Staatsschulden

Liebes Lage-Team,

so sehr ich eure Arbeit schätze, so schade finde ich es, dass ihr bei ökonomischen Sachfragen meiner Ansicht nach nicht kritisch genug nachhakt. Im aktuellen Interview mit Monika Schnitzer habt Ihr leider wieder eine Chance verpasst, vermeintlich feststehende ökonomische Zusammenhänge zu hinterfragen.

Ihre Kernthese, auf der ihre Argumentation aufbaut lautet, dass die folgenden Generationen die nun aufgenommen Schulden zurückzahlen müssen. Gegenfrage: müssen Sie das? Welches Land hat jemals nennenswert per Saldo Schulden zurückgezahlt? Wieso ist eine Staatsverschuldung von 80 Prozent problematischer, als eine von 60 Prozent? Warum liegen die allermeisten Länder um uns herum weit über jeder dieser vermeintlichen Kollapsgrenzen (Extrembeispiel Japan)?

Folgefragen:
Was passiert eigentlich, wenn alle Sektoren in einer Volkswirtschaft sparen (Haushalte, Unternehmen, Staat, Haushalte)? Geht das? Oder bricht dann die Wirtschaft zusammen, weil bei jeder Transaktion Konsum und Investition entzogen wird? Braucht es dann Sektoren, die das gesparte Geld nehmen, konsumieren oder investieren und damit per Saldo Schulden machen? Und wenn ja, welche Sektoren sollen das sein? Haushalte und Unternehmen sind es empritisch nicht, dann das Ausland? Oder vielleicht doch der Staat?

Alles vergleichsweise einfache Fragen, die in der Öffentlichkeit leider super selten diskutiert werden, die aber in der Ökonomik sowohl theoretisch wie auch empirisch relevant sind.

Oder ihr bittet der Einfachheit halber direkt Heiner Flassbeck zum Interview. Diese Stunde würde sich wirklich lohnen.

Vielen Dank und viele Grüße!

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Das Thema Staatsverschuldung ist mMn einfach unheimlich komplex.

Du hast absolut Recht, dass Deutschland im Hinblick auf seine Gesamtverschuldung im internationalen Vergleich sehr gut dar steht (letzte Daten waren von 2020, da war Deutschland mit 55,6% des BIP deutlich unter dem EU-Durchschnitt von 78,8%, den USA mit 136,6% oder gar Japan mit 263,3%).

Und sowohl Japan als auch die USA gelten nicht unbedingt als wirtschaftliche Problemländer, die tatsächlichen Auswirkungen der massiven Staatsverschuldung halten sich in sehr engen Grenzen. So lange das Vertrauen in diese Länder besteht und deshalb einfach mehr Schulden gemacht werden können, hat die hohe Staatsverschuldung keine Konsequenzen. In dem Moment jedoch, in dem das Vertrauen zerstört wird, würde es quasi sofort zur Staatspleite kommen. In diesem Sinne bedeutet eine hohe Staatsverschuldung eine hohe Abhängigkeit von Ratingagenturen und (oft ausländischen) Investoren.

Der andere wichtige Punkt ist dazu, ob die Staatsverschuldung im Inland oder Ausland liegt. Ist ein Land bei seinen eigenen Bürgern hoch verschuldet ist das im Falle eines Wegfalls des Vertrauens wesentlich weniger schlimm, als wenn die Verschuldung im Ausland liegt. Denn den eigenen Bürgern kann der Staat quasi einen Schuldenschnitt aufzwängen (wobei die Konsequenzen langfristig auch brutal sind, niemand wird dann mehr in Staatsanleihen vertrauen!), anderen Ländern hingegen nicht wirklich.

In diesem Sinne muss bei dem Thema angemerkt werden, dass Deutschland weltweit nach den letzten Daten, die ich auf die Schnelle gefunden habe (2016) auf Rang 4 im Hinblick auf die Auslandsverschuldung liegt, aber das sind absolute Zahlen. In relativen Zahlen (also Pro-Kopf) sind wir auch da besser als fast alle anderen europäischen Länder.

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Wenn das das Argument ist, stellen wir ganz schnell fest: Deutschland (wie auch die USA oder Japan) kann nicht pleite gehen. Außer es gibt einen europaweiten politischen Willen dazu. Schlicht dem geschuldet, weil man sich bei der EZB im Zweifel finanzieren kann (der größte Gläubiger Europas ist bereits heute die EZB). Außerdem wird das Vertrauen in deutsche Staatsanleihen am Markt nicht sinken. Hätten wir eine Schuldenquote, die 20 Prozentpunkte über der aktuellen liegt (und damit nach deinen Zahlen auf europäischem Durchschnitt), warum sollte dann das Vertrauen sinken?

Was doch seit jeher passiert: Die internationale „Norm“ der Staatsschuldenquote wächst über die Zeit. Das ist auch gar nicht schlimm, weil wir es zum Glück eh nie zurückzahlen werden und können. Und wenn doch, soll mal jemand erklären, wer dann im Gegenzug entsparen (d.h. Schulden machen) soll.

Nochmals: die ganz einfachen, naiven Fragen stellen, dann kommt man dem Kern dieser Scheindiskussion sehr schnell sehr nahe.

Traurig nur, dass diese Scheindiskussion so unglaublich negative realpolitische Implikationen hat.

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Ich muss MBE Recht geben.

Ich habe mich selten so über ein Interview geärgert, weil gefühlt sehr viele Behauptungen von Frau Schnitzer nicht hinterfragt wurden und viele ihrer Aussagen bestenfalls altbacken oder schlichtweg einfach falsch und somit auch kaum zu ertragen gewesen sind.

Zum Thema Rente würde mit keinem Wort die Produktivität erwähnt. Es ist vollkommen egal, ob 10 Arbeitende im Verhältnis zu einer rentenbeziehenden Person steht oder das Verhältnis 1 zu 1 ist, so lange die Produktivität im gleichen Maße steigt. Zu behaupten, die Boomer Generation müsste sich jetzt bereits mit um die vermeintliche Lücke im Haushalt kümmern, die entstehen wird, durch längeres Arbeiten, mehr Verzicht oder sonstiges, befeuert lediglich einen Generationenkonflikt, der absolut unnötig ist.

Zumal diese „Lücke“ auch maßgeblich von den Rentenbeiträgen der jetzigen, arbeitenden Generation abhängig ist. Je mehr demnach alle verdienen, desto geringer das Problem. Dass Deutschland sich seit 2010 zum größten Niedriglohnsektor in Europa entwickelt hat, ist hierbei also das krasser Problem, zumal das wiederum Investitionen der Wirtschaft bsw. in Automatisierung verhindert. Solange ich nämlich für 100 Mitarbeiter Niedriglohnsektor zahlen muss, ist die Fleißarbeit günstiger als etwaige Produktivitätssteigerungen durch Innovation.

Auch die Mär der Staatsverschuldung, die die kommenden Generationen tragen müssen würde in keinster Weise hinterfragt. Die Bahn wird seit der Privatisierung kaputt gewirtschaftet. Deren Infrastruktur ist auf Jahrzehnte gegen die Wand gefahren. Wie viel Produktivität geht verloren, weil viele Menschen nicht zuverlässig von A nach B kommen? Ich selbst arbeite derzeit nur 50 Prozent, (weil ich es mir zum Glück leisten kann und) weil ich keinen Bock habe, in Dauerstress zu leben, wenn die Bahn mal wieder zu spät kommt und ich ggf. meine Tochter dann nicht rechtzeitig von der Kita abholen kann? Bei meiner Frau ist es noch schlimmer, 8 von 10 Zügen haben teils massiv Verspätung auf ihrer Arbeitsstrecke!

Gleiches gilt für Autobahnen. Wie viele LKWs stehen täglich Stunden lang im Stau? Die Kosten, die dadurch für die Unternehmen entstehen, werden letztlich zwangsweise auf die Preise von Produkten umverlagert.

Von einem flächendeckenden Telefonnetz oder Glasfaser für die Industrie 4.0 brauche ich erst gar nicht anzufangen.

Die Schulen im Land sind die mit Abstand die marodesten Gebäude Deutschlands. Die Kinderbetreuung ist ein Armutszeugnis. Alles Punkte in denenn massiv investiert werden müsste und zwar langfristig, und dauerhaft sicher, damit sich die Kommunen, der Staat und die Wirtschaft darauf einstellen können, langfristige Planung möglich ist und entsprechend auch von privater Hand in Personal und Wachstum investiert wird.

Das Startchancenprogramm der Bildungsministerin ist hierbei zwar ein netter Anfang aber viel zu kurz gedacht, viel zu wenig und somit für sich alleine genommen auch absolut nutzlos.

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Und auch die Rolle der EZB wurde zwar etwas hinterfragt, aber letztlich dann nur an der Oberfläche gekratzt. Es wurde zwar korrekt genannt, dass die EZB nur diese beiden Werkzeuge hat, Inflation zu regulieren, Zinsen zu senken oder diese anzuheben. Dass diese Werkzeuge aber seit über 20 Jahren nicht funktionieren, wurde nicht erwähnt. Trotz niedrig Zinsen gab es 20 Jahre vor Corona keine angestrebte Inflation von 2 Prozent, sonder diese war geringer als angestrebt. Nachweislich also nutzlos. Und dass die Anhebung der Zinsen nun ebenfalls keine Wirkung hat, wurde zwar besprochen, aber ich hätte mir gewünscht, dass die Werkzeuge der EZB selbst daraufhin kritisch hinterfragt werden. Denn wenn diese weder in die eine, noch in die andere Richtung einen Effekt haben, muss man diese überarbeiten!

Dass dadurch die Baubranche in die größte Krise seit Jahren getrieben wurde und die gesamte Wirtschaft aufgrund mangelnder Investitionssicherheiten erwürgt wird, während sie am ausgestreckten Arm verdurstet, wird auch wieder nur durch zu wenige Rückfragen hinterfragt. Hohe Zinsen helfen gegen eine florierende Wirtschaft bei Vollbeschäftigung, nicht um diese anzukurbeln, was bitter nötig wäre.

Und was letztlich ebenfalls viel zu kurz kam, ist die Tatsache, dass wir es seit dem Angriffskrieg nicht mit einer tatsächlichen Inflation zu tun haben, sondern mit einem Preisschock. Der Begriff Inflation ist in dieser Situation falsch!
Entsprechend braucht man sich auch nicht darüber zu wundern, dass laut Frau Schnitzer die Gesellschaft nicht (mehr) abschätzen kann, welche Kosten sich aufgrund des Preisschocks erhöht haben, und welche Kosten möglicherweise durch wirtschaftliches Interesse getrieben wurde, wenn in allen Medien das Wort Inflation inflationär verwendet wird und nicht mal in der Lage versucht wird, das Kind beim richtigen Namen zu nennen.

Alles in allem hat mich das Interview enttäuscht und teils wütend, teils sprachlos zurück gelassen, weil dadurch mal wieder vielen veralteten und falschen Narrativen in Bezug auf Inflation, Schulden(-bremse) und Makroökonomie eine Bühne geboten wurde.

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Ist deine Kritik nicht etwas zu undifferenziert?
Es wird sogar relativ ausgiebig sowohl von Frau Schnitzler als auch von Ulf und Philip darauf hingewiesen, dass Staatsschulden sehr wohl gerechtfertigt sind, wenn sie für Investitionen in Infrastruktur oder in krisenbedingten Sondersituationen aufgenommen werden.
Auch der Preisschock wird erwähnt (ca. bei Minute 41). Der Begriff Inflation heißt laut Wikipedia Preissteigerungsrate oder Teuerung, was ja der Fall ist. Er ist also nicht ganz falsch. Man muss nur den Grund differenziert betrachten.

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Nein, aus folgendem Grund:
Ich habe den Großteil des Interviews gestern gehört und auch mit dem Gedanken gespielt, mir das Interview ein zweites Mal anzuhören, um objektiver auf die einzelnen Themen einzugehen. Letzten Endes war die Intention meines Beitrags aber nicht, objektiv zu sein, sondern mein Empfinden während des Interviews zusammenzufassen (und dieses anhand einiger Beispiele zu begründen).

Ich gebe zu, dass Aussagen von Frau Schnitzer bei manchen Themen hinterfragt oder vertieft wurden. Außerdem wurde wie von dir geschildert auch konstruktive Kritik am bisherigen System geäußert.

Dennoch empfinde ich weiterhin, dass die Kritik viel zu oberflächlich gehalten wurde und dass auch wie in meinem vorherigen Beitrag erwähnt, den gleichen Narrativen eine Bühne gegeben wurde, wie diese auch überwiegend in den gängigen Medien repräsentiert werden, ohne die Gegenseite (Stichwort MMT) zu nennen. Wenn man in gleicher Weise Ökonomen wie Adam Tooze, Dirk Ehnts oder Maurice Höffgen eine Bühne in der Lage gäbe, würde ich anders empfinden. (Noch) ist dies aber noch nicht der Fall gewesen, daher meine Kritik.

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Und den gab es ja schon einmal. Mit fatalen Folgen für Griechenland. Unter anderem China und Deutschland haben sich ein paar schöne Filetstückchen herausgepickt. Da Deutschland hier auf eine übergeordnete Zentralbank angewiesen ist, ist das nicht ganz so einfach.
Und ich behaupte, dass das Leben auf Pump nach der Ölkrise (das Versprechen, das gebrochen wurde, war, die Verschuldung zu senken, wenn es wieder wirtschaftlich aufwärts geht) viele negative Nebeneffekte hatte. Der Staat braucht hier einen Rahmen, sonst verliert er jedes Maß. A bissl was geht eben immer noch.
Da hat Frau Schnitzer eben recht. Investition auf Pump ist gut, wenn sie in die Zukunft gerichtet ist. Die Rente zum Beispiel ist das gerade nicht. Auch Autobahnen sind das eher nicht, sondern Verkehrsmittel, die zukunftsfähig sind (z. B. die gerade in Regensburg beerdigte Tram-Bahn).

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Ich fand die Aussagen von Frau Schnitzer auch schwach. Vielleicht nicht so extrem wie bei Frau Lemke.
Putzig auch die Aussage, „man könne mal überlegen zu untersuchen, ob manche Firmen ohne Grund die Preise in die Höhe getrieben haben um abzukassieren“. Unglaublich. Wo das z.b. laut Isabella Weber ganz offen in den Earningscalls (schreibt man die so?) kommuniziert wird. So muss ich auch sagen, beinahe ein Totalausfall.

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Naja, sie hat aber auch im Interview gesagt, dass es sie sehr wundern würde, wenn Unternehmen nicht die Chance nutzen würden, die Preise zu erhöhen. Also sie hat keineswegs gesagt, dass sie das für unwahrscheinlich oder gar unmöglich hält, sondern dass sie es für sehr wahrscheinlich hält und das mal wissenschaftlich untersucht werden sollte (es ist generell doch immer sinnvoll, solche Annahmen auch durch wissenschaftliche Fakten zu bestätigen).

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Ihre Aussagen waren wissenschaftlich korrekt.
Was sie nicht beweisen kann, hat sie als sehr möglich bezeichnet, aber nicht bestätigt. Vielleicht eine Strategie, die unseren Diskursen manchmal ganz gut tun würde.

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Jaein. Die Schulden müssten Sie theroretisch nicht zurückzahlen, aber die Zinsen der Schulden müssen bedient werden. Diese Zinsen belasten den Haushalt des Bundes, nicht die Schulden.
Die Zinsen können auch nur zu einem gewissen Teil mit neuen Schulden ausgeglichen werden, weil sonst die Zinsen zusätzlich steigen.
Im Euroraum ist dieses sogar noch gravierender, weil unterschiedliche Volkswirtschaften in einer Währung vereinigt sind ohne eine einheitliche Finanz- und Wirtschaftspolitik zu haben. Japan und die USA haben eigene Währungen und damit ein Instrument mehr mit Staatsschulden um zu gehen.
Ich möchte hier an Griechenland erinnern, die nicht mehr ihre Zinszahlungen leisten konnten, aber die EZB konnte nicht den Euro abwerten.

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Frau Schnitzer hat aber doch den Vorschlag für eine Bundesinvestitionsgesellschaft sehr begrüßt.
„Für Investitionen in Infrastruktur und Schulen sind Schulden sinnvoll.“
Es sollen nur keine Staatsschulden für Konsum aufgenommen werden, was in der Vergangenheit immer wieder passiert ist.

Beim Thema Produktivität hast du Grundsätzlich Recht, aber die Produktivitätssteigerungen haben natürliche Grenzen.
Im Dienstleistungssektor (Pflege, Gasttronomie, Paketzusteller usw.) ist eine Steigerung der Produktivität nur noch begrenzt möglich.

Es gibt diesem Artikel zu Folge ein Problem im Niedriglohnsektor (außer das der Lohn zu tief ist). Der Überfluss an Hilfsarbeitern ist sehr hoch.
Wenn nun die Produktivität in diesem Bereich steigt, was wünschenswert wäre, dann wird es wahrscheinlich in diesem Bereich zu hohen Arbeitslosenzahlen kommen. Damit gibt es wiederum weniger Einzahler in das Umlagesystem…
Ja, man müsste viel mehr aus und weiterqualifizieren, was auch Frau Schnitzer fordert im Interview, aber hier frage mich ernsthaft wie das funktionieren soll?

Ja mit der Bildung, da hat sie sicher recht. Macht ja auch keinen Sinn für Harz 4 die Schule zu besuchen. Wäre dann gut, statt mit Allgemeinplätzen zumindest mit Ansätzen zu kommen.

Aber das ist ja schon eine ganz andere Aussage.
Und ich frage weiterhin ganz naiv:

  • dann könnten wir uns ja immer noch schnell darauf einigen, dass wir 20 Prozentpunkte mehr Staatsschuldenquote (was man damit alles morgen finanzieren konnte…) vertragen können, da wir dann erst auf das Niveau dea europäischen Durchschnitts liegen, der nun nicht jeden Tag kurz vor der Staatspleite steht.

  • nochmals zu meinem ersten Beitrag: können alle Sektoren einer Volkswirtschaft gleichzeitig sparen? Und wenn nein, wer soll dann die Schulden machen (im Übrigen erstmal völlig egal, ob diese konsumtiv oder investiv sind)

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Was MBE geschrieben hat kann ich als Kritik nur Unterstützen.
Zur Not solche Interviews einfach länger machen, ihr seit ja ein Podcast und keine Sendung im ÖRR.

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Die Staatsverschuldungsquote ist in Deutschland nicht sehr trivial herzuleiten. Wir haben Bund, Länder und Kommunen. Diese stehen in einer bestimmten Abhängigkeit zu einander. Darum kann in Deutschland nicht die Gesamtverschuldungsquote eben mal 20% angehoben werden.
Dazu kommt, dass die aus den Schulden entstehenden Investitionen den Markt anheißen werden. Der ist aber in vielen Sektoren schon sehr angeheißt, wie zum Beispiel im Bereich Heizung, Dämmung von Häusern, Straßen und Schienenbau, Ausbau EE. Es würde also einfach die Gewinne der Unternehmen erhöhen und der Effekt wäre weg. Also Gewinne Privatisieren und Schulden Verstaatlichen.

Hier muss es schon eine langfristige Planung geben, wie Frau Schnitzer auch sagt. Damit können Unternehmen Aufträgen planen und damit Kapazitäten gesichert aufbauen.

ABER man muss dabei bedenken, dass je mehr Schulden aufgenommen werden, desto mehr Zinsen müssen von Haushalt erbracht werden, desto weniger kann der Staat in Konsumtive Ausgaben stecken (Arbeitslosengeld, Rentenzuschuss, Kindergrundsicherung, Millitär, Bildung, Gesundheitsvorsorgen, Wirtschaftsförderung).
Man muss sich hier einmal klar machen, dass 35% des Bundeshaushaltes in Arbeit und Rente gehen. 10% ins Militär und schon fast 9% in die Zinszahlungen.

Dazu muss man erstmal den Raum einer Volkswirtschaft bestimmen. Im Prinzip muss jemand eine Investition tätigen wollen wofür er Liqudität benötigt. Das kann er durch die Aufnahme von einem Kredit machen. Wenn keiner in der Volkswirtschaft einen Kredit benötigt, wird der Zins auf Kreditanlagen (ACHTUNG es gibt auch andere Anlagen) auf Null und tiefer sinken. Die Folge wäre, sehr vereinfacht, eine Deflation.
Nun gibt es aber noch andere Volkswirtschaften ausserhalb der betrachteten Volkswirtschaft. Die könnte nun von aussen Schulden aufnehmen. Das ist eigentlich das Geschäftsmodel von Deutschland. Wir verkaufen Güter und bekommen Gutschreibungen (Schulden anderer Volkswirtschaften) im Austausch. Stichwort Exportweltmeister.

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Jetzt kommen wir der Sache langsam näher. In den obigen Beiträgen wurden nun viele Themen angesprochen (investiv oder konsumtiv, Höhe der Zinszahlungen, „Staatspleite“ Griechenlands etc.), zu denen ich bewusst keine weitere Diskussion führen will, da sie meiner Ansicht nach für die Diskussion alle von untergeordneter Bedeutung sind.

Ich würde gerne alles auf die Frage zuspitzen, ob es rein buchhalterisch überhaupt möglich ist, dass der Staat spart, solange Haushalte und Unternehmen in Deutschland nicht sparen. Denn wenn wir hier zur Ansicht kommen, dass das nicht möglich ist, müssen wir alle weiteren Diskussionen vor diesem Hintergrund führen. Und dann schlägt die Argumentation eine ganze andere Richtung ein…

Also, nochmal (und da hätte ich gerne die Meinung von Frau Schnitzer gewusst):

Ist es korrekt, dass mindestens ein Sektor als Schuldner auftreten muss und das bei den aktuellen Bedingungen sparender Haushalte und sparender Unternehmen nur der Staat oder das Ausland sein können? Siehe Erklärungen u.a. hier:

(relevant insbesondere ab dem Kapitel „Die grundsätzliche Bedeutung der Finanzierungssalden)

Von Richard Koo geprägter Begriff der „Bilanzrezension“ zu diesen Bedingungen, in denen der Staat zwingend als Schuldner fungieren muss:

Das ist ganz einfach möglich. Wenn Unternehmen und Haushalte Ausgaben tätigen kommen Steuern rein. Da kann der Staat ganz einfach sparen.

Diese Volkswirtschaftlichen Systeme sind viel komplexer als diese Darstellung. Haushalte und Unternehmen werden immer Ausgaben haben, wodurch Steuern erhoben werden. Währungen und Leitzinsen spielen eine große Rolle. Wechselwirkungen zwischen Volkswirtschafen sind komplex, besonders im Hintergrund der Globalisierung.

Sorry, habe die Frage falsch formuliert sehe ich gerade. Es muss natürlich heißen:

Ich würde gerne alles auf die Frage zuspitzen, ob es rein buchhalterisch überhaupt möglich ist, dass der Staat spart, solange Haushalte und Unternehmen in Deutschland AUCH GLEICHZEITIG sparen

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