Streckennetz-Ausbau: DB unterläuft Landtagsbeschluss und Bürgerdialog

Hallo Liebes Lage Forum.

Ich möchte ein aktuelles Thema vorschlagen, deren Entwicklung ich als bundesweit brisant ansehe: Es geht um den notwendigen Ausbau des Streckennetzes der Deutschen Bahn im Rahmen der Verkehrswende. Im Streckenabschnitt Hannover-Hamburg führt er zu großem Unmut in der Bevölkerung. Nicht, weil die Bürger diesen Ausbau nicht wollen, sondern weil ein bereits durch ein Forum erarbeiteter und im niedersächsischen Landtag (einstimmig) verabschiedeter Kompromiss von 2015 (Alpha E: Ausbau der Bestandsstrecke) plötzlich neu aufgerollt wird. Es werden aktuell durch die Bahn neue Alternativen gesucht und die Strecke ergebnisoffen neu geplant. Es stehen mehrere Optionen zur Verfügung, wie beispielsweise die Streckenführung entlang der geplanten A39 oder entlang der A7. Auch eine Variante - und das sorgt für besonders großes Kopfschütteln – führt durch ein Naherholungs- und Trinkwasserschutzgebiet (den Uelzener Stadtwald), der stark gerodet und versiegelt werden müsste. Eine solche Dynamik: in einem Forum wird eine Lösung/Kompromiss eines Problems erarbeitet, das Ergebnis wird demokratisch gewählten Politikern präsentiert, diese beschließen es mehrheitlich (in diesem Fall sogar einstimmig) und dann wird ungeachtet diesen Prozesses alles ergebnisoffen durch einen Forumsteilnehmer (hier die DB) neu geplant, eine solche Dynamik schürt Politikverdrossenheit. Man könnte hieraus schließen, dass im Zweifel politische Entscheidungen kein Gewicht haben, sondern einfach umgeworfen werden können. Unser kleines regionales Problem ist hierfür exemplarisch. Hinzu kommt, dass bisher nicht nachvollziehbar ist, warum eine Alternative zu Alpha E gesucht wird. Hier hält sich die DB bisher bedeckt. Möglich sind natürlich Kosten, die geschmälert werden müssen, oder aber auch eine Verkürzung der theoretischen Fahrtzeit (hier ist bei einem Informationsabend durch die lokalen Politiker am 25.08.2022 eine Einsparung von <10min erwähnt worden). Die fehlende Transparenz kommt für mein Verständnis erschwerend hinzu. Zudem würde durch einen Neubau eine Region komplett vom Fernverkehr der Bahn abgeschnitten, was zu mehr PKW Verkehr usw. führt.

Mit Blick auf die große Dringlichkeit das Bahnnetz zu verbessern und auszubauen auf dem Weg zur Klimaneutralität um Kurzstreckenflüge und Straßenverkehr zu reduzieren, führt die Neuplanung des Projektes zu Unmut, da sich hierdurch der Ausbau um weitere Jahre verzögern wird.

Es würde mich freuen eure Neugier geweckt zu haben.

Anfang nächsten Jahres soll dem Bundestag die Alternativen zum Beschluss vorgelegt werden.

Vier Bahn-Varianten - und ein Minister-„Nein“ zur Neubautrasse](Vier Bahn-Varianten - und ein Minister-„Nein“ zur Neubautrasse

https://trassenwahnostheide.de](https://trassenwahnostheide.de/

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Hallo zusammen,

Verkehrswende am Beispiel eines Bahnprojekts könnte durchaus ein interessantes Thema für den Podcast sein. Für die stockende Erweiterung des Streckennetzes ist der Abschnitt zwischen Hamburg und Hannover sicherlich eines der größten Negativbeispiele.

Da ich aus Niedersachsen komme ist mir das geplante Bahnprojekt schon lange bekannt. Bereits lange vor 2015 gab es Bestrebungen für eine Netzerweiterung, insbesondere für den starken Güterverkehr zum Hamburger Hafen sowie zu Ostseehäfen wie Kiel, Lübeck-Travemünde oder Rostock. Auch die ICE von Hamburg nach Süden platzen oft aus allen Nähten, genauso wie die regelmäßig überfüllten Regionalzüge. Die stark überlastete Strecke sorgt leider oft für Verspätung und eine weitere Angebotsverdichtung, für die die Nachfrage auf jeden Fall da ist, passt leider nicht mehr auf die bestehenden Gleise. Daher gibt es einen Konsens, dass das Streckennetz erweitert werden muss.

Die Frage, wo die neuen Gleise liegen sollen, ist allerdings höchst umstritten. Kurz gesagt ist es so, dass viele die Trasse nicht vor der eigenen Haustür haben wollen. Verständlich in gewisser Weise, wer will schon eine jahrelange Baustelle und später Schallemissionen vor der eigenen Haustür. Einen guten Bahnanschluss hingegen wollen die allermeisten und das macht die Sache kompliziert. Vor 2015 waren ein Bestandsausbau und eine Neubauvariante namens Y-Trasse ( https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/0/0b/Y-Trasse_grob.png ) am Anwohnerwiderstand gescheitert.

Denn bei diesem Projekt war es leider so, dass sich vor allem die Bahngegner früh gut vernetzt haben, sich zu Bürgerinitiativen zusammengeschlossen haben und Einfluss auf Politiker bis in den Verkehrsausschuss ausgeübt haben. Prominente Beispiele dafür sind Niedersachsens Verkehrsminister Lies, der 2015 zusammen mit seiner SPD-Parteikollegin und vor einem Jahr abgetretenen Obfrau des Verkehrsausschusses, Kirsten Lühmann, das Dialogforum Schiene Nord (DSN) gründete. Öffentlichkeitswirksam wurde das DSN nach der Eskalation der Bürgerproteste bei Stuttgart 21 als umfassendes Bürgerbeteiligungsformat zum Bahnprojekt Hamburg Hannover verkauft.

In Wahrheit jedoch war es ein Feigenblatt von konservativen Verkehrswende-Gegnern niedersächsischer Landbewohner, die potentiell von Neubautrassenvarianten und dabei insbesondere von der o.g. Y-Trasse betroffen gewesen wären, die nur zum Ziel hatten, das Projekt entweder ganz zu kippen oder zumindest möglichst weit weg zu verbannen. Und so haben sich die genannten potentiellen Trassenanwohner mit niedersächsischen Politik-Größen zu einer unheilvollen Allianz gegen die Netzerweiterung zusammengeschlossen. Im DSN wurde bereits bei der ersten Sitzung klar, dass es nicht um eine nachhaltige Verkehrslösung geht, sondern nur darum, eine Trasse vor Ort zu verhindern. Es kamen mehrere Trassenvorschläge von Bürgern, die eigentlich ergebnisoffen untersucht und diskutiert werden sollten. Eine knappe Forumsmehrheit lehnte aber sogar alleine nur die Untersuchung und Diskussion z.B. einer landschaftsschonenden Neubautrasse in Bündelung zur A7 ab. Einige Trassen wurden untersucht, diskutiert und vom Forum dann abgelehnt, die genannte A7-Variante durfte hingegen nicht einmal betrachtet werden. Solche Vorgänge sind aber auch kein Wunder, wenn man sich die Zusammensetzung des DSN vor Augen führt: Es war weit überwiegend eine Ansammlung von Y-Trassengegnern und anderen ähnlichen potentiellen Neubauvarianten. Bürgerinitiativen von der Bestandsstrecke Hamburg - Uelzen - Hannover wie beispielsweise die BI „Deutschevern21“ oder auch Gemeinden von dort wie etwa Ilmenau wurden vom Dialogforum einfach ausgeschlossen und selbst auf Antrag nicht aufgenommen ( Dialogforum Schiene Nord: Nicht alle Teilnehmer waren begeistert ). Die Strategie der Bahngegner war simpel: Um nicht zugeben zu müssen, dass sie eigentlich nur alles in ihrer Nähe verhindern wollten, sprachen sie sich für den umwegigen Bestandsausbau aus. Um den durchsetzen zu können, mussten Stimmen von dort aber aus dem Dialogforum ausgeschlossen werden. Lüneburgs damaliger Oberbürgermeister formuliert es so: „Die Alpha-E-Trasse wurde vom Dialogforum Schiene Nord in einem demokratisch nicht legitimierten und rechtlich nicht vorgesehenen Verfahren erarbeitet und dies im Konsens der Nichtbetroffenen auf Kosten der Betroffenen.“ ( Vereint gegen Alpha E ). Unter Alpha-E ist übrigens eine absolute Minimalvariante eines Bestandsausbaus zu verstehen, die bis auf ein kurzes Stück Gleis zwischen Lüneburg und Uelzen ohne neue Gleise auskommen soll (für den Bahnverkehr völlig unzureichend, aber um den ging es den beteiligten ja eh nie). Erfinderin des Alpha-E ist ganz zufällig eine gewisse Kirsten Lühmann.

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Den Bahngegnern kam zugute, dass sie einige prominente PolitikerInnen auf ihrer Seite hatten. Neben Niedersachsens Verkehrs- und Wirtschaftsminister Lies, der die Trasse Hamburg Hannover vor allem deshalb verhindern will, weil der Hamburger Hafen in Konkurrenz zu Lies Lieblingsprojekt Jade-Weser-Port Wilhelmshaven (Niedersachsens größter Containerhafen) steht, war es eben die genannte Kirsten Lühmann als Chefin des Bundesverkehrsausschusses. Und sie hat ein ganz persönliches Interesse am Verhindern einer Bahn-Neubaustrecke, weil ihr Wohnort Hermannsburg in der Heide von einer Neubauvariante betroffen wäre. Gleiches gilt für Niedersachsens Ex-Verkehrsminister Althusmann (CDU), der die Neubautrasse durch seinen Wohnort Seevetal bekämpft hat, wo es nur geht. Und auch SPD-Chef Klingbeil aus Soltau agitiert gegen die Bahntrasse, weil sein Wahlkreis in der Lüneburger Heide betroffen sein könnte.

Dieser Gegnerschaft, die allenfalls eine rechtlich nicht umsetzbare und für die Verkehrswende viel zu minimalistische Lösung akzeptiert, steht mit den Fahrgastverbänden, Hamburg, Bestandsstreckenorten wie Bad Bevensen oder Lüneburg, sowie den Grünen im Bund eine deutliche Befürworterschaft einer nachhaltigen Neubauvariante gegenüber (siehe z.B. hier Ausführungen des bahnpolitischen Sprechers der Grünen BT-Fraktion Zugstrecke Hannover-Hamburg sorgt für Streit - Tagesspiegel Background ).

Lange Rede kurzer Sinn: Während Bürgerinitiativen von der überlasteten und verspätungsanfälligen Bestandsstrecke sowie auch der Bund dringend zwei neue Gleise fordern, die an der Bestandsstrecke mangels Platz, drohender Häuserabrisse und Naturschutzbedenken (7 Naturschutzgebiete betroffen und massiver Landschaftsverbrauch wegen 30 km längerer Strecke als z.B. entlang der A7 ohne Naturschutzgebiet-Berührung) rechtlich nicht umsetzbar sind und auch bei Betriebseinschränkungen 10 Jahre länger dauern würden als ein direkterer Neubau, hält Niedersachsen aus Klientelpolitik gegenüber einigen wenigen potentiellen Anwohnern und vor allem Eigeninteressen von hiesigen Politikern am vollkommen unzureichenden „Kompromiss“ eines Minimalausbaus fest, der auf undemokratische Weise zustandegekommen ist.

Da die Entscheidung zur Netzerweiterung aber Glück beim Bund liegt und die Bahn ergebnisoffen die umweltverträglichste (Umweltverträglichkeitsprüfung und Raumordnungsverfahren werden Gegenstand der Baurechtserlangung) sowie fürs Verkehrswachstum auf der Schiene kapazitiv auskömmliche und Deutschlandtakt-konforme Variante empfehlen wird, dürfte Niedersachsens Blockadehaltung kaum ins Gewicht fallen. Man darf davon ausgehen, dass der Bund im nächsten Jahr eine leistungsstarke und umweltschonende Neubauvariante beschließen wird. Trotzdem wäre die systematische Blockade der Verkehrswende an diesem Beispiel ein spannendes Thema für den Podcast.

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Hey Landavia,

der Themenvorschlag hat mein Interesse geweckt. Ohnehin finde ich das Thema Verkehrswende spannend und dafür braucht es nun mal ein besseres Bahnangebot. Wenn vorhandene Strecken bereits vollständig ausgelastet sind, ist eine weitere gesellschaftlich gewünschte Verlagerung von der Straße auf die umweltfreundliche Schiene natürlich nur auf zusätzlichen Gleisen umsetzbar.

Nachdem ich mal ein bisschen zum geplanten Streckenbau Hamburg-Hannover recherchiert habe, muss ich folgenden Absatz korrigieren:

„Nicht, weil die Bürger diesen Ausbau nicht wollen, sondern weil ein bereits durch ein Forum erarbeiteter und im niedersächsischen Landtag (einstimmig) verabschiedeter Kompromiss von 2015 (Alpha E: Ausbau der Bestandsstrecke) plötzlich neu aufgerollt wird. (…) Eine solche Dynamik: in einem Forum wird eine Lösung/Kompromiss eines Problems erarbeitet, das Ergebnis wird demokratisch gewählten Politikern präsentiert, diese beschließen es mehrheitlich (in diesem Fall sogar einstimmig) und dann wird ungeachtet diesen Prozesses alles ergebnisoffen durch einen Forumsteilnehmer (hier die DB) neu geplant, eine solche Dynamik schürt Politikverdrossenheit.“

Die Sachlage liest sich für mich deutlich anders. Es sind durchaus einige Berichte über Anwohnerproteste zu lesen, die den Ausbau nicht wollen. Ich finde z.B. einen Bericht von vorgestern https://luene-blog.de/lueneburg-positioniert-sich-gegen-ausbau-der-bestehenden-bahntrasse/ , in dem sich die Stadt Lüneburg verständlicherweise gegen die Ausbauvariante „Alpha E“ ausspricht, weil sie für nur ein zusätzliches Gleis Häuserabrisse erfordert und nicht die klimapolitischen Verlagerungsziele erreicht, wofür es zwei zusätzliche Gleise bräuchte. Das Bürgerforum von 2015 wird medial äußerst kritisch beleuchtet, weil es vielen potentiell vom Trassenbau Betroffenen die Stimme verweigerte. Das betrifft offenbar insbesondere Bürger von der Bestandsstrecke. Wenn man im Dialogformat potentiell von Trassenvariante A, B, C und D Betroffene einlädt, von Variante E aber kaum Betroffene, liegt es nahe, dass sich A bis D für eine Lösung aussprechen, die E belastet. Und E kann nicht einmal widersprechen. Das hat mit Demokratie nichts zu tun. So hat es sich allerdings offenbar zugetragen, wobei Alpha-E die Bestandsstrecke über Lüneburg, Uelzen und Celle ist. Dass sich dort nun Widerstand regt (o.g. Beispiel Lüneburg oder eben von Themenerstellerin Landavia genannter Stadtwald Uelzen), verwundert nicht.

Landavias angesprochener Landtagsbeschluss dürfte ein zahnloser Tiger sein. Die Bahnstrecke ist ein Bundesprojekt und daher ausschließlich vom Bundestag zu entscheiden. Zudem hat sich die inzwischen rot-grün (zuvor war es GroKo) geführte Landesregierung im Koalitionsvertrag für den Deutschlandtakt und für die erweiterte Variante „optimiertes Alpha-E“ ausgesprochen, die auch eine Neubaustrecke abseits des ursprünglich angedachten „Alpha-E“ umfasst. Viele Landtagsabgeordnete haben ihre Meinung offenbar geändert.

Die Bahn plant ja ergebnisoffen, wie man liest, aber sie plant - anders als Landavia schildert - nicht „neu“. Der Bundestag hat bereits 2016, also ein Jahr nach dem Bürgerforum mit Votum für „Alpha-E“-Minimallösung nur eines dritten Gleises neben die vorhandenen zwei, die weitere Untersuchung des „optimierten Alpha-E“ (entspricht dem NDS-Koalitionsvertrag) im Rahmen des sog. Bundesschienenwegeausbaugesetzes beschlossen. D.h. die unzureichende Minimalvariante, auf die man sich im Forum 2015 geeinigt hat, wurde bereits nach einem Jahr vom Bund kassiert und durch eine um eine zweigleisige Neubautrasse erweiterte Planung ersetzt. Die Gründe für die Planungsänderung scheinen vielschichtig zu sein: 1. mangelnde Rechtssicherheit der alten Planung, da Häuserabrisse im Widerspruch zum Raumordnungsgesetz stehen. 2. mangelnde Kapazität der alten Planung, Stau auf der Schiene konnte so nicht aufgelöst werden. 3. Unwirtschaftlichkeit der alten Planung, Kosten aufgrund Eingriffen in Häuser/Grundstücke bei Ortsdurchfahrten zu hoch, generell Trasse über Uelzen zu umwenig und lang. 4. Fahrzeit der alten Planung wäre zu lang, um die Anschlüsse des Deutschlandtakts zu halten. 5. alte Planung mit Tangieren von 7 Naturschutzgebieten hält einer Umweltverträglichkeitsprüfung nicht stand. Das sind so die fünf wichtigsten Punkte, die ich in den Presseberichten finden konnte.

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Fortsetzung meiner Antwort:

Von der Bahn ist zu lesen, dass die „Vorplanung“ aller untersuchten Varianten Ende diesen Jahres abgeschlossen ist. Der bereits 2016 vollzogene Schwenk zur ergebnisoffenen zweigleisigen Neubauplanung (statt Minimalausbau um nur ein Gleis) sorgt also nicht für eine Verzögerung, anders als Landavia suggeriert. Im Gegenteil, soll die Neubautrasse sogar 10 Jahre früher fertig werden als der Minimalausbau, der nämlich von Sperrpausen der Bestandsstrecke abhängt, die 30 km länger ist, als eine direkte Neubautrasse. Durch die kürzere Baulänge kommt man mit der neuen Planung offenbar auch mit weniger Landschaftsverbrauch aus. Zudem sollen z.B. bei einer Trasse an der A7 weniger Landschaftsschutzgebiete durchkreuzt werden als dies neben der bestehenden Bahntrasse der Fall wäre. Weiterer Vorteil eine Neubautrasse wären neue Regionalbahnhöfe, welche die nachhaltige Erschließung des ländlichen Raums verbessern. Die Bahn nennt z.B. Garlstorf oder Bispingen nahe des Naturparks Lüneburger Heide, wo neben den Anwohnern auch Touristen profitieren können.

Interessant finde ich auch die von User Oekologe skizzierten Verflechtungen der niedersächsischen Politik beim Projekt, die offenbar bis in die Bundespolitik reicht. Mich hat neben dem politischen Lobbyismus gegen Bahnstrecken auch die Rolle des Projektbeirats interessiert. Hier sieht es leider ganz ähnlich aus: Die Interessen einer Verkehrswende, also einer möglichst starken Verlagerung des Straßenverkehrs auf die Schiene, vertritt er nicht, genauso wenig scheint er Bahnpendler-Anliegen zu vertreten, sondern offenbar ausschließlich Anwohnerinteressen. In den Medien tritt vor allem ein Peter Dörsam als Beiratssprecher in Erscheinung, der vielfach mit Populismus gegen die Bahn und das Bundesverkehrsministerium auffällt, z.B. hier Alpha-E: Projektsprecher entlarvt Falschaussagen des Verkehrsministeriums - Tostedt . Den Deutschlandtakt stellt er in Frage, die Notwendigkeit eines vierten Gleises ebenfalls, obwohl Bundesgutachter und Bahn das vierte Gleis auf der Achse Hamburg-Hannover für dringend notwendig halten, um Regional- und ICE-Verkehr auf Halbstundentakt zu verdichten. Vom größten prognostizierten Wachstum im Güterverkehr ganz zu schweigen. Herr Dörsam ist außerdem Bürgermeister der Gemeinde Tostedt, durch welche die in den 2010ern mal geplante Y-Neubautrasse zwischen Hamburg und Hannover geführt hätte. Kein Wunder also, dass der Mann gegen Neubautrassen der Bahn schießt. Das Eigeninteresse wird also mal wieder über das gesamtgesellschaftliche Ziel der ökologischen Transformation gestellt.

Ich finde es sehr bedauerlich, wohin die Gegner der Verkehrswende überall ihre Krakenarme ausstrecken und ökologisch wichtige Projekte verzögern. Seien es nun Windparks, Strom- oder Bahntrassen.

Ricarda

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@Lindavia Entschuldigung, dass ich Ihren Namen falsch geschrieben hatte. Fällt mir gerade auf, lässt sich wohl nicht mehr bearbeiten. Schönen Sonntag noch!

Ist dies nicht ein grundsätzliches Problem der mannigfaltigen Beteiligungsrechte, die bei größeren Infrastrukturvorhaben eingeräumt werden? Mögliche Nachteile (echte oder gefühlte) treffen meist wenige, die ein hohes Interesse haben, sich zur Wehr zu setzen. Die Vorteile dagegen verteilen sich diffus über die Allgemeinheit - und das auch erst nach Jahren bzw. Jahrzehnten, wenn die Projekte endlich umgesetzt sind.

Im Ergebnis führt dies zu einem ungeheuren Bias in Richtung des Status quo. Bloß nichts ändern, denn es könnte ja jemand dagegen sein. In unserer Lage, in der große Umbauten z. B. im Verkehrssystem und der Energiewirtschaft notwendig sind, ist dies fatal.

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Absolut, dem kann ich nur zustimmen. Mögliche Nachteile treffen wenige sehr konkret, die lauthals aufschreien. Vorteile begünstigen zwar viele, aber nicht ganz so konkret und vor allem erst langfristig. Das macht es deutlich einfacher, gegen Veränderung anzukämpfen als sich nachdrücklich für sie einzusetzen. Lokalpolitiker sehen darin die Chance, sich mit Populismus für die ortsansässigen potentiellen Anwohner einer Trasse und gegen die Streckenführung zu profilieren. Dieser lokale Egoismus, dieses „Not in my Backyard (NIMBY)“, dieses St.-Floriansprinzip („verschon mein Haus, zünd andere an“), dass man vor Ort vielleicht nicht grundsätzlich gegen solche Trassen sei, aber eben nicht hier, sondern woanders (gerne auch im Nachbarort), erlebt man dabei immer wieder. Auf lokalpolitischer Ebene mag das ja nach irgendwie verständlich sein.

Problematisch wird es dann, wenn es auch auf höherer politischer Ebene so gehandhabt wird. Auf Landes- oder Bundesebene muss man erwarten, dass Politiker eben nicht Partikularinteressen nur eines Wahlkreises berücksichtigen, sondern das allgemeine gesellschaftliche Interesse auf Landes- bzw. Bundesebene. Und spätestens auf dieser Ebene muss klar sein, dass man es niemals allen Recht machen kann.

Das Land Niedersachsen hat sich in dieser Hinsicht in eine Sackgasse manövriert. Es verspricht die Quadratur des Kreises, um ja nicht anzuecken. Man wolle die Verkehrswende, Hafenhinterlandverkehr auf die Schiene, Pendler auf die Schiene, Nahverkehr ausbauen, Deutschlandtakt, aber eben möglichst kaum zusätzliche Gleise, nicht mehr Verkehrslärm und einfach keinen Anwohner zusätzlich mit Bahnbau belasten. Daraus kann keine runde Sache werden. Es gibt klare Zielkonflikte zwischen diesen Absichten und da muss sich die Politik eben ehrlich machen und zugestehen, dass es auch Belastungen durch viele neue Gleise gibt. Man kann es nicht allen Recht machen, Niedersachsen versucht es trotzdem und zwar mit dem Ergebnis, dass seit dem Dialogforum 2015 außer ein bisschen Vorplanung absolut nichts passiert ist. Noch problematischer wird es, wenn der Stillstand nicht nur Ergebnis eines immerhin hehren (wenn auch leider unrealistischen) Zieles ist, es allen Recht zu machen; sondern genau dieser Stillstand politisch gewollt ist. Von Niedersachsens Verkehrsminister Lies, der Hamburgs Hafen keine gute Hinterlandanbindung in Konkurrenz zu seinem Wilhelmshaven gönnt, von Ex-Verkehrsminister Althusmann, Ex-Verkehrsausschuss-Chefin Lühmann oder SPD-Vorsitzendem Klingbeil aus der Lüneburger Heide, die keine Trasse durch ihre Heimat wollen, von Teilen der Niedersächsischen Landesregierung, die VW-Aufsichtsratsmitglieder stellt und damit einen Interessenkonflikt mit der Verkehrswende hat.

In so einer Situation braucht es PolitikerInnen, die lokale und Partikularinteressen hintenanstellen und übergeordnete, gesamtgesellschaftliche Interessen wie ökologische Verkehrspolitik, Umwelt- und Klimaschutz im Blick haben.

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Liebes Lageforum, bzw. User, die sich mit dem Thema auseinandergesetzt haben,

Vielen Dank für die ausführlichen Rückmeldungen und Recherchen. Nun bietet sich mir doch nochmal ein ganz anderes Bild als bisher durch lokale oder regionale Presse vermittelt wurde. Ich stimme natürlich sofort zu, dass es eine große Notwendigkeit des Netzausbaus besteht und dass dies natürlich damit einhergehen wird, dass sich viel Widerstand bilden wird/gebildet hat. Sich im Lobbyismus- und Populismusdschungel zurecht zu finden ist jedoch offensichtlich eine Herausforderung. Allerdings muss man, denk ich, berücksichtigen, dass nicht jede Gegenwehr gegen große (Bahn)-Projekte ausschließlich o.g. NIMBY-Diskussionen zugrunde liegen. Mit anderen Worten ist es wichtig zu beachten, wie der Backyard aussieht. Bedeutet es beispielsweise, dass bei einer Neubautrasse/Bestandsausbau mehr Lärmbelästigung auf mich allein zu kommt oder heißt es vielleicht auch, dass ein FSC-zertifizierter Wald, in dessen Nähe ich zufällig wohne, durch eine Trasse beeinträchtigt werden soll (Neubaustrecke an Uelzen vorbei). Der Erhalt von intakten Waldflächen ist für den Klimaschutz ebenso notwendig wie die Verkehrswende. In diesem Fall kommt Widerstand allen zu Gute.

Guten Abend!

Heute ist in der HNA (Hessische/Niedersächsische Allgemeine Zeitung) ein umfassender Artikel zur Bahnstrecke zwischen Hamburg und Hannover erschienen. Diskussionen um geplante „Y-Trasse“ zwischen Hamburg und Hannover

Darin spricht sich die Grüne Landtagsfraktion aus Niedersachsen für die von der Bahn gerade durchgeführte ergebnisoffene Trassenvariantenuntersuchung aus. Im neuen Koalitionsvertrag hatten die Landesgrünen schon ein Bekenntnis zum Deutschlandtakt und zum Projekt „optimiertes Alpha E“ verankert, das eben eine nach Umweltkriterien zu findende Neubaustrecke einschließt. Im heutigen HNA-Artikel wird der Grüne Fraktionsvorsitzende aus Niedersachsen zitiert:

Grüne können sich Neubau vorstellen

Beim Koalitionspartner hört sich das inzwischen etwas anders an. Die Grünen können sich eine neue Trasse zusätzlich zum Bestandsausbau vorstellen, sollte dieser nicht ausreichen. „Niedersachsen ist nicht nur Transitland für durchdonnernde Fernzüge, sondern hat eigenständige Bedürfnisse“, erklärt Landtagsfraktionschef Detlev Schulz-Hendel. Man müsse die Situation für Pendler verbessern und dürfe Lüneburg, Uelzen und Celle nicht vom Fernverkehr abkoppeln. Schon aus diesem Grund brauche es den Ausbau im Bestand.

"Wir wollen so viel Verkehr wie möglich auf die Schiene holen“, betont der Grüne. „Wenn die Prognosen sagen, dass ein Bestandausbau dafür nicht ausreicht, müssen wir uns fragen, was es dann zusätzlich braucht.“

Damit dürfte der von @Lindavia eingangs erwähnte Landtagsbeschluss von 2015 gegen eine Neubautrasse der Bahn und damals für einen unzureichenden „Schmalspurausbau“ gemäß ursprünglichem „Alpha E“-Konzept hinfällig sein.

Interessant finde ich auch folgende Passage im Artikel:

Mehr Befürworter für Neubau der Bahn-Trasse

So wächst die Zahl der Befürworter der A 7-Lösung. Hamburgs grüner Umweltsenator Anjes Tjarks, glühender Fan der neuen Tempotrasse, bekommt Schützenhilfe vom Reisenden-Lobbyverein Pro Bahn und dem Deutschen Bahnkundenverband. Der vor sieben Jahren erzielte Kompromiss zählt für sie und den Verkehrsclub Deutschland (VCD) nicht. Die Interessen der Fahrgäste, der Güterkunden und der Anwohner der Bestandstrecken seien damals unzureichend berücksichtigt worden, meint VCD-Mann Martin Mützel.

Auch in Hamburg sind die grünen offenbar angetan von einer neuen Bahntrasse. Im Bund sowieso, wie bereits aus von einem User zum Tagesspiegel-Artikel verlinkten Ausführungen des Bahnpolitischen Sprechers der Bundesgrünen (Matthias Gastel) hervorgeht.

Ich denke, der Widerstand ist wirklich primär sehr lokal, wenn Anwohner direkt betroffen sind, was ja dann auch verständlich ist. Doch es scheint eine breite Mehrheit für die neue Bahnstrecke zu geben. Wenn der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) und die Grünen dahinter stehen, sollte es wirklich ein für die Verkehrswende wichtiges Projekt sein.

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Ohne sehr tief in der Materie zu stecken, kommt mir die Verkehrswegebündelung entlang der B3 und A7 doch sehr sinnvoll vor. Die Naturflächen sind dort eh schon zerschnitten und es liegt bereits eine Lärmbelastung vor, besser hier als andere Naturflächen weiter zu zerteilen. Gleichzeitig ist durch eine zweigleisige Neubaustrecke deutlich mehr Kapazität möglich als durch den Zubau eines dritten Gleises auf die Bestandsfläche.

Weiterhin hat eine zusätzliche Strecke den Vorteil, dass das Gesamtnetz an Resilienz gewinnt, da es jeweils eine Ausweichstrecke gibt, falls es zu Streckensperrungen kommt.

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Guten Abend,

heute bin ich auf folgenden Artikel gestoßen, in dem sich auch der Fahrgastverband Pro Bahn für die Planung einer ergebnisoffenen Neubaustrecke anstelle der Vorfestlegung auf den ungenügenden Alpha-E-Bestandsausbau über Lüneburg und Uelzen. Fahrgastverband Pro Bahn: Ausbauziele werden mit Alpha E verfehlt

Der Artikel ist zwar nicht frei lesbar (Probemonat allerdings kostenlos), der im Artikel genannte Eisenbahnfachmann schildert aber den Hintergrund des Bahnprojekts und die aktuelle Diskussion um die Untauglichkeit der alten Alpha-E-Ausbauplanung im folgenden Podcast sehr anschaulich. Den kann ich jedem nur wärmstens empfehlen, wer sich für dieses Thema interessiert. Langsamfahrt: #30 – Weltrekord: Längster Personenzug, 49€-Ticket, Alpha-E – Langsamfahrt (Kapitel 7)

@ctg Die angesprochene Verkehrswegebündelung mit der A7 und B3 wird als eine von 3 von der Bahn aktuell untersuchten Neubauvarianten auch thematisiert und tatsächlich als wahrscheinliche Vorzugsvariante bezeichnet. Als Gründe werden unter anderem die kürzeste Baulänge aller Varianten, die schnellste Bauzeit von etwa 7 Jahren oder Umweltfreundlichkeit genannt.

@Lindavia Da kann ich nur zustimmen. Nicht jeder Widerstand entspringt einer populistischen oder egoistischen NIMBY-Haltung. Selbstverständlich gibt es legitime und sachlich fundiert begründete Einwände gegen manche Planung und dann ist es auch wichtig, diese vorzubringen, um Planungsfehlern vorzubeugen und wirklich die verträglichste Trassenführung zu finden (leider eher die Ausnahme bei einigen Bürger-Inis, so mein Eindruck). Der Erhalt von Landschaftsschutzgebieten und sensiblen Waldflächen gehört unbedingt dazu.

Diesbezüglich mache ich mir aber keine Sorgen. Als Vergleichsbeispiel habe ich mir gerade mal die frisch untersuchte Variantenabwägung einer neuen Bahntrasse zwischen München und Innsbruck angesehen (Brenner-Nordzulauf). Dort werden Umweltthemen in umfassender Akribie behandelt, Böden und Wälder im Detail untersucht. Soweit ich das verstehe, ist das für die Baurechtserlangung im Rahmen einer Umweltverträglichkeitsprüfung auch zwingend bei solchen Projekten. https://www.brennernordzulauf.eu/newsreader/2022-11-24-grafing-ostermuenchen-stresstest-bestaetigt-vorteile-der-auswahltrasse-limone.html?file=files/mediathek/publikationen/2022-11-24_Stellungnahme_Stresstest_TAV.pdf&cid=3462

Der Uelzener Stadtwald wird dabei ganz sicher nicht übersehen. Was man so den Medienberichten entnehmen kann, scheint es ohnehin eher auf eine umweltschonendere und insgesamt kürzere Baustrecke in Bündelung mit der A7 hinauszulaufen als eine Trasse nah an Uelzen vorbei. Insofern wäre ich aus Uelzener Perspektive eher entspannt, was das Thema Stadtwald angeht.

Zu dem Thema Alpha-E kann ich den YouTube Kanal von Gustav Richard (https://www.youtube.com/@GustavRichard1) empfehlen. Er begleitet das Thema seit etlichen Jahren. Das Problem mit Alpha-E ist, dass dadurch z.B. die Kapazitätsprobleme der Früh-HVZ nur kurzfristig „gedämpft“ werden. Wenn wir aber von einer Verkehrswende sprechen, müsste der SPNV in der Region noch weiter ausgebaut werden. Wenn aber Alpha-E realisiert werden würde, würde eine weiterer Ausbau in den nächsten 30 Jahren sicherlich nicht mehr stattfinden. Weil „man hat ja schon was gemacht“.
Amüsant finde ich immer wieder, dass die Gegner einer Neubaustrecke entlang der A7 zum Teil noch immer von der „Deutschen Bundesbahn“ sprechen. Obwohl wir die jetzt bald 30 Jahre nicht mehr haben… Ein Zeichen für mich, dass diese Leute einfach gegen alles sind, egal von wem…

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Hallo zusammen!

Der Vorwurf, der an vielen Stellen im Raum steht und auch in den ganz oben verlinkten Artikeln angedeutet wird, ist, die Deutsche Bahn habe in eigenem Antrieb mit der Planung einer Neubaustrecke begonnen. Stattdessen habe sie den Auftrag, das „beschlossene“ Alpha-E aus dem Dialogforum umzusetzen. Diese Darstellung widerspricht dem tatsächlichen Werdegangs des Alpha-E seit dem Dialogforum.

Auftrag des Dialogforums Schiene Nord war es, über die Y-Trasse und ihre Alternativen zu diskutieren und möglicherweise ein oder zwei Varianten zu empfehlen. Die Empfehlung sollte bei der Erarbeitung des Bundesverkehrswegeplans 2030 (BVWP 2030) berücksichtigt werden, der dann 2016 beschlossen wurde. Den Prozess zur Aufnahme eines Projekts in den BVWP und die dafür erforderlichen Kriterien sollte das Forum dabei nicht ersetzen, dementsprechend war es auch nie Aufgabe, eine Variante final zu beschließen. Am Ende des Dialogforums stand ein Abschlussdokument, in dem sich die Unterzeichnenden für das Projekt Alpha-E aussprachen. Damit gab es eine klare Empfehlung, die von der Mehrheit der Teilnehmenden unterstützt wurde und das auch von dem damaligen Parlamentarischen Staatssekretär Enak Ferlemann aus dem Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur begrüßt wurde.

Mit diesem Ergebnis ging es nun ins Bundesverkehrsministerium, wo das Alpha-E zur Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan untersucht werden sollte. Die Bewertung ergab ein Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) von 0,6, erforderlich ist jedoch ein Wert von mindestens 1,0.

https://www.bvwp-projekte.de/schiene_2018/2-003-V02/2-003-V02.html

Diese Bewertung hätte eigentlich nicht überraschen sollen. Schon im Dialogforum Schiene Nord wurde ein Gutachter von BVU mit der Untersuchung der verkehrlichen Auswirkungen und des Nutzens des Alpha-Konzepts beauftragt. Dieser ermittelte für den Planfall E der Alpha-Variante, für das dann die Bezeichnung Alpha-E entstand, ein NKV von 0,8. Außerdem komme es zu Überlastungen während der Hauptverkehrszeit. Nur dadurch, dass für den Planfall E zusammen mit dem Ausbauprojekt Uelzen–Halle ein Nutzen-Kosten-Verhältnis berechnet wurde, kam man auf einen Wert von 1,1. Obwohl der Gutachter die unbefriedigenden verkehrlichen Auswirkungen kritisierte, wurde allein aufgrund des so erhaltenen NKV von über 1 das Projekt von vielen Anwesenden als ausreichend eingeschätzt und kam in das Abschlussdokument. Dazu 4 Bericht Herr Kotzagiorgis BVU - YouTube und 5 Kommentar Herr Bischoping DB AG, Diskussion über den Vortrag von Herrn Kotzagiorgis BVU - YouTube

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Fortsetzung (2/2):

Bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplans war ein solches Durchwinken natürlich nicht möglich. Stattdessen wurde das Alpha-E „optimiert“ und um Maßnahmen im Knoten Bremen ergänzt. Auf dem Abschnitt Hamburg–Hannover war das Ergebnis war aber keine „Optimierung“, sondern eine komplette Neugestaltung. Das Dialogforum hatte dort lediglich ein drittes Gleis zwischen Lüneburg und Uelzen vorgesehen. In der offiziellen Maßnahmenbeschreibung des neuen „Optimierten Alpha-E mit Bremen“ wurden die Maßnahmen „ABS Celle – Hannover-Vinnhorst, Vmax = 230 km/h“ und „ABS Ashausen – Uelzen - Celle, Vmax = 250/230 km/h (ggf. mit zusätzlichen fahrplanbasierten Maßnahmen zur Kapazitätserweiterung und Ortsumfahrungen)“ ergänzt. Solche „Ortsumfahrungen“ entsprechen in keiner Weise dem, was die Befürworter des Alpha-E gefordert hatten. Der Grundsatz „Ausbau statt Neubau“, der nach Ansicht verschiedener Politiker und Bürgerinitiativen verbindlich sei, ist also bereits seit 2016 nicht mehr Stand der Dinge. Noch deutlicher wird das, wenn man sich die Beschreibungen zu dem Konzeptentwurf anschaut, den das BMVI zur Berechnung der Projekts herangezogen hat: „Als Konzeptentwurf zur Bewertung der ABS Ashausen – Uelzen - Celle, Vmax 250/230 km/h (ggf. mit zusätzlichen fahrplanbasierten Maßnahmen zur Kapazitätserweiterung und Ortsumfahrungen) wurden Ausbauten Ashausen – Uelzen Süd mit Umfahrungen der Orte Lüneburg, Deutsch Evern, Bad Bevensen und Uelzen sowie Ausbauten Uelzen Süd – Celle betrachtet.“ Insgesamt vier größere Orte würden in diesem Fall auf Neubaustrecken umfahren werden. Ein solcher Konzeptentwurf ist zwar nur eine mögliche Planung und nicht verbindlich für die weitere Planung, dennoch zeigt sie auf, in welchem Umfang zusätzliche Maßnahmen nötig sind, um die Projektziele zu erfüllen. Eine Ortsumfahrung stellt neben einer Fahrzeitverkürzung eine erhebliche Erweiterung der Kapazität dar, da nun nicht mehr zwei oder drei, sondern mindestens vier Gleise in dem Korridor zur Verfügung stehen. Wie genau das Projekt umzusetzen ist, legt der BVWP nicht fest. Offiziell gilt es als Alpha-E mit der Ergänzung, dass zwischen Hamburg und Hannover ergebnisoffen eine deutlich umfassendere Lösung gefunden werden muss.
https://www.bvwp-projekte.de/schiene_2018/2-003-V03/2-003-V03.html

Ende 2016 wurde dann auf Grundlage des BVWP das Bundesschienenwegeausbaugesetz beschlossen, in dem sich das Vorhaben unter der Bezeichnung „ABS/NBS Hamburg – Hannover, ABS Langwedel – Uelzen, Rotenburg – Verden – Minden/Wunstorf, Bremerhaven – Bremen – Langwedel (Optimiertes Alpha-E + Bremen)“ wiederfindet. „ABS“ steht für „Ausbaustrecke“, „NBS“ für „Neubaustrecke“.
http://www.gesetze-im-internet.de/bswag/anlage.html

Es heißt oft, die Deutsche Bahn würde ihren Planungsauftrag missachten, wenn sie nicht das Alpha-E aus dem Dialogforum Schiene Nord plant. Was genau ist aber ihr Planungsauftrag? Ich kenne ihn auch nicht im Wortlaut. Klar ist aber, dass er nicht auf dem Dialogforum, sondern auf dem BVWP beruht. Daher hat die Deutsche Bahn nicht nur den Auftrag, das 3. Gleis zwischen Lüneburg und Uelzen zu planen, sondern auch, größere Lösungen als diese zu untersuchen, die nicht nur die bestehenden Strecken umfassen. Dass dem so ist, das hat das Bundesverkehrsministerium am Anfang nicht wirklich deutlich gemacht. Das Projekt enthält zwar die Bezeichnung „Alpha-E“, hat mit diesem aber in entscheidenden Punkten nichts mehr zu tun.

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