Warum gibt es so viele „Enttäuschte“, siehe aktueller Höhenflug der AFD

In der Welt ist gestern ein Interview mit Forsa-Chef Manfred Güllner über das Umfragehoch der AfD erschienen. Güllner ist nach Angaben der Welt SPD-Mitglied. Inwiefern sich seine Aussagen auf Befragungen stützen oder wieviel davon persönliche Einschätzungen sind, vermag ich nicht zu sagen. Da ich seine Aussagen sehr interessant fand und wegen der Paywall dokumentiere ich hier einige Auszüge aus dem Interview (Disclaimer: ich mache mir diese Aussagen damit nicht zu eigen!).

Im Laufe dieses Jahres sind zudem bisherige Wähler anderer Parteien und Nichtwähler zur AfD gewandert, die bislang Vorbehalte gegen diese Partei hatten. Unter den Zuwanderern zur AfD sind aktuell - anders als bisher - auch beachtlich viele Wähler der Ampel-Parteien.
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Die große Mehrheit der früheren SPD-Wähler in normalen Arbeitsverhältnissen hat den Eindruck, dass sich „ihre“ einstige Partei zu sehr einer Art grüner Diktatur beugt.
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So hält anders als die große Mehrheit der Grünen-Wähler nur eine Minderheit aller Bundesbürger die Abschaltung der Kernkraftwerke, das Verbot des Verbrennungsmotors sowie der Gas- und Ölheizungen oder die Gendersprache für richtig.
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Deshalb gab es bislang auch einen klaren Damm zwischen Anhängern der AfD und der übergroßen Mehrheit, die mit dieser Partei nichts zu tun haben will. Doch jetzt zeigen sich erste Aufweichungen, und es wechseln Wähler zur AfD, die sehr wohl wissen, dass es eine rechtsradikale Partei ist. Wegen des zunehmenden großen Unmuts über den überbordenden grünen Zeitgeist aber wandern sie trotzdem zu dieser Partei.
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Für die zahlreichen dem Mittelstand angehörenden Wähler der AfD spielt die große Sorge, den jetzigen Status in der Gesellschaft zu verlieren und zwischen dem „globalen Kapitalismus“ und dem „Proletariat“ zerrieben zu werden, eine große Rolle. Diese für die AfD wichtige Kerngruppe der Mittelständler fühlt sich zudem im Vergleich zu anderen Gruppen subjektiv benachteiligt und hat entsprechend extrem pessimistische Wirtschaftserwartungen, obwohl es ihnen an sich ökonomisch gut geht.
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In der Tat haben AfD-Wähler nicht nur zu keiner staatlichen Institution, sondern etwa auch zu den Medien, den Sicherheitsorganen oder den Meinungsforschern kein Vertrauen. Sie protestieren gegen alles und sich selbst, lehnen das gesamte politische und gesellschaftliche System ab und hängen Verschwörungstheorien an.
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Nichtwähler sind Menschen, die großen Unmut darüber verspüren, wie viele Akteure gegenwärtig Politik betreiben und mit ihrer Wahlenthaltung der Politik die Gelbe Karte zeigen. Sie stehen nicht außerhalb des Systems, sondern fühlen sich eher als Wähler auf Urlaub und würden gerne wieder Parteien wählen, die wählbar sind.

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Das zeigt m. E. dass es für viele Menschen bei der Wahlentscheidung - ähnlich wie bei Konsumentscheidungen - vor allem um bestimmte Emotionen geht: Um das Image eines Produkts/einer Partei, um das eigene Selbstbild, um die Erwartung, wie die Wahl/der Kauf dieses positiv beeinflusst etc. Sprich: Wahlentscheidungen sind mitnichten so rational wie viele annehmen bzw. sie sind durchaus in einem gewissen Rahmen rational, nur sind es die ausschlaggebenden Faktoren nicht. Und das versteht nicht nur die AfD gut zu nutzen.

Güllner ist natürlich bekannt für seine - zurückhaltend gesagt - meinungsstarken Takes bei der Interpretation von Umfrageergebnissen. Man kann sich dafür mal den Wikipedia-Artikel durchlesen, der die Kontroversen um Güllners Einschätzungen m.E. gut dokumentiert. Ich zitiere daraus mal nur einen Satz, ist aber alles lesenswert:

In dem vor der Bundestagswahl 2013 veröffentlichten Buch „Die Grünen: Höhenflug oder Absturz?“ beschwor Güllner eine Gefahr für die Demokratie durch die Erfolge von Bündnis 90/Die Grünen, warnte vor einer „grünen Diktatur“ und zog Parallelen zum Aufstieg der NSDAP und zum Ende der Weimarer Republik.

Um dem einen unaufgeregten Blick entgegen zu halten: Am Wochenende hat die SZ Einschätzungen zu den aktuellen Umfragen gesammelt und dabei auch Thomas Gschwend von der Universität Mannheim befragt. Ein Punkt auf den er verweist ist sinngemäß: Joar, in der Mitte der Legislaturperiode sinken die Unfragewerte der Regierungsparteien traditionell, wenn es auf die Wahl zugeht, steigen sie wieder. Interessant auch die Hinweise von Marcel Lewandowsky auf die Leipziger Autoritarismus-Studie, die davor warnen, das von AfD-Wähler:innen selbst gerne vorgebrachte Protest-Narrativ allzu unkritisch zu kaufen.

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Danke für den Hinweis. Dann weiß ich jetzt, was ich schon vermutet hatte, dass die Formulierung „grüne Diktatur“ wohl eher aus seinem Kopf als aus Umfragen kommt. Dennoch finde ich es plausibel, dass das dahinterstehende Abwehrargument auch in (gefühlt) abstiegsbedrohten Mittelschicht-Milieus durchaus verfängt und wahlentscheidend sein kann.
Ohne den SZ-Artikel gelesen zu haben: Was das „Protest-Narrativ“ angeht: Ich vermute mal, dass sich Lewandowsky darauf bezieht, wie sehr AfD-Wähler:innen autoritäre, rassistische etc. Einstellungen haben - da würde ich gar nicht widersprechen. Mein Punkt war ja eher, dass viele Leute eine rechtsextreme Partei wählen, ohne sich von dieser konkrete Verbesserungen für ihre eigene Situation zu versprechen.
Und ob die AfD bei Wahlen demnächst 12, 15 oder 20 Prozent kriegt, ist aus meiner Sicht auch nicht das Wichtigste. Zentral ist, dass sie durch ihre andauernde Radikalisierung offenbar nicht an Attraktivität bei Wähler:innen verliert und wir es daher in den nächsten 5-10 Jahren mit zahlreichen „Dammbrüchen“ zu tun haben werden - zuerst auf kommunaler, dann auf Landesebene, erst im Osten und dann irgendwann auch im Rest der Republik.

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Geht noch in die Stichwahl und es würde mich nicht wundern, wenn das Ergebnis von 46,5% doch manchen AFD-Wähler noch mal verschreckt hat.
Es könnte sogar sein, dass die Situation die Wähler noch mal besonders motiviert und die Wahlbeteiligung höher als bei der ersten Wahl wird.

Im brandenburgischen Landkreis Oder-Spree war es neulich schon verdammt knapp. Mag sein, dass es auch in Thüringen diesmal noch klappt - aber wie lange noch?

Wenn man sich vorstellt, dass es jetzt nur 3,5% waren, die fehlten, ist es wirklich nur eine Frage der Zeit. Aber solange es noch zur Stichwahl kommt, bin ich optimistisch.

Wenn ich mir das Parteiprogramm der AfD so anschaue (strikte Begrenzung der Zuwanderung, nationale Grenzkontrollen, souveräne Nationenbildung bei Ablehnung der EU, abkehr vom Euro, wahrung der deutschen Kultur, stärkere Betonung der inneren Sicherheit,…), und das Programm der CDU, da gibt es gewisse Schnittmengen (Stärkung Wirtschaft, innere Sicherheit), aber auch deutliche Gegensätze (Bedeutung der EU, …).

Ist abzuwarten ob es da noch Verschiebungen zueinander gibt, was die Wähler zur Entscheidung zwingt…oder auch nicht.
Bzw. Bei übereinstimmung aus Wählersicht in Kernpunkten , wo schwenkt das Pendel dann hin?

In Thüringen ist gerade zu beobachten, wie die Haltung der CDU in der Frage erodiert: Der Landesvorsitzende Mario Voigt ist gerade bei einer Podiumsdiskussion zum Krieg in der Ukraine aufgetreten, die von den Organisatoren der Montagsdemonstrationen in Hermsdorf organisiert wurde, die wiederum auch von extrem weit rechten Akteuren besucht werden. Nachdem der CDU-Bürgermeister von Altenburg sich für Kooperationen mit der Linkspartei ausgesprochen hat, hat der CDU-Bürgermeister von Waltershausen nun Kooperationen mit der AfD ins Spiel gebracht.

Sonneberg ist Teil des Bundestagswahlkreises, in dem Hans-Georg Maaßen für die CDU angetreten ist und diese gewissermaßen die eigene AfD-Werdung vorbereitet hat. Ein winzig kleiner Wahlkreis mit ca. 56000 Einwohnern, laut Tagesspiegel relativ wirtschaftsstark und mit einer Arbeitslosigkeitsquote knapp unter dem Bundesdurchschnitt. Der Artikel geht in die Richtung deiner These, dass es um gefühlten Wohlstandsverlust und außerdem das Stadt/Land-Gefälle geht. Gleichzeitig reicht es offenbar aus, dass die AfD einfach die alten nationalistischen und anti-europäischen Ressentiments aktiviert. Früher der böse Euro, heute die böse Wärmepumpe, amplifiziert durch den Katalysator Corona.

Man liest jetzt gerade häufig, u.a. weil Bodo Ramelow es gesagt hat, dass die Wahlbeteiligung mit 49,1% erschreckend niedrig gewesen ist. Tatsächlich ist sie für eine Landratswahl, dazu noch off schedule, ohne gewählten Amtsinhaber und an einem sonnigen Wochenende, extrem hoch.

Und eine letzte Beobachtung, die wahrscheinlich völlig belanglos ist: Der Kandidat der AfD, Robert Sesselmann, trägt den gleichen Nachnamen wie der langjärige erste Landrat des LK Sonneberg nach 1990: Reiner Sesselmann war von 1994-2006 Landrat und wurde von der SPD unterstützt. Reiner Sesselmann war in den 60er Jahren Fußballer in der DDR-Oberliga; der Bundestagswahlkreis, zu dem Sonneberg gehört, hat bei der letzten Wahl den ehemaligen Weltklasse-Biathleten Frank Ullrich in den Bundestag gewählt. Old Glory.

Ein Hoffnungsschimmer vielleicht: Wo, wenn nicht in Sonneberg? ^^

Streng genommen kann man eine Prognose ja nicht belegen, aber man kann sie plausibilisieren: In den zehn Jahren von 2009 bis 2019 hat sich die CO2-Effizienz des deutschen BIP (also wie viel Euro Wertschöpfung pro Tonne CO2 erzielt wird, also einfach der Quotient BIP/Emissionen) im Durchschnitt um 3,2% pro Jahr verbessert (Quellen: UBA-Bericht Treibhausgas-Emissionen in Deutschland und BIP-Daten der Weltbank). Um bis 2030 das 65% Minderungsziel zu erreichen, müsste dieses Tempo zwischen 2022 und 2030 auf 5,4% CO2-Effizienzsteigerung pro Jahr gesteigert werden, nur damit das BIP konstant bleiben kann. Um uns 2% jährliches BIP-Wachstum leisten zu können, müsste das Tempo 7,1% betragen. Bereits 5,4% erscheinen mir und den meisten Fachleuten jedoch illusorisch, und auch der Projektionsbericht 2021 geht davon aus, dass Deutschland zwischen 2022 und 2030 nur etwa 2,9% jährliche Verbesserung der CO2-Effizienz erreichen wird (wenn man 1% BIP-Wachstum annimmt).

Es ist zwar richtig, dass die Energiewende und weitere Nachhaltigkeitsinvestitionen genug neue Jobs schaffen werden, aber wir brauchen am Ende - jedenfalls mittelfristig - mehr Arbeitsstunden, um die gleiche Menge an Energie, Mobilität etc. zu bekommen, d.h. das schlägt sich als höhere Inflation nieder und damit als Verlust an Kaufkraft und realem BIP (alle Werte hier sind natürlich inflationsbereinigt).

Die wollen doch hauptsächlich dass die Anderen (also Ausländer, Klimaschützer usw.) wehgetan wird. Sogar wörtlich mit Schmerzgriffen und alles mögliche.

Das ist sehr praktisch weil das auch ungefähr den einzigen politischen Spielraum ist den es noch gibt: gegen wen der Staat seine Gewalt ausübt wieviel Gewalt der Staat gegen diese Leute ausübt.

In der Politik haben es Populisten einfach und sie machen es dem Wähler einfach!

  1. einfache Lösungen für komplexe Probleme
  2. eher nichts verändern, läuft doch
  3. und wenn’s nicht läuft sind die anderen schuld → Feindbild bzw. Projektionsfläche für Probleme/Veränderungen (die Grünen, die Ausländer, Minderheiten, Menschen die anders sind u.v.a.)
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Das finde ich etwas vereinfacht. Die AfD zum Beispiel will ja eher zurück in die Vergangenheit - bei vielen Forderungen hab ich den Eindruck, sie wär eigentlich gerne die CDU der 1960er, 1970er oder 1980er Jahre. Das heißt, sie will eben nicht alles so lassen wie es ist. Ihr Slogan lautet ja nicht umsonst „Deutschland - aber normal“ und nicht „Deutschland - so wie es ist“. Sprich: sie will Migration abschaffen, Klimaschutz abschaffen, Atomkraft zurückhaben. Genderdebatten weg und klassische Rollenmuster wiederhaben etc. All das ist ja mitnichten „einfach“ zu erreichen.
Vielleicht könnte man es so formulieren: Populist:innen vermitteln ein möglichst einfaches Weltbild, in dem klar ist, wer wer ist, und vor allem wer gut und wer böse ist. Das macht die Orientierung in einer komplexen Welt leichter und die Menschen fühlen sich besser. (ein nicht zu unterschätzender Faktor)

Nur gemessen daran sind halt viele herkömmliche Parteien inzwischen auch ziemlich populistisch - halt jeweils aus ihrer Perspektive. Dazu gehört auch: Populistisch sind natürlich immer nur die anderen. Den Mechanismus, den Du unter 3. beschreibst, pflegen ja auch andere.
Ein paar (bewusst überspitzte) Beispiele:
Ein grünes Ministerium macht einen schlechten Gesetzentwurf? → Springerpresse & FDP sind schuld!
Deutschland macht sich von russischen Gaslieferungen abhängig und kriegt dadurch Probleme mit der Energieversorgung → Russland ist böse.
Die Politik betreibt eine relativ kopflose Pandemiepolitik → Querdenker und Ungeimpfte sind schuld.
Deutschland setzt sich auf EU-Ebene nicht ausreichend für ein humaneres Asylrecht ein → Italien, Polen und weiß der Geier noch wer sind schuld. (
Ich weiß, das ist jetzt sehr überspitzt, aber ich denke der Gedanke dahinter wird deutlich. Damit will ich ausdrücklich nicht sagen, dass es in puncto Populismus keinen Unterschied zwischen der AfD und anderen Parteien gibt. Ich denke nur, dass es eher um graduelle Unterschiede geht als um Populismus ja oder nein.

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Solche „Überspitzungen“ sind halt auch nur Populismus und vergiften die Debatte. Bekanntes Muster. War halt dann nicht so gemeint, aus dem Zusammenhang gerissen oder falsch zitiert.

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Da möchte ich widersprechen. Nicht jede Überspitzung ist automatisch Populismus. Erstens kann man mit ganz unterschiedlichen Intentionen überspitzen (zum Beispiel um eine Aussage zu pointieren, für satirische Zwecke etc.) und zweitens habe ich ja selbst auf die Überspitzung hingewiesen und verdeutlicht, was ich damit zum Ausdruck bringen wollte.
Den „Haider-Mechanismus“ (aka dogwhistling), den Du beschreibst, hat m. E. erst mal wenig mit dem rhetorischen Instrument der Überspitzung zu tun. Da geht es vielfach einfach um grobschlächtige Gleichsetzungen, Analogien, Zuschreibungen etc.

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Man könnte natürlich Populismus - z.B. mit Jan-Werner Müller - auch schlicht als Bedingung von (erfolgreicher) Politik fassen, die gewissermaßen als repräsentative Außenseite von Politik die Anschlussfähigkeit dessen leistet, was auf der (technokratischen) Sachebene von Politik passiert. Man müsste also eigentlich eher einen ‚guten‘ von einem ‚schlechten‘ Populismus unterscheiden, wobei der ‚gute‘ sich insbesondere dadurch auszeichnet, dass er Menschen das Gefühl gibt, sie seien von politischen Entscheidungen und Prozessen mitgemeint. Der ‚schlechte‘ (z.B. rechte) Populismus tendiert hingegen dazu, die Exklusivität einer imaginierten Volksgemeinschaft zu adressieren und zu privilegieren.

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Ich glaube, da kommen wir langsam an den Kern des Problems - miserable Kommunikation! Jeder, der entfernt mit „Verkaufen“ zu tun hat, weiß, dass er eine Marketingstrategie braucht und für sein Produkt oder seine Idee einzigartige Vorteile (USPs) aufzeigen/herausstellen muss, um einen potentiellen Kunden zu überzeugen. Das kriegt die Ampel einfach nicht hin - obwohl man doch sicher hinter der Front etliche gutdotierte Berater vermuten darf. Und wenn dann noch einer der Verkäufer - nicht ein Konkurrent! - öffentlich sagt: ‚das Produkt taugt nichts‘, dann wird das mit dem Überzeugen sehr schwer, zumal wenn das Produkt teuer ist.

2004 wurden plötzlich die Gaspreise um gut 20% erhöht. Das war für mich das Signal, dass ich über Alternativen nachzudenken begann. Mir wurde klar, dass Strom die einzige Energie sein würde, die immer verfügbar und für alles verwendbar sein wäre. 2006 habe ich 25K in eine Wärmepumpe mit Tiefenbohrung investiert und freue mich seitdem über die Jahresrechnung meines Stromlieferanten, denn meine Heizkosten sind um 80% gesunken. Allein dieses Gefühl war mir schon Mehrwert genug, die höheren Investitionskosten zu begründen. Letztes Jahr habe ich noch ein Balkonkraftwerk installiert, um einen Teil des Stroms selbst zu produzieren, und wenn mir der gesunde Menschenverstand zu weiteren Maßnahmen rät, bin ich grundsätzlich auch dazu bereit.

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Ich habe das Buch nicht gelesen, nur kürzere Texte von Müller zum Thema. Aber darin widerspricht er ausdrücklich der These, es könne einen demokratischen (also „guten“) Populismus geben. Etwa hier zeigt er auf, das Populismus weder an demokratischer Repräsentation noch an Partizipation interessiert ist. Das kriege ich grad nicht ganz zusammen mit Deiner Darstellung.

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Danke für die Korrektur! Das war schlicht ein peinlicher Fehler. Müller spricht von „Charisma“ und allgemeiner von Repräsentation, um ein Plädoyer für Formen der „charismatischen“ Komplexitätsreduktion in der politischen Kommunikation zu halten, die nicht im Verdacht stehen, dem populistischen Volksbezug Vorschub zu leisten und gleichzeitig auch mit der linken Tradition der Populismustheorie aufzuräumen. Seine Beispiele in dem Essay sind Barack Obama und Marina Weisband. Mein Punkt wäre hier dann vielleicht allgemeiner, dass Komplexitätsreduktion nichts per se schlechtes ist, sondern Bedingung erfolgreichen politischen Agierens. Oder um eine Formulierung von oben aufzugreifen: Es „dem Wähler einfach zu machen“ sollte man als politische Erfolgsstrategie vielleicht nicht den Populisten überlassen.

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Da würde ich absolut mitgehen. Komplexe Sachverhalte einfach zu erklären und zu vermitteln ist eine hohe Kunst - und etwas grundlegend anderes, als die Komplexität einfach zu ignorieren. Ebenso sind Charisma und die Fähigkeit, andere für etwas zu begeistern aus meiner Sicht geradezu idealtypische Eigenschaften von Politiker:innen. Auch hier liegt der entscheidende Unterschied wohl darin, anzuerkennen, dass ein solches Charisma nicht automatisch bedeutet, dass die eigene Meinung die einzig richtige ist. Ein guter Indikator dafür ist aus meiner Sicht Humor, aber der ist ja bekanntlich Geschmacksache. Den von Obama mochte ich. Er hat z. B. mal gesagt, dass er selber keine Ahnung hat, wofür er eigentlich den Friedensnobelpreis gekriegt hat.