Nein, natürlich nicht, aber das hat nichts, aber auch gar nichts mit Impfmuffelei zu tun, sondern ist einfach nur ein rhetorischer Trick, um die Verantwortung für eine eigene Fehlentscheidung auf “die da oben” zu verschieben, die auch Fehler machen - gerade so, als müsste sich die Bundesregierung die Impfungen der Bevölkerung durch ein perfektes Pandemie-Management quasi verdienen.
Davon habe ich noch nie gehört, vielen Dank für den Hinweis darauf. Das erklärt natürlich auch noch viele andere unterschiedliche Wahrnehmungen. Inactivism war ja geradezu die Strategie von Merkel. Deswegen war sie wahrscheinlich auch so beliebt, weil sich für die Bürger in 16 Jahren nichts gravierend verändert hat. Ohne 2015 hätte sie sicherlich auch heute noch im Osten sehr großen Zuspruch mit dieser Strategie.
Das „new normal“ wurde ja im Laufe 2021 oft thematisiert, auch von der Philosophie. Der Begriff wird aber sicherlich keinen großen Einfluss darauf haben, dass die Politik Menschen überzeugen kann. Gerade die genannte kurzfristig orientierte Kommunikation (Wahlen scheinen in einer Pandemie ein Problem zu sein) führen zu Missverständnissen und Misstrauen. Auch wenn sich wissenschaftliche Erkenntnisse verändern, kann die Politik nicht ständig den Kurs ändern. Ehrliche Aussagen - so ist es - schaffen Vertrauen und Verlässlichkeit. Die Strategie der Bundesregierung in der Pandemie: ihr könnt uns vertrauen, wir fahren zwar auf Sicht, aber wir kümmern uns darum … und es dann später nicht zielführend zu machen, schafft genau nicht das Vertrauen. Man kann die Impfskepsis ja nicht losgelöst von den allgemeinen Pandemiemaßnahmen trennen. Die Bürger sehen das doch im Gesamtkontext, ob die Politik logisch und sinnvoll entscheidet. Gerade aber bei den Maßnahmen (15 km Radius, Friseure zu, wirtschaftsfreundliche Arbeitsregelungen, Stadion auf - Schule zu, …) hat man ultimativ viel Unverständnis produziert. Was ja nun auch in den 2 Jahren in allen Satiresendungen zahllos oft aufgegriffen wurde.
Ja @Martino, dann gehen unsere Ansichten wohl auseinander. Das ist ja auch okay. In einer liberalen Gesellschaft muss man ja auch andere Meinungen haben können und tolerieren.
Ich wollte mit meinem Beitrag nur die von mir erfasste Situation beschreiben, nicht die Sachsen besser oder schlechter stellen. Sich anzumaßen über „die Sachsen“ zu urteilen ohne jemals mit einem Ungeimpften über dessen Intentionen gesprochen zu haben, halte ich für sehr überheblich. Was von denen auch oft als typisch Westdeutsches Verhalten gedeutet wird.
Mir geht es vor allem um Versöhnung der verhärteten Fronten. Wenn man ein Entgegenkommen der Impfskeptiker erreichen will, muss man auch selbst auf diese zugehen. Der verallgemeinernde Sammelbegriff Verschwörungstheoretiker oder Querdenker ist da auch weniger zielführend.
Das ist eine extrem gefährliche These. Wenn eine Seite naturwissenschaftlich Recht hat und die andere irrt, dann liegt die Wahrheit eben nicht in der Mitte. Das “Zugehen” kann also nur in einer besseren Kommunikation der eigenen Position bestehen, aber nicht in inhaltlichen Kompromissen.
Was damals auch stimmte.
Was heute auch stimmt, und (neben anderen Gründen) an der abnehmenden Wirkung über die Zeit liegt.
Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Menschen wie selbstverständlich damit argumentieren, dass sie (oder andere) damit überfordert sind, eine veränderte Lage anzuerkennen und darauf zu reagieren.
Es ist ja nicht so, dass die Impfung vor einem halben Jahr sich jetzt als Fehler rausstellt, und alle, die im Sommer auf die Impfung verzichtet haben, jetzt viel besser da stehen und bessere Optionen haben.
Wie kommt ihr sonst durch’s Leben? Wenn die Straße gesperrt ist? Wenn der Supermarkt heute spontan zu hat? Wenn ihr einen Wasserschaden in der Wohnung habt?
Alle Menschen in Deutschland wollen eine Perspektive. Alle Leute sind mit der Politik unzufrieden. Nur in Sachsen (stimmt natürlich nicht, ist der ganze Osten; und ja, ich provoziere damit) verweigert man dazu die Impfung.
Ich bin mir nicht sicher, wie sehr du hier die Argumente wiedergibst oder sie selbst teilst.
Ok. Trotzdem benutzt du diese Erfahrungen, um das Verhalten zu rechtfertigen und zu erklären. Es taugt für beides nicht.
Du (bzw. die Sachsen, die du vertrittst) schmeißt hier „Wissenschaft“ und „Politik“ in einen Topf.
Ich nicht. Und du hast hier noch keine Gründe für’s Nicht-Impfen geliefert, die ich nicht schon (auch außerhalb von Sachsen) kenne.
Genau genommen wurde von Anfang an gesagt, dass die Impfung möglicherweise nicht dauerhaft schützen wird und auch, dass es sein kann, dass durch eine neue Situation (Varianten) weitere Impfungen oder Anpassungen der Impfstoffe notwendig sind. Gerade die, die ja behaupten sich ach so toll zu informieren und zu zweifeln müssten das doch bitte mitbekommen haben. Das scheint aber dann ja offensichtlich doch nicht der Fall zu sein.
Genauso ist es jetzt auch wieder. Das Boostern hilft. Vor allem noch gegen Delta. Bei Omicron anscheinend auch aber wohl nicht so gut wie ein extra dafür angepasster Impfstoff es täte. Damit ist aber auch heute klar, dass es sehr wahrscheinlich sinnvoll ist auch noch eine vierte Impfung zu bekommen.
Über die Corona-Politik, die Umsetzung der Impfkampagne und co. kann man sicher genug streiten und Kritik üben. Verbesserungspotenzial gibt es überall. Aber das soll doch bitte nicht dafür herhalten, dass man meint das zu nutzen, um seine Impfverweigerung zu begründen. Egal ob in Sachsen, im Osten, im Süden bei den Antros oder sonst wo.
Selbst wenn man dem Staat null vertraut macht die Impfung trotzdem Sinn.
Ich denke dieses Wahrnehmungsproblem ist ganz zentral. Viele Impfgegner (so meine Beobachtung) argumentieren, dass sie nicht einsehen, dem Staat entgegen zu kommen, während sich der Staat nach ihrer (z.T. durchaus gerechtfertigten) Einschätzung einen Sch*** für sie interessiert. Das geht dann so weit, dass diese Gruppe ganz gezielt die Impfkampagne boykottiert, um damit dem Staat eins auszuwischen. Das ist in etwa die geistige Einstellung eines dreijährigen Kindes, dass Mama und Papa mal richtig damit ärgern will, dass es sich nicht mehr die Zähne putzt.
Meine Einschätzung wäre, dass es hier nicht hilft, das Vertrauen in den Staat zu stärken (das ist eine andere Baustelle), sondern über einen dezentralen Weg ein Gefahren- und Verantwortungsbewusstsein für sich selbst und das unmittelbare Umfeld (Freunde, Familie) zu schaffen.
Danach müsste ja jedem zugestanden werden, dass man seine Risikoabwägung trifft.
Die Voraussetzung für eine Risikoabwägung ist, dass ich zwei Risiken nicht „verrechnen“ kann und daher selbst „gewichten“ muss, was für mich und mein Umfeld akzeptabler ist. Beispiel: jemand macht eine Risikosportart und er muss die Folgen für sein Lebensglück (falls er mit dem Sport aufhört) gegenüber dem Risiko, sich dabei schwer zu verletzen oder zu sterben abwägen.
Bei der Impfung vergleiche ich das Risiko (Eintrittswahrscheinlichkeit*Auswirkung) von Impfschäden mit dem Risiko von Schäden durch eine Infektion. Ich kann mir also z.B. angucken, wie häufig es schwere Nebenwirkungen nach der Impfung und wie häufig es schwere Folgen einer Infektion gibt. Das kann miteinander verrechnet werden (Eintrittswahrscheinlichkeit, Risiko sich zu infizieren, gesundheitliche Folgen etc.) und stellt mit großem Abstand die Impfung als das geringere Risiko für meine Gesundheit heraus. Was gibt es denn da jetzt noch abzuwägen?
Ich verstehe durchaus, dass jemand Bedenken bei der Impfung hat, wenn er z.B. Fälle von Impfschäden in der Verwandtschaft hatte. Das ist dann eine nachvollziehbare emotionale Blockade, die aber nichts mit rationaler Abwägung zu tun hat.
Selbst meine doppelt geimpfte und geboosterte Oma glaubt nicht, dass in der Politik irgendjemand ernsthaft einen Plan hat, was die Impfungen bewirken und wieviel der Impfschutz wirklich bringt.
Natürlich nicht. Niemand kann das glauben. Der Gesundheitsminister von NRW hat gestern ernsthaft erklärt, er hätte jetzt brandneue Informationen, dass mit der neuen Omikron-Variante das Corona-Virus sogar über Aerosole übertragen wird! No shit, Sherlock. Niemand sollte solchen Leuten trauen einen perfekten Plan zu haben.
Wie andere aber schon geschrieben haben, drückt die Verweigerung der Impfung aber kein Misstrauen gegenüber „der Regierung“ aus, sondern gegenüber der Wissenschaft. Jeder müsste daher doch im Gegenteil zusehen, möglichst schnell geimpft zu werden, denn die Politiker werden keine andere Lösung präsentieren.
Das hat noch einmal verdeutlich, im Gegensatz zur breiten Berichterstattung in den Medien, dass nur ein geringer impfskeptischer Teil der Bevölkerung an Verschwörungen glaubt. Vielmehr sind viele Menschen nicht von der Wirksamkeit der Impfung überzeugt und warten lieber ab.
Unsinn. Wer ernsthaft glaubt, Milliarden verimpfte Dosen weltweit in den unterschiedlichsten Ländern hätten keine Wirkung und würden nur zum Spaß verteilt, oder aus welchen anderen finsteren Gründen auch immer, der glaubt an eine Verschwörungserzählung. Was denn sonst?
Es gibt nach wie vor (möglicherweise aus einem historischen Kontext der DDR-Vergangenheit) eine enorme Skepsis gegenüber staatlicher Zwangsmaßnahmen,
Sorry, aber diese Legende, dass „die Ostdeutschen“ und insbesondere Sachsen in der DDR eigentlich alle Teil des Widerstands waren und schon immer „skeptisch gegenüber staatlichen Zwangsmaßnahmen“, während die Westdeutschen traditionell regierungstreue, gutgläubige Schafe sind, ist doch komplett ahistorischer Bullshit. Im Westen sind regelmäßig weitaus mehr Leute gegen Notstandsgesetze, NATO-Doppelbeschluss, Atomkraft, Volkszählung usw. auf die Straße gegangen, als Pegida, Querdenker und ähnliches Gelumpe jemals aufgebracht haben, zu Zeiten, als im Osten noch brav zu Honeckers Geburtstag marschiert wurde.
Auch ist es doch im besten Fall beschönigend zu glauben, dass die Mehrheit im Osten 1989 für demokratische Werte auf die Straße gegangen ist. Für die war Freiheit damals schon ‚nach Malle fliegen‘ und ‚große Autos‘, und das ist jetzt eben noch genauso. Die Leute vom Neuen Forum sind doch bereits bei der ersten gesamtdeutschen Wahl fast komplett untergegangen, weil die DDR-Bürger lieber westdeutsche Politiker haben wollten, die ihnen Geld und Geschenke versprachen. Und der Osten hat sowieso in den 30ern schon überproportional NSDAP gewählt, hat sich danach dann halt überwiegend mit dem nächsten autoritären Regime arrangiert, und jetzt ist insbesondere Sachsen wieder in den 30er Jahren angekommen, inkl. Straßenterror und Unterstützung aus den Sicherheitsbehörden heraus…
Im Gegensatz zu Westdeutschland wird insbesondere in Sachsen auch vielen Menschen das Recht zugesprochen, diese Entscheidung für oder gegen die Impfung zu treffen und das wird dann auch relativ uneingeschränkt akzeptiert untereinander.
Ja. Genau wie dort eben auch relativ uneingeschränkt akzeptiert wird, wenn Leute rechtsradikal sind. Das ist jetzt aber keine positive Eigenschaft, die eine Gesellschaft haben kann.
Das kann doch nicht allen ernstes zufriedenstellen, was im letzten Jahr im Pandemiemanagement von der Bundesregierung (und den Landesregierungen) abgeliefert wurde!
Nein, zufrieden kann man damit nicht sein. Aber die staatliche Hilflosigkeit ob der Herausforderungen der Pandemie ist kein deutsches oder sächsisches Phänomen, sondern ist in großen Teilen „des Westens“ zu besichtigen.
Hier wird ein systemisches Problem offenbart, das nicht die Schuld von bestimmten Politikern oder Institutionen ist: die staatlichen Organe sind handlungsunwillig, konfliktscheu und können allenfalls noch in krisenhaft zugespitzten Ausnahmesituationen spürbar in den Status quo eingreifen.
„Wir“, die Gesellschaft, haben dieses Problem und „wir“ müssen daran arbeiten, es in Zukunft besser zu machen.
In NRW und anderswo mögen manche Menschen konservativ sein, gerade auf dem Lande, aber die AfD und die NPD spielen keine wichtige Rolle.
Korrekt. Die Berührungsängste zu weit rechten Parteien sind viel größer. Betrachtet man in Sachsen aber die Abwanderung zur AfD dann sind das vorwiegend ehemalige CDU-Wählende und Links-Wählende. Die sind ja nicht zu Rechtsextremen mutiert, sondern wählen besonders aus Protest (ob das jetzt schlau ist oder nicht dann die AfD zu wählen, kann man an anderer Stelle diskutieren). Es gab natürlich seit 2015 eine stärkere Radikalisierung in Sachsen als in NRW, das ist ganz klar. Aus eigener Erfahrung kann ich übrigens auch berichten, dass sowohl die niederrheinische CDU (u.a. Mönchengladbach) und die westfälische CDU (u.a. im Raum Paderborn) auch sehr viel weiter rechts steht als die Bundes-CDU (hier hätte HG Maaßen wahrscheinlich sein MdB Mandat gewonnen).
Deswegen habe ich auch nicht von Wählerpräferenz sondern von Gedankengut (hier Impfskepsis, teilweise auch Regierungskritik) geschrieben.
Dem Whataboutism-Argument (anderer Kommentar) würde ich übrigens auch voll zustimmen. Ohne alles als Ganzes zu betrachten, kann man m.M.n. jedoch das Grundproblem der Impfskepsis nicht gut verstehen.
Sich anzumaßen über „die Sachsen“ zu urteilen ohne jemals mit einem Ungeimpften über dessen Intentionen gesprochen zu haben, halte ich für sehr überheblich. Was von denen auch oft als typisch Westdeutsches Verhalten gedeutet wird.
Das ist auch nur wieder ein Fall von „die da oben“. Ich habe schon mit einer Handvoll Ungeimpften gesprochen und keines der Argumente war stichhaltig. Da wird aus einer unbelegten Behauptung, bei der EMA lägen 18.000 Todesfälle im Zusammenhang mit der Impfung vor und aus einer einzigen Studie, die systematische Meldeschwierigkeiten von Impfkomplikationen erkennen will, abgeleitet, an der Impfung stürben Tausende. Das nennt man dann Verschwörungtheorie, wenn man als Laie aus unverknüpften Daten und Behauptungen eine Meinung erzeugt.
Wenn du Krebs hast und dein einer Arzt sagt wir machen 80% Chemo und der Andere sagt, nein wir brauchen 90% (sorry für das blöde und inhaltlich dumme Beispiel), hälst du es dann für rational, wenn man lieber gar keine Chemo macht? Wenn der Arzt sagt, die Chemo kann dein Leben zu 50% retten, solltest du dann die Chemo machen oder lieber nichts?
Diese „Argumente“ ebenso wie das mannigfaltig hier angesprochene „fear, umcertainty and doubt“ ebenso wie der von dir angesprochene „Schlingerkurs“ sind keine eigentlichen Argumente.
Sie sind nach meinem Dafürhalten nur Beispiele dafür, wie die kognitive Dissonanz zwischen irrationaler Angst, kruden Theorien und Egoismus und eigentlich zugänglichem besseren Wissen rationalisiert werden soll. Keiner sagt gern, er hat sich geirrt. Und besonders nicht, wenn er groß rumgetönt hat. Keiner gibt gerne zu, schlicht ein Egoist zu sein. Das muss man verpacken, um damit leben zu können und die genannten Dinge sind genau das. Ein Euphemismus für Verschwörungsglaube.
Ich denke hier geht es in erster Linie wieder um die Kommunikation. Im Sommer 2021 wurde kommuniziert, dass die (vollständige) Impfung sehr gut schützt. Heute heißt es etwas salopp formuliert, dass nur noch geboosterte wirklich geschützt sind.
Das ist nicht richtig. Eine zweifache Impfung schützt auch nach vielen Monaten noch (sehr) gut vor einem schweren Verlauf. Die These, dass nur Geboosterte wirklich geschützt sind, vertritt niemand der sich mit den Impfstoffen auskennt.
Eine dritte Impfung erhöht den Schutz vor einem schweren Verlauf deutlich, daher ist die gerade für ältere Menschen sinnvoll. Die dritte Impfung für junge Menschen hat bei geholfen die Fallzahlen der Delta Variante deutlich nach unten zu kriegen, weil die dritte Impfung den Schutz vor Ansteckung deutlich erhöht.
Die Akzeptanz für eine dritte Impfung ist in der Bevölkerung doch recht hoch. Die Hälfte der geimpften hat bereits die dritte Impfung erhalten.
Dazu kommt, dass man eigentlich nicht mehr Impfung versus Nicht-Impfung analysieren sollte sondern Impfung versus Infektion. Weil die Wissenschaft davon ausgeht, dass sich jeder Ungeimpfte früher oder später infizieren wird.
Ich möchte auch mal meinen Senf dazu geben, da ich momentan in Vorpommern die gleichen Erfahrungen wie @Philipp_K in Sachsen mache. Auch ich beobachte hier eine verbreitete Impfskepsis, übrigens auch bei (teilweise ehemaligem) medizinischen Personal. Und ich beobachte auch, wie der Versuch, die eigene Position mit wissenschaftlichen Argumenten zu untermauern, immer wieder abprallt.
Wir, die wir hier in diesem Forum mitlesen und Podcasts hören, haben eine grundsätzliche Vorstellung davon, wie Wissenschaft funktioniert, wie wissenschaftliche Erkenntnisse zustande kommen und wo man belastbare Informationen findet. Wir bewegen uns damit aber auch in unserer Blase. Diese Position ist nicht selbstverständlich.
Viele Menschen haben solche Erfahrungen nicht gemacht. Als Wissenschaft wird das wahrgenommen, was in zwei Sätzen in der Zeitung oder Fernsehen gesagt wird. Wissenschaft ist das, was mal bestimmte Nahrung als gesund, dann krebserregend und dann wieder doch nicht so schlimm deklariert. Wissenschaft ist das was Masken erst für schädlich dann für notwendig erklärt. Wissenschaft ist das was alle paar Monate eine neue zweite Erde findet. Und im politischen Diskurs wird ja doch immer nur der Wissenschaftler zitiert der die eigene Position stärkt. Für viele Menschen sind wissenschaftliche Fakten nicht von Meinungen einzelner Wissenschaftler unterscheidbar. Wenn dann auch noch in der Talk Show der eine so sagt und der andere was anderes, dann kann man ja gar nichts mehr glauben. Um es nochmal klarzustellen: Ich versuche hier, das (Nicht-)Verständnis vieler Menschen darzustellen.
Und unser Bildungssystem war da in der Vergangenheit keine Hilfe. Man konnte sehr gut glänzen, wenn man nur den Lehrbuchinhalt und die Aussagen der Lehrkraft möglichst präzise rezitiert hat. Da war es dann auch egal, ob da Fakten oder eine Bewertung der Fakten stand. Der Unterschied zwischen Fakt und Meinung ist für viele Menschen nicht so leicht erkennbar, wie es manchem Mitforisten hier erscheinen möchte. Wie wissenschaftliches Arbeiten funktioniert, lernen die wenigsten in der Schule. Dafür ist es schick, beispielsweise mit Unkenntnis der Mathematik zu kokettieren. Und Politiker gefallen sich auch noch in der Rolle des Ahnungslosen. Das aktuelle Beispiel von NRW-Gesundheitsminister Laumann wurde hier schon angesprochen.
In den Augen dieser Menschen ist ein Glaubensbekenntnis an die Wissenschaft nicht unterscheidbar vom Glauben an Homöopathie, Esoterik, Religion, ewiges Wirtschaftswachstum, die schwarze Null oder dass man nur das Internet lückenlos überwachen muss damit alles wieder so ist wie früher. Übrigens fällt uns jetzt auf die Füße, dass Homöopathie und Schulmedizin in der allgemeinen Öffentlichkeit quasi als gleichwertig betrachtet werden.
Man braucht auch nicht mit Argumenten wie Milliarden von Impfdosen in unterschiedlichsten Ländern zu kommen. Das ist nur eine abstrakte, kaum vorstellbare Zahl. Die anderen Länder sind weit weg. Auch hier teile ich die Beobachtung von @Philipp_K: Die Maßnahmen werden nach den unmittelbaren Auswirkungen in der unmittelbaren Umgebung beurteilt. Da haben die teils widersprüchlichen Regelungen viel Vertrauen verspielt.
Und noch eine Anmerkung hierzu:
Ich bin immer wieder erstaunt, wie viele Menschen wie selbstverständlich damit argumentieren, dass sie (oder andere) damit überfordert sind, eine veränderte Lage anzuerkennen und darauf zu reagieren.
Dieses Land ist nunmal zutiefst konservativ. Angela Merkel und nun Merkel 2.0 aka Olaf Scholz wurden ja immer wieder gewählt, weil ihr Versprechen war, dass sich nichts verändern würde. Die Menschen wollen keine Veränderung. Sie sträuben sich dagegen. Und auf Veränderungen ablehnend zu reagieren, ist mindesten genauso gesellschaftlich anerkannt wie Unkenntnis in wissenschaftlichen Belangen.
Daher möchte ich mich auch dem Fazit von @Philipp_K anschließen. Für einen Umbau des Bildungssystems oder die Ächtung von Homöopathie ist es zu spät. Aber vielleicht lässt sich bessere Kommunikation noch etwas verändern. Was nicht hilft ist: „Jetzt schau dir die Zahlen an und dann reiß dich mal zusammen!“
Das ist richtig. Natürlich kann niemand auf jedem Gebiet ExpertIn sein und natürlich sind die meisten nicht solche Politiknerds wie wir im Forum. Aber dennoch haben mittlerweile 75% der Deutschen es geschafft, einfach mal auf die echten ExpertInnen zu vertrauen. 75% der Deutschen wurden von Rationalität überzeugt. Wenn die anderen dieser Rationalität nicht zugänglich sind, mag es sein, dass sie das nicht bewusst, böswillig oder aktiv tun. Trotzdem geht es hier um die Frage, ob diese Impfskeptiker*Innen verschwörungsgläubig sind. Es geht nur um den Fakt, ob man seriösen, konsensual akzeptierten und sehr transparenten Institutionen grundsätzlich misstraut zugunsten von absolut offensichtlich unseriösen „Institutionen“. Und wenn man der Wissenschaft nicht vertraut oder den ganz normalen Medien, sondern „alternativen Fakten“ und igendwelchen Berufslaien, die mit den relevanten Thema garnichts am Hut haben, dann ist man Schwurbler. Punkt. Die Motive dafür sind egal.
Dass man weiter aufklären und daran arbeiten muss, ist schlicht ein anderer Punkt. .
Für einen Umbau des Bildungssystems oder die Ächtung von Homöopathie ist es zu spät. Aber vielleicht lässt sich bessere Kommunikation noch etwas verändern.
Du widersprichst dir doch selber, wenn du erst einen langen Beitrag schreibst, dass diese Leute deiner Ansicht nach einfach gar nicht in der Lage sind zu verstehen, was man ihnen erklären möchte, und dann sagst, mit „besserer Kommunikation“ könnte man das Ruder vielleicht rumreißen. Wird nicht klappen, weil diese Leute ja bereits ernsthafte Kommunikation und jeden Realitätscheck verweigern und irgendwelche aluhütigen Spendeneinsammler auf Youtube oder Telegram als glaubwürdiger ansehen als bspw. öffentlich-rechtliche Medien oder hochdekorierte Wissenschaftler.
Da hilft dann eben nur noch, wer nicht geimpft ist zahlt 1000 Euro. Und 3 Monate später fragt man dann nochmal nach, und wenn derjenige immer noch nicht geimpft ist, kostet’s eben 2000 Euro, usw. Und dann kann sich jeder überlegen, wie wichtig ihm sein kindisches Trotzverhalten wirklich ist.
In NRW und anderswo mögen manche Menschen konservativ sein, gerade auf dem Lande, aber die AfD und die NPD spielen keine wichtige Rolle. In Sachsen sind sehr viele Menschen rechtsextrem bis hin zu echten Neonazis
Das ist sehr weit aus dem Fenster gelehnt, nach dem Motto „neeeein, bei uns gibt es keine Nazis - sie sind einfach nur konservativ. Aber in Sachsen…“. Wer hat 2017 bei der Landtagswahl denn in NRW die AfD gewählt? Waren das die Sachsen? Immerhin hat auch dort fast jeder Zehnte der zur Wahl ging sein Kreuz bei der Afd gemacht…
In Sachsen gibt es vor allem sehr, sehr viele normale Menschen wie überall, die die Nase voll haben, ständig mit den Nazis über einen Kamm geschert zu werden.
und haben ein strukturelles Problem mit der Demokratie
Ist es ein strukturelles Problem, wenn die Mehrheit der Bevölkerung die Demokratie befürwortet und demokratische Parteien wählt?
Blockzitat Also die regelmäßig vierstelligen Zahlen (früher warens ja noch mehr) bei Pegida, die Gruppe Freital, die Angriffe in Heidenau, die bewaffnete Gruppe im elbsandsteingebirge, Anastasia, der Dritte weg in Plauen, die rechte in in Prager straße, die Nazis die Connewitz zerlegt haben, das sächsische sek mit nazi ehrenkranz, die ganzen Sächsischen Kreisstädte die mehrheitlich AfD wählen manche sogar NPD, die evangelikalen im Erzgebirge, die rechtsintellektuellen mit ihrem Kubicheck Lesekreis am Dresdner Elbhang etc. Diese Leute sind alle nur verunsichert ?
Vor allem sind diese Leute die MINDERHEIT
Wird nicht klappen, weil diese Leute ja bereits ernsthafte Kommunikation und jeden Realitätscheck verweigern und irgendwelche aluhütigen Spendeneinsammler auf Youtube oder Telegram als glaubwürdiger ansehen als bspw. öffentlich-rechtliche Medien oder hochdekorierte Wissenschaftler.
Ich diskutiere auch mit „Impfgegnern“ und muss sagen, dass ich genau wie @Philipp_K das Problem bei der Kommunikation sehe. Ich sehe es nicht als Aufgabe von normalen Bürgern sich wissenschaftlich auseinanderzusetzen. Viele können es nicht und wenn man es kann, dann kostet es auch Zeit. Dazu kommt, dass viele Menschen einfach auch noch ganz andere Probleme haben, z. B.
- psychische Probleme
- Armut (wo krieg ich was zu Essen bzw. ein Dach über den Kopf ist essentieller als eine Impfung)
- Keine Zeit, weil sie 3 Jobs machen müssen, um über die Runden zu kommen
- „Dumme“ Menschen
Wenn sich jetzt einer von denen aufrafft und mal recherchiert, was passiert dann? Ich habe dazu einfach mal bei Tagesschau noch „Corona Impfung“ gesucht. Da kommen folgende Ergebnisse auf den ersten 2 Seiten (es reicht nur die fetten Meldungen zu überfliegen):
- Corona-Pandemie: Gesundheitsminister beschließen Impfangebot ab 12 Jahren
- Corona-Schutzimpfungen für Kinder: Diskussion über Impfaktionen in Schulen
- Wie gut schützt die Corona-Impfung?
- Bundesweite Aktionswoche: Impfen gegen Corona an ungewöhnlichen Orten
- Vor Aufgabe der Priorisierung: Hausärzte fordern mehr Corona-Impfstoffe
- Corona-Pandemie: Diskussion mit Bürgern über Impfstrategie
- Corona-Impfung: Experten prüfen Zusammenhang mit Herzentzündung
- Corona-Impfstoffe: Johnson & Johnson beantragt US-Zulassung
- Ihre Fragen: Kann ein PCR-Test oder Schnelltest durch eine Booster-Impfung positiv sein?
- Ihre Fragen: Welche Nebenwirkungen der Impfung gibt es bei Kindern und Jugendlichen?
- US-Experten: Herzprobleme nach Impfung möglich
- Ihre Fragen: Auf den Intensivstationen liegen auch Geimpfte - wirkt die Impfung doch nicht so gut?
- Nach Einschränkung von AstraZeneca: Diskussion über Corona-Impfkampagne
- Ihre Fragen: Ist eine Impfung für genesene Kinder sinnvoll?
- Corona-Impfung: Nebenwirkungen auf niedrigem Niveau
- Corona-Pandemie: Diskussion über digitalen Impfpass
- Ihre Fragen: Sind Corona-Medikamente eine gute Alternative zur Impfung?
- Ihre Fragen: Wann ist der beste Zeitpunkt für die Booster-Impfung?
- STIKO empfiehlt bestimmten Schwangeren Corona-Impfung
- …
Wenn ich mir diese Meldungen durchlese und daran denke, dass viele Menschen eben nur Radio oder Fernsehen oder Internetseiten ansehen und dann so eine Datenbasis zur Verfügung gestellt bekommen, um eine Entscheidung zu treffen, dann wundert es mich, dass wir überhaupt so viele Geimpfte haben. Die Wirkung der Impfung wird mehrfach in Frage gestellt, von Nebenwirkungen berichtet und die einzige realistische Einschätzung „Corona-Impfung: Nebenwirkungen auf niedrigem Niveau“ ist auch negativ formuliert. Das klingt ja genau wie bei den Infektionszahlen und als ob die Nebenwirkungen jederzeit auf ein hohes Niveau steigen könnten.
Und das ist die Tagesschau, nicht die BILD oder ein Schwurblerblatt. Das verstehe ich nicht und ich halte das auch für einen öffentlich rechtlichen Journalismus nicht akzeptabel, das hier solche Desinformationen verbreitet werden. Hinweis: Ich habe Tagesschau exemplarisch rausgegriffen, ich habe aber den Eindruck, dass sich das ziemlich breit durch die Medienlandschaft durchzieht.
Ich diskutiere auch mit „Impfgegnern“ und muss sagen, dass ich genau wie @Philipp_K das Problem bei der Kommunikation sehe. Ich sehe es nicht als Aufgabe von normalen Bürgern sich wissenschaftlich auseinanderzusetzen. Viele können es nicht und wenn man es kann, dann kostet es auch Zeit.
Nee, sorry. Das ist für mich Lame Excuses, Part X. Wenn jemand sich wissenschaftlich nicht auseinander setzen möchte, steht das natürlich jedem frei. Aber dann sollte man eben auch nicht denken oder behaupten, man wüsste alles besser als die Wissenschaftler! Sondern man könnte darauf vertrauen, dass Leute, deren Beruf das ist, und die darauf spezialisiert sind, ihr bestes tun.
Wer keine Ahnung hat wie sein Auto funktioniert, bringt es doch auch nicht zum Schamanen oder Alternativ-Mechaniker.
Wenn sich jetzt einer von denen aufrafft und mal recherchiert, was passiert dann? Ich habe dazu einfach mal bei Tagesschau noch „Corona Impfung“ gesucht. Da kommen folgende Ergebnisse auf den ersten 2 Seiten (es reicht nur die fetten Meldungen zu überfliegen)
Und das ist die Tagesschau, nicht die BILD oder ein Schwurblerblatt.
Also wenn jemand sich für ein Thema interessiert, aber trotzdem nur die Überschriften liest, ist dem natürlich auch nicht mehr zu helfen.
Beispiele für jeweils die ersten ein bis zwei Sätze, wenn man auf einige deiner fettgedruckten Titel klickt:
Ihre Fragen: Auf den Intensivstationen liegen auch Geimpfte - wirkt die Impfung doch nicht so gut?
Doch, die Impfung wirkt. Aber sie wirkt eben nicht zu 100 Prozent…
Ihre Fragen: Sind Corona-Medikamente eine gute Alternative zur Impfung?
Nein. Auch vielversprechende neue Medikamente gegen Corona sind nach Ansicht von Experten keine gute Alternative zu einer Impfung.
Das verstehe ich nicht und ich halte das auch für einen öffentlich rechtlichen Journalismus nicht akzeptabel, das hier solche Desinformationen verbreitet werden.
Und wenn über seltene Nebenwirkungen nicht berichtet würde, hieße es wieder, das wird unterdrückt. Irgendeinen Grund finden Impfgegner immer um ihren Confirmation Bias zu rechtfertigen.
Neulich hatte ich auch mal wieder auf Twitter eine Diskussion mit einem Impfgegner, der ausnahmsweise mal höflich was gefragt hat. Da bekommt so jemand dann auch mal ein paar höfliche Antworten von mir. Endete dann damit, dass er mir einen Link zu einer Studie präsentiert, ich querlese mich 20 Minuten durch wissenschaftliches Gobbledigook um ihm erklären zu können, weswegen die Studie praktisch das genaue Gegenteil von dem aussagt, was Querdenker ins Abstract evtl. hinein interpretieren würden, und ohne das auch nur anzuerkennen kommen dann innerhalb von wenigen Minuten kommentarlos die nächsten Schwurbellinks, „was einem die öffentlich-rechtlichen Medien verschweigen“. Ich hab das dann gestoppt, denn das Spiel hätte ich vermutlich ohne Ergebnis den ganzen Tag so weiter spielen können, aber dafür ist mir meine Zeit zu schade.