spinnerte (?) Idee: "Projektpartei"

Hallo Ulf und Philip,

mir kam beim Anhören der Lage mit Anne Will ein Gedanke und ich wollte den gerne mal zur Diskussion stellen.

Ihr habt darüber gesprochen, dass hochgradig belastenden Probleme von den etablierten Parteien einfach von Legislaturperiode zu Legislaturperiode verschleppt werden. Seit Jahrzehnten geht nichts voran, und der Wahlerfolg in New York sei darauf zurückzuführen, dass Zohran Mamdani genau solche Probleme ins Zentrum seines Wahlkampfes gestellt hat.

Was wäre, wenn sich für kommende Bundestagswahl eine „Projektpartei“ bilden würde? Beispiel: Projekt „Wohnungsnot“.

· Sie würde als ganz normale Partei antreten.

· Sie hätte aber genau ein Projekt: Die quälende Wohnungsnot ernsthaft anzugehen und wirksame Lösungen umzusetzen.

· Diese Lösungen wären mit Experten zuvor gut ausgearbeitet und allen Wählern vor der Wahl transparent.

· In wirklich allen anderen Fragen wären die Abgeordneten dieser Partei allein ihrem Gewissen verpflichtet.

· Einzige Bedingung an die Parteimitglieder: Eine unbeirrbare demokratische Grundüberzeugung und ein Bekenntnis zur Meinungsfreiheit und zur EU.

· Denkbar wäre vielleicht auch, dass in den Statuten enthalten wäre: Die Partei würde sich nach einer Legislaturperiode wieder auflösen, so dass der Gedanke an die Wiederwahl das Handeln nicht beeinflussen würde. (Macht das Sinn? Ja, nein, vielleicht, warum, warum nicht?)

· Bei einer Koalition wäre ein Vorübermogeln an genau dieser Frage Wohnungsnot nicht mehr möglich, denn mit ihr stünde und fiele die Koalitionsbereitschaft. Kompromisse gäbe es bei allen anderen Themen – hier müssten die Koalitionspartner dann nach Gemeinsamem suchen und um Mehrheiten ringen wie immer. Das wäre natürlich schwieriger als bei den etablierten Parteien, klar.

Wäre ein solches Projekt nicht eine Idee, um das Vertrauen der Menschen in die Handlungsfähigkeit demokratischer Prozesse wieder zu stärken?

Das ist eine Idee ins Unreine und ich verstehe nicht genug davon, um einschätzen zu können, wie realistisch eine solche Projektpartei wäre. Ein anderes drängendes Thema wäre da natürlich auch die Rente.

Vielen Dank für Eure Arbeit und alles Gute für’s Baby!

“Projektparteien” sind praktisch nirgendwo und nie erfolgreich, weil praktisch kein Wähler seine Entscheidung nur an einem Thema festmacht. Ja, viele Grünen-Wähler wählen die Grünen wegen ihrem klaren Standpunkt in Sachen Klimaschutz. Aber die selben Menschen haben auch Prioritäten in Sachen Bildungspolitik, Migration, etc. und erwarten, dass die Partei sich auch mit diesen Prioritäten auseinandersetzt.

Vielleicht bekommt man mit einer klaren Positionierung, guter Öffentlichkeitsarbeit und prominenten Politikern bei einem wichtigen Thema mit so einer Partei auf 10% der Stimmen. Und dann? Kann man immer noch nichts umsetzen, es sei denn man wird rein zufällig für eine Koalition gebraucht. Und dann muss man Kompromisse mit seinem Koalitionspartner(n) machen. Das Ergebnis ist zwangsläufig Enttäuschung.

Und wenn man wider erwarten eine gestalterische Mehrheit bekommen könnte? Dann müsste man neben dem Lieblingsthema doch wieder jede Menge andere Dinge entscheiden. Daran würde die Partei dann wohl schnell zerbrechen, denn für alle diese Themen gibt es ja keinerlei Konsens unter den beteiligten Menschen, die aber natürlich trotzdem alle eine Meinung zum Thema Rente, Verteidigung, Bildung usw. haben.

Unterm Stricht glaube ich kein erfolgsversprechendes Modell und ohne erfolgreiche historische Vorbilder. Eine Ausnahme sehe ich vielleicht noch in der Kommunalpolitik, wo 95% der Entscheidungen ohnehin jenseits jeder Parteiideologie getroffen werden. Wenn da genug Menschen eine neue Turnhalle wollen, dann kann man das vielleicht innerhalb einer Wahlperiode mehr oder weniger durchziehen, ohne sich über irgendwas anderes komplett zu zerstreiten.

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Ich denke, wir benötigen das Gegenteil:

Eine Partei, die mit einem ausgereiften „Programm der Nation“ die Top 5-10 großen, seit Jahrzehnten ungelösten Probleme Deutschlands angehen. Und antreten (ähnlich wie zuletzt Woidke in Brandenburg) mit der Aussage: „Wenn wir damit nicht wenigstens > 40% der Wähler überzeugen, werden wir uns an keiner Regierung beteiligen“.

Ziel muss sein, dass eine Partei das, was sie vorhat, konsequent, d.h. ohne faule Kompromisse umsetzen kann, die jede Maßnahme wirkungslos machen. D.h., entweder, sie muss mit demokratischen Mitteln allein eine absolute Mehrheit erreichen oder mit einem kleine Koalitionspartner regieren, der zu wenig Macht hat, um faule Kompromisse durchzusetzen.

Nach 4 (besser verlängert auf 5) Jahren stellt sich diese Partei ganz normal wieder zur Wahl. Da sie 4 (besser 5) Jahre ohne faule Kompromisse haben regieren können, haben sie gute Chance, dass das Wahlvolk große Änderungen in die richtige Richtung erkennt und diese Partei wieder wählt.

Eine der Top-Probleme, die als erstes angestoßen werden müssen, ist eine große Staatsreform, die die Ursachen beseitigen soll, die die Politik in den letzten 3 Jahrzehnten spürbar wirkungsloser werden ließen, so dass Demokratie von so vielen als gescheitert angesehen wird.

Wichtig ist dabei:

  1. Das kann keine der etablierten demokratischen Parteien sein, weil die in den Augen des Wahlvolk faktisch „verbrannt“ sind. Oder eine fähige, seriöse, professionelle und charismatische Persönlichkeit muss eine der demokratischen Parteien „übernehmen“ und in der Außenwahrnehmung radikal verändern (ähnlich wie Kurz mit der ÖVP - halt nur mit der richtigen Haltung und dem richtigen Programm).
  2. Das ausgereifte „Programm der Nation“ (einschließlich der großen Staatsreform) darf nicht in den Abstimmungsprozessen eines Parteiapparats entstanden sein (was ebenfalls zu vielen faulen Kompromissen führen würde), sondern muss auf den so zahlreichen Lösungen basieren, die fast alle bereits so gut wie ausgereift vorliegen (nur im Übertragenen Sinn, quasi als Gedankenexperiment: Nimm sämtliche Ausgaben der LdN einschl. aller Experteninterviews, trainiere damit eine KI. Ergänze diese durch die zahlreichen in Schubladen liegenden Lösungen, die Fachleute und Ministerialbeamte entwickelt haben. Prompt: „Schreibe mir das „Programm der Nation“ für folgende Probleme [Top-10-Probleme Deutschland, siehe z.B. im o.a. Link zur großen Staatsreform]. Ziel: Erhaltung und Stärkung der Demokratie. Angemessener Wohlstand und Wohlbefinden für alle (Wachstum ist dabei nicht wichtig). Einhaltung der planetaren Grenzen. Innere und äußere Sicherheit. Gesundheit für alle - mit einem Schwerpunkt auf Prävention. Würdevolles Leben, auch für Kinder und Alte.“
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