Im kommenden Gutachten zur Verkehrswende im Güterverkehr plädieren anscheinend vier Wirtschaftsweise für den Aufbau eines Elektrotankstellennetzes. Nur Veronika Grimm setzt sich wohl in einem Minderheitsvoting für die parallele Förderung eines Wasserstofftankstellennetzes ein.
Kritiker vermuten, dass sie nicht unabhängig agiert, da sie seit März im Aufsichtsrat von Siemens Energy sitzt, die beteiligt waren beim Aufbau der Wasserstoffproduktionsstätte in Chile.
Auch ein paar der letzten Beratungen zum Bericht hat sie verpasst, da da gerade der Aufsichtsrat von Siemens Energy tagte. Man kann also auch nicht sagen, dass die Nebentätigkeit (vergütet mit 120.000€ pro Jahr) sich nicht auf ihre Tätigkeit als Wirtschaftsweise auswirken würde.
Interessant, dass wohl keiner die Begründung von Frau Grimm durchgelesen hat.
Sie weißt im Prinzip darauf hin, dass im Güterverkehr die Technologie und die Infrastruktur bei E-Mobilität nicht im passenden Zeitraum umgesetzt werden kann.
Das ist auch bei einfacher Google Recherche schnell schlüssig. Die Masse an Batterien für LKW in der gesamten EU ist nicht zu fertigen, weil die Rohstoffe und die Kapazitäten fehlen. H2 Kraftwerke können jedoch in dieser Zeit errichtet werden.
Beim Schiffsverkehr und Flugverkehr ist es Technologisch noch eklatanter.
Die anderen vier Wirtschaftsweisen, wie auch das Frauenhofer, plädieren trotzdem für einen Ausbau vorrangig für E-LKW, da dieses im Verhältnis am günstigsten Betrieben werden können. Das stimmt auch. Jedoch weise alle fünf Wirtschaftsweisen seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten darauf hin, dass der Güterverkehr auf die Schiene gehört und weg von der Straße muss. Leider wird das konsequent von unseren Verkehrsministern ignoriert.
Darum werte ich den Befangenheitsvorwurf bei Frau Grimm als inkorrekt in diesem Fall. Trotzdem sollte sie ihr Amt bei den Wirtschaftsweisen niederlegen, weil diese Befangenheit immer wieder hochgespielt werden wird und damit ist die Legitimität der Wirtschaftsweisen nicht mehr gegeben.
Es geht auch tatsächlich um den Vorwurf der Befangenheit. Dazu muss man im Hinterkopf haben, dass seit Monaten ein Machtkampf bei den Wirtschaftsweisen stattfindet, der darauf abzielt Grimm wegen ihrer Nähe zu Siemens zu entfernen.
Ihre Expertise steht auch nicht in Frage. Sie ist Professorin für Energiesysteme und Marktdesign, Mitglied der Leitung des Energiecampus Nürnberg, Vorstand des Zentrum Wasserstoff Bayern und Direktorin des Experimentallabors Nürnberg.
Die übrigen Wirtschaftsweisen kommen allesamt aus der Sozialforschung und der Ökonomie und sind von der naturwissenschaftlichen Praxis eher weit weg.
Was … (edit Mod.) Margarete und auch viele Journalisten in ihrer Empörung nur verkennen ist, dass Grimm zwar H2 als wichtige Option sieht, aber auch ein entsprechendes Marktdesign fordert. Also nicht die Preise künstlich herunter subventionieren wie wir es oft tun, sondern H2 kostet dann halt was er kostet. Dennoch wird er in Nischen (LKW, Spezialmaschinen) dann noch eine Anwendung finden.
Ist das ein Skandal? Eher nicht, aber sozialökologische Menschen werden das natürlich nicht auslassen um eine wirtschaftsliberale, eher technologienahe (im Sinne von technologiegläubige) Professorin zu beschädigen.
In dem Gutachten geht es um staatliche Zuschüsse, das beeinflusst natürlich die Preisgestaltung.
Wenn Daimler als wichtigster H2-Anbieter nach dem Beispiel von Tesla ein europäisches Tankstellennetz aufbaut, um sich entsprechende Marktanteile zu sichern und weil dort das Potential gesehen wird: go for it
Das wird auch von keinem Experten angezweifelt. Unter anderem warnen sie deshalb davor, Wasserstoff in Bereichen zu verschwenden, wo man genauso gut Batterien einsetzen könnte.
Irgendwie hat sie es trotzdem geschafft Mitglied von acatech (Deutsche Akademie der Technikwissenschaften e. V.) zu werden: Veronika Grimm - acatech Aber wie auch ihr Profil da sagt, ist sie das sicherlich nicht aufgrund ihrer naturwissenschaftlichen Kompetenz geworden. Sie ist vom Hintergrund eine Wirtschaftswissenschaftlerin. Vielleicht arbeitet sie nicht nur mit klassischen Modellen aus dem Bereich und ist durch techno-ökonomische Modelle etwas besser im Verständnis der Energiesysteme. Aber eben eher weil die anderen einen anderen Forschungsschwerpunkt haben. Auch das hier angebrachte Experimentallabors Nürnberg ist eben kein technologischer Teststand, sondern dient der experimentellen Wirtschaftsforschung (Herzlich Willkommen auf den Seiten des LERN - Laboratory for Experimental Research Nuremberg! - LERN). Das hat auch nichts mit Naturwissenschaften zu tun.
Zum eigentlichen Thema Wasserstoff: Ich habe ihre Begründung selber noch nicht gelesen. Grundsätzlich gibt es aber in der Wissenschaft genug Analysen, die Wasserstoff im Frachttransport, auch auf der Straße, einen Beitrag zusprechen. Ihre Doppelfunktion macht es aber einfach schwer, diesen Aspekt auch so aufzufassen. Sie muss also nicht mal befangen sein aber es ist recht einfach ihre Position dadurch anzugreifen. Die Rolle der Sachverständigen ist eine unabhängige Expertensicht zu haben. Da frage ich mich viel mehr, wieso es überhaupt ermöglicht wurde, dass sie so ein Mandat annehmen darf.
Klar tut es das. Infrastruktur ist aber auch eine staatliche Aufgabe.
Also ist die Frage, ob eine H2 Tank-Infrastruktur staatlich erwünscht ist oder nicht. Wenn sie es ist, bspw. um Risiken zu hedgen, dann sollte der Staat die Infrastruktur zumindest bezuschussen. Er sollte sich dann aber aus den Betriebskosten heraushalten. H2 wird trotzdem sicher teuer genug bleiben, dass der Normalbürger lieber elektrisch fährt. Zumal es beim Votum von Grimm auch „nur“ um den Güterverkehr geht.
Kannst du machen. Und natürlich wird sie nicht auf dem gleichen Level sein wie ein Praktiker wie du es bist. Sie ist aber sicher weit näher als andere, schon allein durch das Lesen von Papern zum Thema, den Besuch von Fachkonferenzen uvm…
Wieviel technischen Sachverstand zu Batterietechnik erwirbt man denn beim Besuch einer Konferenz zu Rentenkonzepten? Die Kompetenz von den übrigen Wirtschaftsweisen wird ja nicht in Frage gestellt.
Ich kenne die Details in dem Fall nicht. Deswegen formuliere ich das mal so:
die Tatsache, dass Frau Grimm bei Siemens im Aufsichtsrat sitzt und entsprechende Gutachten verfasst, die Interessen von Siemens betreffen ist erstmal ein Fall von Befangenheit.
Auch wenn es dazu meines Wissens für die Wirtschaftsweisen keine Regeln gibt, ist es definitiv so, dass hier natürlich eine nicht unerhebliche Befangenheit besteht. Hier gibt es halt das übliche Dilemma, dass man einerseits die Top Experten für diesen Job haben möchte und ihnen deshalb gewisse Nebentätigkeit gewährt. Gleichzeitig sind genau diese Nebentätigkeiten natürlich ein Problem für die Unabhängigkeit. Am Ende ist das eine Frage der Abwägung oder wie und ob der Staat solche Experten selbst bezahlen möchte. Auf jeden Fall ist es fair die Praxis im Fall Grimm in Frage zu stellen.
WENN es über die Befangenheit hinaus aber keine Anhaltspunkte gibt, dass Frau Grimm von Siemens dafür bezahlt wurde, um Einfluss auf Gutachten zu nehmen, DANN sehe ich auch keinen Verdachtsfall von Korruption und das sollte man dann auch ganz sauber trennen.
Das ist die Sicht, die Deutschland gerade in den Abgrund führt. Alles, was nicht unmittelbar Gewinne abwirft, soll doch bitte der Steuerzahler finanzieren. Die Gewinne, die sich aus der Nutzung der Infrastruktur ergeben, werden natürlich trotzdem privatisiert - nicht ohne die viel zu hohen Unternehmenssteuern zu kritisieren.
Als die ersten Benzinkutschen über die Straßen rollten, sagte keiner: lieber Staat, bitte kümmere dich um eine Infrastruktur, sondern die Mineralölkonzerne taten sich mit Apotheken zusammen und eröffneten dann selbst die ersten Tankstellen:
Das kann man auch so machen wenn man viel Zeit hat. Haben wir das?
Wenn deine Antisubventionshaltung richtig wäre, warum subventioniere ich dem Eigenheimbesitzer seinen Umbau von Gas auf Wärmepumpe? Warum gibt es Subventionen für Offshore-Windkraft, PV-Großanlagen, klimaneutralen Stahl oder für die ökologische Landwirtschaft?
Die Antwort ist einfach. Es lohnt sich ohne Subvention meist nicht, zu den Early Adoptern zu gehören, wodurch die Transformation viel zu lange dauert. Solange es kaum H2 LKW gibt wird kaum eine Tankstelle eine entsprechende Infrastruktur aufbauen. Andersherum gilt aber auch, so lange es nicht genug Tankstellen gibt, wird kaum ein Logistiker H2 LKW anschaffen. Da der Güterverkehr ein essentieller Teil der Wirtschaft ist, können wir uns einen solchen „der Markt macht das schon alleine“-Crashkurs hier vermutlich nicht leisten.
Du gehst offensichtlich davon aus, dass es eine Kausalität zwischen Aufsichtsratsposten und der Position von Frau Grimm gibt.
Wie passt das dann zusammen, dass Grimm erst seit 2024 den Siemens Posten inne hat, aber schon 2021 erklärte, dass der Güterverkehr zumindest temporär auf H2 setzen muss, da er nicht so schnell elektrifiziert werden kann?
Die Frage ist halt, ob es diese LKW in Zukunft in ausreichender Menge geben wird. 80% der Weisen haben da Zweifel. Da macht es Sinn, sich für eine Technologie zu entscheiden, die bereits jetzt auf LKW in Deutschland zählen kann (über 60.000) und die eine Infrastruktur bietet von der auch PKW später profitieren werden.
H2-LKWs werden eine Reichweite von 1000km haben. Wie willst du hier die Tankstellen auslasten?
Die meisten tanken (wie jetzt beim Diesel) im eigenen Betrieb.
Das einzige, was du bekommt, sind unausgelastete Zapfsäulen die schließen sobald der Staat den Hahn zudreht.
Lies doch bitte mal Interviews der letzten Jahre mit Grimm. Sie ist nicht für H2-Güterverkehr weil sie Batterien ablehnt, sondern weil sie es für unmöglich hält den Güterverkehr schnell genug zu elektrifizieren. Es hakt wohl vor allem an dem hochskalieren der Batterieproduktion und den dafür nötigen Rohstoffen.
Das leuchtet mir nicht ein. Tankstellen wird es doch auch weiterhin geben, nur meist mit Ladesäulen. Wenn da alle 50-100 km eine H2 anbietet kann ich die doch trotzdem kostendeckend betreiben. Zumal die Infrastruktur nur vergleichsweise geringe Kosten verursacht wenn mal keiner tankt.
Außerdem geht Grimm davon aus, dass man H2 in einer Übergangsphase auch erdgasbetankten LKW beimischen könne. Fossile LKW werden wir noch eine ganze Weile auf unseren Straßen sehen (2055+).
Aber genau diese Zeit brauchst du bei LKW aufgrund der Lenkzeiten und vorgeschriebenen Pausen sowieso nicht. Die LKW haben in den Pausen Zeit zu Laden, spätestens an der Spedition stehen sie zum Be- und Entladen sowieso.
Oft wird auch überschätzt, wie weit LKW fahren müssen. Die 1000km pro Strecke fahren in Europa wenige Prozent, eher ist es der niedrige 3-stellige Bereich. Da gibt es eine interessante Studie vom T&E zu, ich zitiere mich da einfach mal aus einem älteren Beitrag.
Das Argument bei der Ladezeit ist eher, die Frage wieviele Ladesäulen ich benötige. Ein LKW dürfte an einem 100kW Charger einige Stunden stehen. Wenn dann auch noch ein anderer LKW bereits dort steht, dann ist das fatal.
Du kannst auch nicht einfach immer Nachts laden. Denn dann benötigt quasi jeder oder zumindest jeder zweite LKW eine Ladesäule. Bei fast 1,5 Millionen LKWs im Fernverkehr in Deutschland, good luck. Zumal das eine enorme Spitzenlast fürs Stromnetz bedeuten würde.