Fragen zum Verfahren und Durchsetzung der Impfpflicht

Vorangestellt möchte ich sagen, dass ich grundsätzlich nicht für eine Impfpflicht bin, mir auch nicht vorstellen kann, wie man sie umsetzen will und kann und auch nicht glaube, dass eine Impfpflicht in diesem Winter überhaupt noch etwas bringen würde.

Das Thema bezog sich ja aber auf die Durchsetzbarkeit einer Impfpflicht. Das heißt ganz neutral gesprochen: Impfverweignde in die Knie zu zwingen, sodass sie sich impfen lassen. Das geht natürlich am einfachsten bei den „Schwächsten“, auf die der Staat direkt oder indirekt Zugriff hat. So ja bspw. bei der Masernimpfung bei Kindern, das nur diese auch in die Schule dürfen (mehr oder weniger alternativlos). Deshalb ist die Idee sich auf diejenigen zuerst zu konzentrieren, die vom Staat abhängig sind, natürlich besonders effektiv. Immerhin gibt es ja Auswege den Sanktionen zu entgehen für diese Menschen:

  1. Sich impfen lassen, was ja das politische Ziel wäre
  2. Sich einen Job suchen, sodass man nicht von staatlichen Transfers abhängig ist
  3. Sich möglichst selbst versorgen, bspw. in einer Art Solidar-Kommune

Wenn der Staat eine direkte Durchgriffsmöglichkeit auf Impfverweigerer hat, dann müsste er sie ja auch ausnutzen. Wie soll man es sonst bei anderen durchsetzen, die nicht vom Staat abhängig sind? Würde man zunächst eine Impfpflicht für Ü60-jährige Einführen, dann könnte man sogar mit der Kürzung der Rente oder der Pension anfangen (Achtung: gesellschaftlicher Sprengstoff!). Bei Rente oder Pension hätte der Staat aber ebenfalls direkte Durchgriffsmöglichkeiten, was viel effektiver als Bußgelder etc. ist. Aber ich persönlich fände diese harten Sanktionen nicht begrüßenswert.

Mal ein alternativer Vorschlag: genau wie bei der Bundeswehr könnte der Staat auch eine Impfpflicht bei allen Beamten einführen. Wer sich bis zu einem bestimmten Stichtag nicht geimpft hat, könnte dann auch Kürzungen der Bezüge erhalten oder geringere Leistungen der Beihilfe im Krankheitsfall. Das wäre m.M.n. auch relativ leicht durchsetzbar, weil ja auch hier ein direktes Abhängigkeitsverhältnis besteht. Das wäre sicherlich auch eher vermittelbar als das Thema bei den Grundsicherungsbeziehenden umzusetzen.

Das wäre juristisch absolut nicht denkbar.
Der Unterschied ist:
Transferleistungen nach SGB II sind an Voraussetzungen gebunden („Fördern und Fordern“), daher kann man die Transferleistungen kürzen, wenn die Voraussetzungen (z.B. dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen, was bei Ungeimpften bei einer mit der Impfpflicht einhergehenden 1G/2G-Pflicht am Arbeitsplatz nicht möglich wäre) nicht erfüllt sind.

Renten- und Pensionsleistungen sind hingegen - wie auch das ALG I - Leistungen, auf die ein Rechtsanspruch besteht, weil für diese Leistungen eine Gegenleistung erbracht wurde. Daher: Einzahlungen in die Renten- bzw. Arbeitslosenversicherung oder halt die vergangene Beamten-Arbeitszeit bei Pensionären. Daher wäre es in einem Rechtsstaat absolut undenkbar, wenn der Staat nun nachträglich an die Erfüllung seiner Leistungspflicht aus Renten-, Sozial- oder Beamtenrechtlichen Verträgen neue Voraussetzungen knüpfen würde. Das geht einfach juristisch so absolut gar nicht.

Und das ist halt auch das Problem deiner Argumentation, wenn du daran anknüpfst, dass der Staat seine Machtposition gegenüber denen ausnutzen sollte, die auf ihn angewiesen sind. Das entspricht schlicht nicht dem moralischen oder rechtlichen Grundverständnis eines demokratischen Rechtsstaates. Deshalb sind diese Argumentationslinien auch im Steuerrecht immer so problematisch, wenn argumentiert wird, dass man die Reichen halt nicht zu stark besteuern dürfe, weil sie ausweichen können, während die Lohnsteuer und die Umsatzsteuer für die meisten Menschen nahezu unausweichbar ist. Das ist faktisch richtig, darf aber nicht dazu führen, dass der Staat nur diese „low hanging fruits“ erntet und damit ein ungerechtes Steuersystem manifestiert.

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Was aber juristisch problemlos geht, ist, einen Impfverweigerer einem Straf- oder Ordnungswidrigkeiten-Verfahren zuzuführen, ihm ein Bußgeld oder eine Geldstrafe aufzudrücken und diese Strafe dann - bei ausbleibender Zahlung - von Renten, Pensionen, Arbeitslosengeld oder auch einem stinknormalen Gehalt zu pfänden. Gerne verbunden mit einer Auflage an die kontoführende Bank, keine Abhebungen mehr zuzulassen, die über die geschützten Beträge hinaus gehen, bis die Schuld beglichen ist.
Der Prozess ist dann zwar formal anders, aber de facto der gleiche. Der Zahlungsempfänger kommt nicht an sein Geld.

Das dauert natürlich ein bisschen länger, kann aber im Wiederholungsfall auch schnell teuer werden und ggf. das eine oder andere Monatseinkommen kosten.

Wer das für besonders hart oder rechtsstaatlich nicht möglich hält, kann sich ja mal überlegen, was so passiert, wenn das Finanzamt eine Forderung gegen einen hat, und man sich weigert, diese zu begleichen oder zumindest die entsprechenden Rechtsmittel einzulegen.
Oder was passiert, wenn männliche Jugendliche volljährig werden und der „Einladung“ zur Musterung unentschuldigt keine Folge leisten. (Ich bin alt, ich merk’s. :smiley: )
Da gibt’s erstmal viel weitere Post, Geldbußen, und irgendwann steht die Polizei (Feldjäger) vor der Tür und nimmt einen mit. Im Fall der Bundeswehr dann übrigens zu einer ärztlichen Untersuchung, der der Wehrdienst-Leistende in spe überhaupt nicht zustimmt.

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Das ist häufig so in einem funktionierenden Rechtsstaat. Das Ziel mag identisch sein, aber der Weg, wie man dort hinkommt, ist eben ein anderer. Und ja, in diesem Fall auch deutlich bürokratischer. Das ist eben die Kehrseite der Bürokratie - desto weniger Bürokratie es gibt, desto mehr Willkür gibt es in den Entscheidungen des Staates, was Korruption Tür und Tor öffnet. Aber das führt auch wieder zu einem anderen Thema :wink:

Wie hoch die Kosten hier genau sein dürfen ist tatsächlich genau einer der Knackpunkte im Hinblick auf das Urteil des EGMR zum Thema diverser Impfpflichten in Tschechien. Bußgelder in Höhe von mehreren Monatseinkommen würden vermutlich unter der aktuellen Rechtsprechung des EGMR als Verstoß gegen die EMRK gewertet werden.

Da reicht auch schon eine Gebühren-Forderung der örtlichen Bibliothek :wink:
In der Tat ist unser Staat knallhart, wenn es um öffentliche (und damit sofort vollstreckbare) Forderungen geht - da kommt die Kontopfändung in der Tat sehr schnell…

Egal, zurück zum Thema:
Bei der konkreten Ausgestaltung der Durchsetzung der Impfpflicht müssen diverse Aspekte berücksichtigt werden:

  1. Das Gleichbehandlungsgebot
    Eine Durchsetzung nur gegenüber denjenigen, die der Staat wegen eines Abhängigkeitsverhältnisses leichter erwischen kann, ist hier sehr problematisch.
  2. Das Übermaßverbot
    Wie gesagt, das Urteil des EGMR setzt hier nicht ganz klare Grenzen, aber gibt doch eine grobe Orientierung, was zulässig ist und was nicht. Ein Impfzwang (dh. Impfung gegen den Willen unter Zuhilfenahme unmittelbaren Zwanges) scheidet ebenso aus wie potentiell existenzbedrohende Bußgelder.

Wie gesagt, ich denke, der Staat würde am besten damit fahren, wenn er zweigleisig vorgeht:
Bußgelder in Höhe von maximal 100 Euro im Monat (das tut den meisten Impfverweigerern schon richtig weh!) für die arbeitende Bevölkerung, geringfügige sozialrechtliche Sanktionen (erst 5%, dann 10%, maximal 15%…) mit teilweiser Rückzahlung nach Impfung (als Anreiz) für Transferleistungsempfänger. Dazu strikte 2G-Pflicht in allen Bereichen, die nicht absolut lebensnotwendig sind. Mit solchen Regelungen würde einzig ein Kern von vielleicht 1-5% der Bevölkerung verbleiben, der sich weiterhin der Impfung verweigert und lieber regelmäßig Strafen zahlt. Wenn die anderen 95-99% geimpft sind, sind diese 1-5% aber auch irrelevant. Kurzum: Wir brauchen keine Lösung, die auch den härtesten Reichsbürger zur Impfung bringt… das würde ohne unmittelbaren Zwang ohnehin nicht funktionieren, von denen würden einige definitiv eher in den Knast gehen, als sich impfen zu lassen…

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Wäre eine milde und bürokratisch sehr sparsame Form der Impfpflicht denkbar? Es würde ein Termin genannt, ab dem jede Person eine Impfung nachweisen müsste bei stichprobenartigen Kontrollen mit Bussgeldandrohung. Der Einwand könnte sein, dass die wenigen tatsächlichen Kontrollen zu wenig wirken. Aber, der psychische Druck einer massiv kommunizierten Pflicht könnte ausreichen, um dennoch den allergrössten Teil der jetzt noch Ungeimpften umzustimmen (die radikalen Impfgegner freilich nicht, aber die sind zahlenmässig vielleicht schon zu vernachlässigen). Im Übrigen möchte ich da noch auf den Nebensatz von Phillip verweisen, dass eine Impfpflicht der gesichtswahrende Ausweg für alle nicht radikalisierten Verweigerer sein könnte.

Automatisch ergäbe das eine überall geltende, sehr harte 2G-Regel, die den Druck zusätzlich erhöhen würde. Man dürfte ja nicht einmal mehr legal in ein Lebensmittelgeschäft gehen.

Ich dachte ja, die Impfpflicht in Österreich wäre so angelegt, weil ja der 1. Februar so spät ist, dass ich vermutet hatte, es würde bis dahin eben die Frist eingeräumt, sich noch impfen zu lassen. Nach meiner Recherche scheint es aber so ähnlich geplant, wie von Ulf und Phillip vorgeschlagen.

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Ich habe große Probleme wenn ich mir hier die Zwangsmaßnahmen so durchlese, da diese vorwiegend auf die sozial Schwächsten ausgelegt sind.

Wenn schon Bußgeld, dann bitte keine feste Summen die den einen maßlos überfordern für den anderen aber ein Trinkgeld ist. Ausserdem werden betuchte immer (wie im Straßenverkehr auch) versuchen sich der Maßnahme zu entziehen.

In diesem Winter wird die Impfpflicht keine Rolle für das pandemische Geschehen mehr spielen. Man sollte sich aber allgemeine Gedanken machen wie man in Zukunft damit umgehen will.

Hier noch einen Link, da wir dort auch schon über diesen Themenbereich diskutiert haben.

PS
Zwang ist die letzte aller Maßnahmen die ich akzeptieren werde.

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Ich habe die letzten Tage nochmal gründlich über das Thema nachgedacht und einen Gegenvorschlag überlegt.

Ausgangspunkt ist der Gedanke, dass eine Impfplicht in dem von Philip und Ulf vorgeschlagenen Verfahren in diesem Winter keinen Wirkung mehr hätte, denn von der Erstimpfung bis zur Immunität vergehen knapp zwei Monate und für die Zeit von Gesetzgebungsverfahren, bürokratische Umsetzung und Durchlaufen der Eskalationsstufen würden eher drei Monate vergehen. Darüber hinaus ist es wahrscheinlich mit einer Immunisierung gegenüber dem Wuhan Typ nicht getan.

Daher geht es bei der Impflicht meiner Meinung nach eher um die nächsten 2-3 Jahre, bis Corona wirklich endemisch ist.

Hier der Vorschlag:

Die Kommunen erheben umfassend den Immunitätsstatus der gesamten Bevölkerung (Wann und wie oft geimpft/genesen, mit welchen Impfstoffen), damit wir erstmal überhaupt eine verlässliche Datengrundlage haben. Mir fehlt z.B. völlig die Information, wie viele der Ungeimpften genesen sind.

Per Gesetz muss es hier eine regelmäßige Auskunftspflicht und Sanktionen bei falschen Angaben geben, d.h. auch Änderungen des Immunitätsstatus sollten mitgeteilt werden.

Parallel dazu erarbeitet eine Expert:innenkomission Zielvorgaben für die Immunität der Bevölkerung. Das klingt jetzt erstmal simpel (95% impfen und der Drops ist gelutscht), aber der Teufel steckt im Detail. Z.b. sollten wahrscheinlich nur mit J&J geimpfte, Ü60 usw. als ungeschützt gelten, wenn sie keine Boosterung bekommen haben. Bei jüngeren können wir uns größere Impflücken leisten als bei älteren usw.

Außerdem ändert sich ja die Situation dynamisch. Es gibt neue Erkenntnisse, wie lange die Immunität anhält, neue Impfstoffe, neue Varianten. Evtl. ist im Sommer gibt es im Juli einen Impfstoff gegen den Nachfolger von Omikron, der dann möglichst breit verimpft werden muss.

Ziel der Kommission, ist:

  • Eine evidenzbasierte Debatte mit öffentlich verfügbaren Daten und Informationen zu führen. D.h. Daten, Berichte, Sitzungsprotokolle frei verfügbar
  • Die Notwendigkeit einer Immunisierung an die Öffentlichkeit zu kommunizieren, niemand kann dann mehr behaupten, nichts gewusst zu haben
  • Klare Zielvorgaben zu definieren, z.B. Ampelsystem

Liegt die Bevölkerungsimmunität unter der Zielvorgaben, muss die Politik reagieren und kann in letzter Konsequent auch eine Impflicht einführen. Diese wäre meiner Meinung nach am Ende ein milderes Mittel als neue Lockdowns und verhältnismäßig um eine erneute Überlastung des Gesundheitssystems zu vermeiden.

Ich stimme @Daniel_K natürlich vollumfänglich zu bei der juristischen Ausführung. Ich hatte es jetzt alles sehr verkürzt dargestellt, um es erst einmal auf den Nenner zu bringen. Da wir in diesem Ausmaß eine solche Maßnahme noch nie hatten (und hoffentlich auch nicht bekommen), ist es ja auch reichlich spekulativ.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz ist hier jedoch nicht maßgeblich m.M.n. Denn offenbar konnte bei der Bundeswehr bereits eine Impfpflicht angeordnet werden. Somit sollte es auch bei allen anderen Staatsdienern möglich sein (alle Beamten + Parlamentarier). Möglicherweise ist die Bundeswehr jetzt ein Testballon, um zu schauen, wie gut man es durchsetzen kann. Welche disziplinarischen Maßnahmen dann folgen, wird man sehen.

Das Argument warum man es bei Verbeamteten und Verrenteten (wie auch bei Transferempfangenden) relativ leicht umsetzen kann ist ja lediglich, dass die Zahlungen direkt vom Staat fließen. Dieser somit einen direkten Zugriff hat. Der Staat könnte sicherlich auch argumentieren, dass er eine Kostenbeteiligung für Ungeimpfte an den Pandemie-Maßnahmen erhebt. Somit dann bspw. von jedem der genannten Personengruppen 15-20% der monatlichen Zahlung einbehält. Indem nicht der Umweg über Bußgelder gegangen wird, kann man das sicherlich alles viel schneller umsetzen. Schließlich behält der Staat das Geld sofort ein und zahlt es im Zweifel später zurück. Dann können Verbeamtete oder Verrentete mal schauen, wie schnell bei Gerichten diese Sachen entschieden sind und sie währenddessen 15-20% ihrer monatlichen Zahlungen nicht erhalten. Das würde sicherlich unmittelbar zu einer zügigen Reaktion (Impfung) führen. Man muss es ja so hart sagen wie es ist: der Staat müsste und könnte die Impfpflicht nur mit maximalem Druck und voller Konsequenz umsetzen.

Ich würde die Gruppe anders beschreiben. Es sind die am meisten vom Staat abhängigsten. Bei denen könnte man eben die Impfpflicht am ehesten durchsetzen. Das heißt, man würde zuerst die „Schwächsten“ vor ihrer eigenen Unvernunft schützen, um mal in deiner Gruppenbeschreibung und im Framing der Lage zu bleiben. Das wäre doch dann sogar ein Vorteil für diese Menschen. Sie würden sich zwangsimpfen lassen und wären dann vor dem Virus geschützt (und könnten vor ihrem impfkritischen Umfeld das Gesicht wahren). Letztendlich wäre diese Zwangsmaßnahmen so gesehen sogar sozial sehr gerecht.

Würde die Bundesregierung so argumentieren, würde ihr die Impfpflicht bei der Bundeswehr vor dem Verfassungsgericht um die Ohren fliegen.

Der Gleichbehandlungsgrundsatz - das kann man nicht oft genug schreiben - umfasst sowohl das Gebot, dass gleiche Sachverhalte gleich behandelt werden müssen als auch das Gebot, dass ungleiche Sachverhalte ungleich behandelt werden müssen.

Die Argumentation für die Impfpflicht bei der Bundeswehr ist hier z.B. die Tatsache, dass Soldaten „kaserniert“ leben und damit, ähnlich wie Strafgefangene oder Heimbewohner, einem signifikant größeren Risiko im Rahmen einer Pandemie ausgesetzt sind. Außerdem wäre ein zulässiges Argument, dass die Bundeswehr als kritische Infrastruktur die Verteidigung des Landes sichert und daher eine „Schwächung“ durch Corona vermieden werden muss. Das wären sachliche Gründe, die eine Ungleichbehandlung und damit eine Impfpflicht für die Bundeswehr rechtfertigen können.

Die Tatsache, dass der Staat besonders viel „Macht“ über die Soldaten hat und diese „sich nicht wehren können“ wäre explizit kein sachlicher Grund für diese Ungleichbehandlung. Wie gesagt, würde die Bundesregierung auch nur den Anschein machen, als sei das ihre Motivation bei dieser Impfpflicht, wäre die Chance, dass die Impfpflicht in Karlsruhe Bestand hat, gleich Null. Zum Glück ist unsere Regierung - trotz all ihrer Fehler - nicht so inkompetent.

Das Problem sehe ich definitiv auch. Wie ich schon sagte dürften sozialrechtliche Sanktionen nur deshalb in Erwägung gezogen werden, weil sie gegenüber Bußgeldern (bei deren Nichtzahlung Ersatzfreiheitsstrafe droht) die weniger einschneidende Maßnahme wären…

… denn genau das ist das Problem:
Es ist im deutschen Ordnungswidrigkeitenrecht (und wir wollen die Impfpflicht definitiv nicht mit dem deutlich schärferen Schwert des Strafrechts durchsetzen) schlicht nicht vorgesehen, dass Geldbußen vom Einkommen abhängen. Das ist schon rein organisatorisch nicht möglich, weil der Aufwand, um die korrekte Bußgeldhöhe zu ermitteln, zu hoch wäre.

Ich bin da inhaltlich durchaus bei dir, dass diese Sache generell reformiert werden sollte. Es spricht meines Erachtens nichts dagegen, dass das Ordnungsamt die Einkommensdaten vom Finanzamt abrufen können sollte, um automatisiert sinnvolle Bußgelder verhängen zu können. Aber dafür wird es auf absehbare Zeit keine politische Mehrheit geben, vermutlich nicht mal in einer einzigen Partei.

Daher bleibt das Problem:
Wenn wir die Bußgelder zu niedrig ansetzen, können sich Normal- und Vielverdiener zu günstig von der Impfpflicht freikaufen und die Impfpflicht wird im schlimmsten Fall tatsächlich nur die Geringverdiener und Transferleistungsempfänger treffen.
Wenn wir die Bußgelder angemessen hoch ansetzen, dass sie auch dem durchschnittlichen FDP-Wähler weh tun, sind sie aber schnell für den Geringverdiener unverhältnismäßig.

Das ist das klassische Dilemma unseres Ordnungswidrigkeitenrechts.

Zwang (im Sinne von unmittelbaren Zwang, daher jemand wird gegen seinen Willen zum Arzt verschleppt und dort geimpft) würde ich auch nicht akzeptieren, ebenso wenig wie der EGMR.

Und vor der Impfpflicht stellt sich immer die Frage der Verhältnismäßigkeit, und die beinhaltet ob wirklich alle weniger harten Maßnahmen ausgereizt wurden. Und hier muss ich auch sagen, dass ich da aktuell skeptisch bin. Es gibt leider aktuell keinerlei positive Anreize, denn das „Zurückgeben“ von Rechten, die im Rahmen der Pandemie beschränkt wurden, ist in der Tat kein „positiver Anreiz“.

Jedem, der sich impfen lässt, Geld in die Hand zu drücken, halte ich auch für schwierig, weil man damit einzig diejenigen belohnt, die sich noch nicht haben impfen lassen. Aber es spricht aus meiner Sicht absolut rein gar nichts gegen eine Impf-Lotterie - das haben viele andere Staaten erfolgreich praktiziert und es macht einfach Sinn, wenn man bedenkt, dass gerade die bildungsfernen und ökonomisch schwachen Bevölkerungsteile zum „Lotto spielen“ tendieren.

Das Problem ist halt, dass am Anfang der Impfstoff knapp war, also hat man sich über positive Anreize keine großen Gedanken gemacht - sie hätten kontraproduktiv gewirkt, da sie zu noch mehr Impf-Vordränglern geführt hätten. Als dann aber genug Impfstoff da war und sich abzeichnete, dass wir nicht das nötige Quorum für die Herdenimmunität erreichen werden, hat die Politik mal wieder zu langsam reagiert…

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Dazu möchte ich folgendes verlinken

so lange es so läuft ist die Rechtfertigung für eine Impfpflicht nicht gegeben.

Währet den Anfängen vor solch einem Gedankengut!
Heute setzen wir eine Coronamimpfung mit diesem Argument durch, aber was kommt dann morgen?
PS
der Harz4 Satz ist das Minimum (angeblich, aber eigentlich zu wenig) das ein Mensch zum leben braucht.
Jede Kürzung ist eine Existenzbedrohung. Diese Zwangsmaßnahme ist nach der offiziellen Wertevorstellung unserer Gesellschaft eigentlich nicht anwendbar.

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Naja, wenn es eine Impfpflicht gibt, dann ja ohnehin wie in Österreich mit langem Vorlauf. Daher z.B. wie heute auch in Deutschland diskutiert ab Februar. Bis dahin sollten alle genug Zeit haben, sich impfen zu lassen.

Ob so etwas wie das in diesem Zeitungsartikel geschilderte die Regel oder eher die Ausnahme ist, ist halt die Frage. Die ganze Faktenlage zum Thema „Wie hoch ist der Anteil der Querdenker/Hardcore-Impfverweigerer unter den Ungeimpften“ ist mMn relativ schwierig zu bewerten.

Letztlich halte ich eine Impfpflicht nur für ehrlich und konsequent. Ich denke wir sind uns einig, dass es extrem wichtig ist, einen angemessenen Anteil der Bevölkerung geimpft zu bekommen. Wenn wir das auf „freundlichem“ Wege nicht schaffen, wird zwangsläufig mehr Druck aufgebaut werden (durch Selbstzahlen der Tests, 2G-Regelungen und in letzter Instanz eine Impfpflicht). So gesehen kann man auch einfach direkt die Impfpflicht durchziehen, das wäre jedenfalls ehrlicher als über Monate und Jahre hinweg zu kommunizieren, es sei eine persönliche Entscheidung, wenn diese persönliche Entscheidung letztlich doch nicht akzeptiert wird.

Sehe ich an und für sich genau so, aber das Problem ist halt:
Wie sanktionieren wir bei einer Impfpflicht diejenigen, die wir nicht finanziell sanktionieren können, weil sie bereits am Existenzminimum leben? Wie gesagt, Beugehaft oder Ersatzfreiheitsstrafen sehe ich als noch problematischer an, als eine sozialrechtliche Kürzung, daher wäre es das mildere Mittel. Besser wäre es natürlich, es gäbe noch andere Wege, aber mir fällt leider wirklich nichts ein, was funktionieren könnte.

Alles andere, z.B. konsequente 2G-Regeln im öffentlichen Bereich, kann halt auch nur schwer gegen Transferleistungsempfänger durchgesetzt werden, weil auch hier die Durchsetzung nur finanziell vorgesehen ist, was dann ebenfalls damit endet, dass die Leute entweder weniger als das Existenzminimum zur Verfügung haben oder Ersatzfreiheitsstrafen absitzen müssen.

Andererseits können wir halt auch nicht sagen: „Dann sanktionieren wir diese Leute halt gar nicht…“, weil das von Hardcore-Querdenkern in diesen Gruppen massiv ausgenutzt werden würde.

Ich bin froh, dass ich kein Politiker bin, der hier eine Entscheidung treffen muss…

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Der folgende Podcast hat meine Meinung zur Impfpflicht verändert. Vielleicht ist der hier auch interessant, da er noch ein anderes Licht auf das Problem wirft.

Ja, Linus hat schon ein paar gute Argumente.

Was man natürlich dagegen halten kann ist die Tatsache, dass in den Ländern, in denen bisher eine Impfpflicht eingeführt wurde, die Impfquoten durchaus nach oben gegangen sind. Auch, wenn die Impfpflicht nur bestimmte Berufsgruppen umfasst hat (wie z.B. in Frankreich). Aber auch in Österreich gab’s nach Verkündung der Impfpflicht erstmal wieder einen Run auf die Impfcenter.

Die Frage bleibt halt weiterhin, ob die Ungeimpften mehrheitlich aus ideologischen Gründen bewusst ungeimpft sind (dann treffen Linus Argumente mit der Reaktanz zu…) oder ob ein beträchtlicher Teil davon auch einfach bisher zu verpeilt war und mit einem „Stoß“ in die richtige Richtung noch sinnvoll beeinflusst werden kann.

Das Gegenargument, das auch gerne geäußert wird, ist natürlich, dass eine Impfpflicht gemäßigten Impfverweigerern auch eine gesichtswahrende Möglichkeit bietet, sich impfen zu lassen. Denn ohne Pflicht, also basierend auf Freiwilligkeit, müsste der Impfverweigerer zugeben, sich in der Vergangenheit geirrt zu haben. Mit einer Impfpflicht kann er weiter auf seiner Meinung beharren, aber halt sagen: „Ich hab leider keine Wahl, ich werde ja gezwungen…“. Das kann auch durchaus positiv wirken.

Kurzum:
Ich bin da auch hin- und hergerissen, komme aber nach allen Informationen eher zum Ergebnis, dass eine Impfpflicht sich vermutlich eher positiv auswirken wird. Aber ich kann absolut nachvollziehen, dass man auf Grundlage der gleichen Informationen auch zum gegenläufigen Ergebnis kommen kann. Die Hardcore-Impfgegner wird man auf keinem der beiden Wege erreichen können, die sind ohnehin verloren…

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Bestünde bei einer Impfpflicht nicht die Gefahr, dass sich eine zweite RAF/NSU gründen könnte und Menschen in den Untergrund abtauchen? Oder ist die Radikalisierung bei den Impfgegnern noch nicht derart fortgeschritten?

Könnte man nicht das Mitführen eines Impfpasses in der Öffentlichkeit verpflichtend machen und dann vom Ordnungsamt und Polizei stichprobenartig kontrollieren lassen? Wer seinen Impfstatus nachträglich nachweisen kann, erhält das Bußgeld natürlich wieder zurück. Ungeimpfte, die nur selten das Haus verlassen, entgehen so einer Strafe, aber die tragen ja auch nicht zum Infektionsgeschehen bei.

Ich würde nicht soweit gehen, gleich eine zweite RAF zu befürchten.

Aber ich denke auch, dass der Anteil jener, die sich selbst im legitimen Widerstand gegen ein autoritäres Regime wähnen, durchaus signifikant ist. Die sehen sich jetzt bestätigt, da „das Regime nun seine Maske fallen lässt und den Impfzwang gewaltsam durchsetzen wird“. Die werden die von Linus Neumann beschriebene Reaktanz zeigen.

Ich könnte mir sogar vorstellen, dass eine Impfpflicht auch viele aus der Gruppe der Schwankenden in die Arme der Verweigerer treibt. Die Gefahr durch das Virus wird allenfalls als abstrakt und weit entfernt empfunden. Der Wortbruch von „denen da oben“, die ja eine Impfpflicht bisher ausgeschlossen hatten, ist hingegen so unmittelbar spürbar wie die eigene Betroffenheit von der Pflicht. Und „die Politik“ hat sich ja im bisherigen Umgang mit der Pandemie nicht wirklich als vertrauenerweckend gezeigt. Viele, die man mit echten niederschwelligen Angeboten und direkter Ansprache bekommen hätte, glauben nun zu sehen, dass die Querdenker vielleicht doch recht hatten.

Ja, die anekdotische Evidenz in meinem (nicht freiwillig ausgesuchten) sozialen Umfeld ist da sicher nicht repräsentativ. Aber ich muss solche Tendenzen leider häufiger beobachten, als mir lieb ist.

Ich sage jedem, der mit „Vertrauen in die Politik kommt“ (und darum jetzt auch hier):
Die Regierung, die das versprochen hat, wurde abgewählt. Und das nicht ohne Grund. Die neue Regierung ist daran nicht gebunden. Anna-Lena Baerbock hat im Triell der ARD auf die Frage „Wird es eine Impfpflicht geben?“ geantwortet: „Wenn es die Situation erfordert, schließe ich eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen nicht aus.“ (Olaf Scholz hat sie damals ausgeschlossen, aber das wissen sie ja nicht)
Keiner kam jedenfalls auf die Idee zu behaupten, das Vertrauen in die Politik sei erschüttert, als Rot-Grün abgewählt wurde und Schwarz-Gelb ihr Klima- und Sozialprogramm in die Tonne gekloppt hat inklusive Atom- und Kohleausstieg.
Ich sag dann immer gern, dass sie sich noch umschauen werden, wenn die Ampel erst mal loslegt. Wird ja auch Zeit für ein bisschen Grün in unserem Markt.
Worauf sie dann antworten, dass ich doch nicht ernsthaft glaube, dass sich irgendetwas ändert mit denen. Worauf ich dann sage: Wieso, geht doch mit der Impfpflicht schon los, oder nicht? Worauf sie mich verdutzt anschauen.

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Ich bevorzuge dann doch lieber eine ehrliche Argumentation. Übrigens mochte sich Annalena Baerbock im September nur für eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen aussprechen und Christian Lindner war ebenso wie Olaf Scholz dagegen.

Das ist natürlich Teil einer Koalition, dass ein paar Leute ihre roten Linien aufgeben müssen.
Das war bei den Grünen HartzIV-Geld für Kinder und Tempo130. Bei den anderen ist noch nicht ganz so klar, welche Kröten sie werden schlucken müssen.
Für die FDP wird die Corona-Politik nicht einfach werden,
Aber liebe wird Christian Lindner eine Impfpflicht einführen, als Tempo 130 und E-Autopflicht.

Ich sehe auch nicht nur den rechtlichen Aspekt einer allgemeinen Impfpflicht, sondern vor allem die sozialen Auswirkungen.

Natürlich wäre eine allgemeine Impfplicht aus epidimologischer Sicht sinnvoll, weil dann wahrscheinlich ein sehr hoher Teil der Bevölkerung geschützt wäre, aber radikalisieren wir damit nicht den kleinen Rest?

Nur mal angenommen, wir hätten zum Zeitpunkt der Einführung der Impflicht noch 30% Ungeimpfte (einfach mal als fiktiver Wert).

  • Und wir nehmen mal an, 15% (Gruppe A) davon sind „Impfbummler“ und würden bei der Ankündigung einer Pflicht sich sofort impfen lassen.
  • Weitere 10% (Gruppe B) sind skeptisch gegenüber der Impfung eingestellt, würde sich ohne Pflicht nicht - oder zumindest nicht mit den derzeitigen Impfstoffen - impfen lassen. Diese Gruppe ist aber rechtsschaffend und würde sich bei einer Pflicht zähneknirschend impfen lassen.
  • Und die restlichen 5% (Gruppe C) würden auch bei einer Pflicht nicht impfen lassen, Strafzahlungen in Kauf nehmen oder Fälschungen für den Nachweis erbringen - was auch immer.

Dann hätten wir durch die Impfpflicht eine 95% Impfquote erreicht und vielleicht die Pandemie hier in Deutschland im Griff. Aus Sicht von uns Geimpften erst mal gut.

Dann hätten wir aber zum einen die Gruppe C mit 5% (also - wenn man mal bei diesen angenommenen Zahlen bleibt - ca. 4 Mio. Menschen), die in irgendeiner Form rechtsbrechend tätig werden, sich vielleicht (weiter) radikalisieren und vor allem die Gruppe B potenziell mit ins Boot holen können.
Aber lassen wir die Radikalen der Gruppe C mal ausser Acht, denn gerade um die Gruppe B sollten wir uns Sorgen machen. Den Impfstatus dieser Menschen kann man sehr schnell durch die Impfung von weiss auf schwarz drehen wie einen Reversi-Stein.
Aber da diese Menschen zu diesem Schritt gezwungen wurden, hat man doch damit nicht gleichzeitig ihre Einstellung gewandelt. Im Gegenteil: Diese 10% werden noch mehr sauer auf die Politik sein, als schon jetzt, nie wieder wählen gehen, etc.
Also ein epidimologischer Erfolg: Note 1, aus sozialer Sicht: Note 5-6

Wäre nicht ein Weg wie ihn z.B. Portugal gegangen ist, von dem gesamten Ergebnis her wesentlich sinnvoller: Man schickt allen einen Brief mit einem Impftermin. Damit bekommt man zumindest die meisten „Impfbummler“ ohne Pflicht und der Rest würde sich nicht radikalisieren und damit für lange Zeit unerreichbar sein.
Ich kann mir gut vorstellen das eine allgemeine Impfpflicht langfristig für die Gesellschaft ein großes Eigentor wäre.