Sozialstaat - wiederkehrende Debatte um Kürzungen und Eigenverantwortung

Bei dieser Idee 90% Vermögenssteuer ab Vermögen X stelle ich mir vielmehr die Frage wie man sich das in der Handhabung vorstellt.

Es ist ja nicht so, dass jeder dessen Unternehmen mehr als 10 Mio. Wert ist die liquiden Mittel hätte Jahr für Jahr eine solche Steuerlast zu tragen, sondern das bedeutet, dass es zwei Möglichkeiten gäbe:

  1. man verkauft Anteile an Investoren und bedient die Steuer aus dem Verkaufserlös
  2. die Anteile gehen an den Staat

Im Falle von 1) hätte der Staat kurzfristig hohe Einnahmen, langfristig würde aber das Kapital quasi komplett ins Ausland abfließen. Die Entscheidungsgewalt über die großen Unternehmen läge dann auch nicht mehr in den Händen hiesiger Unternehmer sondern bei Konzernen und Investoren im Ausland.

Im Falle von 2) muss der Staat ja ein Konzept haben was er mit diesen Anteilen macht. Wen setzt er als Geschäftsführer ein? Welcher Teil des Gewinns wird im Unternehmen behalten und investiert und welcher an die Gesellschafter ausgeschüttet. Wie viel Einfluss nimmt man auf die Ausrichtung des Unternehmens?

Schon bei den wenigen Unternehmen bei denen der Staat eine große Rolle als Eigentümer spielt gibt es ja Kritik. Wie soll das dann sein wenn wir über tausende solcher Unternehmen reden.
Soll das Konzept dann ähnlich sein wie bei den VEB? Wird über jede Firma in Gremien entschieden oder durch einzelne Personen? Wie erfolgt die Kontrolle, dass die Betriebe nicht heruntergewirtschaftet werden?

Wird es eine Strafe geben wenn jemand seinen Betrieb Absicht so führt, dass er nie über das Limit kommt?

Solange man hierzu keine Antwort hat sehe ich eine solche Forderung als blanken Populismus.

Edit:
Da frage ich mich, ob das wirklich Mittel- bis Langfristig die Situation für alle verbessern würde oder ob wir dann nicht eher dort landen wo die sozialistischen Staaten am Ende gelandet sind.

Schöne Posten für die Eliten und dem Rest geht es dann schlechter als heute den Bürgergeldempfängern.

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Mein Vorschlag wäre: Der Betrieb wird in eine Genossenschaft umgewandelt, die dann über einen Zeitraum, der je nach individueller Situation zu bestimmen ist, den Vermögensanteil, der dem Staat zusteht, als Kredit zurückzahlt.

Man könnte aber auch Fragen unter welchen Bedingungen, es für den Arbeitssuchenden attraktiver wäre umzuziehen. (Spoiler: vielleicht Lohnniveau+Arbeitsbedingungen?)
Der Reflex bei sozioökonomisch Benachteiligten an der Zumutungsgrenze zu schrauben, während bei privilegierten standardmäßig nur über Anreize gesprochen wird, zeugt in meinen Augen von einer Art relativer Menschenwürde, die mir im Widerspruch zum GG zu stehen scheint.

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Was die Pflichten des Staates sind ist eine politische Frage, die es immer wieder demokratisch auszuhandeln gilt. Das mag Deine persönliche Präferenz sein, es ist aber kein absolutes Faktum.

Die Frage ist, was genau als Leistung bezeichnet wird und was als Fehlverhalten. Für die einen ist das Reisen im Privatjet zu Lasten der Umwelt ein Fehlverhalten. Für andere ist es, wenn Leute einen Termin verpassen. Für die einen ist Leistung Menschen im persönlichen Umfeld zu helfen für andere die eigene Kapitalanlagen zu pflegen.
In einer pluralistischen demokratischen Gesellschaft werden wir da mit einer gewissen Unschärfe leben und etwas mehr Toleranz aufbringen müssen.
Und wenn da Interventionen nötig angedacht werden, sollten sie evidenzbasiert in einem angemessenen Verhältnis zu dem abzuwendenden Schaden stehen.

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Jetzt bin ich in Sachen Genossenschaften auf mein Wissen aus dem etwas zurückliegenden Wirtschaftsunterricht beschränkt, aber wenn ich mich richtig erinnere, dann war bei Genossenschaften unter Nachteile, dass sie eher träge strukturiert sind, mit der Pflicht zu großen Rücklagen und daher weniger geeignet wären in Bereichen wo flexibel Entscheidungen getroffen werden müssen. Inwiefern das mit mittelständischen bis großen Firmen die oftmals international tätig sind zu vereinbaren ist, wäre jetzt die Frage.

Weitere Fragen wären wer denn dann die Genossenschaftsanteile übernehmen sollte. Es wären ja viele, viele Milliarden an Wert die hier in Anteilen zur Verfügung stünden.
Den bisherigen Firmeninhabern würde damit ja auch das Recht selbstbestimmt Entscheidungen zu treffen entzogen werden. Ich denke viele bisher Inhabergeführten Unternehmen müssten somit auch was die Führung angeht neu aufgestellt werden, weil sich die Inhaber zurückziehen.

Zudem wäre meine Vermutung, dass der übliche Weg gerade bei den attraktivsten Firmen eher der Weg 1) wäre.

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Das greift doch etwas kurz und ist so wie du es beschreibst falsch.
Die Angebotsschocks sind real. Und Sie treffen Soziallleistungsempfänger am meisten, weil dort die Ausgaben für absolute Basics relativ am Einkommen am höchsten ist. Diese Basics sind dann auch noch überproportional teurer geworden als die durchschnittliche Inflationsrate.

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auf individueller Ebene ist das tatsächlich (und gewollt) eine Art Vermögensbremse. Auf makroökonomischer Ebene ist allenfalls die Schuldenbremse eine Vermögensbremse.
[gelöscht wegen Redundanz im Thread]

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Disclaimer: Ich habe Angehörige, die in der Altenpflege arbeiten. Ich bekomme daher ein bisschen was mit.

Am Anfang würde der Mangel sicher noch größer und einige Einrichtungen würden eventuell sogar temporär den Betrieb einstellen müssen und Angehörige in die Familien entlassen müssen (analog Notbetreuung in der Kita). Die daraus entstehende Unzufriedenheit würde dann Druck auf Unternehmen (und die Politik, da die über die Pflegekassen maßgeblich Einfluss auf die finanzielle und durch überüberbordende Bürokratie auf personelle Situation der Einrichtungen hat) ausüben, endlich für eine Bedingungen zu sorgen.

Solange das System nicht kollabiert werden wir auf eine Verbesserung vergeblich warten müssen. Aktuell wird das System von Idealisten und Veränderungsaversen am Laufen gehalten, womit sie sich selbst und dem System langfristig eher schaden. Es benötigt mindestens akut eine viel stärkere Gewerkschaftsbindung, aber selbst da versagt der Sektor ja.

Die Angebotsschocks gab es doch in den Jahren 2021 und 2022. Der massive Anstieg des Sozialbudgets fand doch in den Jahren zuvor statt. Beispielsweise 2016, da stieg die Inflation um weniger als 0,5%, das Sozialbudget jedoch um über 4%. Dabei kann ich mich nicht erinnern, dass in dem Jahr Lebensmittelpreise, von denen Ärmere besonders betroffen wären, massiv gestiegen waren. Hast du da andere Daten?

Ich komme gerade nicht mehr mit. Meinst du gestiegene Sozialausgaben als absolute Zahl, egal für was?

Ich stelle mir das gerade vor: Die Pfleger werfen hin, machen Umschulung zu Büro-Job. Pflegeheime müssen Betten abbauen, die Angehörigen müssen sich zum selber pflegen frei nehmen. Die Produktion sinkt. Durch die verringerten Einkommen der häuslich Pflegenden sinkt aber auch die Nachfrage. Leider fehlt mir die Fantasie, welcher Politiker in dieser Situation drohender Rezession für die Schaffung hoch bezahlter Jobs in der Pflege eintritt. Der Erfolg würde sich ja erst mit Verzögerung einstellen.

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Das Sozialbudget bezeichnet alle Sozialausgaben eines Staates in Bezug auf seine Wirtschaftskraft BIP. Es ist also eine relative Größe. @PhilippBo bezog sich in

explizit auf einen Beitrag in dem ich den Anstieg des Sozialbudgets auf Basis historischer Daten mit der Inflation verglich. Es zeigte sich, dass das Sozialbudget seit 1970 durchgängig stärker und meist sogar viel stärker stieg als die Inflation - der Sozialstaat also kontinuierlich ausgebaut wurde - anders als oft suggeriert wird.

Eine Ausnahme gab es in den Jahren 2021&2022(& vllt. auch 2023, aber da gibt es noch keine Daten). Der Angebotsschock durch die Lockdowns und die russische Invasion in der Ukraine führte zu einem historisch einmaligen Anstieg der Inflation, mit dem das Sozialbudget nicht mithalten konnte. Defacto dürfte dies das Sozialbudget aber nur um einige Jahre zurückgeworfen haben, auch wenn man berücksichtigt, dass der Warenkorb bei Ärmeren abweicht.

Hier der Beitrag, auf den @PhilippBo sich bezog.

Naturgemäß werden natürlich nicht alle Pfleger gleichzeitig den Job wechseln. Realistisch sind wohl eher ein paar Prozent in 5 Jahren. Das heißt, es gäbe eine Übergangsphase in der dies punktuell eintreten würde. Es gäbe genug Zeit um gegenzusteuern, vor allem mit wirtschaftlich gebildeten Politikern, die schnell merken, dass eine Arbeitskraft, die Opi pflegt, dem gelernten Job nicht mehr zur Verfügung steht.

Wenn ich meinen Angehörigen so zuhöre ist die Bezahlung aber nicht das große Problem. Urlaub und Wohnung könne man sich (als Fachkraft) schon leisten. Was nervt seien die unbezahlten Überstunden (locker 4-5 pro Woche) und das gerenne von Patient zu Patient um den Laden am Laufen zu halten. Da helfe aber schon wenn als unsinnig empfunden oder als unsinnig empfundene Dokumentationspflichten (bspw. Protokolle übers Waschen und Anziehen pro Patient) entfielen oder zumindest digitalisiert und automatisiert würden. Dieser Schreibkram nähme pro Woche auf einer Station allein 6-8 Stunden der Arbeitszeit ein. Medikamenten-Blister händisch zusammenstellen dauere 1-2 weitere Stunden pro Tag pro Station, obwohl das Unternehmen (große Apotheken) automatisch könnten. Es gäbe Hebel um die Arbeit angenehmer zu machen, aber man müsste sie ziehen.

Und nebenbei, besser als ein Job-Exodus wäre natürlich eine starke gewerkschaftliche Organisation. Aber die ist in der Pflege unterirdisch.

Nun sollten wir aber versuchen den Thread nicht zu verwässern.

Wie sollte sich die Hilfe zur Selbsthilfe in diesem Fall nun ausgestalten?

Und wahrscheinlich wieder nur untere Einkommen treffen würde, da die sich keine Pflegekraft privat leisten können. Aus diesem Grund ist die Idee abzulehnen.

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Bessere Arbeitsbedingungen und höheres Gehalt, sehr gut Idee.

Nur, wer bezahlt dieses? Kannst du mir eine Vorstellung geben, wie du dies finanzieren möchtest?

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Ich sehe hier keine einfache Lösungen. Akut könnte die Bundesregierung durch Bürokratieabbau die Arbeitsbedingungen massiv verbessern, aber welche Regierung in Deutschland hat jemals Bürokratie abgebaut?! Zumal ohne, dass öffentlicher Druck sie dazu zwingt.

Und so hängt es an den Idealisten zu erkennen, dass sie mit ihrer Selbstaufopferung nicht nur sich selbst sondern allen schaden. Ich habe vor einiger Zeit beim Betrieb eines Bekannten von einem interessanten Konzept zur Stärkung der Gewerkschaftsbindung gehört. Die Gewerkschaft hat dort zusätzlich zum Verhandlungsergebnis einen Bonus nur für Mitglieder herausgehandelt. Er lag etwa in der Höhe der Gewerkschaftsbeiträge eines durchschnittlichen Mitarbeiters bis zum Ende der Laufzeit - quasi Gewerkschaft zum Nulltarif.

Wie oben beschrieben. Bürokratieabbau gibt es zum Nulltarif und der entlastet schon enorm. Mehr Gehalt oder mehr Fachkräfte Arbeitskräfte würden natürlich Geld kosten und hier müssen wir uns ehrlich machen. Jens Spahn hat zum Ende seiner Amtszeit den Elternunterhalt bis zu 100.000 € Einkommen ausgesetzt. Möglicherweise war das ein Fehler und stattdessen hätte man lieber die Unterhaltssätze anpassen sollen?!

Darüber hinaus müssen wir die Pflegekosten aber grundsätzlich in den Griff bekommen. Wenn wir auf die demografische Entwicklung schauen und die Pflegebedürftigkeit einbeziehen, dann kommt da ein Fass ohne Boden auf uns zu. Da können wir auch Vermögenssteuern einführen oder Pflegebeiträge signifikant erhöhen. Das wird uns nicht helfen, zumal wir das Geld an anderer Stelle viel dringender benötigen.

Hör doch bitte auf so zu tun als ob immer nur Ärmere alle Lasten tragen während die Einkommensstärkeren gepämpert werden. Gerade die Änderungen am Elternunterhalt haben eher untere und vor allem mittlere Einkommen entlastet. Und by the way, ich kenne literally niemanden der sich eine private Pflegekraft leisten kann oder würde. Die sind nämlich sehr teuer. Es geht also nicht um untere Einkommen, sondern eher um alle außer den Top 5 %.

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Ist aber in deinem Plan die Konsequenz. Außerdem ist er grundlegend fragwürdig, da dadurch wahrscheinlich wieder Frauen die Pflege machen müssen.

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Leider typischer FDP Sprech. Erklär uns doch mal bitte, was Du genau meinst. Was genau soll man abbauen und weswegen spart man dort Geld?

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Vielleicht hilft es schon, keine neue Bürokratie aufzubauen. Siehe Folge 362, Interview mit Ministerin Pau. Die Freude, mit der sie den Aufbau einer neuen 5000-Mann(Frau) -Behörde schildert, lässt einen fassungslos zurück.

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