Autofreie Städte

Hallo Mitmenschen,

Ich finde den Versuch der Volksabstimmung in Berlin für eine autofreie Stadt sehr interessant, befürchte aber, dass man das Thema von der falschen Seite angeht. Das Verbot des privaten Autos wäre für mich nämlich der letzte Schritt.
Die Menschen haben seit 100 Jahren den Konsum, und v.a. das Einkaufsverhalten, für das Auto optimiert. Riesige Parkplätze, Sofortmitnahme der Waren (Stichwort Baumarkt, Möbelhaus, Gärtnerei), Einkauf von Wasserkästen, bis hin zur finalen Optimierungsstufe des Drive-In Baumarkts. Für mich wäre daher der erste Schritt diese Auswüchse einzuschränken, mit dem Ziel, dass auch die Baumärkte, Möbelhäuser und Getränkemärkte sich dahingehend anpassen, dass die Kunden nicht mehr alles im privaten PKW sofort mitnehmen. Gerade für diese Unternehmen würde das wohl bedeuten, dass die Kunden online oder im Markt bestellen, und die Waren geliefert werden, bzw. dass eine Flotte von Leihfahrzeugen auf dem Hof stehen, bzw. in den Wohnvierteln verfügbar sind.
Vor allem Getränkekisten sind für mich ein zentrales Thema dabei, gerade wenn ich sehe, dass immer mehr zurück zu Glas gehen, und Leitungswasser für viele nur dritte Wahl ist. Gerade für Wasserkisten wäre ein Lieferservice, wie es ihn früher ja öfters gab, wunderbar machbar.

Ich bin der Meinung, dass die Menschen erst bereit sind auf ein Auto zu verzichten, wenn das Thema Einkauf von größeren Waren geregelt und erlebt worden ist.

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„Ich bin der Meinung, dass die Menschen erst bereit sind auf ein Auto zu verzichten, wenn das Thema Einkauf von größeren Waren geregelt und erlebt worden ist.“

man kann sich schon heute Problemlos sperrige Waren liefern lassen, kostet halt Geld (Spedition).

Die Menschen würden erst dann auf Ihr Auto verzichten, wenn sie ihre komplette Mobilität ohne abbilden könnten. Dazu müsste aber die öffentlichen Verkehrsangebot massiv ausgebaut werden. Insbesondere in der Breite. Ich halte das für absolut illusorisch. Für die allermeisten Menschen in Deutschland, ist der PKW das schnellst und wirtschaftlichste Verkehrsmittel. Und wenn man mal von der Tatsache absieht, dass fossile Energieträger (was definitiv das Hauptproblem des Autos ist) verbrannt werden, vermutlich auch das Umweltfreundlichste. Das Auto bildet, wenn man mal von den Leuten absieht die spazieren fahren, exakt den Verkehr nach der auch tatsächlich benötigt wird. Die wenigsten Leute fahren emotionslos und unnötig in der Gegend herum, Busse und Bahnen eben schon. Und das werden sie in Zukunft noch mehr machen müssen, wenn man den ÖPNV da ausbaut wo er am schwächsten ist. Bus und Bahn bilden immer ein theoretisch gedachten maximal Bedarf ab und sind eigentlich nur zu Stoßzeiten wirklich effizient. die restliche Zeit insbesondere Nachts sind sie deutlich schwächer genutzt. Klar, jeder muss morgens zur Arbeit oder in die Schule und nicht jeder ist jeden Abend unterwegs. Aber jeder muss hin und wieder auch mal zu späterer Stunde mobil sein.
Die Menschen würden erst dann auf Ihr Auto verzichten, wenn Sie zu jeder Tages und Nachtzeit dort hinfahren können wo sie hin wollen oder auch müssen.

In den Kernbereichen von Ballungszentren ist das anders. Dort leben soviel Menschen pro km², dass ein effizienter PKW-Verkehr nicht mehr möglich ist. Genau dort ist der ÖPNV das Mittel zum Weg. Ich kann absolut nachvollziehen, dass die Berliner die Autos aus der Stadt haben wollen. Und ich hoffe, dass es langfristig gelingen mag. So wichtig der ÖPNV in der Stadt ist, so unersetzlich ist das Auto in der Breite. Und ich schreibe absichtlich Breite und nicht Land. Denn zwischen Großstadt und Dorf gibt es noch die Kleinstädte und Mittelzentren und genau dort leben die meisten Menschen in Deutschland.

Ich kann nur aus einem Ballungszentrum berichten.
Hier wäre viel gewonnen wenn Fahrzeuge von Privatpersonen max. so groß wären wie ein Smart fortwo.
Und dann bitte noch via GPS Eingriff in die Motorsteuerung und Geschwindigkeit auf die erlaubten 50kmh innerorts beschränken damit der Verkehr vernünftig fließen kann. Touris ab in ÖPNV und Taxen und wer durch die Stadt muss kann selbstverständlich auf den Stadtautobahnen fahren. Von mir aus auch ohne Geschwindigkeitsbegrenzung für Fahrzeuge mit < 60g CO2 auf 100 km.

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Ich höre die Lage nun schon einige Zeit und schätze sie sehr.
Was mir dabei aber immer wieder auffällt: Ihr redet beim Verkehr immer nur über den Verkehr in der Hauptstadt und vielleicht noch in ein paar anderen Metropolen.
Ein ziemlicher Teil der Bevölkerung lebt aber nicht in Ballungszentren. Da geht es ohne Auto einfach nicht:
Hier im näheren Umkreis gibt es Orte (mit mehr als 1000 Einwohner!), in denen zwei Mal am Tag der Bus fährt. Das wars. Morgens für die Schulkinder hin, Mittags zurück; am Wochenende gar nicht.
Fahrrad? O.k., vielleicht ein E-Bike (Berge). Und bei schlechtem Wetter? Oder wenn man älter wird? Da geht es nur mit der Blechkiste.

Mir macht es mit Sicherheit keinen Spaß jeden Tag zu pendeln (35 km einfach), aber die Alternative ist trübe:. Bei mir im Ort gibt es zwar Bahnanschluss, aber da werden aus den 35 km eine Aktion mit einer Fahrzeit von einer dreiviertel Stunde, einmal Umsteigen (nicht so schön und schnell wie in der Berliner S- und U-Bahn) + zwei Kilometer Fußmarsch. Dann bin ich von Haus zu Haus statt 35 Minuten über eine Stunde unterwegs; täglich zwei Mal.

Macht so eine Abstimmung in Berlin, aber lasst uns am Land da raus! Außer, es wird endlich ein flächendeckender (!) ÖPNV mit einem passablen Takt eingerichtet - aber DAS wird in der Hauptstadt ja nicht gesehen und dafür wird kein Geld ausgegeben.

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Gerade in Situationen, in denen man auch einen Smart fortwo verwenden könnte, wird ein Auto in der Berliner Innenstadt eher nicht gebraucht. Ich selber habe kein Auto und bin mit dem Angebot des ÖPNV super zufrieden. Ich habe aber auch keine (große) eigene Familie. Für den Familiengroßeinkauf ist ein Auto aber schon deutlich entspannter als der ÖPNV oder ein Lastenfahrrad. Und manchmal können Kinder in öffentlichen Verkehrsmitteln sehr anstrengend sein. Da kann ich es mir schon vorstellen, dass manche Eltern ihre Kinder lieber mit dem Auto durch die Gegend fahren. Die einzige Situation, in der ein Smart fortwo in der Berliner Innenstadt wirklich Sinn macht, ist, wenn man nachts von oder zur Arbeit muss.

Vorschlag:
Jeder Bewohner der Innnenstadt bekommt 10 (oder eine andere Zahl an) Rechten pro Jahr, sein Auto innerhalb der Innenstadt einen Tag zu bewegen. Diese Recht sind frei handelbar. (Vielleicht bekommen auch Geschäfte eine Anzahl an Rechten). Autolose Bürger, können die Rechte verkaufen oder an Besucher übertragen. Familien mit Kindern, die vielleicht mehr Bedarf an Transport haben, können die Rechte der Kinder verwenden. Da sRecht muss an den Tag der Gültgkeit an ein Kennzeichen gebunden werden.

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Aber genau das ist ja eines der Probleme: Lieferungen, Leihtransporter, … sind um einiges teurer als das Parken direkt vor dem Laden und die Sofortmitnahme.

Ich wohne aktuell in einer 300.000 Einwohner Stadt, und suche daher Optimierungsansätze für die großen, innenstadtnahen Wohngebiete. Weil die platzen wirklich aus alles Nähten. Daher sollte man noch stärker Themen wie diese betrachten:

Mehr kostenpflichtiges Anwohnerparken
Mehr Halteverbotszonen
Mehr Parkplätze nur für Car-Sharing (inkl. Rabatte für das Abstellen des CS Autos auf diesen Plätzen)
Viel höhere Steuern für Kundenparkplätze (mit Steuervorteilen für Rad und E-Auto-Parkplätze)
Mehr regionale Lieferservice (v.a. Getränke, Baumärkte, Möbelhäuser)
Mehr Lieferzonen (Kurzzeitparkplätze nur für Be-und Entladen)
Hohe Zuschüsse für gewerbliche E-Transporter und kleine E-LKW (oder Wasserstoff)

Dazu natürlich noch der Ausbau von Radwegen und ÖPNV.

Und im eigentlichen Stadtzentrum könnte man wahrscheinlich schon jetzt komplett autofreie Bereiche einrichten. Da geb ich Ihnen recht. Nur muss man diese Themen sehr genau trennen (Autofreies Zentrum <-> autofreiere Stadt).

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Das glaube ich nicht so ganz. Das Auto ermöglicht Fahrten, die ohne Auto nicht gemacht würden. Ich habe Kollegen, die 60km mit dem Auto pendeln. Ohne Auto würden sie vermutlich die Arbeits- oder die Wohnstätte umverlegen und so weniger Verkehr erzeugen. Auch Tagesausflüge nach ganz-weit-weg (z.B. in Freizeitparks) funktionieren nur mit Auto, sind aber - streng genommen - nicht zwingend „notwendig“. Die Urlaubsfahrten nach Italien wurden erst mit dem Auto möglich, waren aber noch nie wirklich „notwendig“.

Deshalb glaube ich, dass das Auto zusätzlichen Verkehr erzeugt, und nicht nur notwendigen Verkehr abdeckt.

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Hallo zusammen,
Ich finde die Idee der autofreien Innenstadt generell interessant. Besonders hat mich Euer Beispiel von Kopenhagen gefreut, da ich seit 12 Jahre nördlich von Kopenhagen wohne und hier sehr viel Rad gefahren wird. Aber auch Kopenhagen ist nicht autofrei.
Hier in DK werden Radwege generell bei der Stadtplanung vorgesehen. Ich selbst wohne (vor allem nach deutschem Massstab) auf dem Land und in meiner Stadt haben kann ich eigentlich überall hin per Rad/Fussweg, d.h. meine Kinder fahren täglich sicher mit dem Rad zur Schule. Auch wir Eltern fahren besonders in diesem Jahr, sehr viel mit dem Rad. Aber auch hier kann micht nicht alles mit Rad oder ÖPNV erledigen. Gerade als meine Kinder klein waren, war das teilweise nicht möglich (da es zeitlich nicht machbar war die Kinder ab zu holen, bevor die Kita schloss).
Trotzdem gibt es viele Massnahmen, die man auch in DE mal andenken sollte. Hier in DK sind z.B. nicht automatisch Parkplätze bei jedem Neubau verpflichtend zu bauen! D.h. es gibt nur bedingt Parkplätze v.a. in Kopenhagen! Daher fahren wir meist mit der S-Bahn rein (45min Fahrzeit gegenüber 35min mit dem Auto).
Auch nutzen wir Online-Supermart, wo man bestellen kann und eine Anlieferzeitspanne von 1 Stunde bekommt. D.h. ich wähle meine Anlieferzeit zwischen z.B. samstags 9-10 Uhr oder donnerstags 17-18 Uhr. Das ist machbar und gerade sperrige oder schwere Waren können hier gut geliefert werden.
Schliesst natürlich ein, dass Lieferungen per LKW immer noch möglich sind.
Eine absolute autofreie Innenstadt ist sehr ambitös, aber eine gute Idee mal in andere Richtungen zu denken als immer nur Auto.

Aber genau das ist ja eines der Probleme: Lieferungen, Leihtransporter, … sind um einiges teurer als das Parken direkt vor dem Laden und die Sofortmitnahme.

na klar sind sie das, der Transport von sperrigen Waren ist nun mal Aufwendig, Personen und Energie Intensiv. Billiger wirds natürlich, wenn man anderen Leuten diese Kosten durch eine Steuer aufdrückt.

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Ich lebe in Hamburg und hier fährt in meinem Umfeld keine Familie wie in den 50’ern des letzten Jahrhunderts gemeinsam zum Grosseinkauf.
Was benötigt wird, wird nach Feierabend eingeladen. In Hamburg gibt es zwei Grundlegende Probleme mit dem Individualverkehr:
Parkplätze und Staus. Und da ist die Größe des Fahrzeugs halt mitentscheident. Und ich meinte max. Smart und das vor allem wegen der Breite. Je schmaler ein Fahrzeug ist desto sinnvoller lässt sich der vorhandene Raum nutzen. Citroen bringt z.B. ein kleines Stadtfahrzeug auf den Markt, kostengünstig, zu Hause ladbar. Auch Leichtkrafträder, natürlich Fahrräder, selbstfahrende Busse ( wie in der Hafencity jetzt als Test im Einsatz) können den Platz optimaler nutzen.
Und klar ist doch, wenn wir beiden jetzt aus dem Fenster schauen und mal gucken wie die KFZ belegt sind, - da würde in 90% ein Zweisitzer genügen.

Ich glaube niemand möchte den Leuten auf dem Land das Auto komplett verbieten! Es ist dann eben wichtig, das z.B. fürs Pendeln eine gute Bahnanbindung besteht, so dass aus 45 Minuten Autofahrt vielleicht 10 Minuten mit dem Rad zum Bahnhof und eine halbe Stunde öffentlicher Nahverkehr werden können.

Thema Lieferungen: in meiner Stadt (300-000) operiert Flaschenpost, die Getränkekisten zu Supermarktpreisen liefern.

Obwohl ich ein Auto besitze, benutze ich es nie, da es in der Stadt kaum Parkplätze gibt. Stattdessen ist die Verkehrsplanung für Fahrräder optimiert, sodass ich 90% meiner Fahrten mit dem Fahrrad erledige. Ich stimme zu, dass eine gute Planung der anderen Verkehrsmittel wichtig ist, aber auf meinen Besuchen in Berlin bin ich mit dem öffentlichen Nahverkehr dort sehr gut zurecht gekommen…

Genau solche ,Erfahrungen, meine ich. Die Menschen benötigen Mittel und Wege, um Erledigungen des täglichen Lebens ohne Auto zu machen. Erst wenn diese in ausreichenden Maße etabliert sind, werden die Menschen für eine Abschaffung stimmen.
Und dazu gehören die beiden Pole: Einerseits muss das Auto unpraktischer und teurer werden, auf der anderen Seite müssen die Angebote schneller, einfacher, sichere und planbarer werden.

Warum stellst du deine „Kleinstadt Situation“ vor, wenn es um den Verkehr in den Großstädten geht?

Es ist jedesmal das Gleiche, da reden die zwei über individualmobilität in Großstädten und wie man diese verringern könnte und schon findet man im Forum Zich Posts, warum die vorgestellten Lösungsansätze im ländlichen Raum nicht funktionieren …

Ist es so schwer in der Diskussion zu unterscheiden ob es um Großstadt oder ländlich geht?

In kaum einer der Diskussionen geht es um die Abschaffung der individualmobilität im ländlichen Raum und aus meiner Sicht der einzig sinnvolle Beitrag den Leute wie du in der Diskussion leisten können ist die Frage zu beleuchten wie solch ländlicher Verkehr an den Verkehr in den Großstädten angebunden werden kann, wenn dort der Individualverkehr umgebaut werden soll.

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Das glaube ich nicht so ganz. Das Auto ermöglicht Fahrten, die ohne Auto nicht gemacht würden. Ich habe Kollegen, die 60km mit dem Auto pendeln. Ohne Auto würden sie vermutlich die Arbeits- oder die Wohnstätte umverlegen und so weniger Verkehr erzeugen. Auch Tagesausflüge nach ganz-weit-weg (z.B. in Freizeitparks) funktionieren nur mit Auto, sind aber - streng genommen - nicht zwingend „notwendig“. Die Urlaubsfahrten nach Italien wurden erst mit dem Auto möglich, waren aber noch nie wirklich „notwendig“.
Deshalb glaube ich, dass das Auto zusätzlichen Verkehr erzeugt, und nicht nur notwendigen Verkehr abdeckt.

Mit dieser bestechenden Logik, kannst du nicht nur das Auto sondern gleich den kompletten öffentlichen Fernverkehr sowie auch den öffentlichen Nahverkehr abschaffen. Alles was nicht fußläufig erreichbar ist nicht notwendiger Verkehr.

Ich weiß ja nicht wie oft du einen Tagesausflug machst oder einen Freizeitpark besuchst, ich für meinen Teil nutze das Auto hauptsächlich für Fahrten zur Arbeit (ca. 20km einfach) bzw. um diverse Freizeitaktivitäten war zu nehmen. Oder ist das neuerdings verboten?

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Das Hauptproblem:

Eine autofreie Innenstadt kann man machen, wenn es ein begrenzter Bereich ist. Aber machen wir uns nichts vor → der Rest spielt sich dann ausserhalb ab. Kein Mensch würde um 5 Kisten Wasser / oder den Wocheneinkauf zu kaufen, nicht lieber 10 Minuten länger bei schön Musik an im Auto, in einen Vorort zum Einkaufen fahren. Und genau das wird passiern. Dann stehen die REWE Filialen halt in Vororten. Verlieren werden am Ende nur die ärmeren die diese Ausweichmöglichkeit nicht haben. Die dürfen dann schön 3 mal die Woche ihre Wasserflaschen von Supermarkt heimtragen. Volkswirtschaftlich/Logistisch auch nicht unbedingt sinnvoll.

Alles hat da eben auch vor und Nachteile.

Deswegen muss man die Ziele autofreie Kerninnenstadt und Verkehr grundsätzlich auch voneinander trennen. Es ist nicht automatisch das Gleiche.

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Zum Thema: „Das Auto ermöglicht Fahrten, die ohne Auto nicht gemacht würden.“

Ich z.B. wohne in Berlin (außerhalb des S-Bahnrings) und besitze ein Auto, das ich nur selten nutze. Ich nutze es primär, um Verwandte im Berliner Umland zu besuchen, wo es keine zuverlässige Bahnanbindung gibt - die Fahrt hätte bzw habe ich auch mit den Öffentlichen probiert, war aber eine solche Katastrophe, dass ich mir das Auto zugelegt habe. Ich bin in den letzten 4 Jahren vllt drei mal in die Innenstadt gefahren und wünschte mir im Nachhinein, ich hätte das Fahrrad genommen.

Insofern finde ich die Initiative gar nicht so weltfremd.

„Arbeitsstätte oder Wohnstätte umverlegen“ - in Berlin ist das aber nicht so ohne Weiteres drin, selbst wenn man dazu bereit wäre.

Die Ausgangsthese war ja:

Das Auto bildet, wenn man mal von den Leuten absieht die spazieren fahren, exakt den Verkehr nach der auch tatsächlich benötigt wird.

Diese versuchte ich zu widerlegen: Das Auto bildet nicht „exakt“ den tatsächlich benötigten Verkehr ab.

Das war aber kein Plädoyer gegen „nicht notwendigen Verkehr“, da haben Sie mich falsch verstanden.

Hallo ihr beiden,

ich bin großer Fan und Unterstützer der Lage, höre euch gern zu und lerne eine Menge dabei. Für eure Arbeit und Akribie bin ich euch sehr dankbar. Nun habe ich allerdings einmal Anlass zu Kritik.

Es geht mir um Philips These, ein großer Teil Berlins läge innerhalb des Rings. Salopp wurde das ja noch garniert mit dem Halbsatz, „dahinter läge ja fast schon Brandenburg“. Beides ist absolut nicht korrekt und ich würde euch tatsächlich bitten dies richtig zu stellen.

Fakt ist, hier habe ich tatsächlich nur wikipediert, dass die von S-Bahn-Ring umschlossene Fläche knapp 90 Quadratkilometer umfasst (genau 88), Berlin aber knapp 900 Quadratkilometer Fläche (892) hat. Sprich: 10 Prozent der Fläche Berlins liegen innerhalb des Ring, 90 außerhalb. Allein die bewaldete Fläche der Bundeshauptstadt ist doppelt so groß, wie die vom Ring eingeschlossene, nur um einen Vergleich zu wagen. Natürlich ist die Bevölkerungsdichte in der Innenstadt höher als am Stadtrand, aber es leben auch 70 Prozent der Berliner außerhalb des Rings, nur 30 darin. Das zunächst zu den Fakten.

Mich stört diese These aus einem zweiten Grund. Sie reiht sich in ein Narrativ ein, das seit einigen Jahren über Berlin existiert und welches ich ungemein verzerrend finde. Seit vielen Jahren wird nämlich das Bild der Stadt massiv von Zugezogenen und von Menschen, die gar nicht in Berlin leben gezeichnet. Und gerade unter jungen Zugezogenen, die in Berlin gern im Medienbereich arbeiten, sieht es nämlich so aus, dass Berlin eigentlich nur aus Friedrichshain-Kreuzberg, Mitte, Neukölln und Tempelhof-Schöneberg bestehe, also den Innenstadtbezirken, die vollständig bzw. teilweise innerhalb des Rings liegen. Das verzerrt klar das Bild der gesamten Stadt und legt nahe, Berlin sei in Gänze so, wie die genannten vier Bezirke. Der S-Bahn-Ring wird in diesen Erzählungen gern als Grenze genannt, um den Bereich, in dem sich das Leben der Stadt abspielt, einzugrenzen. Dass die Stadt aber zwölf Bezirke hat und die Lebenswirklichkeit abseits der genannten vier teils vergleichbar ist, teils ganz andere Facetten hat, fällt dabei gern unter den Teppich. Als gebürtigen Berliner stört mich diese Darstellung massiv und ich finde Philips These der vermeintlichen Größe (und damit Bedeutung) des S-Bahn-Rings reiht sich in diese „Erzählung“ ein. Ich finde es beschämend, wenn 90 Prozent der Bundeshauptstadt quasi Brandenburg zugerechnet werden. Da ist es ja letztlich nur ein kurzer Schritt zum Antagonismus: Innenstadt = hip, modern, Triebfeder/Ausgangspunkt von Entwicklung vs. „Außenbezirke“ = konservativ, provinziell, dagegen, autoaffin etc. (you name it, wie Ulf so gern sagt). Es absolut nicht so, dass ich euch die Erschaffung dieses Bildes unterstelle, schon gar nicht, dass ihr die genannten Attribute auch nur irgendwie verwenden würdet, aber eure These perpertuiert die Geschichten, die über Berlin in den letzten zehn Jahren geschrieben wurden und das Bild der Stadt (leider) ausgemacht haben. Daher würde ich euch bitten, diese richtig zu stellen. Danke.

Zudem, ordnet dies die Forderung der Initiative besser ein. Lege ich nämlich nahe, dass quasi fast die gesamte Bundeshauptstadt vom Autoverkehr befreit wird, ist dies nicht minder verzerrend und Wasser auf die Mühlen der Konservativen und Reaktionären, die sich in ihrem Verbots-Narrativ von „links-grün“ bestätigt sehen. Als Modellversuch würde ich das auf jeden Fall wagen. Ich bin Ende 30 und mache gerade erst meinen Führerschein. In den fast 40 Jahren bisher habe ich - bis auf wenige Ausnahmen, in denen ich Freunde bitten musste - kein Auto gebaucht. Mobilität ist aber immens wichtig. Da muss in Berlin massiv investiert werden. Dabei finde ich, können solche Modellversuche eine erhebliche Rolle spielen. So lässt sich etwa die Frage klären, wie schnell komme ich eigentlich mit einem Fahrrad von a nach b, wenn ich mir das Straßenland nicht mit Autos (stärkeren Verkehrsteilnehmern) teilen muss. Das kann sehr erhellend sein.

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Hier Vorteil Land: Bei uns fahren noch die Brauereien und Getränkeverleger aus. Mit Heimservice usw…

Aber dass der Berliner ÖPNV eine Wucht ist, vermerke ich bei jedem Besuch in meiner früheren, zeitweiligen Heimat immer aufs Neue.
Funktionieren kann dort der Stopp des Individualverkehrs also also.
Frau/Man muss es nur dem Wählervolk mundgerecht präsentieren.