Es ist ja nicht so, als ob dazu keine Argumente oder Positionen vorlägen. Bei der Diskussion um die Bezeichnung für das Fahren ohne gültigen Fahrschein, die diesen Sommer erneut geführt wurde, gibt es dazu z.B. Stellungnahmen der „Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland“, die man zur Kenntnis nehmen und für die Bildung der eigenen Position heranziehen könnte. [1] Dann müsste man auch nicht den unangebrachten und anmaßenden Versuch unternehmen, stellvertretend die Position derjenigen einzunehmen, die Alltagsrassismus erleben. Was ich in diesem Gedankenexperiment denken würde ist irrelevant.
Es ist nun allerdings auch keine allzu neue Erkenntnis, dass Werke der High Fantasy wie etwa Tolkiens Lord of the Rings die gesellschaftlich und genremäßig tradierte Schwarz/Weiß-Symbolik in einer Weise einsetzen, die rassistische Konnotationen bedient und implementiert. Auch dass eine strukturell rassistische Gesellschaft diese Disposition in ihrer Kunst und ihrer Sprache mitunter reproduziert ist mittlerweile gut dokumentiert und belegt.
Ich finde es bemerkenswert, dass in diesem Thread die eigene sprachliche und gedankliche Bequemlichkeit gerne als linguistisches oder lexikalisches Fachwissen rationalisiert wird. Es wurde ja richtigerweise schon darauf hingewiesen, dass die Herkunft eines Wortes maximal sekundär über die Bedeutung dieses Wortes entscheidet. Aber selbst wenn man das Argument mal kaufen würde, fällt es doch bei näherer Betrachtung ziemlich in sich zusammen.
Hier wird ja auf die These angespielt, dass das jiddische Wort shvartz (שװאַרץ) vor allem im Rotwelsch die Bedeutung „arm“ hat. In anderen Lexika findet man die Angabe, dass die Bedeutung shvartz ziemlich deckungsgleich mit der des deutschen schwarz ist und sich nicht auf soziale oder ökonomische Aspekte beschränkt. Laut dem Jewish English Lexicon wurden die Pluralform shvartze und die abgewandelte Form shvartza unter aschkenasischen und orthodoxen Juden in den USA im 20. Jahrhundert in einer Weise benutzt, die sich „offensive“ und „as a racist slur“ gegen eine „[b]lack person“ oder eine „[c]leaning person“ richten. [2] Dass dem Wort shvartz keine Diskriminierungsgeschichte eingeschrieben ist stimmt schlicht nicht. Der Punkt ist: Über die Bedeutung eines Wortes entscheidet weniger dessen Herkunft als viel mehr die Geschichte seiner Verwendung, der Kontext der Äußerung, die Sprachumgebung und der Erfahrungsraum von Sprecherin und Empfänger. Edit: Es würde ja vermutlich, wenn nicht eine sehr spezifische Sprechsituation vorliegt, auch niemand auf die Idee kommen, dass das Wort „Aufklärung“ verwendet wird, um ein meteorologisches Phänomen zu beschreiben.
Ich will mit all dem nicht sagen, man solle bzw. müsse sich so oder so verhalten oder dieses oder jenes sei die Lösung des Problems. Irritierend finde ich allerdings die recht selbstbewusst vertretene Auffassung, dass hier überhaupt kein Problem vorläge oder das Problem primär in dem Versuch einer aufoktroyierten Sprachreglementierung bestehen sollte („Müssen wir jetzt auch […]?“ / „1984“). Hold your horses.
[1] Schwarzfahren: Verkehrsgesellschaften verzichten auf Begriff "Schwarzfahren" | DIE ZEIT
[2] shvartse - Jewish English Lexicon