Steuerskandal Cum-Ex: Chefermittlerin kündigt und übt Kritik

Im Interview mit WDR-Investigativ sagte Brorhilker zu ihrer Entscheidung: „Ich war immer mit Leib und Seele Staatsanwältin, gerade im Bereich von Wirtschaftskriminalität, aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird. Da geht es oft um Täter mit viel Geld und guten Kontakten, und die treffen auf eine schwach aufgestellte Justiz.“ Außerdem könnten sich Beschuldigte oft aus Verfahren schlicht herauskaufen, wenn etwa Verfahren gegen Geldbuße eingestellt würden. „Dann haben wir den Befund: Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.“

Sie als einzelne Staatsanwältin könne daran wenig ändern. Die Politik, so Brorhilkers Fazit, habe elf Jahre nach Bekanntwerden der ersten Cum-Ex-Fälle noch immer nicht hinreichend reagiert. Der Steuerdiebstahl sei längst nicht gestoppt, es gebe Nachfolgemodelle, wie bei einem „Hase-und-Igel-Spiel“. Grund seien fehlende Kontrollen, was bei Banken und auf den Aktienmärkten geschehe. „Wenn keine Kontrolle passiert durch staatliche Organe, dann greifen die Menschen in die Auslagen. Aber wenn da eine Videokamera über der Auslage installiert ist, dann denkt man dreimal darüber nach, ob man zugreift.“

Ein Armutszeugnis für die deutsche Justiz und unseren Staat. Wenn man sich aber ein bisschen mit der deutschen Justiz und die fragwürdigen Zustände dort auskennt, ist die Entscheidung von Frau Brorhilker nachvollziehbar.

  1. Staatsanwaltschaften in Deutschland gehören zu den am wenigsten unabhängigen Staatsanwaltschaften in der EU. Für den EuGH nicht von der Exekutive/Justizminister unabhängig genug, um europäische Haftbefehle auszustellen, weshalb der das untersagt hat. Nicht so zB bei den französischen Staatsanwaltschaften, die das dürfen (EuGH: Frankreich, Schweden und Belgien erfüllen Vorgaben des EU-Haftbefehls). Bis heute gibt es ein Weisungsrecht durch deutsche Justizminister im Einzelfall, das nicht mal schriftlich dokumentiert werden muss. Die Karrieren von Staatsanwälten hängen in Deutschland vom Justizminister ab, der so Einfluss nimmt.
  2. Die Bezahlung ist ein Witz im Vergleich zu den Gegenspielern in der Finanzindustrie.
  3. Die Ausstattung ist idR eine Katastrophe.
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Ich habe das vorhin auch in den Nachrichten gesehen und würde mich freuen, wenn es ein Thema in der Lage werden würde. Vielleicht kann man die Chefermittlerin ja auch zu einem Interview einladen?

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Beim WDR gibt es das gut 17-minütige Interview mit Anne Brorhilker:

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Ja das würde ich auch gut finden.

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Ich finde den Moderator furchtbar hölzern, aber ihre Klarheit in den Aussagen echt gut.

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