Know How ist an Personen und Institutionen gebunden. Beide verschwinden und verändern sich mit der Zeit.
Die „BGM-109G Ground Launched Cruise Missile“ war die bodengestützte, nuklear bewaffnete Variante des Tomahawk Marschflugkörpers. Sie wurde 1984 in den Dienst gestellt und war mit einem auf diese Anwendung zugeschnittenen nuklearen Sprengkopf, W84, ausgerüstet.
Alle Trägerraketen wurden nach der Außerdienststellung nachweislich und unter der Kontrolle Russlands zerstört. Die Sprengköpfe existieren wohl zum Teil noch, wurden aber deaktiviert und sind nicht modernisiert (und damit vermutlich nicht mehr in einen verlässlich einsetzbaren Zustand zu versetzen. Sie dienen wohl einer Studie zur Degradation von Plastiksprengstoffen.
Heute, 40 Jahre nach der urpsprünglichen Indienststellung, ist wohl keiner der an der ursprünglichen Entwicklung maßgeblich beteiligten Personen mehr aktiv, die meisten dürften verstorben sein. Es existiert keine der ursprünglichen Raketen mehr und auch nicht die Maschinerie, mit der diese hergestellt wurden. Höchstwahrscheinlich könnte man die verbauten Computer-Komponenten wenn überhaupt nur noch in kleinen Stückzahlen auf Ebay kaufen und müsste diese aufwändig restaurieren.
Die modernen Tomahawks sind mittlerweile mehrfach und substantiell verändert worden, es ist also extrem unwahrscheinlich, dass man diese Raketen mit den alten Sprengköpfen einfach so integrieren könnte.
Es ist das selbe wie mit der Mondlandung: nur weil wir das vor einigen Jahrzehnten mal hinbekommen haben, heißt es noch nicht, dass wir das heute noch können.
Die USA stehen also vor der folgenden Wahl:
Entweder sie investieren dutzende Milliarden Dollar in ein ultra-geheimes Rüstungsprojekt, um existierende Tomahawk-Raketen mit einer atomaren Bewaffnung auszustatten, deren Einsatz in Deutschland aber wohl sofort auffallen würde, weil die Atomwaffen der USA nicht wie andere Waffen behandelt werden, was auch den russischen Nachrichtendiensten auffallen dürfte.
Oder sie verlassen sich beim Bedarf nach einer spontan einsetzbaren Nuklearwaffe auf eines der vielen existierenden oder in Entwicklung befindlichen Systeme: ICBM vom Typ Minuteman, SLBM vom Typ Trident, luftgestützte Marschflugkörper vom Typ AGM-86 oder AGM-181, etc.
Alle diese Typen, auch die in Entwicklung befindlichen, sind übrigens öffentlich. Genauso wie es die russischen Trägersysteme sind. Der Grund ist ziemlich einfach: Raketen müssen getestet werden, das muss notwendigerweise im Freien passieren und diese Tests kann man relativ einfach beobachten, vorzugsweise mit Satelliten. Die USA und Russland haben vielleicht ein paar wirkliche Neuerungen im Labor, aber alles was kurz vor der Einsatzreife ist, wird auch öffentlich bekannt.
Es existiert also keine Fähigkeitslücke, die durch eine nuklear bestückte Tomahawk gefüllt werden würde und der Trend in der Entwicklung geht ohnehin zu luftgestützten (und damit extrem flexibel einsetzbaren) Hyperschall-Marschflugkörpern sowie der Erneuerung und Modernisierung der ballistischen Trägersysteme.
Der militärisch Nutzen einer konventionellen Mittelstreckenrakete in Deutschland lässt sich dagegen recht gut argumentieren: im Ukraine-Krieg haben sich diese Waffen als enorm effektiv auch gegen stark gesicherte russische Ziele auf der Krim erwiesen. Die USA sind sicherlich nicht angewiesen auf die Stationierung landgestützter Tomahawk (denn sie verfügen über ein großes Arsenal see- und luftgestützter Marschflugkörper), aber wie gesagt: es wird hier den Verbündeten (und Russland) signalisiert, dass die USA in der Lage und Willens sind, einen Angriff Russlands abzuwehren.