Anfangs war ich sehr glücklich, ach gar begeistert von dem Bundestagswahlergebnis und dachte nach vielen Jahren CDU + x an einen Aufbruch, an Veränderung auf ganzer Linie (auch der Kommunikation).
Und jetzt: gefühlt irgendwie ein Murks nach dem Anderen. Leider kann ich die Ampel und die Parteien kaum mehr in Diskussionen verteidigen. Mit gehen die Kraft und die Argumente aus.
Und die Alternative - Merz?!? Oder die AfD - undenkbar. Irgendwie bin ich müde und enttäuscht. Geht es euch auch so - oder gibt es doch Lichtblicke?
Mir geht es sehr ähnlich.
Hatte wirklich die Hoffnung, dass die 3 Parteien das jeweils beste aus sich vereinen können. Ich habe inzwischen aber eher den Eindruck, dass die FDP krampfhaft an ihren Ideologien festhält, während andere wirklich versuchen, das Land nach so viel Jahren stillstand endlich wieder fit für die Zukunft zu machen.
Dabei verliert man sich in klein klein und Minimalkompromissen, die keiner versteht und niemanden spürbar helfen.
Es hätte eine so gute Koalition werden können, wenn die FDP sich mal zusammenreißen würde und ein ernsthaftes Interessen daran zeigen würde, dass Deutschlands Interessen vor eigenen Interessen stehen sollten.
Sie hätte die Digitalisierung und Entbürokratisierung angehen können, die SPD hätte sich für mehr Netto vom Brutto einsetzen können und die Grünen hätte die Umweltaspekte thematisieren können.
Stattdessen wird sich nur gestritten und freuen tut sich der dritte.
Ich sag’s mal so. Als Hamburger war ich echt entsetzt, wie Leute tatsächlich in Olaf Scholz einen geeigneten Kanzlerkandidaten sehen konnten. Insofern waren meine Erwartungen recht gering, sind aber noch deutlich untertroffen worden.
Ich habe den Eindruck, dass das Kanzleramt in dieser Legislaturperiode ausschließlich kommissarisch besetzt ist (erst von Angela Merkel, dann von Olaf Scholz). Zumindest lässt der kontinuierliche Entscheidungsunwille des Kanzlers darauf schließen.
Vielleicht wäre es das Schlauste für die SPD und die Ampel, wenn sie ihre aktuelle Mehrheit im Bundestag dafür nutzen, um aus den Reihen der SPD einen neuen Kanzler zu wählen (am naheliegendsten wäre wohl der beliebte Boris Pistorius). Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Ende ohne Schrecken.
Vielleicht liegt es an der falschen Erwartungshaltung? Diese Koalition ist ein Bündnis von 3 unterschiedlichen Parteien, die eben unterschiedlicher nicht sein können. Es haben eben nicht 50% der Deutschen mehr Umweltschutz gewählt, sondern 15%. Insofern kann man garnicht erwarten, dass plötzlich gegen alle Widerstände der Ausbau der erneuerbaren Energien durchgeboxt wird. Das selbe gilt für höhere Sozialleistungen (25%) oder mehr Steuererleichterungen (10%).
Mir geht dieses allgemeine Gemecker an der Ampel (ich meine hier niemanden im speziellen sondern die Medienlandschaft) ziemlich auf den Senkel. Diese 3er Koalition mit unterschiedlichen Interessen navigiert gerade durch eine nicht-selbstverschuldete Krise nach der anderen. Dazu gehören die Nachbeben durch die Coronapolitik der Vorgängerregierung, eine nie dagewesene Inflation, eine Energieverfügbarkeits- und Energiepreiskrise, der Krieg in der Ukraine und der durch die Vorgängerregierung einfach ignorierte Anstieg der Migration. Da ist doch nicht zu erwarten dass alles so butterweich läuft wie wenn eine Merkel-CDU ohne erkennbaren politischen Auftrag zusammen mit einer SPD regiert, deren einziges Anliegen die Freigabe von Steuergeldern an einzelne glückliche Rentnergruppen ist.
Mein Lichtblick ist was für ein großes Glück wir haben, dass in Zeiten derartiger Krisen kein Armin Laschet oder Markus Söder die Zügel in der Hand hat.
Ich stimme dir zu. Ich kann mich noch gut am die Merkeljahre erinnern. Gesetze werden im Kanzleramt beschlossen (oder in Koalitionsrunden) und dann im Parlament abgenickt. Diskussionen gab es nicht - der Atomausstieg ist das beste Beispiel dafür. Ohne die Autorität von Merkel oder wenn es eine breite Diskussion gegeben hätte, hätte eine CDU geführte Regierung diesen nie beschlossen.
So ist es etwas seltsam - wir wollen Diskussionen im Parlament. Aber wenn sie stattfinden sind die Medien sofort dabei und schreiben die nächste Ampelkrise herbei.
Was mich allerdings stört ist, das drei etwas besprechen und entscheiden und sich zwei dann nicht mehr erinnern können. Das ist von Scholz und Lindner enttäuschend.
Ansonsten gilt das Motto unserer Demokratie:
Alle vier Jahre wird gewählt, mitmachen und mitdiskutieren ist erlaubt.
Also ich würde mal behaupten, wenn man die FDP durch die AfD ersetzt, wären die drei Parteien unterschiedlicher, als sie es jetzt sind.
Diesen Reduktionismus finde ich merkwürdig. Jede Partei auf einen Programmpunkt reduzieren und dann sagen, weil die Partei keine absolute Mehrheit hat, kann das nicht umgesetzt werden?
Ich bin mir ziemlich sicher, dass der Ausbau erneuerbarer Energien in den Parteiprogrammen aller Ampelparteien steht. Höhere Sozialleistungen werden neben der SPD mindestens auch von Grünen und Linken gefordert. Bei Steuererleichterungen bin ich mir nicht sicher, wahrscheinlich ist das auch Programm von CDU und AfD und an einzelnen Stellen auch von anderen Parteien.
Die Analyse ist mir persönlich ein bisschen zu einfach.
Die FDP trägt schon deutlich zum aktuellen Stand bzw. Ansehen bei (im negativen Sinne), aber dass es nur an der FDP liegt würde ich so nicht unterschreiben.
Die SPD macht in meinen Augen auch eine katastrophale Figur und das schlechte Abschneiden bei LTW und in Umfragen zeigen das. Die Grünen mussten zudem erkennen, dass regieren schwieriger ist als Opposition und das Organisationen, wie FfF, genauso kritisch mit ihnen sind wie mit anderen und dort massiv an Rückhalt & Vertrauen verloren haben (siehe U18 Wahlen in Hessen & Bayern).
Im Allgemeinen ist die Ampel vor allem kommunikativ ein Desaster, das liegt u.a. auch an Scholz, der wahrlich kein rhetorisches Wunder ist.
Sie muss viele Krisen meistern, aber wie sie das tut ist alles andere als souverän. Bestes Beispiel ist der verfassungswidrige Haushalt oder der Versuch einer Impfpflicht…
In den Merkel Jahren gab es auch die verschiedensten Krisen und da wurde, aber vielleicht sieht man im Nachhinein alles besser, souveräner gehandelt, z.B. bei der Finanzkrise.
Naja, der erste Winter mit sehr bedrohlicher Gasmangellage wurde besser gemeistert als jede Krise unter Merkel. Da fehlt schlicht ehrliche Anerkennung. Die 16 Jahre davor wurde keine Krise wirklich gelöst.
Nein wurde es nicht. In keiner Weise. Banken haben weiterhin sehr freie Hand, es wurde Geld rausgebladen und anschließend die wirtschaftsschädigende Schuldenbremse ins GG geschrieben. Dann hat Merkel Deals mit Autokraten gemacht. Anstatt die Migration zu lösen hat die uns und Flüchtlinge an Erdogan verkauft. Sie hat auch Putin noch hofiert als dieser völkerrechtswidrig die Krim annektiert hat. Dann hat sie auch noch dafür gesorgt, dass Betreiber von AKWs noch mehr Entschädigungen kriegen dank des völlig planlosen Ausstiegs vom Ausstieg und dann der desolaten Rolle rückwärts . Merkel ist mit das schlimmste was uns passiert ist und ihr regieren wird und leider noch viele Jahre nachhängen.
Nicht wirklich. Die 16 Jahre Stillstand unter Merkel waren furchtbar und haben das Land in Trümmern gelassen. Zudem kommt gerade eine Krise nach der andern.
Ich finde es positiv, dass endlich wieder über Politik diskutiert wird und nicht alles in stillen, geheimen Runden abgenickt wird.
Jetzt weiß man wenigstens wieder woran man ist.
Gegen ausgiebige Diskussionen im Parlament ist überhaupt nichts einzuwenden, auch nicht über Diskussionen in den einzelnen Fraktionen oder in der Regierung. Das wäre lebendige Demokratie. Aber das ständige nachträgliche Hickhack nach unerträglich langen und offenbar einsamen Entscheidungsprozessen, das Nachkarten, Zurücknehmen und Sich-plötzlich-doch-wieder-Distanzieren wirkt alles andere als professionell. Mir fehlen da Ehrlichkeit, Transparenz, eine ordentliche Kommunikation, Stehvermögen und eine erkennbare Führung. Und die FDP hat sehr offensichtlich noch nicht verinnerlicht, was die Aufgaben einer Regierungspartei sind. Kurz: Ja, ich bin auch enttäuscht. Sehr.
Ich würde eher sagen, es fehlt die Zeit für eine anständige Diskussion. Würde man sich auf ein Paket verständigen und dann innerhalb von zwei drei Monaten die Diskussion über dieses Paket führen und es dann beschließen, wäre alles okay.
Aber da die Entscheidungen quasi schon vor dem Ergebnis hätten fallen müssen, fehlt jegliche Zeit.
Und ist einmal genug Zeit, wie beim Gebäudeenergiegesetz, wird eine Diskussionsebene eingeführt, die sich jeglicher fachlichen Argumenten verschließt.
Eine Bundesregierung unterliegt heutzutage echt unglaublich vielen rechtlichen, politischen und faktischen Zwängen, sodass es manchmal schwierig ist, die Dinge einzuordnen. Will man Verantwortung für getroffene oder (noch schwerer) unterlassene Entscheidungen zuweisen, verliert sie sich manchmal zwischen den drei Ebenen - EU, Bund, Länder -, den Dimensionen sachliche Lösung und mediale Darstellung oder wird durch Verweis auf faktische Zwänge abgewimmelt.
In diesem Lichte betrachtet, würde ich der Ampel eine 4- geben (bis vor der aktuellen Haushaltsproblematik wär’s noch eine 4+ gewesen). Ich sehe, dass die Ampel sogar trotz der vielen Krisen und Herausforderungen insgesamt an kleineren Stellschrauben Fortschritte macht, die das Land Schritt für Schritt voranbringen. Beispiele Mindestlohn, Bürgergeld, ein paar Senkungen von Abgaben, Entlastung von Familien bei der Pflege, Ausbau erneuerbarer Energien, Lösung der Vermieter-Mieter-Aufteilung bei CO2-Steuer für Heizung, Wahlrechtsreform, Wahlalter bei Europawahl auf 16 abgesenkt, Auftreten nach Außen, insbesondere gegenüber Osteuropa (wer hätte gedacht, dass DE trotz hoher Kosten so verhältnismäßig klar an der Seite der Ukraine steht und auch andere Staaten der Region so stützt). Manche richtige Schritte (Gebäueförderung, jetzt Streichung von Agrarsubventionen) wurden zudem etwas hauruckartig durchgezogen.
Dann gibt es ein paar schwer durchschaubare Kompromisse (zB Kohleausstieg), die nicht so vertrauenswürdig wirken.
Nirgends sind die Fortschritte aber so umfassend oder durchschlagend, dass ich Begeisterung empfinden kann. Es fühlt sich teilweise eher an wie eine leicht verbesserte Merkel-Ära.
In einigen sehr wichtigen Bereichen (etwa Bildung, Rente, Pflege, Wohnen und das Verhältnis zu den Staaten Afrikas und des Nahen Ostens inklusive Migration) gibt es leider kaum Fortschritt, da hier der Rückstand für spürbare Verbesserungen durch kleine Schritte wohl einfach zu groß und die Situation zu komplex ist. Richtige gordische Knoten. Aber natürlich hatte ich mir hier trotzdem mehr erhofft. Eine andernorts schon besprochene, echte Enttäuschung, ist das fehlende Klimageld, das angeblich alle Parteien ursprünglich wollten. Auch aus Wissings Ressort kam, so scheint mir, noch kaum etwas Sinnvolles, aber die Latte liegt niedrig.
Was nicht gut ist, ist das mediale Auftreten, was ich wie @LightingMcK in großen Teilen Scholz ankreide. Aber das ständige gegenseitige Beharken nicht nur auf sachlicher oder ideologischer Ebene, sondern durch taktische Spielchen (Scholz überrascht alle mit einem Sondervermögen Bundeswehr, Leak des GEG, Wissing zum Verbrenner-Aus, Paus bei der Kindergrundsicherung, jetzt Lindners Amnesie bei der Haushaltseinigung) ist wirklich Gift für das Bild der Politik. Klar ist, dass eine zunehmend zwischen Panik und Überheblichkeit agierende CDU auch nicht wirklich hilfreich ist.
Edit: Im letzten Satz „auch“ ergänzt.
Ach komm - die Lösung der Finanzkrise bestand darin viele viele Milliarden Steuergelder an Banken zu überweisen. Mehr wurde nicht gemacht, die Verursacher der Krise sogar noch mit Steuergeldern belohnt. Und erst danach wurde die Schuldenbremse in GG geschrieben, damit nachfolgende Kriesen nicht mehr einfach so mit Geld zugeschüttet werden können. Der Modus funktioniert aber bei der Ukrainekrise überhaupt nicht, Gas welches es nicht gibt kannst du nicht mit mehr Geld kaufen, die Inflation lässt sich nur durch weniger Geld bezwingen, worunter alle Bürger leiden.
Man könnte zumindest den massiven Kosten durch die ungebremste Migration mit mehr Geld begegnen um die negative Publicity ein wenig abzumildern, das wirkt sich aber direkt auf den Resthaushalt und damit auf die Projekte die du sonst noch vor hast aus.
Auch wenn das viele nicht wahrhaben wollen - es gibt einen begrenzten Haushalt, zum Teil ist das auch absolut sinnvoll damit Projekte wie Steuererleichterungen oder höhere Renten nicht über Schulden finanziert werden die dann von der nachfolgenden Generation bezahlt werden müssen.
Der verfassungswidrige Haushalt war ungünstig aber doch jetzt auch kein großes Drama. Am Ende war es ein schlechter Versuch von CL die Schuldenbremse nicht auszusetzen, der peinlich gescheitert ist. Jetzt muss die Schuldenbremse eben nochmal ausgesetzt werden, aber das hat doch für den Normalbürger überhaupt keine Relevanz.
Impfpflicht finde ich ja lustig dass du ansprichst - ich hätte mir eine Grundimmunisierungspflicht für ALLE gewünscht bzw. gerne jeden nicht geimpften einer Intensivbehandlung ausgeschlossen. Aber so unterschiedlich nimmt man wohl Krisenmanagement wahr.
Auch wenn ich mit der Aussage dieses Threads sympathisieren kann - was wäre jetzt konkret der Themenvorschlag für die Lage?
Also bestes Beispiel ist doch das Klimageld - ich behaupte mal das ist besonders den Grünen ein wichtiges Anliegen, gegen das aus politischer Sicht weder von SPD noch FDP große Einwände kommen. Jetzt gibt es aber eben einen beschränkten Haushalt und der SPD war es noch wichtiger das Bürgergeld zu erhöhen und die FDP wollte dringender Steuererleichterungen auf den Weg bringen. Es ist bei einem beschränkten Haushalt natürlich so dass die Parteien nur bestimmte Punkte aus ihrem Wahlprogramm durchbringen können.
Das der Haushalt begrenzt ist liegt am Grundgesetz, daran können die 3 Partein auch nicht viel ändern. Und ich persönlich finde es auch richtig, dass Dinge wie Förderungen oder Sozialleistungen nicht über Schulden finanziert werden.
Rückblickend betrachtet:
Man hat als Wähler offenbar eher gegen Laschet als für Scholz als Kanzler gestimmt.
Ich will Scholz jetzt nicht als „kleineres Übel“ bezeichnen, doch hat sich die CDU mit Laschet als Kanzlerkandidat keinen Gefallen getan. Offenbar mangelte (und mangelt) es vielen Parteien grad an vorzeigefähigen Führungspersönlichkeiten.
Die Ampel war somit eher ein „zufälliger“ Gegenentwurf zur CDU. Offenbar wollte die Wählerschaft nach 16 Jahren Merkel wieder mehr Bewegung.
Allerdings ist die FDP stimmenmässig eher der Juniorpartner der Ampel. Daher steht denen etwas das Ego im Weg, weil man der Bedeutungslosigkeit durch lautes Poltern entgehen will.
Wenn sich die Ampel mal konstruktiv einigt, kommt ja durchaus was dabei raus, was Wert hat.
Liegt wohl viel an einzelnen handelnden Personen.
Die Frage stellt sich mir, welche Alternativen hätten wir und was könnten die besser? Und wer hätte Kanzler:innen-Format?
Irgendwie lesen sich nicht wenige Beiträge so, als habe Merkel völlig allein regiert und nicht die meiste Zeit mit genau der SPD, von der sich dann einige 2021 einen kompletten Politikwechsel erwartet haben - aus was für Gründen auch immer.