Ich will die Inhalte der vorherigen Threads zum Thema hier nicht wiederholen (Links dazu unten im Post), aber vielleicht als Hinweis: T-Online hat heute die geschwärzte Fassung des sogenannten Sudhof-Berichts im Volltext veröffentlicht: https://www.t-online.de/s/uploads/2025/pdf/Sudhof.pdf
Eine Erläuterung, was da so drinsteht und was daran problematisch ist, gibt es hier:
Fassen wir die Vorwürfe zusammen. Spahn hat aus Ehrgeiz und Naivität sich als großen Macher darstellen wollen und deswegen entgegen des Rates seiner Fachebene die Beschaffung selbst im BMG geregelt, statt sie ans Bundesbeschaffungsamt abzugeben.
War das ein Fehler, ja. War es dumm, vermutlich auch.
Hätte es das Beschaffungsamt besser hinbekommen? Günstiger und rechtssicherer bestimmt. Aber erfahrungsgemäß hätten wir dann Masken in ausreichender Stückzahl erst Jahre später erhalten.
Für mich ist der Maskenskandal eigentlich zweitrangig. Wichtiger war, dass einige brauchbare Masken da waren. Der Preis und ob wir Geld in den Sand gesetzt haben ist für mich relativ zweitrangig. Das gilt für mich analog zum Betrug bei der Abrechnung von Schnelltests.
Viel schlimmer und in der Aufarbeitung wichtiger finde ich den spalterischen gesellschaftlichen Umgang miteinander, mit Kindern/Jugendlichen, mit Kritikern (nicht den Covidioten), unter Wissenschaftlern (bspw. zwischen Drosten und Streeck aka Studienverriss ohne die Studie gelesen zu haben). Eine Aufarbeitung wie es dazu kommen konnte, welche medialen Mechanismen es gab und warum unser Mindset darauf ausgelegt ist, lieber Fehler zu verhindern als Dinge möglich zu machen, ist so viel notwendiger.
Stattdessen diskutieren wir jetzt warum Spahn in einer Notsituation Verantwortung und damit sich selbst übernommen hat. Niemand sollte sich in einem solchen gesellschaftlichen Klima darüber wundern wenn Verwaltung überwiegend defensiv agiert und sich lieber absichert als einfach mal zu machen und etwas zu riskieren.
Wenn er Verantwortung übernehmen würde, hätte er seine politische Karriere längst beendet. Klar versucht er Inkompetenz als Entschlossenheit zu framen. Aber man kann inkompetent sein und entschlossen handeln. Das macht die Resultate sogar schlimmer.
Und Inkompetenz ist das Bestcase Szenario. Das alles riecht nach Vetternwirtschaft bis Korruption.
Ich kann den Eindruck verstehen, möchte aber auf die besondere Lage verweisen. Ich halte es für absolut nachvollziehbar in einer solchen Situation als erstes bei Unternehmern anzufragen, die ich kenne und als verlässlich einschätze, statt erstmal internationale Ausschreibungen zu veröffentlichen.
Und so enthält der Sudhof-Bericht diese
Nochmal, es war sicher dumm und eine Folge von Spahns Geltungsbedürfnis. Hat er vielleicht seine Chance auf eine mögliche baldige Kanzlerschaft gesehen wenn er sich als Held in strahlender Maske präsentiert?
Andererseits, wie wirkt das alles wohl auf Menschen in der Verwaltung. Darauf in Eigenverantwortung irgendwas „kreativ“ zu entscheiden macht das eher keine Lust. Dabei wäre Verantwortungsübernahme in der Verwaltung so wichtig.
Das geh ich nicht mit. Spahn hat wie du selbst sagst inkompetent und dumm reagiert und so etwas muss zwingend Konsequenzen haben. Hinzu kommen die fragwürdigen Partner aus seiner Bubble (sein Ehemann war involviert, geht schlicht nicht). Das kann man doch nicht ernsthaft in Ordnung finden. Eine Notlage darf doch kein konsequenzloser und rechtsfreier Raum werden, den dann besonders Parteien mit offenen Taschen dann direkt ausnutzen.
Das diskutieren wir nicht. Wir diskutieren darüber, dass er in seiner Verantwortung als Minister sich entgegen des Rates seines Ministeriums verhalten hat. Er hat sich innerhalb der Regierung als Einzelperson positioniert, in einer Situation in der es darum ging als Team zu spielen. Auch ein Minister muss in der Lage sein unter Druck rationale Entscheidungen zu treffen.
Was meiner Meinung nach völlig unter den Tisch fällt:
Das er nach dem gestoppten Verfahren der Maskenlieferungen im „Open House“ Verfahren, einen weiteren Vertrag unterzeichnen ließ, der weitere Masken zu einem noch höheren Preis als im vorhergehenden Verfahren eingekauft hat.
Wie kann man das begründen?
Wie kann man begründen, dass für diesen Vertrag, Personen aus seinem Umfeld oder dem Union Umfeld aktiv waren und ohne Ausschreibung den Zuschlag bekamen?
Wie gesagt, obwohl schon zu viele Masken da waren.
Weiterhin stellt sich die Frage, warum es unbedingt FIEGE sein musste. Schließlich haben ihn alle dazu geraten größere Unternehmen zu nehmen. Nach dem Fiasko wurden ja die größeren Unternehmen hinzugezogen. Dass die Lagerkapazität bei viel Gericht ausreichen würde, wäre simple Mathematik (meiner Kenntnis nach, musste sogar die Bundeswehr den Logistikdienstleister unterstützen, damit er wenigstens halbwegs zurechtkommt).
Was ich interessant finde ist, dass auch die konservativen Podcast wie z.b Machtwechsel sehr handzahm mit diesem Thema umgehen.
Das ist ein falscher Gegensatz den du hier aufmachst. Er hätte es auf die selbe Art an ein Unternehmen vergeben können, dass der Aufgabe gewachsen war.
Das Unternehmen DHL kannte er sicherlich mindestens genauso gut wie die kleine Spedition im Nachbarwahlkreis.
Ich kann diesem Narrativ „Es war eine Notlage, da ist es doch besser, einer macht was, als das nichts passiert“ mit der dazugehörigen Dichtomie von Spahn als „Macher“ einerseits und einer aus was für Gründen auch immer nicht ausreichend handlungsfähigen Verwaltung nichts abgewinnen.
Man schon drüber diskutieren, inwiefern bezogen auf die Beschaffung von Masken 2020 überhaupt eine „Notlage“ bestand: Ja, es gab akuten Bedarf und ja, in Deutschland gab es - entgegen aller Pandemiepläne - keine entsprechenden Vorräte. Aber es war auch ziemlich schnell klar, dass bei entsprechendem Geldfluss ein Einkauf auch von größeren Mengen Masken im Ausland kein wirkliches Problem darstellt. Und da Geld offenbar keine Rolle spielte, waren die eigentlichen Fragen: Wer macht’s? und Wie wird’s gemacht?
Wenn man mit diesen beiden Fragen an die Causa Spahn rangeht, bleibt aus meiner Sicht nicht viel, was man noch gut finden kann. Spahn hat als Minister eigenmächtig und hemdsärmlig gehandelt, z.B. Verträge per SMS geschlossen etc. - was m. E. nicht automatisch etwas Gutes ist, nur weil man sich in einer Krise befindet. Erst recht nicht, wenn man - wie Spahn - sich gern als der Einzige inszeniert, der etwas tun, während man a) den Rat und die Expertise von Menschen übergeht, die weitaus kompetenter sind, b) sich nicht an Verabredungen und Vorgaben hält und dabei c) noch Vetternwirtschaft betreibt, um es mal freundlich zu formulieren.
So gab es zum Beispiel einen Krisenstab, in dem besprochen wurde, wie viele Masken eigentlich benöitigt werden, wo man sie herbekommen kann und wie man das Ganze logistisch bewältigen kann. Aber Herr Spahn kauft einfach viel mehr Masken ein, als benötigt werden, zahlt dafür mehr als nötig ist, beauftragt Unternehmen, die mit der Logistik völlig überfordert etc pp.
Natürlich ist das jetzt nicht das Jahrhundertverbrechen, aber es ist eben symptomatisch. Ebenso wie es symptomatisch sein wird, dass es Spahn nicht schaden wird, weil niemand in der Union sich traut, ihn wirklich anzugehen und die SPD die Füße stillhält. Aber zumindest für lückenlose Aufklärung sollte man hier eintreten.
Dass es eine umfassende Aufarbeitung des Umgangs mit der Coronapandemie bräuchte, steht für mich außer Frage. Aber beides gegeneinander zu stellen, macht überhaupt keinen Sinn.
Ich pflichte Dir da bei: Die Verteidigung von Spahn ist „es war eine Notlage, und das war doch kein Verbrechen!“
Das stimmt zwar, steht aber nicht zur Debatte.
Die Frage ist vielmehr, ob er diese Krise als zuständiger Gesundheitsminister kompetent und möglichst gut für 80 Millionen Menschen gemanagt hat? Oder eher wie irgendein Typ von der Straße?
Hier bin ich ganz bei dir. Aufklärung braucht es in dem einen wie auch dem anderen Fall. Wenn aber Forderungen nach Rücktritt aufgebaut werden und schwere strafrechtliche Vorwürfe in den Raum gestellt werden, wie es hier geschieht, geht das zu weit.
Es muss eine Aufarbeitung in dem Sinne geben, dass wir bilanzieren was wir in Zukunft besser machen können. Schuldtribunale, wie von rechten Spinnern, aber auch Unions(/Spahn)kritikern gefordert, bringen uns null weiter. Im Gegenteil sie schaden der Forderung nach einer Verwaltung, die sich auch mal was traut und nicht hundertfach rückversichert.
Deutschland ist schon so oft gefangen in einer Rückständigkeit, die teilweise darauf zurückzuführen ist, dass jeder eine Heidenangst davor hat für mögliche Fehler verantwortlich gemacht zu werden. Und das betrifft uns alle, nicht nur die Verwaltung.
Google mal „CDU fordert Rücktritt“. Wir reden hier von einem Schaden in Milliardenhöhe. Im Zuge der Maskenbeschaffung haben sich CDUler um Millionen bereichert. Hier einen auf „Fehlerkultur“ zu machen, ist in meinen Augen fehl am Platz.
Ich kann in allen Berichten keine Kritik an der Verwaltung erkennen. Im Gegenteil scheint die Verwaltung alle richtigen Vorschläge gemacht zu haben.
Warum genau geht das zu weit? Es gibt ja u. a. aufgrund des Sudhof-Berichts den begründeten Verdacht, dass Spahn auch womöglich strafbare Handlungen begangen haben könnte. Bei dir klingt es so, als seien das lediglich völlig unbegründete „Vorwürfe“. Diese Kritik an konkreten Handlungen Spahns haben auch nichts zu tun mit den von dir angeführten Rufen nach einem „Schuldtribunal“.
Ich weiß nicht, was solche Pauschalurteile - egal ob sie nun stimmen oder nicht - zu einer Aufklärung des konkreten Falls beitragen sollen. Wer den Bericht liest, kommst jedenfalls nicht zu dem Schluss, dass Spahn so handeln musste, wie er es getan hat, weil sonst nichts passiert wäre. Das ist m. E. Teil des Notlage-Narrativs, das aber einer empirischen Überprüfung einfach nicht standhält.
D’accord - ist aber eine komplett andere Baustelle als der Fall Spahn.
Nein, der Ansatz von Strafverfolgung (oder auch einer disziplinarrechtlichen Ahndung bei Beamten) ist nicht, dass „das Problem weg ist“, sondern dass die Regeln, gegen die verstoßen wurde, in Zukunft eingehalten werden.
Es geht bei der Aufarbeitung von Corona ja, wenn wir ehrlich sind, nicht um die Frage, was haben wir daraus gelernt und was können wir künftig in vergleichbaren Krisen besser machen.
Sondern erstmal, was war alles schlecht (im Nachhinein betrachtet!) und wer ist daran schuld.
Das bei Rechtsverstössen die Strafverfolgung greift, ist ja unbenommen und richtig.
Ich höre aber in der gesamten Aufarbeitung den konstruktiven Ansatz nicht wirklich heraus.
Mag aber ein Medienproblem sein.
Ich habe mich auf das Thema des Threads bezogen, auf den Fall Spahn.
Wie eine Aufarbeitung des Umgangs mit der Coronapandemie aussehen könnte und sollte, ist eine ganz andere und zudem sehr umfassende Frage, die m. E. in einem anderen Thread besser aufgehoben wäre.
Ich gebe zu, ich habe nur die acht Seiten Zusammenfassung des Sudhof-Berichts gelesen, so wie sie T-Online hochgeladen hat. Dort wurde tatsächlich die Thematik Vergaberecht und persönliche Beziehungen angesprochen, aber meiner Empfindung nach sehr am Rande.
Der geringe Umfang und die sehr weiche Sprache, in der darüber geschrieben wurde, hat bei mir auf jeden Fall nicht den Eindruck offensichtlich strafrechtlich relevanten Verhaltens hinterlassen, eher eines fahrlässig egoistischen, dummen Selbstdarsteller-Gehabes.
Mich würde interessieren, ob diejenigen, die im Bericht klar oder möglicherweise strafbare Handlungen sehen, den Bericht in Gänze gelesen haben und wo sich im weiteren des Berichts diese klaren Hinweise oder sogar Belege finden.
Denn ehrlich gesagt fehlt mir für das Lesen des gesamten Berichts schlicht die Zeit. Wenn da jemand helfen könnte wäre ich sehr dankbar.