Hallo ihr beiden,
ich bin großer Fan und Unterstützer der Lage, höre euch gern zu und lerne eine Menge dabei. Für eure Arbeit und Akribie bin ich euch sehr dankbar. Nun habe ich allerdings einmal Anlass zu Kritik.
Es geht mir um Philips These, ein großer Teil Berlins läge innerhalb des Rings. Salopp wurde das ja noch garniert mit dem Halbsatz, „dahinter läge ja fast schon Brandenburg“. Beides ist absolut nicht korrekt und ich würde euch tatsächlich bitten dies richtig zu stellen.
Fakt ist, hier habe ich tatsächlich nur wikipediert, dass die von S-Bahn-Ring umschlossene Fläche knapp 90 Quadratkilometer umfasst (genau 88), Berlin aber knapp 900 Quadratkilometer Fläche (892) hat. Sprich: 10 Prozent der Fläche Berlins liegen innerhalb des Ring, 90 außerhalb. Allein die bewaldete Fläche der Bundeshauptstadt ist doppelt so groß, wie die vom Ring eingeschlossene, nur um einen Vergleich zu wagen. Natürlich ist die Bevölkerungsdichte in der Innenstadt höher als am Stadtrand, aber es leben auch 70 Prozent der Berliner außerhalb des Rings, nur 30 darin. Das zunächst zu den Fakten.
Mich stört diese These aus einem zweiten Grund. Sie reiht sich in ein Narrativ ein, das seit einigen Jahren über Berlin existiert und welches ich ungemein verzerrend finde. Seit vielen Jahren wird nämlich das Bild der Stadt massiv von Zugezogenen und von Menschen, die gar nicht in Berlin leben gezeichnet. Und gerade unter jungen Zugezogenen, die in Berlin gern im Medienbereich arbeiten, sieht es nämlich so aus, dass Berlin eigentlich nur aus Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Neukölln und Tempelhof-Schöneberg bestehe, also den Innenstadtbezirken, die vollständig bzw. teilweise innerhalb des Rings liegen. Das verzerrt klar das Bild der gesamten Stadt und legt nahe, Berlin sei in Gänze so, wie die genannten vier Bezirke. Der S-Bahn-Ring wird in diesen Erzählungen gern als Grenze genannt, um den Bereich, in dem sich das Leben der Stadt abspielt, einzugrenzen. Dass die Stadt aber zwölf Bezirke hat und die Lebenswirklichkeit abseits der genannten vier teils vergleichbar ist, teils ganz andere Facetten hat, fällt dabei gern unter den Teppich. Als gebürtigen Berliner stört mich diese Darstellung massiv und ich finde Philips These der vermeintlichen Größe (und damit Bedeutung) des S-Bahn-Rings reiht sich in diese „Erzählung“ ein. Ich finde es beschämend, wenn 90 Prozent der Bundeshauptstadt quasi Brandenburg zugerechnet werden. Da ist es ja letztlich nur ein kurzer Schritt zum Antagonismus: Innenstadt = hip, modern, Triebfeder/Ausgangspunkt von Entwicklung vs. „Außenbezirke“ = konservativ, provinziell, dagegen, autoaffin etc. (you name it, wie Ulf so gern sagt). Es absolut nicht so, dass ich euch die Erschaffung dieses Bildes unterstelle, schon gar nicht, dass ihr die genannten Attribute auch nur irgendwie verwenden würdet, aber eure These perpertuiert die Geschichten, die über Berlin in den letzten zehn Jahren geschrieben wurden und das Bild der Stadt (leider) ausgemacht haben. Daher würde ich euch bitten, diese richtig zu stellen. Danke.
Zudem, ordnet dies die Forderung der Initiative besser ein. Lege ich nämlich nahe, dass quasi fast die gesamte Bundeshauptstadt vom Autoverkehr befreit wird, ist dies nicht minder verzerrend und Wasser auf die Mühlen der Konservativen und Reaktionären, die sich in ihrem Verbots-Narrativ von „links-grün“ bestätigt sehen. Als Modellversuch würde ich das auf jeden Fall wagen. Ich bin Ende 30 und mache gerade erst meinen Führerschein. In den fast 40 Jahren bisher habe ich - bis auf wenige Ausnahmen, in denen ich Freunde bitten musste - kein Auto gebaucht. Mobilität ist aber immens wichtig. Da muss in Berlin massiv investiert werden. Dabei finde ich, können solche Modellversuche eine erhebliche Rolle spielen. So lässt sich etwa die Frage klären, wie schnell komme ich eigentlich mit einem Fahrrad von a nach b, wenn ich mir das Straßenland nicht mit Autos (stärkeren Verkehrsteilnehmern) teilen muss. Das kann sehr erhellend sein.