Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in D

Moin,

noch wurde hier nicht über die geplante Stationierung von Mittelstreckenraketen (technisch genauer anscheinend Marschflugkörper mit Reichweite bis zu 2.500km) ab 2026 diskutiert und auch in der medialen und gesellschaftlichen Diskussion ist das angesichts seiner Bedeutung unterbeleuchtet.
Zur Sache: Tomahawk: Deutschland soll US-Raketen bekommen – DW – 13.08.2024

Würde mich über Einschätzungen freuen. Nächster Schritt Richtung Eskalation oder Stabilisierung mittels Gleichgewicht des Schreckens?
Im Kontext des Ukrainekriegs stellt sich die Frage, ob diese Raketen Teil möglicher Verhandlungen sein könnten: Man beschließt die Stationierung jetzt, um sie später in einen Friedensvertrag einzubinden. Das auch vor dem Hintergrund der jüngsten Eroberungen russischen Staatsgebiets, die auf die Vorbereitung von Verhandlungen aufseiten der Ukraine hindeuten könnten (Land gegen Land).

Zur politischen Diskussion:
Zum Scholzschen TINA-Stil (There Is No Alternative) folgender Kommentar: Raketenbeschluss der SPD: Irreparabler Schaden - taz.de
Aufseiten des linksliberalen Teils der Gesellschaft schluckt man indes derzeit unter dem Eindruck des Krieges so ziemlich jede militärische Kröte recht klaglos - 2%-Ziel, Debatte um Wehrpflicht, Kriegstüchtigkeit, lose verbunden mit dem Thema auch Gasbohrungen in D, nun die Raketen. Auch über den Einstieg des Staates bei Rüstungskonzernen wird nachgedacht. Diejenigen, die damit nicht klarkommen, locken die Wagenknechte.

Ich hab mich damit noch nicht vertieft beschäftigt, alles erste Beobachtungen und Gedanken zum Thema. Denke aber, es gehört ziemlich sicher diskutiert.

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Russland hat nach eigenen Angaben seit Jahren Raketen in Kaliningrad stationiert, die auf westliche Hauptstädte gerichtet sind. Da ist es nur richtig dem etwas entgegen zu setzen. In einer möglichen Zukunft kann dann wieder über Abrüstung gesprochen werden, obwohl ich das persönlich kaum in diesem Jahrzehnt erwarte.

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Es handelt sich um Mittelstreckenraketen des Typs Tomahawk, die nicht atomar bestückt werden können. Daher ist es lediglich eine Aufrüstung der Verteidigungsfähigkeit gegen einen rücksichtslosen Aggressor wie Russland. Es ist sehr peinlich wie hier Akteure der SPD argumentieren. Allein Mützenich macht somit die SPD unwählbar bei dieser Haltung. Von Putins einiges Russland, Ortsverband Deutschland oder anders gesagt AfD und BSW erwartet man nichts anderes.

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Ich bin da ganz ehrlich:

Vor dem russischen Angriffskrieg hätte ich die Idee der Stationierung von Mittelstreckenwaffen in Deutschland auch abgelehnt. Aber in Anbetracht der klaren, imperialistischen Aggression Russlands hat sich meine Meinung hier einfach ganz deutlich geändert. Jetzt muss ich sagen, dass ich es schade finde, dass unsere Bundeswehr keine eigenen landgestützten Mittelstreckenraketen hat, also nehme ich das Angebot der USA gerne an.

Bis 1986 waren noch 64 Tomahawk in Deutschland stationiert, mit dem Ende des Kalten Krieges wurden sie abgezogen, weil sie nicht mehr notwendig waren. Die aktuelle Lage macht eine Wieder-Stationierung notwendig. Die Schuld daran trägt alleine Russland, etwaiges Gejammer aus dem Kreml sollte schlicht ignoriert werden.

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Wir brauchen dringend mehr Aufrüstung im Zeichen des Klimawandels, bin da auch stark dafür. Mehr Waffen schaffen auch immer mehr Frieden. /s

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Ich finde es sehr fraglich, die Stationierung von Raketen mittlerer Reichweite ohne atomaren Sprengkopf als „Eskalation“ zu bezeichnen. Vor allem, wenn Russland genau solche Raketen seit langem innerhalb von Europa stationiert und in der Ukraine aktiv einsetzt.

Auch das Schlagwort „Gleichgewicht des Schreckens“ passt hier nicht, denn das bezieht sich auf atomare Kapazitäten.

Hierbei handelt es sich um konventionelle Waffen, die von den USA wohl ausschließlich im Verteidigungsfall eingesetzt werden würden. Die Stationierung in Deutschland ist aus Sicht der USA sinnvoll, weil dieser Verteidigungsfall durch die Handlungen Russlands wieder wahrscheinlicher geworden ist.

Für Deutschland hat die Stationierung keine großartigen Vorteile, sie ist aus unserer Sicht eher Ausdruck der Solidarität mit den USA und insbesondere unserer östlichen Partner.

Das glaube ich nicht. Es geht hier meiner Ansicht nach primär um eine Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der östlichen Bündnispartner. Ein Friedensabkommen in der Ukraine mit einem Europaweitem Abrüstungsvertrag zu kombinieren halte ich auch für überambitioniert.

Mir fällt es wie gesagt schwer, die Raketen als „Kröte“ zu definieren. Aus Deutscher Sicht sind sie objektiv betrachtet kein großes Ding, sondern einfach nur eine Solidaritätsbekundung. Die USA könnten jederzeit ein Schiff in die Ostsee mit den gleichen Raketen schippern, ohne Deutschland fragen zu müssen.

Dass der „linksliberale“ Teil der Gesellschaft mehr Vorbereitung auf den Kriegsfall akzeptiert hängt damit zusammen, dass dieser Kriegsfall durch das Verhalten Russlands deutlich wahrscheinlicher geworden ist. Hätte Russland die Ukraine nicht überfallen, gäbe es auch keine Mehrausgaben für das Militär.

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Finde ich auch. Und Raketen sind hier wirklich besser als Panzer, da Panzer auch im Friedensfall mehr Kerosin verbrauchen und auch in der Wartung teurer sind als Raketen. Waffen welche lediglich zur Abschreckung angeschafft werden (und hierzu zählen zumindest in Deutschland stationierte Raketen), schaffen auch wirklich eine gewisse Friedenssicherung. Ich denke wenn die Ukraine bereits Teil der Nato gewesen wäre, oder Atomwaffen besessen hätte, hätte Russland vermutlich die Ukraine nicht angegriffen. Insofern gebe ich dir in allen Punkten die du ansprichst Recht.

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Merci für die Antworten.

Eskalation passt tatsächlich auch mE nicht wirklich. Es ist aber der recht stumpfe nächste Schritt in einer Spirale von Aggression und Gegenaggression.

Kannst Du das ausführen? Der Kanzler sagt, die Raketen dienen Deutschlands „eigenem Schutz“. Dass Russland hingegen die USA angreift, ist ja nun wirklich extrem unwahrscheinlich.

Ich fänd es noch spannend, Hinweise darauf zu bekommen, wie man jetzt schon daran arbeiten kann, dass wir aus der Dynamik der Aufrüstung wieder in Abrüstung kommen. D.h. seine Strukturen gleich so aufbauen, dass sie in diese Richtung wirken können oder eine entsprechende Mechanik eingebaut ist. Das spricht im obigen DW-Artikel der Friedensforscher Tim Thies an.

Ich würde auch nicht auf Teufel komm raus einen Abrüstungsvertrag mit einem Friedensabkommen für die Ukraine verbinden wollen, wenn dann letzteres dadurch möglicherweise nicht zustande kommt. So war es nicht gemeint.
Es ist aber doch so, dass Russland mindestens rhetorisch den Krieg gegen die Ukraine als Stellvertreterkrieg und als Krieg um Einflusssphären in Europa und „Sicherheitsbedürfnisse“ sieht. Eine rein lokale Lösung halte ich daher für unwahrscheinlich. Vielmehr wird Putin irgendein Entgegenkommen von den USA wollen, auch um das nach Innen verkaufen und „sein Gesicht wahren“ zu können. Daher der Gedanke in diese Richtung.

Korrigier mich, wenn ich falsch liege. Ich glaube, bei den Raketen in Kaliningrad geht es um solche mit nuklearen Sprengköpfen. Als Gegenstück zu diesen haben die USA in mehreren europäischen Staaten auch Nuklearwaffen stationiert.
Ob D dem durch die Tomahawks etwas entgegensetzt, scheint mir eher unsicher. Denn schließlich stehen diese Marschflugkörper allein unter Kontrolle des US-Militärs.

Scholz muss die Stationierung vor allem den eigenen Wählern verkaufen, darum die Argumentation mit den Sicherheitsinteressen Deutschlands.

Der militärische Nutzen dieser Raketen (Reichweite je nach Modell 1.700 bis 2.500km, also etwa von der Mitte Deutschlands bis hinter Moskau) ist die Zerstörung strategisch wichtiger militärischer Ziele, etwa Konzentrationen feindlicher Truppen, Command & Control, Munitionslager und Flughäfen. So setzen zum Beispiel auch die Ukraine und Russland vergleichbare Marschflugkörper derzeit ein.

Solche Einsatzszenarien gegenüber Russland sind eigentlich nur im Falle eines offenen, konventionellen Kriegs zwischen Russland und NATO denkbar. Und Deutschland hat keine Landesgrenze mit Russland, wäre also keine Front, die aktiv verteidigt werden müsste.

Das sieht bei den baltischen Staaten und Polen komplett anders aus. Die würden von dem Einsatz dieser Marschflugkörper militärisch massiv profitieren. Und die Stationierung in Deutschland verringert die (politischen und militärischen) Möglichkeiten Russlands, diese Raketen auszuschalten (Distanz zur Front), während sie gleichzeitig sicherstellen, dass Deutschland beim Ausrufen des Bündnisfalles „mit dabei“ wäre. Das wiederum ist im Interesse der USA, die wollen das möglichst alle NATO-Partner, aber insbesondere Deutschland, in die gemeinsamen Verteidigungsstrukturen einbezogen sind.

Dass Russland aber Estland angreift, ist leider moderat wahrscheinlich, insbesondere wenn Putin siegreich aus der Ukraine rauskommt.

Ich sehe da den Ball ehrlich gesagt bei Russland. Praktisch alle europäischen Politiker – und auch viele US-Amerikaner, die sich lieber auf China konzentrieren würden – wären wohl extrem dankbar, wenn die Russen Vorschläge für eine allgemeine Abrüstung an der NATO-Ostgrenze machen würden. Zwar würden sich Polen, Estland usw. wohl kaum die konventionelle Aufrüstung der eigenen Streitkräfte verbieten lassen (da ist die Ukraine ein abschreckendes Beispiel), aber der Abzug von Mittelstreckenraketen und die Limitierung von NATO-Verbänden im Grenzbereich im Gegenzug für ähnliche Maßnahmen Russlands wären meiner Ansicht nach absolut drin.

Tatsächlich unterhält die NATO aber auch heute keinerlei „offensive“ Kapazitäten Richtung Russland. Solche Erzählungen sind russische Propaganda.

Ich persönlich halte derzeit zwei Varianten für wahrscheinlich:

  1. Formaler Verzicht der Ukraine auf NATO-Mitgliedschaft, dafür Wiederherstellung der territorialen Integrität (mit oder ohne Krim, mal schauen), EU-Mitgliedschaft und informelle Kooperation mit den USA zur Erhaltung der Verteidigungsfähigkeit. Putin kann zu Hause behaupten, die NATO-Expansion gestoppt zu haben (obwohl er sie mit Finnland und Schweden ja voran getrieben hat, aber das ignorieren wir mal).
  2. Die Ukraine macht erhebliche territoriale Zugeständnisse (z.B. aktueller Frontverlauf), tritt dafür der NATO und EU als Sicherheitgarantie bei. Das wäre auch eine Option, wie ein Frieden mehr oder weniger „einseitig“ erklärt werden könnte. Wenn die Ukraine einfach den aktuellen Frontverlauf als Waffenstillstandslinie deklariert und die NATO direkt anschließend die Sicherheitsgarantien für die Integrität der Restukraine übernimmt, müsste Putin entscheiden ob ihm das reicht, oder ob er wirkliche einen Konflikt mit der NATO vom Zaun brechen will.
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Ich verstehe deinen Post absolut nicht. Wir haben nun mal gerade sehr deutlich vor Augen, dass Russland eben nur auf Abschreckung reagiert. Wieso sonst arbeiten die russische Trolle und Politiker mit russischem Parteibuch wohl daran die Lüge der weiteren Eskalation zu verbreiten. Ich bin nicht froh darum, aber wir brauchen nun mal eine militärische Abschreckung gegen einen Unrechtsstaat der Mord, Vergewaltigung und Kindesentführung als Kriegsmittel einsetzt.

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In allem von dir vorher gesagtem stimme ich zu. Nur hier habe ich eine andere Lesart. Die Gesellschaft hat das nicht direkt wegen des aggressiven Verhaltens Russlands akzeptiert, sondern weil wir uns diesmal durch Parteinahme für die Ukraine mit in die Schusslinie begeben.

Ginge es nur um das aggressive Verhalten Russlands hätten wir 2008 (Abchasien und Südossetien) und 2014 (Ostukraine) auch schon aufrüsten müssen. Da wir uns da aber weitgehend neutral verhielten schien für die Gesellschaft eine eine Aufrüstung weiter nicht nötig. Was haben wir uns später darüber aufgeregt, dass Trump mehr Militärausgaben von NATO-Staaten forderte. Es wäre in diesem Punkt vermutlich besser gewesen auf ihn zu hören.

Genau. Man geht von atomaren Waffen aus und es wird auch entsprechend kommuniziert.

Details zum Umbau vor Ort im Jahre 2018:

Details zu entsprechenden Übungen im Jahr 2022:
https://www.handelsblatt.com/politik/international/russland-warum-ist-kaliningrad-fuer-moskaus-militaer-wichtig/28309088.html

Es ist nicht stumpf sondern notwendig. Aggression geht nur von Russland. Es ist keine Gegenaggression, wenn man sich vor einem Mörder ohne Hemmungen. Du setzt hiermit Russland und die Nato gleich, was schlicht falsch ist.

Was brauchst du da an Hinweisen? Russland zieht sich aus allen besetzten Gebieten zurück. Rüstet nachweisbar durch externe Beobachter massiv ab. Putin tritt mit allen die zu ihm gehören zurück. Dann können wir vielleicht über Abrüstung sprechen, aber nur wenn China auch runterkommt. Es ist weltfremd zu denken wir wären hier das Problem.

Die unsere wichtigsten Verbündeten sind. Parallel müssen wir natürlich auch ordentlich aufrüsten was Qualität angeht.

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Aus meiner Sicht hat die Debatte sehr unterschiedliche Ebenen, die sich sinnvoller getrennt voneinander diskutieren lassen:

  1. Die konkrete strategische militärpolitische Entscheidung der NATO, die Tomahawks zu stationieren
  2. Die darüber hinausgehende allgemeine Debatte über Möglichkeiten, Sinn und Unsinn, Nutzen und Schaden von Aufrüstung und Abschreckung einerseits und von Abrüstungsverhandlungen andererseits.
  3. Die Kommunikation der Bundesregierung über die konkrete Entscheidung (1.) und die Frage, ob es vorher eine breitere politische oder auch gesellschaftliche Debatte darüber hätte geben sollen
  4. Das zum großen Teil auf Fake-News (wie einer angeblichen Stationierung zusätzlicher Nuklearwaffen) und dem Schüren von Ängsten basierende Geraune all der Mützenichs, Wagenknechts und Chrupallas, die so tun, als sei (1.) entscheidend dafür, ob Russland einen nuklearen Angriff auf Deutschland plant.

Über 4. müssen wir hier hoffentlich nicht viel diskutieren. Ich finde es nur erschreckend, dass Putin sein Angstnarrativ inzwischen gar nicht mehr selber propagieren muss, weil das seine Helfershelfer in Deutschland schon von ganz alleine übernehmen. Und ich finde es erschreckend, wie sehr sich Teile der SPD hier bei AfD und BSW einreihen.
Über 3. kann man vermutlich vortrefflich streiten und die Kommunikationspolitik der Regierung Scholz war ja gelinde gesagt noch nie optimal. Andererseits hat sie vermutlich geahnt, was für eine Welle das machen könnte und haben vielleicht einfach gehofft, dass sie nicht kommt. Keine Ahnung.
Bei 2. stelle ich immer wieder fest, dass es zu dieser Frage sehr unterschiedliche Grundüberzeugungen gibt und ich bin ehrlich gesagt skeptisch, ob eine Diskussion - gerade in einer Form wie in einem Onlineforum - hier wirklich eine Annäherung bringt.
Bei 1. ist meine persönliche Meinung, dass es Gründe für die Entscheidung gibt, insbesondere das Argument, die Entscheidung „Trump safe“ zu machen, also dafür zu sorgen, dass die USA unter Trump sind nicht aus Europa zurückziehen können, bevor entsprechende europäische Kompetenzen und Waffensysteme aufgenbaut sind, aber sicherlich auch Argumente, die sagen, dass die Entscheidung aus militärstrategischer oder politischer Sicht falsch sein könnte. Insgesamt wird die Frage aber aus meiner Sicht viel zu hoch gehängt und dient mehr oder weniger als Symbol für etwas eigentlich ganz anderes (siehe 2. und 4.)

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Natürlich kann man solche Maximalforderungen stellen und sich keine Gedanken dazu machen, ob und wie man selbst überhaupt darauf Einfluss nehmen kann. Da macht man es sich dann schön einfach, weil man selbst ja immer mit dem Finger auf „die anderen“ zeigen kann. Machen „die anderen“ übrigens aus ihrer Sichtweise und mit den ihnen verfügbaren Informationen auch. Dass davon Einiges auch Propaganda ist, unbenommen. Intelligent ist, sich in diese Perspektive hinein zu denken und sie beim eigenen Handeln mit zu bedenken (das ist auch die Basis der Abschreckungslogik).
Außerdem sind bei diesen Forderungen die moving goalposts ja quasi eingebaut. Soll jetzt der Konflikt zwischen den USA und China auch auf europäischem Boden ausgetragen werden?

„Wir“ sind hier sicher nicht das Problem. Ich habe nur etwas höhere Ansprüche an demokratische Rechtsstaaten, die sich traditionell als Nabel der Welt verstehen. Ich würde gern sehen, dass man fähig ist, etwas weiter zu denken als in Abschreckungslogik (die hab ich schon verstanden und die kann man vermutlich ewig so weiter betreiben, solange die USA der wirtschaftlich und militärisch stärkste Staat der Welt sind. Mit all den Kosten, die das mit sich bringt und möglicherweise mit nahendem Ablaufdatum.). Dann wäre man wirklich intelligenter und Russland, das sich in dieser Hinsicht bislang nicht lernfähig zeigt, immer einen Schritt voraus.

Zur Einordnung ein paar Worte zu meiner ideologischen Einordnung als Hintergrund (2. bei @Flixbus):
„Gleichsetzen“ will ich nur insofern, als humanitäre Werte und Völkerrecht universell sind und nicht einer instrumentellen geostrategischen Logik geopfert werden sollten. Das gilt im Irak wie in Nahost wie in der Ukraine. Ich will kein Imperium. Nicht für Russland, nicht für China, nicht für die USA. D.h. nicht, dass die Welt ist, wie ich möchte, sondern dass das als Leitgedanke beim Agieren in einer spieltheoretisch zunächst als feindlich vorausgesetzten Welt erkennbar sein muss.
In concreto: Ich denke nicht, dass der temporäre Rückfall in die Abschreckungslogik und im Speziellen die Stationierungder Tomahawks schon mit diesem Leitgedanken bricht. Eine wirklich eindeutige Meinung dazu habe ich nicht, auch wenn mein etwas pointierter Eingangspost tlw. so interpretiert wird. Doch je länger dieser Zustand (der vielleicht schon eher eine Dynamik ist) andauert und je kritikloser er hingenommen wird, desto mehr sehe ich diesen Leitgedanken in Gefahr. Eine Unsicherheit besteht auch darin, dass D sich in seiner Außenpolitik mit jedem stärkeren Engagement der USA stärker einem Land ausliefert, das zunehmend instabil wirkt und autoritäre Tendenzen zeigt, insb. dessen Oberbefehlshaber über dem Recht steht. Zurecht wurde daher hier über europäische Sicherheitspolitik jenseits der USA gesprochen, in der ich gern noch viel mehr Anstrengung sehen möchte. Abschließend: In der Wahrnehmung vieler Länder des globalen Südens hat auch „der Westen“ durch Tolerierung insbesondere des Verhaltens der USA schon länger diesen Leitgedanken nur vorgegeben - auch das ist zu berücksichtigen, sowohl kurz- und mittelfristig strategisch als auch langfristig beim Vertrauensaufbau.

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Und wie soll das funktionieren? Ich habe diese Argumentation schon oft gehört, aber da kommt nie ein substantielles, konkretes Beispiel wie das ablaufen soll.

Russland hat Nachbarländer überfallen, Leute in Deutschland erschießen lassen, und mutmaßlich regelmäßig unsere Infrastruktur angegriffen.
Und das geschah alles während einer Zeit größter diplomatischer und wirtschaftlicher Verflechtungen.
Wenn man von einem Nachbarland bedroht wird (und das werden wir), muss man dieses Land abschrecken. Umso besser ist es, wenn man das auf NICHT-nukleare Art tun kann, wie das gerade der Fall ist.
Natürlich laufen parallel diplomatische Bemühungen, wie man ja z.b. am kürzlichen Gefangenenaustausch gesehen hat.
Aber man kann sich nicht auf guten Willen und Diplomatie allein verlassen.

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Interessante These. Da würde mich interessieren, warum du nicht das Verhalten Russlands, sondern die veränderte Reaktion Deutschlands verantwortlich macht. Denn viele (wie etwa Daniel hier im Thread) beschreiben ja Letztere gerade als Reaktion auf Erstere.

Richtig wäre es in der Tat gewesen, Russland schon 2008 ein deutliches Stoppschild zu zeigen. Stattdessen hat Deutschland sich gegen einen NATO-Beitritt Georgiens und der Ukraine stark gemacht und Projekte wie Nord Stream 1 und 2 gegen massive Widerstände von Bündsnispartnern politisch durchgeboxt. Neutral würde ich das nicht gerade nennen. Und dass die dieser Politik zugrunde liegende Sichtweise nach 2022 mitnichten verschwunden ist, sehen wir ja an der gegenwärtigen Debatte.
Das Zwei-Prozentziel wurde als unverbindliches Ziel übrigens zum ersten Mal 2002 verabredet. Schon 2014, also weit vor Trump, haben sich die NATO-Staaten dazu verpflichtet, allerdings hat u. a. Deutschland sich damals erbeten, bei der Erreichungd es Ziels doch bitte 10 Jahre Zeit zu haben. Die Idee ist also alles andere als neu.

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Das ist nicht die Realität, die verzerrst du schlicht. Es ist nicht so, dass wir glauben durch Worte aus Russland es könnte nötig sein aufzurüsten. Russland hat Taten folgen lassen und durch Putins Schreiben auch Drohungen Richtung NATO inklusive dauerhafte Drohung mit Atombomben. Ich zeige nicht mit dem Finger auf andere, ich erkenne im Gegensatz zu dir und den ganzen „Friedensforderern“ die Realität an. Für die meisten heißt hier nämlich Friede es zu machen wie Merkel und Steinmeier, nämlich die Ukraine zu opfern um bloß nicht die Hände dreckig zu haben. Nur ist das kein Friede, sondern Beihilfe zu einem Genozid. Russland versteht in seiner jetzigen Ausprägung nur Waffenstärke und solange Russland sich dort nicht grundlegend wandelt müssen wir aufrüsten um nicht als nächstes militärisch angegriffen zu werden. Denn im Krieg sind wir längst, Russland hat schon lange den Wirtschafts- und Propagandakrieg begonnen. Ich empfehle wirklich mal einen tiefen Schluck Realität.

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Verstehe ehrlich gesagt nicht, warum Du in fast jedem Thema bei Meinungsverschiedenheiten gleich so eskalierst, sowohl in Themen, in denen ich durchaus Deiner Meinung bin, als auch hier.

Dass Russland ebenfalls glaubt - oder zumindest behauptet - selbst immer nur auf Aggressionen zu reagieren, scheint mir recht realistisch. Dass dieser Vertrauensverlust zwar hauptsächlich Putin und seiner Ideologie selbst, aber zu geringeren Teilen auch den USA zugeschrieben werden kann, auch.

Ich habe mit keiner Silbe gesagt, dass ich gegen die Tomahawks bin. Frieden zu fordern, halte ich für eine Selbstverständlichkeit, weshalb sich „Friedensforderer“ als Kritik nicht wirklich eignet. Die schwierigen Fragen kommen dann natürlich eine oder mehrere Ebenen darunter.
Hier kamen eine Menge für mich erkenntnisfördernder Antworten, zB von @Flixbus oder @Christian_B1. Von Dir würde ich mir mehr intellektuelle Anstrengung, Geduld und weniger instinktive Abwehr wünschen.

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