Hier mal eine ernst gemeinte Frage, weil ich nicht verstehe, warum dieser Vorschlag in der politischen Diskussion aktuell keine Rolle spielt:
Praktisch alle Politiker (und sehr viele Arbeitgeber und Arbeitnehmer) fordern eine Senkung der Lohnnebenkosten, also in erster Linie der Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung.
Als politische Lösung wird inzwischen zunehmend eine Reduzierung der Leistungen diskutiert: Der Pflegegrad 1 soll abschafft werden und Zahnbehandlungen aus den Leistungen der GKV rausgenommen werden. An die Rente traut sich noch keiner so richtig ran, das kommt aber sicher irgendwann.
Warum wird stattdessen nicht ernsthaft die offensichtliche Alternative erwogen: Eine Ausweitung der beitragspflichtigen Einkommen über das Arbeitseinkommen von Angestellten hinaus?
Die Beitragspflicht von Beamtendiäten wird ja zumindest hin und wieder mal vorgeschlagen. Aber es gibt ja auch noch andere Alternativen: Einkommen aus Kapitalerträgen, Einkommen aus Vermietung und Verpachtung, private Veräußerungsgeschäfte, Einkommen aus selbstständiger Arbeit, Einkommen Deutscher im Ausland usw.
Wenn man das Bruttonationaleinkommen (also das Gesamteinkommen aller Inländer vor Steuern und Abgaben aus allen Einkommensarten außer aus Veräußerungsgeschäften) als Grundlage nimmt, dann hätte man im Jahr 2024 die Gesamtausgaben aus der PKV und GKV mit einem Abgabensatz von ca. 8%* decken können (Nicht berücksichtigt sind Einkommen von Ausländern in Deutschland, die man theoretisch natürlich auch durchgehend beitragspflichtig machen könnte).
Zum Vergleich: Der Beitrag der GKV betrug 2024 14,6%.
Ich würde annehmen, dass dies zu einer deutlichen Reduzierung der Lohnnebenkosten führen würde (was Arbeitgeber gut finden) und nebenbei die niedrigen und mittleren Einkommen und Renten überproportional entlastet (was beim durchschnittlichen Wähler gut ankommen dürfte).
Für Menschen mit hohen Kapitalerträgen würde es teurer werden. Die profitieren aktuell aber ohnehin von einer Besserstellung gegenüber Arbeitseinkommen durch die Abgeltungssteuer. Den Interessen “kleiner” Vermieter könnte man durch einen Freibetrag entgegenkommen, wobei ich das ehrlich gesagt kaum für nötig halte, da diese “kleinen” Vermieter ja an anderer Stelle (bei Abgaben auf ihre Arbeitseinkommen und Renten) sowieso entlastet werden.
Warum wird so ein Konzept nicht ernsthaft in Erwägung gezogen? Gibt es fundamentale verfassungsrechtliche Bedenken, die ich nicht berücksichtige?
*Gesamtausgaben der PKV und GKV im Jahr 2024: 363,65 Milliarden Euro. Bruttonationaleinkommen 2024: 4.449,44 Milliarden Euro.
