Transsexualität- Was bedeutet ‚Geschlecht’? Reform des Transsexuellengesetzes. Braucht es überhaupt einen Geschlechtereintrag?

Die ganze Debatte ist für mich kurios. „Wir“ haben vor Jahrhunderten anhand der Frage was aus der Hose hängt (oder nicht) irgendwann mal willkürlich entschieden, dass wir eine Linie ziehen und zwei Kategorien aufmachen.

Das haben „wir“ so entschieden weil es einfach und offensichtlich war und weil das Wichtigste die Vermehrungsfunktion war die mehr oder weniger zu den zwei Kategorien gepasst hat. Wir wissen jetzt, dass die Realität komplizierter ist. Für die meisten Menschen trifft die Vereinfachung (mehr oder weniger) zu und ist daher ein akzeptables Modell, für andere tut sie das nicht. Und anstatt zu sagen na gut dann müssen wir an das Modell nochmal ran ist jetzt der Ansatz: Die Realität sieht anders aus als unser Modell also muss sich die Realität ändern. Was ist das denn für ein Quark?

Das ist ungefähr so alsob Einstein gesagt hätte: Hey bei annährend Lichtgeschwindigkeit funktionieren die Newtonschen Gesetze nicht mehr, die einzige Lösung ist das Licht langsamer zu machen. (realistischer war: Er hat das bestehende Modell einfach erweitert. Für alles was sich mit weniger als 50km/s bewegt kommt bei ihm weiterhin genau dasselbe raus wie bei Newton und wenn man eben schneller ist muss man ein bisschen mehr rechnen und liegt dafür aber viel genauer. Damit nimmt es Newton nichts weg sondern erweitert es nur für Dinge die vorher nicht im Modell vorhanden waren.)

Klingt viellecht etwas nerdy aber im Grunde müssen wir einfach ähnlich unser Geschlechtermodell auf eine ähnliche Art erweitern. Es ist eben kein Nullsummenspiel wenn einfach mehr Menschein eingeschlossen werden - dabei kann niemand etwas verlieren und es wird lediglich erweitert.

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Das meinte ich ja, bin total für eine bessere psychologische Betreuung, sorry wenn das missverständlich war.
Und stimmt, im Podcast geht es vor allem um den Personenstand.

Mein Eindruck ist aber, dass die öffentliche Debatte vor allem darüber geführt werden soll, weil da kaum Menschen dagegen sind. Beim Körperlichen würden mehr Menschen stutzig werden. Hier ist ein Ausschnitt aus dem Gesetzentwurf, den die Grünen vor zwei Jahren eingebracht haben. Als es bereits schon einmal um die „Abschaffung des Transsexuellengesetz“ ging… Erst der Personenstand und dann:

"(1) Das Recht auf freie Entwicklung der Persönlichkeit entsprechend der Geschlechtsidentität umfasst das Recht, über die Durchführung medizinischer Maßnahmen zur Modifizierung des eigenen Körpers im Hinblick auf Erscheinung und körperliche Funktionen bei vollumfassender vorheriger medizinischer Aufklärung und Einwilligungsfähigkeit selbstbestimmt zu entscheiden.
(2) Intergeschlechtliche Versicherte sowie Versicherte mit Geschlechtsinkongruenz haben Anspruch auf geschlechtsangleichende Maßnahmen einschließlich Hormontherapie sowie der Angleichung der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale.
(…)
(2) Ein genitalverändernder chirurgischer Eingriff an einem Kind, das das 14. Lebensjahr vollendet hat, ist nur mit seiner Einwilligung zulässig. In solchen Fällen bedarf es zusätzlich der Einwilligung der sorgeberechtigten Person. Verweigern die sorgeberechtigten Personen derer Einwilligung, so ersetzt das Familiengericht die Einwilligung, wenn:

  1. eine Beratung des Kindes stattgefunden hat,
  2. das Kind einwilligungsfähig ist,
  3. der Eingriff dem Wohl des Kindes nicht widerspricht.
    Die Bestellung eines Verfahrensbeistandes ist stets erforderlich"
    Zitat Ende

Wenn sich alle Beteiligten verantwortungsvoll verhalten, ok… aber theoretisch hat damit ein 14-jähriges Kind ohne Einwilligung der Eltern (weil widerspricht in der Argumentation ja vielleicht dem „Wohl des Kindes“) Anspruch auf jede OP. Das würde mir Sorgen bereiten…

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Naja, ich finde aber auch, das es irgendwo bei Personen öffentlichen Interesses zugänglich sein sollte, wenn sie ihren Namen ändern.

Denn wie will man sonst etwas über die z.B. politische Vergangenheit von Frau Ganserer herausfinden, wenn ihr früherer Name überall totgeschwiegen wird.

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Ich glaube, das ist allerdings ein Problem, das sich überhaupt nicht derart lösen lässt, dass falsche Entscheidungen sicher verhindert werden, sofern man davon ausgeht, dass es jemals die falsche Entscheidung sein kann, einem Kind die Operation zu verweigern.

Der Zustimmung steht ein Richtervorbehalt vor. Höhere Hürden, außer das generelle Verbot, gibt es doch gar nicht. Ich kenne mich mit dem Thema nicht ausreichend aus, um eine qualifizierte Meinung dazu zu haben, ob es jemals falsch ist, das Kind zu zwingen bis zum 18. Lebensjahr zu warten. Eine Stellungnahme der Bundesärztekammer

sagt, ein generelles Verbot der Operation bei Minderjährigen sei schädlich, eine Stellungnahme der deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie

kommt zu dem Ergebnis, dass das angemessene Alter aus der Forschung nicht klar zu bestimmen ist und immer eine Einzelfallentscheidung vonnöten ist, moniert allerdings, dass keine Kinderpsychiater oder Kinderpsychologen zu Rate gezogen werden.

Mir scheint es in Anbetracht dieser Expertenmeinungen naheliegend, geschlechtsangleichende Operationen auch für Minderjährige under gewissen Auflagen zu ermöglichen.

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Kann auch nur als „Laie“ argumentieren und erkenne natürlich an, wenn Fachgesellschaften sich positionieren. Die wirklich zahlreichen Betroffenenberichte Jugendlicher (siehe youtube) erwecken in mir halt den Eindruck, dass hier Schwierigkeiten mit dem Körper, der Identitätsfindung, der Rolle in der Gesellschaft mit einer scheinbar „einfacheren“ Lösung, der Transdiagnose, versehen werden, für die es angeblich eine Lösung gibt.

Kann natürlich nicht über Fachleute urteilen, aber meine Vermutung ist: Die PsychotherapeutInnen sehen die Patientinnen und Patienten, die täglich zu ihnen in die Praxis kommen und die körperliche Behandlung bietet offenbar die schnellste Linderung der fälschlichen Körperwahrnehmung. Aber dass die Betroffenen vorher durch z. B. Youtube-Vorbilder massiv in ihrer Sicht bestärkt wurden und Hinterfragen der eigentlichen Probleme direkt „Konversionstherapie“ genannt und verboten wird, verschleiert die eigentlichen Ursachen und lässt die Zahlen der Betroffenen im Jugendalter seit Jahren ansteigen.
(• Infografik: Geschlechtsumwandlungen bei Frauen | Statista)

Außerdem denke ich, dass die Gesellschaft toleranter mit Normabweichungen und auch z. B. Homosexualität umgehen sollte, damit die Jugendlichen in der Pubertät nicht so überfordert davon sind und ihren Körper „angleichen“ müssen.

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Auf Grundlage welcher Definition von „biologischem Geschlecht“ kommen Sie zu diesem Schluss?

Der Definition auf Wikipedia folgend, gäbe es bei Säugetieren theoretisch die vier biologischen Geschlechter weiblich, männlich, Hermaphrodit und ungeschlechtlich (produziert weder Eizellen noch Spermien). Ein Säugetier-Hermaphrodite wurde allerdings anscheinend bisher noch nicht beobachtet. In der Praxis bedeutet das eine ternäre Verteilung des biologischen Geschlechts, wobei es eine Unschärfe gibt, welche Individuen zu „ungeschlechtlich“ gezählt werden sollten/müssten.

Meinem Meinung nach wäre es zielführend drei Geschlecht-Kategorien sprachlich sauber zu unterscheiden:

  1. biologisches Geschlecht: welche Keimzellen werden produziert?
  2. „phänotypisches“ Geschlecht: körperliche Ausprägungen
  3. soziales Geschlecht: kulturelle Rollenbilder

wobei sich die Thematik der Transsexualität auf das „phänotypische“ Geschlecht und das soziale Geschlecht bezieht.

PS: Mir ist bewusst, dass auch „phänotypisch“ in der Biologie bereits belegt ist (in Abgrenzung zu genotypisch). Meine 2. Kategorie soll auch das genotypische Geschlecht einschließen. Ein besseres, unbelegtes Wort ist sehr willkommen. :slight_smile:

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Genau das tust du dann aber im nächsten Satz. Glaubst du wirklich, dass medizinisch tätige Menschen leichtfertig irreversible Maßnahmen propagieren, um ein Problem schnell statt ordentlich weg zu kriegen? Das wied sicher mitunter vorkommen, schwarze Schafe gibt es überall, aber in der Masse?

Die Zahlen steigen an. Das mag an Mode liegen, aber vielleicht einfach daran, dass Betroffene mittlerweile leichter die Möglichkeit haben, sich helfen zu lassen. Wie viel des Anstiegs auf welche Ursache zurückzuführen ist, weiß ich auch nicht, aber du scheinst dir sehr sicher zu sein. Wie kommt das?

Es erinnert mich an den Umstand, dass Staaten die Homosexuellenunterdrückung nicht aufgeben wollen, weil sie, so behaupten sie, Sorge haben, Jugendliche würden in Scharen queer, weil das Mode ist und dann gibts keine Kinder mehr.

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Im Fall von Frau Ganserer ist das auf wikipedia einsehbar (wie auch bei Prominenten deren Nachname sich nach der Hochzeit geändert hat). Ansonsten wäre es z.B. auch bei Dorothee Bär schwer herauszufinden, was sie vor ihrer Hochzeit so gemacht hat.

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Mir stellt sich zum Beispiel die Frage: Warum steigen die Zahlen vor allem bei den Jugendlichen und da vor allem bei den Mädchen (Also den „Transjungs“)? Es müssten doch zuerst mehr offen trans lebende Erwachsene/Ältere geben, die Zeit hatten ihre Identität herauszufinden und die mittlerweile freier wären offen trans zu leben (finanzielle Möglichkeiten, Karriere schon gemacht, keine Eltern, die Widerstände bieten)

Ich bin sehr für eine offene Gesellschaft, in der niemand unterdrückt wird. Aber dass Leute sich im „falschen Körper“ fühlen, spricht für mich eher dafür, dass die Gesellschaft nicht so tolerant und frei von Vorurteilen und Rollenerwartungen ist.

Ich wäre besorgter um das Gegenteil (sehr extremes Beispiel und zum Glück nicht mit Deutschland vergleichbar ist der Iran: Homosexualität steht unter Todesstrafe, aber Transsexualität ist weit verbreitet, weil einzige Möglichkeit rollenkonform zu leben)

Ganserer hat den Namen gar nicht ändern lassen, im Pass steht der männliche.

Die Grünen, so auch N. Slawik, sind für ein „Offenbarungsverbot“, sodass auch nur Nennung des „falschen“ Namens oder die Andeutung des biologischen Geschlechts eine Ordnungswidrigkeit (2500€) darstellt.
Nachzulesen im Gesetzentwurf der Grünen zum TSG von 2020

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Danke für die Spezifizierung. Damit hätte ich tatsächlich auch ein Problem. Ich neige zu Begriffen wie Geschichtsleugnung oder Vergangenheitsverleugnung. Ich verstehe, dass man mit dem alten Namen nicht mehr in Verbindung gebracht werden möchte, das schießt aber meiner Meinung nach eindeutig über das Ziel hinaus.

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Ja, das kann sein, aber man könnte genauso gut begründet anführen: Erwachsene haben mehr zu verlieren (wer hat seine Karriere wirklich schon so gemacht, dass er keine Angst mehr vor sozialem Stigma hat?), haben sich mit ihrer Situation schon abgefunden und leiden lieber stumpf vor sich hin…
Da klare Ungereimtheiten in den Zahlen zu sehen, kommt mir wie Kaffeesatzleserei vor, egal, welche Interpretation man anlegt.

Ich bin bei dir, dass die Gesellschaft nicht so tolerant und Rollenerwartungsfrei ist, wie sie sein sollte, aber ich verstehe die Sicherheit nicht, mit der du eine geschlechtsangleichende Operation als falsch ansiehst, wenn du selbst von dir sagst, auch nur Laie bei dem Thema zu sein. Genau dafür hat man doch Expertenwie diese beiden Ärzteverbünde, die davon hoffentlich mehr Ahnung haben, als das eigene Bauchgefühl hergibt.

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Ich bin nicht so erfahren in der Auslegung von Gesetzen, aber ich hatte das erstmal so verstanden, dass sich das vor allem auf Behörden etc. bezieht. Ansonsten wirkt das auf mich schon krass weitgehend.

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Da allein wird es doch schon spannend: Keimzellen produzieren Menschen nun einmal erst nach der Pubertät. Und, wie schon gesagt, manche produzieren nie welche. Dann müsste man auf den Genotyp rekurrieren, aber auch da gibt es eben Ausnahmen von der Regel. Und der Genotyp wiederum steht auch in keinem festen Zusammenhang mit dem Phänotyp oder anderen Eigenschaften.

Es wird hier die ganze Zeit darüber diskutiert, dass bei bestimmten Dingen das biologische Geschlecht aus irgendeinem Grund wichtig sei, etwa wegen der möglichen Erschleichung von Vorteilen. Wenn die einzige „sichere“ Methode die Bestimmung eines biologischen Geschlechts die Bestimmung der (eventuell vorhandenen) Keimzellen oder aber des Genotyps ist, das dann aber nur in losem Zusammenhang mit aus irgendeinem Grund gesellschaftlich relevanten Merkmalen stehen, führt sich das ad absurdum.

EIne solche Hanteilverteilung wie @Karl_Drogo sie darstellt, habe ich auch schon häufiger im Kopf gehabt, aber es ist wirklich schwierig, klar zu definieren, worauf die sich bezieht. Ich vermute, mit der Hantelverteilung war eher so etwas wie „Eindeutigkeit der Zuordenbarung“ gemeint. Es gibt eine knappe Hälfte Menschen mit XX-Chromosom, davon „scheinen“ die allermeisten relativ klar weiblich, also bekommen bei Geburt ein weibliches Geschlecht zugewiesen und leben ihr Leben als Frau (die eine Hantelseite). Dann gibt es eine knappe Hälfte mit XY, davon die meisten ebenso relativ eindeutig männlich (die andere Hantelseite). Auf dem Griff verteilen sich diejenigen, bei denen die Geschlechtszuordnung nicht so eindeutig ist, also welche die entweder weder XX noch XY haben (Turner-Syndrom, XXY etc.) oder aber solche, die zwar XX/XY tragen, aber dennoch andere Phänotypen zeigen, (XX-Männer, XY-Frauen).

Tatsächlich wird in der Gesellschaft relativ willkürlich ein Merkmal herausgenommen, an dem entschieden wird, ob jemand nun Mann ist oder Frau, häufig eben ein Teil des Phänotyps (z.B. sekundäre Geschlechtsmerkmale) und wenn der dem ein oder anderen nicht mehr „passt“ („Diese Transfrau ist ja gar keine „echte“ Frau!“), muss eben ein anderes Merkmal her („Hatte die Person mal einen Penis? Aha, wusste ich’s doch! Ab auf die Männertoilette!“).

Es wird aus meiner Sicht einfach klar, dass das „biologische“ Geschlecht gesellschaftlich einen sehr begrenzten Wert hat. @Kenny’s Beitrag weiter oben stellt das aus meiner Sicht genau passend dar: Es sollte jetzt einfach klar sein, dass unser Modell vom Geschlecht unterkomplex ist und die soziale Realität nicht mehr genügend abbildet. Das ist doch in anderen Lebensbereichen auch schon passiert. Es gibt nicht nur Geistes- und Naturwissenschaften. Es gibt nicht nur Deutsche und Ausländer. Es gibt - etwas näher am Thema - nicht nur lohnarbeitende Männer und heimarbeitende Frauen. In diesen Punkten hat sich die Gesellschaft und auch das Gesetz zunehmend differenziert. Das ist manchmal schwierig, aber eben nötig.

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Ich bin mir ziemlich sicher, dass allzu starre Rollenerwartungen einerseits und Trans-Identitäten andererseits zwar verwandte, aber dennoch unterschiedliche Dinge sind. Ich (Cis-Mann, hetero) hatte in meiner Jugend immer Probleme mit männlichen Rollenerwartungen. Ich war klein und etwas dick, fand Fußball doof, hatte eher ein rundliches als ein kantiges Gesicht Gesicht, trug meine Haare meist lang und verstand mich mit den Mädchen meist besser als mit den Jungs. Ich habe während der Pubertät viel darunter gelitten, vor allem unter den Sprüchen der Mitschüler und unter den Selbstzweifeln. Dennoch wäre mir nie in den Sinn gekommen, kein Mann sein zu wollen; die Rollenerwartungen gingen mir aber gehörig gegen den Strich. Wenn ich heute in dem Alter wäre, würde ich mich vielleicht (obwohl ich nicht weiß, wie es in den Schulen so läuft) eher trauen, einfach weniger männlich sein zu müssen. Ich war in der Pubertät sicherlich mit meinem Körper unzufrieden, hätte aber nie das Gefühl gehabt, im falschen Geschlecht zu stecken. Ich hätte ihn (aufgrund der Rollenerwartungen) lieber noch männlicher gehabt.

Das ist ja etwas ganz anderes, als es beispielsweise Nyke Slawin beschreibt: Ich kann mir den Horror eines Transjungen, dem plötzlich Brüste wachsen, kaum vorstellen.

Natürlich kann es sein, dass es für einige dieser Menschen weniger schlimm wäre, wenn an die körperliche Erscheinungsform nicht auch so starke Erwartungen an Kleidung, Verhalten, Persönlichkeit etc. geknüpft wären. Und wie Nyke Slawin beschreibt, gibt es ja auch viele, denen eine Hormonbehandlung schon reicht und die keine geschlechtsangleichenden Operationen möchten. Und natürlich kann es auch Jugendliche geben, die nach einer Phase, in der sie mit einer Transidentität leben, merken, dass es eben nur eine solche war (eine Phase, meine ich). Aber das Gute ist ja beispielsweise, dass pubertätsverzögernde Medikamente das Leiden verringern können, aber trotzdem keine irreversiblen Änderungen verursachen. Wieso sollte man das leidenden Jugendlichen verwehren?

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Wieso muss das Geschlecht überhaupt „amtlich“ dokumentiert werden?
Ist ja nicht gerade ein Alleinstellungsmerkmal…

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Wie will man denn die Diskriminierung von Frauen bekämpfen, wenn das nicht dokumentiert wird? Ich finde, dass ist ein grundsätzliches Spannungsverhältnis, dass man in irgendeiner Form immer bekommt, wenn man Diskriminierung bekämpfen will: Es ist schwer, die Diskriminierung bestimmter Gruppen zu adressieren, ohne ihre „Andersartigkeit“ quasi festzuschreiben, was wiederum ja die Grundlage für soziale, rechtliche oder sonstige ungleiche Behandlungen legt. Andererseits verschwindet die Diskriminierung aber auch nicht, wenn das dafür entscheidende, zugeschriebene oder tatsächliche Merkmal nicht mehr „amtlich“ ist.

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Ich schätze, dass der „amtliche“ Eintrag ursprünglich eher dazu da war, Frauen zu diskriminieren (sprich unterschiedliche Rechte je nach Geschlecht im Patriarchat).
Als weiße cis hetero Frau bin ich von verhältnismäßig wenig(er) Diskriminierung betroffen, würde mir aber generell mehr Offenheit in der „Geschlechterfrage“ wünschen. Weniger Gewicht auf dem Geschlecht würde unserer Gesellschaft gut tun, glaube ich. Tatsächlich ist es doch für relativ wenige Dinge relevant. Und die Unterschiede innerhalb der „Frauen“ oder der „Männer“ scheinen mir oft größer als zwischen Männern und Frauen.
Vielleicht kann man ja diskriminierte Personen fragen, ob / inwiefern sie ein System hinter der Diskriminierung sehen, wenn man sich wirklich dafür interessiert.
Die Notwendigkeit eines „amtlichen“ Geschlechtseintrags erklärt sich für mich dadurch nicht.
Wäre es nicht inklusiver, einfach gar nicht nach dem Geschlecht zu fragen, wo es nicht relevant ist, statt z.B. zwei oder drei Auswahlmöglichkeiten (m/w/d)?
Falls jemand für seinen Verein zwingend ein Geschlecht wissen will (ich denke an die katholische Kirche), können die Vereinsmitglieder ihr Geschlecht ja amtlich feststellen lassen.

Die aktuelle Situation würde es natürlich nicht ändern, insofern muss das „Transsexuellengesetz“ reformiert werden, aber als gesellschaftspolitische Vision müsste es doch überflüssig sein, weil alle Menschen die gleichen Rechte haben.

Hm, ich bin zwar „nur“ ein Mann und deswegen nicht direkt betroffen, aber meine Mutter hatte in einem Dorf im Münsterland in den 80ern den ersten Mann im Ort, der Teilzeit gearbeitet und seine Frau studieren lassen hat. Die hat in ihrer Karriere eine ganze Menge gläserne Decken angetroffen. Und dass das heute in Unternehmen generell anders wäre, da gibt es ja reichlich Hinweise, dass das nach wie vor der Fall ist. Dei Ungleichheit in der Care-Arbeit besteht weiterhin. Auch wenn ich durch die Frauenquote der Grünen eher „Opfer“ bin, obwohl ich in unserer Familie eher die „Mutter-Rolle“ einnehme und deswegen viele Parteiveranstaltungen in der familiären Rush-Hour zwischen Abendessen und ins Bett bringen, ausfallen lasse, sehe ich von daher schon Gründe, warum es die weiter geben sollte. Und es kann die ja nur geben, wenn in irgendeiner Art geklärt ist, wer davon profitiert. Ob man dafür einen amtilichen Nachweis braucht, da kann man drüber nachdenken. Aber über all diese Ungleichheiten zulasten von Frauen kann man jedenfalls nicht sprechen, ohne ständig darauf rumzureiten, dass es irgendwie „die Frauen“ gibt und bestimmte Dinge Menschen eher oder ausschließlich zustoßen, weil sie eine „Frau“ sind. Das führt dann aber zu zwei Schwierigkeiten: Erstens reproduziert man die Ungleichheit ein Stück weit, indem man immer darauf hinweist und Zweitens kommt es u.U. zur Diskriminierung von Trans-Menschen, die sich als Frau identifizieren (ist das richtig ausgedrückt), wenn man anfangen muss, zu definieren, was eine Frau ausmacht. Ich habe zu diesen Fragen keine fertige Meinung, aber einfach so zu tun, als gäbe es die Geschlechter nicht mehr, wird nach meiner Einschätzung nicht dazu führen, dass sie aufhören zu existieren, sondern dass man bestimmte systemische Ungleichheiten nicht mehr sinnvoll diskutieren kann.

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Personen mit Fortpflanzungswunsch messen dem biologischen Geschlecht ihres Gegenübers sicherlich eine hohe Relevanz zu. Und solange unsere Spezies einen Arterhaltungstrieb verspürt, wird das biologische Geschlecht immer ein Grundpfeiler der bzw. jeglicher Kultur sein.

Das Modell vom binären biologischen Geschlecht (plus ggf. Hermaphrodite und Ungeschlechtliche) ist eine extrem erfolgreiche naturwissenschaftliche Theorie über die Reproduktion von mehrzelligen Lebewesen. Beim phänotypischen und sozialen Geschlecht hingegen werden die Modelle ja zur Zeit erweitert.

Sondern auch die Sozialwissenschaften (und Formalwissenschaften, aber die sind hier wohl nicht gemeint)?

Mein Anliegen war es ja gerade, die Sphären der Naturwissenschaften und der Sozialwissenschaften nicht unnötig stark zu vermischen. Insbesondere sollte beachtet werden, dass naturwissenschaftliche Theorien und Begriffe (wie z.B. das biologische Geschlecht) völlig unabhängig von (historischen, gegenwärtigen und zukünftigen) sozialen Normen sind bzw. sein sollten. Aus Sicht der Biologie ist der Homo Sapiens eben ähnlich interessant wie ein Eichhörnchen.

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