Das ist die eine Seite der Medaille - ja, das Problem könnte größer sein, da der konservative Bereich innerhalb des Islam zumindest in Teilen Abgrenzungsprobleme zum Islamismus hat.
Allerdings muss man eben auch sagen, dass wir das gleiche Problem bei der Angrenzung von „Konservativen“ und „Rassisten“ haben - der sehr konservative CDUler grenzt sich eben auch oft nicht hinreichend zum Rechtsextremismus ab und äußert bisweilen rassistischen Unsinn („kleine Paschas“, „Zahnarztdebatte“ usw.).
Wenn wir alle diese konservativen Fälle, die gelegentlich extremistischen Unsinn erzählen, zu den „ideologisch im Kern gefestigten Extremisten“ packen, kommen wir natürlich zu gigantischen Zahlen. Aber macht das Sinn?
Es macht schon Sinn, die „gefestigten“ Extremisten von den Konservativen, die hin und wieder mal falsch abbiegen, abzugrenzen.
Die andere Seite der Medaille ist nun der Schutz der „gemäßigten Muslime“ vor „Pauschalurteilen“. Denn bei Beiträgen wie deinem kommt im Unterton immer mit durch, dass ja eigentlich fast alle Muslime, außer die ganz extrem liberalen, quasi Islamisten seien (oder zumindest nah dran). Und das ist ein Narrativ, dass wiederum Extremisten und Erzkonservative verbreiten, wenn sie z.B. sagen, dass „der Islam nicht zu Deutschland gehöre“.
Hier muss auch klar sein, dass hier wieder Etikettierungsprozesse im Gang sind. Wenn wir als Gesellschaft alle Muslime als potenzielle Islamisten stigmatisieren und ihnen damit ein Identifikationsangebot aufdrängen, wird es fast schon im Sinne einer selbsterfüllenden Prophezeihung genau dazu kommen, dass einige dieses Identifikationsangebot annehmen.
Deshalb fordere ich nur, dass wir fair aufteilen müssen zwischen „geht gar nicht“ (Salafisten und andere Extremisten, die hier die Scharia einführen wollen und Hass predigen), „ist im Rahmen des Erlaubten“ (sehr konservative Muslime, die sich mit unseren Werten schwer tun, sie aber in aller Regel doch befolgen) und „explizit förderungswürdig“ (sehr liberale Muslime, die einen Islam vertreten, der explizit den westlichen Wertekanon stützt). Und danach müssen wir uns richten, wenn es darum geht, was wir verbieten und was wir erlauben.
Wenn wir dann z.B. die Beschneidungsdebatte bei Jungen aufmachen, treffen wir damit alle Muslime (und Juden, und Leute, die es aus anderen Gründen praktizieren, was auch immer wir davon halten mögen). Und das wird dazu führen, dass einige gemäßigte Muslime das Gefühl bekommen, wir wollen „ihre Religion verbieten“ und es als „Angriff auf ihre Religion“ sehen und sich folglich radikalisieren.
Solche Dinge muss man immer im Hinterkopf haben.