Ich war über Weihnachten eine Woche in Sachsen und habe dort mit Familie und Freunden (aus der Heimat) gesprochen. Dazu zunächst einige Tatsachen:
- die Mehrheit derer die ich getroffen habe war Geimpft (teilweise geboostert)
- die Spaltung innerhalb Sachsens ist deutlich geringer ausgeprägt als im „Westen“
- Geimpfte akzeptieren u.a. viel mehr, dass es Impfskeptiker gibt (jede Meinung ist o.k.)
- nahezu niemand glaubt an Verschwörungstheorien, es dominiert Ungewissheit
Mit dem letzten Punkt würde ich gerne beginnen. Selbst meine doppelt geimpfte und geboosterte Oma glaubt nicht, dass in der Politik irgendjemand ernsthaft einen Plan hat, was die Impfungen bewirken und wieviel der Impfschutz wirklich bringt. Viele jüngere Menschen mit denen ich gesprochen habe, ließen sich impfen, um weiter am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Die primäre Grund war nicht der Schutz der Impfung. Auch die Mitfahrerin (die ich per Mitfahrgelegenheit von Chemnitz nach Köln mitgenommen habe) hat sich impfen lassen, weil man perspektivisch nicht drum herum kommt und es das Leben leichter macht (sie ist übrigens Krankenpflegerin).
Das hat noch einmal verdeutlich, im Gegensatz zur breiten Berichterstattung in den Medien, dass nur ein geringer impfskeptischer Teil der Bevölkerung an Verschwörungen glaubt. Vielmehr sind viele Menschen nicht von der Wirksamkeit der Impfung überzeugt und warten lieber ab. Das Argument, jetzt auf einmal geht es nur noch mit Booster und demnächst dann die vierte Impfung, wird am häufigsten genannt. Das scheint die Impfung als solche selbst zu diskreditieren. Zudem kennen viele Menschen auch Geimpfte, die in der gigantischen Herbstwelle in Sachsen schwer erkrankt oder gestorben sind.
Was sollte also die Politik tun?
Eine bessere Kommunikation scheint das A und O zu sein. Die ständigen Widersprüchlichkeiten bei den Pandemie-Maßnahmen und Aussagen zur Impfung führen zu einer immer weiter sinkenden Akzeptanz und massivem Vertrauensverlust in die Politik. Viele Sachsen glaube nicht, dass die Politik willens oder in der Lage ist, die Pandemie zu lösen. Hier wäre sicherlich auch angebracht, dass die Politik endlich einmal bei den eigenen Aufgaben performt. Erfassung des Pandemiegeschehens, hybrider Unterricht, digitale Verwaltung, Bereitstellung von Impfstoff. Würde die Politik ein einigermaßen gutes Pandemie-Management hinbekommen, könnte auch das Vertrauen wieder steigen.
Wie würde sich die Lage durch eine Impfpflicht verändern?
Die Mehrheit, mit denen ich gesprochen habe, würden von ihrer jetzigen Meinung nicht abweichen. Man muss jedoch anmerken, dass die Konsequenzen heute ja noch nicht bekannt sind. Es würde wohl eher zu einem noch größeren Misstrauen führen, weil die Menschen (in Sachsen) die Unfähigkeit der Politik ausbaden müssen. Viele Geimpfte zweifeln inzwischen auch an, ob es die richtige Entscheidung war sich impfen zu lassen und insbesondere zukünftig weitere Impfungen zu erhalten. Es gibt nach wie vor (möglicherweise aus einem historischen Kontext der DDR-Vergangenheit) eine enorme Skepsis gegenüber staatlicher Zwangsmaßnahmen, insbesondere bei einer nicht einleuchtenden widersprüchlichen Argumentationskette seitens der Politik (wenn 2/3 in DE geimpft sind fallen alle Maßnahmen; es wird keine allgemeine Impfpflicht geben; wir haben das Gröbste überstanden (Sommer 2021); wer doppelt geimpft ist, hat den besten Schutz; usw.). Entgegen der langläufigen Meinung die meisten Menschen wären Querdenker oder Rechtsextreme (die Impfskeptiker in Sachsen) muss man sagen, dass es vielmehr eine Art von Ungewissheit ist. Im Gegensatz zu Westdeutschland wird insbesondere in Sachsen auch vielen Menschen das Recht zugesprochen, diese Entscheidung für oder gegen die Impfung zu treffen und das wird dann auch relativ uneingeschränkt akzeptiert untereinander. Menschen werden dort auch nicht in gute (geimpft) und schlechte (ungeimpft) Menschen unterteilt. Die westdeutsche Polarisierung findet dort so nicht statt.
Abschließend soll aber noch einmal gesagt werden, dass die Mehrheit der Sachsen (>50%) geimpft ist. In Sachsen findet lediglich eine andere Risikogewichtung statt und die westdeutsche Risikopräferenz zugunsten des Impfens wird nicht in diesem Ausmaßgeteilt. Die Lösung wird zumindest in Sachsen jedoch nicht in der Durchführung einer allgemeinen (harten) Impfpflicht liegen.