimaschutz einen Rückschlag versetzen würde.
Doch, diese konkreten Fragen werden gestellt, siehe letzten Sonntag bei Anne Will, als Ricarda Lang exakt das Herrn Czaja gestellt hat, nur hat v.a. die Union die Kunst des Antwortens ohne wirklich zu antworten so perfektioniert, dass diese Fragen nicht nur abprallen, sondern die damit gewonnene Redezeit und Aufmerksamkeit sofort für den Gegenangriff genutzt wird. Das ist perfektionierten Whataboutismn, …. .
Dazu kommt die Problematik, dass sobald die Grünen konkret werden, es sofort gegen sie benutz wird.
Um erfolgreich zu sein müssen die Grünen glaube ich eine Art grünen Populismus entwickeln, der in positive Catchphrases verprasset werden kann, und auch in Talkshows gegen Union, SPD und FDP gefeuert werden kann.
Au ja, wir brauchen definitiv einen Gegenpopulismus! Wenn die Guten einfach noch besseren Populismus machen als die Bösen, glauben nachher alle an das Gute und alles wird gut /Ironie off.
Nicht generell, aber es braucht eine bessere, schlagfertige Strategie für Talkshows, kurze Interviews und Social Media. Die auch mal austeilen muss.
Was nicht bedeutet, dass man in längeren Podcasts und Nerd Formaten, im Bundestag und den Ausschüssen keine wissenschaftsbasierte, gute Fachpolitik macht und erklärt.
Es gibt überhaupt keinen Hinweis, dass eine Koalition oder eine andere Art parlamentarischer Zusammenarbeit von AFD und Union eine realistische Option darstellt oder von einer der beiden Seiten überhaupt angestrebt wird.
Ich stimme dir 100%ig zu.
Nach anfänglich guten Erklärungen von Habeck scheint er dieses Talent verloren zu haben.
Außerdem fehlt das Klimageld. Es fehlt so sehr. Dieses würde ein echtes Zeichen setzen.
Mir persönlich fehlen auch Politiker:innen, die Klartext reden. Aber das kann sich kaum jemand erlauben, weil dann sofort die BILD auf ihn/sie losgeht und viele Wähler:innen sich abwenden. So wie jetzt in Bremen.