Ohne die chinesische Kriegsdrohung könnte Taiwan längst eine unabhängige Republik sein, die von der freien Welt auch anerkannt würde. Geradezu zynisch ist in diesem Fall der Hinweis auf das Völkerrecht, das ansonsten China nichts bedeutet, siehe seine genozidale Politik gegenüber Minderheiten. In der Zentrale der KPC lacht man sich über eine solche Haltung sicher kaputt.
Unrecht mal Unrecht ergibt kein Recht.
Wir - daher der Westen - sehen uns als Verfechter des Völkerrechts, weil wir realisieren, wie wichtig ein stabiles Völkerrecht ist, gerade um Kriege zu verhindern. Das ist in der Ukraine leider gescheitert, gerade weil es leider mit Russland und China zwei mächtige Staaten gibt, die das Völkerrecht fragwürdig auslegen.
Was du nun forderst, ist, es genau so wie China und Russland zu tun. Dadurch wäre das Völkerrecht offiziell Tot und Begraben, weil dann China und Russland - mit Recht - sagen würden: „Ihr haltet euch an das Völkerrecht doch auch nur, wenn es euch in den Kram passt - warum sollten wir uns dann daran halten?!?“
So funktioniert das einfach nicht. Wir - daher der Westen - haben ein Interesse an der Stärkung des Völkerrechts. Deshalb können wir es nicht nach belieben brechen, weil wir dadurch das Völkerrecht nur noch weiter schwächen. Und das bedeutet dann eben auch, mal völkerrechtlich unschöne Resultate zu akzeptieren, ebenso wie wir in der Justiz in einem Rechtstaat hin und wieder Resultate akzeptieren müssen, die nicht mit unserem Rechtsempfinden übereinstimmen.
Für den ein oder anderen Teilnehmer hier müsste erst geklärt werden, ob die Wagner Gruppe in Mali nicht durch die „legitime“ Regierung „eingeladen“ wurde.
Sie legen sich das Völkerrecht nicht fragwürdig aus, sondern brechen es. Buchstäblich täglich.
Recht ohne die Möglichkeit es auch durchzusetzen, ist zahnlos. Sich daran zu binden, während andere es regelmäßig brechen, ist sinnlos.
Und um noch mal die Brücke zum eigentlichen Thema zu schlagen, hier ein Artikel aus dem letzten Jahr, der zeigt, dass in Syrien eher mehr westliche Intervention nötig gewesen wäre. Von Russlands Einsatz samt zahlloser Kriegsverbrechen in Syrien bis zur Invasion in der Ukraine führt eine gerade Linie.
Zitat von UN-Generalsekretär Guterres anlässlich seiner kommenden Agenda für den Frieden:
„Einsätze zur Friedenssicherung können nicht erfolgreich sein, wenn da kein Frieden ist, der zu bewahren ist.“
Damit beschreibt er das Dilemma der UN ganz treffend.
Wie hier im Thread schon erwähnt, funktioniert sowas nicht, wenn man mit einem festen westlichen Wertebild in die Welt zieht und versucht, dieses Bild 1:1 überzustülpen, ohne sich der kulturellen und historischen Gegebenheiten vor Ort klar zu sein, auch wenn sie uns nicht gefallen.
Der Friedensprozess wird realistischerweise ein oder zwei Generationen in Anspruch nehmen. Ein heutiger Verhandlungsansatz kann nur versuchen, diesen Friedensprozess einzuleitet und dafür wäre der erste Schritt einen - an Bedingungen geknüpften - Waffenstillstand zu erwirken.
Die Waffenstillstandsverhandlungen können aber nur dann erfolgreich sein, wenn beide Seiten den Eindruck haben, dass sich dadurch das zukünftige Kräfteverhältnis nicht zu ihren Ungunsten verschiebt bzw. nicht schneller verschiebt, als bei einer Fortführung der Kampfhandlungen.
Bei einem jetzigen, bedingungslosen Waffenstillstand würde die Ukraine zunehmend mit westlichen Waffen versorgt werden, den Kampfwert ihrer Truppen durch die Schulung an diesen Waffen erhöhen und außerdem Verteidigungsstellungen auf-/ausbauen können. Auf russischer Seite sehen ich hingegen nicht so signifikante Vorteile, im Gegenteil ist sie nun vom Angriff in die Verteidigung übergegangen, was die Opferzahl drastisch reduziert und sicherlich auch zu einem Anstieg der Moral bei den Soldaten und der Zivilgesellschaft geführt hat.
Welche Waffenstillstandsbedingungen können also für Russland annehmbar sein? Es müsste ein Regime der Rüstungskontrolle eingeführt werden mit dem Ziel, das aktuelle Kräfteverhältnis zu erhalten. Allerdings wird Russland sich sicherlich nicht auf einen bilateralen Vertrag mit der Ukraine einlassen, sondern die NATO bzw. USA als Verhandlungspartner fordern. Darauf wiederum kann sich die USA nicht einlassen bzw. muss fordern, dass auch China sich dieser Rüstungskontrolle anschließt. China wiederum sieht, dass sich das Kräfteverhältnis kontinuierlich zu ihren Gunsten verschiebt und hat daher wenig Interesse, das aktuelle Kräfteverhältnis zu erhalten.
Fazit: Keine kurzfristige Verhandlungslösung in Sicht.
Worst case Szenario: der westliche Nachschub zur Ukraine reicht nicht aus, Russland startet eine erfolgreiche Offensive und zwingt die Ukraine zur Kapitulation. Die ganze Ukraine wird von Russland besetzt und zu russischem Staatsgebiet erklärt, im Land finden von Russland initiierte „Säuberungsaktionen“ statt.
Wie würden die westlichen Staaten und die NATO/USA damit umgehen?
Sorry, aber welchen Sinn hat es, sich hier über das „what if“ irgendwelcher Fantasieszenarien zu unterhalten? Russland hat auf Jahre absehbar keine Offensivkapazitäten, um auch nur einen ähnlichen Angriff auf die Ukraine zu wiederholen wie im Februar 2022 - geschweige denn einen erfolgreicheren Angriff. Russland tut derzeit alles, was es kann, um der Ukraine zu schaden: Drohnen- und Raketenangriffe auf kritische Infrastruktur (Energie- und Wasserversorgung), Nahrungsmittelvorräte und Wohngebiete, Zerstörung von Staudämmen, massenhafte Verminung und Artilleriebeschuss etc. pp. Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Russland zu irgendwas „Schlimmeren“ in der Lage wäre, was diesem Ziel nutzen würde, es aber gerade aus irgendwelchen Gründen nicht tut.
Viel wahrscheinlicher ist das Szenario, dass der Krieg de facto „einfriert“, weil die Ukraine langfristig nicht genügend Unterstützung bekommt und der Abnutzungskrieg irgendwo in der Nähe der heutigen Front zu einem Stellungskrieg wird.
Nun, der Gedanke dahinter war, das man zu Beginn des Afghanistan-Konfliktes auch die Taliban für dauerhaft irrelevant bezeichnet hat.
Die Frage ist halt eher, ob man Gegner nicht manchmal zu schnell abschreibt.
Aber gut, bedeutet im Grunde, jegliche Diskussion ist im Grunde überflüssig, da wir es eh nur abwarten können und keinerlei Einfluss Möglichkeiten haben.
Zwischen „komplett irrelevant“ und „Russland schafft in absehbarer Zeit das, woran sie im Februar 2022 krachend gescheitert sind“ gibt es ja realistsiche Szenarien in Hülle und Fülle. Ich habe nichts gegen Diskussionen, auch gerne mal über Szenarien, die nur möglich sind, aber den von Dir skizzierten „worst case“ finde ich schon extrem unwahrscheinlich.
Ich finde es nur gefährlich. Russland jetzt schon abzuschreiben. Dann wären ja die Verteidigungsaufeendungen der NATO quasi unnötig, wenn von Russland langfristig keine Offensuvgefahr ausgeht.
Ich habe nie etwas von „abschreiben“ gesagt und auch nicht von langfristigen Perspektiven. Aber was langfristig in Russland passieren könnte, ist wirklich eine ganz andere Frage als die möglichen Szenarien für das Ende der aktuellen russischen Agression gegen die Ukraine.
Ich hatte das so interpretiert.
Dann gehen wir also eher von einem dauerhaften Stellungskrieg wie im ersten Weltkrieg aus?
Nur zur Klarstellung: Unter einer langfristigen Perspektive würde ich nicht die nächsten Jahre verstehen, sondern eher die nächsten 10 bis 30.
Zudem ist es nur bedingt ein Stellungskrieg. Und historische Vergleiche wie zum Ersten Weltkrieg erklären m. E. nicht gerade viel. Daher nochmal die Situation, wie sie m. E. gerade eingeschätzt wird: Die russländischen Streitkräfte verteidigen mit hohem Aufwand gehaltene Gebiete (für jedes noch so kleine Kaff gibt es den klaren Befehl, es zu halten, bei Verweigerung riskieren die russländischen Soldaten von „ihren“ Leuten erschossen zu werden) und wollen möglichst verhindern, dass es zu einem dynamischeren Kriegsgeschehen kommt, bei dem die Ukraine klar im Vorteil wäre. Die Ukraine will genau das, was die russländischen Streitkräfte zu verhindern suchen, kann das aber aus verschiedenen Gründen nicht durchsetzen. Zudem setzt Russland auf den Faktor Zeit bzw. darauf, dass irgendwann die Unterstützung für die Ukraine nachlässt.
Stimme deiner Einschätzung ja zu. Es geht aber um den oben zitierten Punkt. Der Faktor Zeit ist eher auf der russischen Seite?
Kommt auf die Zielsetzung an.
Wenn es darum geht, den aktuellen Besetzungsstatus in der Ostukraine und der Krim zu verfestigen: Ja. Das dürfte das realistische Ziel Russlands sein: Behalten können, was sie seit 2014 erobert haben, eine Verschiebung der russisch-ukrainischen Grenze zu ihren Gunsten.
Desto länger Russland diese Gebiete halten kann, desto wahrscheinlicher ist es, dass der Westen irgendwann kriegsmüde wird und der Ukraine nahelegt, diese Gebiete Russland zu überlassen. Und das würde bedeuten, die russische Aggression wie schon 2008 im Kaukasuskrieg und 2014 bei der ersten Annexion ukrainischer Gebiete mit Gebietsgewinnen zu belohnen - was katastrophal für die Nachkriegs-Friedensordnung wäre.
In diesem Sinne ist die Zeit auf der Seite des „Einfrierens“ des Konfliktes (was aktuell eher im Interesse Russlands ist), die Ukraine muss mit ihrer Gegenoffensive zeigen, dass zumindest noch relevante Bewegung in dem Konflikt möglich ist.
Putin wollte den Westen auf Distanz halten.
Das Gegenteil hat er erreicht.
Nach Finnland wendet sich auch Kasachstan nun mehr dem Westen zu.
Ironischerweise geht es Europa dabei gar nicht darum, Russland auf Distanz zu halten, sondern China.
Wenn der Krieg zu Ende ist, ist Russland wirklich nur noch eine Regionalmacht ohne jegliches außenpolitisches Gewicht.
Der Krieg ist in den letzten Wochen sehr unscheinbar geworden. Während westliche Medien scheinbar von Hoffnung beseelt einen „stalemate“ herbeidichten, hat Russland nach abgewehrter „Frühjahrsoffensive“ die Initiative an der gesamten Front übernommen. Es macht mich schon ziemlich sauer, wie unsere „Experten“ als Masala, Strack-Zimmermann und co dermaßen falsch liegen konnten. Erich Vad hatte die ganze Zeit Recht.
Das gesamte Jahr 2022 die Schallplatte „Putin hat bereits verloren…“, „Russland ist isoliert…“. Alle lagen sie daneben. Bitter,so bitter.
Ich hatte schon länger das Gefühl, das man Russland zu schnell abs abschreibt.
Die Russen sind zum einen lernfähig, und verfügen über enorme Ressourcen und Geduld.
Daher halte ich ein Russland unter Putin auch künftig für gefährlich.
Der Streitkräfte und Strategien Podcast bemühte sich durchgehend um eine objektive Einschätzung (unterstützt insbesondere durch die wiederkehrenden Interviewgäste Markus Reisner und Sönke Neitzel).