[1/2] Blackrock ist in den letzten 20 Jahren zum größten Vermögensverwalter der Welt aufgestiegen, verwaltet mehr als 10 Billionen US-$ [1] (was dem BIP von Deutschland und Japan zusammen entspricht), ist an jedem Dax-Konzern beteiligt und hält zusammen mit Vanguard und State Street im Schnitt 20% der im S&P500 gelisteten Unternehmen [2].
Damit wird ihr Einfluss unterschätzt, denn die meisten Aktionäre nehmen nicht an Aktionärsversammlungen teil, während die Vermögensverwalter gemäß der SEC-Regel zur Stimmrechtsvertretung von 2003 dazu verpflichtet sind. Ihr Anteil an den abgegebenen Stimmen beträgt daher mehr als 25 Prozent. In Anbetracht der Tatsache, dass die typische Aktionärsstimme eine Marge von 10 Prozent hat, haben die Großen Drei eine Vetomacht über die Unternehmensführung erlangt. [2]
Den Aktionären wird eine starke Mischung aus Privilegien und Schutz im Unternehmen gewährt, unter Ausschluss anderer Interessengruppen wie Arbeitnehmern, betroffenen Gemeinden oder gesellschaftlichen Anliegen wie Nachhaltigkeit und Ungleichheit. Dazu gehören in erster Linie:
Rechte der Unternehmensführung: das Recht, auf den Hauptversammlungen des Unternehmens abzustimmen und Unternehmenspläne mitzugestalten.
Einkommensrechte: Anspruch auf Ausschüttungen des Unternehmens, z. B. Dividenden.
Haftungsbeschränkung: Wenn ein Unternehmen untergeht, können die Aktionäre nur den Wert ihrer Investition verlieren und sind nicht für andere Kosten wie ausstehende Schulden, unbezahlte Löhne oder Geldstrafen und Schadensersatz für Fehlverhalten haftbar.
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Diese Zahlen und die schiere Machtkonzentration (global) machen mir große Sorgen und dennoch hab ich das Gefühl, dass hierüber in Deutschland kaum berichtet wird. Im Gegensatz zu Frankreich, wo im Zuge der Proteste gegen die Rentenreform u.a. das Blackrock-Headquater in Paris gestürmt wurde, wird das nun diskutierte Generationenkapital kaum mit Blackrock oder anderen Vermögensverwaltern in Verbindung gebracht.
Mache ich mir zu unrecht Sorgen oder handelt es sich hierbei um ein ernsthaftes Problem, welches vielleicht auch in der Lage beleuchtet werden könnte/sollte?
Als Einstieg in die Thematik kann ich das folgende kurze (2 min) Video empfehlen:
Ich weiß nicht ob es „beruhigen“ kann, aber bisher gibt es meines Wissens nach keinen Beleg dafür, dass große Vermögensverwalter substanziell anders politische und wirtschaftliche Entscheidungen beeinflussen, als das die „normalen“ Superreichen, Wirtschaftsverbände und Spekulanten sowieso schon tun. Zudem sind Blackrock und Co. keine monolithischen Akteure, sondern bestehen aus tausenden von Individuen, die jeweils eigene Prioritäten und Ziele verfolgen. Man könnte sogar argumentieren (wofür ich aber auch keine Belege sehe), dass z.B. Blackrock durch seine herausgehobene Stellung gegenüber dem Anschein unlauterer politischer Einflussnahme sensibler ist, als ein immer noch extrem großer Vermögensverwalter, dessen Namen aber absolut niemand kennt.
Das bedeutet natürlich nicht, dass diese Art von Vermögenskonzentration grundsätzlich ungefährlich ist. Sie ist meiner aktuellen Meinung nach nur genauso gefährlich, wie der Rest der unglaublichen Vermögenskonzentration in unseren Gesellschaften ohnehin schon.
Grundsätzlich stellt sich meiner Meinung nach bei Vermögensverwaltern und allen anderen Unternehmen, die mit Geld hantieren, die selbe Frage wie bei Banken: wie groß ist zu groß und damit im Falle einer Krise des Unternehmens systemgefährdend? Ich könnte mir gut vorstellen, dass man einfach verbietet, dass ein einzelner Akteur mittelbar oder unmittelbar mehr als X% der Unternehmensanteile eines wichtigen Aktienindizes kontrolliert. Oder sogar Limits für das Kapital unter Verwaltung eingeführt werden. Dafür wird man aber am Ende wohl zumindest die USA und UK mit ins Boot holen müssen.
Ein zentrales Problem bei Blackrock ist vermutlich ein anderes als sich die meisten Leute vorstellen: Sie nehmen (zu) wenig Einfluss.
Blackrock ist ein Anbieter von ETFs und kauft in diesem Rahmen Unternehmensanteile. Sie halten, per Mandat, also Aktien oder andere Anlagen stellvertretend für die eigentlichen Besitzer der ETF-Anteile. Das von diesen Personen erteilte Mandat erlaubt Blackrock nur die passive Verwaltung (“Kauft Anteile von X, weil sie im Index Y sind”).
Das ist ein fundamentaler Unterschied zu den klassischen Staats-, Investment- oder Rentenfonds, die früher die größten Anteilseigner gestellt haben. Diese hatten aktive Mandate Interessen ihrer Eigentümer durchzusetzen. So konnte der Staatsfonds von Qatar als Investor bei Deutschen Großkonzernen aktiv auf die Unternehmensführung einwirken oder das Land Niedersachen bei Volkswagen mitregieren.
Blackrock darf all das nicht mehr und tut es in weiten Teilen auch nicht. Das entzieht einer AG allerdings eine ganz wichtige Kontroll- und Lenkungsfunktion auf der Kapitalseite. Blackrock kann das letztlich egal sein. Die leben nicht davon, dass Aktien rauf oder runter gehen, sondern von den Gebühren. Die eigentlichen Investoren hinter Blackrock (die z.B. mittels Sparplan in einen ETF sparen) haben dieses Interesse (oder irgendein anderes) allerdings sehr wohl und können es über Blackrock nicht durchsetzen.
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Ein anderes Problem betrifft den Aufbau von ETFs. Durch die massive Zunahme von passiven Investments wird ein Großteil der zufließenden Gelder in die Titel mit höchstem Gewicht investiert. Dies führt dort wieder zur Kurszunahme, wodurch deren Gewicht im Index weiter ansteigt. Michael Green von Logica Investments hat hierzu einiges veröffentlicht und warnt vor allem davor, dass es zu einem Point of No Return kommen kann, in dem Passiv alle anderen Formen der Investments verdrängt und die Unternehmen faktisch unkontrolliert werden.
gibt es denn noch andere Player in der Größenkategorie? Das ist ja immer das Problem mit den großen Zahlen, aber 10 Billionen kommt mir schon einzigartig vor.
Das mag sein, dennoch frage ich mich, welche Interessen Blackrock als Unternehmen verfolgt, wenn sie nicht auf den Erfolg einzelner Unternehmen sondern nahezu aller setzen.
Durch die hohe Diversivizierung (Beteiligung an allen großen Unternehmen innerhalb unterschiedlichster Branchen) bestand ja mal die Hoffnung, dass dadurch Externalitäten wie Umweltschäden etc mit einberechnet würden, da es Blackrock um eine langfristig stabile und wachsende Wirtschaft gehe.
Ich habe mittlerweile den Eindruck, dass Blackrock auf ich nenne es mal einer Metaebene spielt. Es geht ihnen darum, möglichst viel Vermögen zu verwalten und dadurch Gebühren zu kassieren. Dazu müssen möglichst viele Bereiche des Lebens in die Logik des Kapitals eingegliedert werden, wie bspw die Altersvorsorge durch das Generationenkapital. Hierzu auch ein noch immer sehr aktueller Artikel von Januar 2023:
Ich bin der Meinung, es sollte Bereiche im Leben geben, die nicht der Logik der Profitmaximierung unterworfen sind, wie bspw Bildung, Gesundheit, Altersvorsorge etc. und dem stehen Vermögensverwalter nun mal konträr entgegen. Wie es mit irgend einer Art der demokratischen Kontrolle aussieht, weiß ich leider auch nicht.
Ich hatte die Quellen im ersten Post so verstanden, dass Blackrock sehr wohl Mitbestimmungsrechte in den Unternehmen hat?! Zudem hält Blackrock meines Wissens nicht nur ETFs, oder?
Welche Art der Einflussnahme wäre denn Wünschenswert? Und nehmen sie nicht schon politisch viel Einfluss? Habe jetzt keine zentrale quelle, wo Treffen aufgelistet werden, aber ich habe an unterschiedlichen Stellen von Treffen mit hochrangigen Staats- und Regierungschefs, EZB, Europäische Kommission gelesen.
Also bleibt vielleicht die zentrale Frage: Welche Interessen verfolgen Vermögensverwalter bzw. welche Auswirkungen haben sie für Unternehmen. Stimmt es, dass…
und führt das zu einem „weiter so wie bisher“, obwohl wir in Zeiten der Klima- und Biodiversitätskrise eigentlich umlenken müssten?!
So oder so denke ich, dass diesem Thema mehr aufmerksamkeit geschenkt werden sollte:
Das Corporate-Governance-Regime des Shareholder-Value ist nicht nur gescheitert (aus sich selbst heraus und aus anderen Gründen), sondern hat auch seine rechtfertigenden Annahmen völlig über den Haufen geworfen. Der Aufstieg von BlackRock, Vanguard und ihren Konkurrenten hat ein neues Regime eingeläutet - eine Kombination aus Konzentration, Kontrolle, Diversifizierung und „Interesselosigkeit“, die ohne historischen Präzedenzfall ist. Die Ära des Vermögensverwalter-Kapitalismus stellt ein neues System der Unternehmensführung dar, dessen Auswirkungen auf Macht und Kontrolle in der gesamten Wirtschaft wir gerade erst zu verstehen beginnen.
Ich habe schon den Eindruck, dass insbesondere die institutionellen Investoren sehr viel Druck auf Unternehmen machen was Nachhaltigkeit angeht, und sie stimmen auch entsprechend in den Hauptversammlungen ab. Viel wird über die Billigung des Nachhaltigkeitsberichts sowie über die Vorstandsvergütung ausgetragen. Wie die abstimmen kann ja jeder in den Proxy Guidelines nachlesen:
Wenn der ETF-Anbieter den entsprechenden Index tatsächlich physisch 1:1 (d. h. die Wertpapiere tatsächlich erwirbt) und nicht synthetisch (d. h. als reines Derivatgeschäft) abbildet, dann werden die enthaltenen Wertpapiere im ursprünglichen Marktverhältnis erworben. Zweifelsohne steigen dadurch die größten Stücke am meisten, relativ gesehen aber nur im Maße ihrer bisherigen Marktkapitalisierung. Das bedeutet sie erhalten nicht mehr Macht im Vergleich zu ihren Konkurrenten. Und auch ihre Gewichtung im Index wächst nicht an. Zumindest, wenn der ETF nach Marktkapitalisierung gewichtet ist. Wenn man einen anderen ETF nach anderen Gewichtungskritierien wählt, dann ist das nicht mehr so. Aber dann hat man sich dazu bewusst entschieden.
Ich würde das nur insofern problematisch halten, wir große Machtkonzentration halt grundsätzlich problematisch sein kann (auch bei Facebook, Google, etc.). Mir persönlich ist nicht bekannt, dass Blackrock seine Stimmrechte bislang in verwerflicher Art und Weise nutzt. Je Unternehmen halten die ja auch meist nur ein paar %, sind im DAX ja bspw. nie Mehrheitsaktionär.
Der Erfolg von Blackrock macht aber beispielhaft deutlich, worauf Deutschland mit seiner Einstallung zu Aktien verzichtet. Hätte man wie Norwegen schon vor Jahrzehnten eine Aktienrente eingeführt, würden alle aktuellen und zukünftigen Rentner in vergleichbarem Ausmaß profitieren können.
Das mag so scheinen, allerdings steht dahinter eine andere Motivation (als die mE wünschenswerte). Den Investoren geht es darum, Risiken zu minimieren und somit ihr Vermögen zu schützen und zu vermehren. Ihnen geht es nicht darum, die Klimakrise einzudämmen oder sich darauf vorzubereiten, geschweige denn, diese massive und notwendige Transformation in irgend einer Weise sozial gerecht oder demokratisch zu vollziehen.
In diesem Vortrag an der Uni Hamburg (ab 21:16) beschreibt Buller genau dieses Paradox des „Green Capitalism“, bzw. warum blackrock vielleicht nicht der Retter in der Klimakrise ist
Bin erst gerade auf diesen Artikel aus 2021 gestoßen, aber ich befürchte, seit dem ist es auch nicht besser geworden:
Beim schauen des Interviews mit Anne Brorhilker habe ich mich zudem gefragt, ob das globale Finanzsystem eigentlich eine riesige Blackbox ist, bei dem niemand mehr so genau durchschaut, was eigentlich passiert. Also von den Regierungen, Aufsichtsbehörden etc. BlackRock hat mit Aladdin vermutlich einen ganz guten Einblick.
Schon amüsant, wenn man sich das vor Augen führt:
Fruedrich Merz hat jahrelang für Blackrock gearbeitet
Wolfgang Kubicki hat Hanno Berger gerichtlich vertreten als er wegen CumEx angeklagt war
Eigentlich müssten die doch ganz guten Einblick haben.
Ich vermute den beiden Herren sind, genauso wie BlackRock, die 4 Säulen des Neoliberalismus (Deregulierung der Finanzmärkte, Liberalisierung der Handelsströme, Abschaffung des Staates (Steuereinnahmen reduzieren), Privatisierung der Industrien) wichtiger als das allgemeine Wohl der Bevölkerung.
Und hier sollte nach meinem Verständnis eigentlich die Politik eingreifen.
Aber es geht ja nicht um edle Motive sondern um Handlungen. Wenn ein Unternehmen weniger CO2 ausstößt, weil es auch die Risiken senkt, wo ist das Problem? Genau das muss doch das Ziel sein, dass Menschen und Unternehmen sich im Sinne der Klimaziele verhalten, egal was die Motivation ist. So funktionieren Anreize.
min 30,03
In UK wurden demnach 2023 keine neuen Offshore Windparks errichtet, da es einfach nicht rentabel genug war.
Der gesamte Pflegebereich ist sicherlich nicht besonders profitabel, wird aber mit Fortschreiten der Klimakrise immer essentieller.
Zudem macht es demnach Sinn in Bereichen zu investieren, in denen Gewinne abgeschöpft, Verluste aber vergesellschaftet werden können. Ist das in unserem Interesse?
Investitionen in Regionen, die massiv von der Klimakrise bedroht sind, sind daher sehr risikobehaftet. Lassen wir die Menschen, die dort leben, einfach im Stich?
Profitstreben ist nicht gleichbedeutend mit dem Streben nach einer gerechten und nachhaltigen Zukunft. Es mag Übereinstimmungen geben, aber warum sollten wir darauf hoffen, wo wir es doch eigentlich selbst in der Hand haben?