Ich sehe das ein wenig differenzierter. In Isolation betrachtet ist die Stationierung der Raketen für Deutschland wenig vorteilhaft, das stimmt erstmal. Aber wie gesagt geht es hier meiner Meinung nach nicht primär um Deutschland, sondern um ein Signal der Solidarität an die osteuropäischen Partner und eine stärkere Bindung Deutschlands an das System der kollektiven Verteidigung, mit den USA als Schlüsselgarant. Und dafür sind solche Maßnahmen auch aus deutscher Sicht sehr nützlich.
Berücksichtigt werden sollte außerdem, dass die USA nicht auf die Zustimmung der deutschen Regierung angewiesen sind, soweit ich die Rechtslage verstehe. Wenn die Stationierung ein (aus welchen Gründen auch immer) starker Wunsch der USA war, dann steht Scholz vor der Wahl sich öffentlich als Partner bei dieser Aktion darzustellen, oder einen Streit mit den USA vom Zaun zu brechen. Ersteres ist strategisch auf jeden Fall die bessere Wahl.
Was verleitet dich zu dieser Annahme? Putin betrachtet Deutschland längst als aktive Kriegspartei, das hat er mehrfach öffentlich gesagt. Das Verhalten Russlands passt auch dazu.
Zudem sind die Drohungen Putins zunehmend unglaubwürdig. Dutzende seiner roten Linien (Waffenlieferungen an die Ukraine, Angriffe mit westlichen Waffen auf die Krim, Angriffe auf Kriegsschiffe, Angriffe auf die Gas-Infrastruktur, Angriffe auf russischen Boden (zu dem ja nach russischer Rechtslage auch die Ost-Ukraine gehört), usw.) sind schon überschritten worden, ohne das die gebetsmühlenartig angedrohte Nukleare Eskalation gekommen ist.
Sabotageversuche gegen westliche Militärinfrastruktur gibt es dagegen schon seit Jahren, dazu braucht es kein zusätzliches Engagement Deutschlands oder anderer Länder.
Entsprechend sehe ich nur eine sehr geringe zusätzliche Eskalationsgefahr durch die russische Reaktion, wenn in Zukunft deutsche Tornado-Abfangjäger und Patriot-Batterien über ukrainischem Staatsgebiet russische Raketen und Drohnen abschießen. Oder wenn deutsche und polnische Soldaten mit einem strikt defensiven Mandat die Grenze zwischen Moldau und der Ukraine bewachen.
Militärische Risiken wären natürlich gegeben, im Sinne der Gefahr für Leib und Leben deutscher Soldaten. Diese Risiken halte ich aber für bewältigtbar und dem politischen Ziel angemessen.
Tun wir ja teilweise schon. Aber Deutschland hat zum Beispiel keine eigenen F16-Abfangjäger, die wir der Ukraine überlassen könnten und ein weiterer Flugzeugtyp würde wohl die Logistik und das Training der ukrainischen Luftwaffe überfordern. Darüber hinaus wäre die Bundeswehr (nachvollziehbarerweise) nicht begeistert, wenn wir alles militärisches Gerät aus der Hand geben würden. Vielleicht benötigen wir es kurzfristig doch mal für irgendwas (die Luftabwehr kommt zum Beispiel bei politischen Gipfeltreffen auf deutschem Boden zum Einsatz).
Zusätzlich wäre der langfristige Gedanke hinter meiner Strategie, dass man nach und nach immer mehr Fläche der Ukraine aus dem Zugriff russischer Kriegshandlungen herausnimmt. Es ist für Russland politisch eben schon eine andere Nummer, deutsche, englische oder französische Kräfte anzugreifen (auch wenn sie auf ukrainischem Boden im Einsatz sind). Meine Hoffnung wäre, weiter Teile der Ukraine vor aktiven Kampfhandlungen nachhaltig schützen zu können, um der Zivilbevölkerung in diesen Gebieten eine Rückkehr zur Normalität zu ermöglichen.
ERGÄNZUNG: Völkerrechtlich wäre das übrigens (solange eine Einladung der ukrainischen Regierung vorliegt) absolut legal. Selbst eine direkte Beteiligung an aktiven Frontkämpfen deutscher Truppen wäre völkerrechtlich legal, da die Ukraine Opfer eines Angriffskriegs ist. Hier geht es also um politische und militärisch-strategische Abwägungen, nicht um Legalität.