"Wie entsteht eigentlich Geld?" klassischen Geldtheorie vs. Moderne Geldtheorie

Dies ist mein erster Beitrag im „Lage Talk“ als frisch neuer Lage+ Abonnent aber langjähriger Hörer und ich wollte einmal ein Thema vorschlagen, welches im öffentlichen Diskurs und auch hier im Forum sehr wenig präsent ist: Geldtheorie.
Fragen rund um die Entstehung von Geld finde in Hinblick auf aktuelle Debatten sehr interessant. Wenn Geld tatsächlich in der Bank auf Knopfdruck durch die Aufnahme von Krediten entsteht und ohne neue Kredite kein Wachstum möglich ist, müssten Argumentationen wie „wir können uns keine neuen Schulden leisten“ und Fragen wie „Wer soll das bezahlen?“ völlig neu bewertet werden. Das Thema MMT wurde ja schon im Kontext von Bidens Infrastrukturprogramm angerissen, jedoch kann ich nur den Film Oekonomia von Carmen Losmann empfehlen. Im Hinblick auf Debatten die in nächster Zeit über die schwarze Null auch in Deutschland geführt werden und über unsere Zukunft entscheiden, (Wie soll der Kampf gegen die Klimakrise in Deutschland finanziert werden?) finde ich dieses Thema auch für die Lage sehr interessant. Ein Interview mit Scholz o.Ä. Politiker*innen mit der Frage „Wie entsteht eigentlich Geld?“ fände ich unterhaltsam.
Über eine Diskussion hier im Forum würde ich mich auch sehr freuen.
Weitere Buchempfehlungen zu dem Thema:
Keystroke-Kapitalismus: Ungleichheit auf Knopfdruck von Aaron Sahr
Gekaufte Zeit: Die vertagte Krise des demokratischen Kapitalismus von Wolfgang Streeck

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In der Tat. Die Antworten auf solche Fragen wurden jedoch schon vor fast 100 Jahren erarbeitet und seit damals hat sich nichts grundsätzlich geändert: alles, was wir physisch auf Ebene der Volkswirtschaft tun können, könnten wir uns auch finanziell leisten.

Wird dagegen versucht, mehr zu tun (=auf Markt nachzufragen) als physisch möglich ist (=die Produktionskapazität die Nachfrage dauerhaft nicht decken kann), handelt man sich eine hohe Inflation ein, ohne den Output weiter zu steigern.

So trivial ist das. Und natürlich sehr unangenehm für alle Politiker, die sich damit rühmen, die Staatsfinanzen so führen zu wollen, wie eine verantwortungsvolle Hausfrau. Genau diese Art von Populismus wird vom Wähler aber stark nachgefragt. Deshalb redet da so gut wie niemand drüber. Außer der Habeck neulich beim Lanz.

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https://talk.lagedernation.org/t/mmt-modern-monetary-theory/8773?u=trq

u.v.m.

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Das stimmt eben nicht. Nicht das Drucken von Geld führt zu Inflation, sondern erst, wenn dieses Geld beginnt schnell zu zirkulieren. Gäbe es einen Zusammenhang zwischen Geldmenge und Inflation hätten wir in den 10ern eine galoppierende Inflation in Europa erlebt - wir sind aber teilweise nur ganz knapp an der Deflation vorbeigeschrammt.

Die aktuelle Inflation hat ja auch nichts damit zu tun, dass letztes Jahr 40% aller jemals ausgegebenen US-Dollar gedruckt wurden, sondern ist fast ausschließlich auf das Zerreißen der Lieferketten durch Corona-Lockdowns zurückzuführen. Noch dazu stehen die Sterne besonders ungünstig: Halbleiter, die man heute für alles braucht, sind Mangelware geworden, Containerfrachtpreise sind explodiert und bei Rohstoffen steht ein spektakulärer Supercycle an. Shit hit the fan, um es mal wenig galant in der Sprache der Amerikaner zusammenzufassen - und das an mehreren ziemlich unglücklichen Stellen. Es ist angesichts dieser nicht-monetären Probleme fast erstaunlich, dass die offiziellen Zahlen so wenig Inflation ausweisen.

Wenn Geld tatsächlich in der Bank auf Knopfdruck durch die Aufnahme von Krediten entsteht und ohne neue Kredite kein Wachstum möglich ist, müssten Argumentationen wie „wir können uns keine neuen Schulden leisten“ und Fragen wie „Wer soll das bezahlen?“ völlig neu bewertet werden.

Die Frage ist nicht, wie viel Geld ich ausgebe, sondern wofür. Das muss man sich einfach klarmachen. Wenn ich als Staat Investitionen tätige, die einen return yielden, dann ist es inhaltlich völlig egal, wofür ich das Geld ausgebe. Der Punkt ist also auch nicht, wo das Geld herkommt („Bank erschafft Geld“), sondern wo es hingeht (zB Förderung junger Unternehmer oder in die Taschen von Scheuers Kumpels). MMT besagt also auch nicht, hau die Kohle raus, wo es nur geht, „weil du sie ja erschaffen kannst“. MMT sagt, die Höhe der Schulden ist egal, solange die Schulden für monetär sinnvolle Politiken aufgenommen wurden.

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Ich lese gerade auch relativ viel zum Thema MMT und habe noch nicht so 100%ig verstanden wie die MMT grundsätzlich zu verstehen ist. Deshalb hier meine Laiensicht der Dinge:

  1. Der Staat bekommt Geld (Giralgeld) durch die Ausgabe von Anleihen an Privatbanken (also Handel am Primärmarkt). Die Privatbanken bekommen dafür aktuell niedrige Zinsen.

  2. Die EZB kauft diese Anleihen den Privatbanken mit Giralgeld ab (Handel am Sekundärmarkt; wird häufig auch als „Staatsfinanzierung durch die EZB“ kritisiert).

  3. Zum Kaufen der Anleihen hat die EZB Zentralbankgeld per Knopfdruck „erzeugt“. Dieses wurde dann beim Kauf in Giralgeld umgewandelt und an die Privatbanken gezahlt.

  4. Der Staat hat also Geld erhalten (Punkt 1), womit er in Infrastruktur, Bildung usw. investieren kann. Unter Anderem können so private Unternehmen Aufträge vom Staat erhalten. Diese Zahlen wiederum (verschiedenste) Steuern, bezahlen ihre Mitarbeiter (welche dann ebenfalls verschiedene Steuern zahlen), wodurch ein Teil des Geldes wieder an den Staat zurück fließt.

  5. Das über die Steuern wieder eingenommene Geld vom Staat kann nun dazu genutzt werden die emittierten Anleihen zurückzukaufen (muss aber nicht zwangsläufig).

  6. Das dadurch entstehende Wirtschaftswachstum (langfristig) sorgt dann anschließend dafür, dass weiteres Geld in Form von Steuern an den Staat fließen kann.

Durch die Erzeugung dieses Zentralbankgeldes und dessen Unwandlung, erhöht sich die ingesamte Geldmenge.
Durch zurückkaufen der Anleihen verringert sich die insgesamte Geldmenge.

Wichtig finde ich hier, dass es quasi zwei unterschiedliche Geldarten (Zentralbankgeld, Giralgeld) gibt.

Das kann ein Zyklus der Geldentstehung sein, wie ich ihn verstanden habe. Korrigiert gerne die falschen Aussagen (ich hoffe es ist nicht allzu unverständlich beschrieben und nicht allzu viel falsch von mir verstanden).

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass ich kein VWLer bin. Das ist gänzlich das, was ich mit meinem Laienverständnis glaube verstanden zu haben :D:D

Noch als Nachtrag:

Um dadurch eventuell generierte Inflation abzufedern, könnten Steuern angepasst werden, um die insgesamte Geldmenge wieder zu reduzieren und die Kaufkraft zu regulieren.

(Ebenfalls mein Laienverständnis)

Ich habe auch nichts von „Gelddrucken“ geschrieben, sondern von Nachfrage, die dauerhaft das Angebot übersteigt. Dafür braucht es auch nicht Mal zusätzliches Geld bzw. eine schnellere Zirkulation. Wenn Vater Staat ein paar Mio Arbeitskräfte zum Kriegsdienst abkommandiert (und somit die Produktivkräfte verknappt), kann dies auch zu Inflation führen. Ist halt nicht unser Thema gerade. Aber aus der Zeit rund um Ersten und Zweiten Weltkrieg stammen ja die ganzen grundlegenden Überlegungen bezüglich Staatsverschuldung und Inflationskontrolle.

Was ich zu diesem Thema generell der interessant fand um die ganze Entstehungsgeschichte des Geldes und dem heutigen Verständnis nachvollziehen zu können war: Schulden: Die ersten 5000 Jahre, von David Gräber.

Hoffe das hilft, ist n dicker Wälzer aber meiner Meinung nach sehr erfrischend. LG

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